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Der Rechtsschutzverein fur die bergmannische Bevolkerung des Oberbergamtsbezirks Bonn war ein gewerkschaftsahnlicher Zusammenschluss der Bergarbeiter an den Gruben des Saarreviers Er war eine der ersten deutschen Bergarbeitergewerkschaften bestand aber nur sieben Jahre vom 4 August 1889 bis zum 27 August 1896 Das Saargebiet war kurze Zeit vorher mit seinen Kohlegruben dem Preussischen Bergfiskus zugeteilt worden und gehorte zum Amtsbezirk Bonn Historisch korrekt ist die Bezeichnung ohne Fugen s im Wort Rechtsschutzverein was sich aber im Laufe der Jahrzehnte verschliffen hat Grube Altenwald 1866Grube Reden ca 1900 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Geschichte 2 1 Politische und wirtschaftliche Entwicklung ab 1870 2 2 Vorgange auf den Gruben 2 3 Grundung und Ende des Rechtsschutzvereins 3 Einzelnachweise 4 LiteraturVorgeschichte BearbeitenBereits zu Beginn des 19 Jahrhunderts gab es Zusammenstosse zwischen der jungen preussischen Bergwerkverwaltung und ihren Bergleuten Grund waren die Bestrebungen des Arbeitgebers unterschiedliche Lohngruppen fur Hauer und Schlepper zu bilden Der Arbeitskampf an den Gruben Grosswald und Klarenthal verzogerte die Ziele des Bergfiskus um drei Jahre Zwischen 1856 und 1875 kam es im Industrierevier Saar zu zwanzig Arbeitseinstellungen 1 S 44 Die sogenannte sozialdemokratische Agitation die ebenfalls den Streik als Kampfinstrument einzusetzen bereit war wurde anfangs erfolgreich von den Behorden und Unternehmern unterdruckt 2 Im Grunde war diese Auseinandersetzung zwischen abhangig Beschaftigten und Produktionsmittelbesitzern bereits ein wirkmachtiger Klassenkampf 3 S 6Geschichte BearbeitenPolitische und wirtschaftliche Entwicklung ab 1870 Bearbeiten Nach vielen ruhigen Jahren begannen erst in den 1870er Jahren wieder vereinzelt Arbeitskampfe die jedoch lokal begrenzt blieben Grund fur die erneut zunehmende Streikwilligkeit war einerseits die neue Reichsgewerbeordnung RGO die der Norddeutsche Bund mit seiner Reichstagssitzung vom 21 Juni 1869 beschlossen hatte Darin hielt sie im Paragrafen 152 fest Alle Verbote und Strafbestimmungen gegen Gewerbetreibende gewerbliche Gehilfen Gesellen oder Fabrikarbeiter wegen Verabredungen und Vereinigungen zum Behufe der Erlangung gunstiger Lohn und Arbeitsbedingungen insbesondere mittelst Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter werden aufgehoben Das Gesetz trat zum 1 Januar 1870 in Kraft Andererseits stieg die Unzufriedenheit weil die wirtschaftlichen Erfolge aus der Grunderzeit heraus sich in keiner Weise in Form von Lohnerhohungen o A fur die Arbeiter niederschlugen Die Lohne stiegen nur mit der Forderleistung durch technische Verbesserungen aber auch hohere Arbeitsbelastung und starkere Antreiberei Hatten die Bergleute angesichts der angespannten Wirtschaftslage das zeitweise Absinken ihres Lebensstandards und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen noch hingenommen gab das Gefuhl vom Ende der Achtzigerjahre einsetzenden Aufschwung ausgeschlossen zu sein den Ausschlag zum Widerstand Nach Delf Slotta stagnierte die Entwicklung gar bis 1895 4 Streiks in anderen Bergbaurevieren wie dem Ruhrgebiet dem Kohlebecken Belgiens Nordfrankreichs und auf den Zechen Grossbritanniens waren fur die Bewegung zu einem Achtstundentag sowie einem hoheren Organisationsgrad der Belegschaft bereits eingetreten und blieben auch an der Saar nicht unbemerkt Ein eingeforderter Empfang bei Kaiser Wilhelm II galt bei den uberwiegend katholischen kaiser und staatstreuen Saarbergleuten als Hoffnungszeichen und liess sie noch abwarten Vorgange auf den Gruben Bearbeiten Doch der Unmut der Arbeiter der sich in den Unruhen ab Anfang 1889 ausdruckte eskalierte erneut Dies war die erste ernsthafte Erschutterung der Verhaltnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitern wie sie im Saargebiet traditionell geworden waren schreibt Karl Alfred Gabel 1921 in seiner zusammenfassenden Geschichte der Huttenarbeiterorganisationen 5 Die Forderung der Bergarbeiter wurde am 17 Mai 1889 von der Bergwerksdirektion auf grossformatigen Plakaten an den Mauern der Schachtanlagen mit den Worten Verkurzung der Schicht bei der Kohlengewinnung auf acht Stunden ist jedoch auf den hiesigen Gruben nicht moglich 6 quittiert was die Bergleute als Hinhaltemanover verstanden schliesslich war diese Forderung auf 170 Gruben an der Ruhr inzwischen umgesetzt In den Folgetagen kam es immer wieder zu kleineren Zusammenkunften und Kundgebungen der aufgebrachten Bergarbeiter Eine nicht angemeldete Versammlung am 19 Mai mit 300 Mannern auf der Grube von der Heydt wurde polizeilich aufgelost 7 S 106 Trotz einer ersten Streikandrohung von 3000 Bergleuten am 21 Mai in Altenwald blieb es jedoch zunachst noch ruhig Auf dieser Versammlung sprach auch Oberberghauptmann August Huyssen der mit 10 stundiger Arbeitszeit einschliesslich Ein und Ausfahrt nach wie vor keine weitergehenden Zugestandnisse zu machen bereit war Auch eine andere den Bergleuten wichtige Forderung die Offenhaltung der Stollenturen sicherte er nicht zu Am 22 Mai versammelten sich im Friedrichsthaler Ortsteil Bildstock bereits 15 000 Bergarbeiter zu einer Beratung Ihre Geduld war erschopft und man beschloss fast einstimmig am nachsten Morgen die Arbeit niederzulegen bis eine feste regelrechte Ordnung den Leuten gedruckt in die Hande gegeben wurde 7 S 107 Am Tag darauf erschienen die Bergleute zwar in den Zechensalen fuhren aber nicht in die Schachte ein nachdem klar wurde dass ihre Forderungen nicht erfullt wurden Dieser erste grossere Streik im Saarrevier betraf an diesem Tag 11 500 Bergleute der Zechen Altenwald Dechen Friedrichsthal Heinitz Itzenplitz Maybach und Reden Die Streikquote betrug in den ersten Tagen etwa 45 Prozent hatte am 28 Mai ihren Hohepunkt und ging ab dem 31 Mai deutlich zuruck In Gerhard Heydt und Kronprinz wurde gar ohne Streikbeteiligung weitergearbeitet Kesternich erklart dies mit der Unerfahrenheit und mangelnder Koordination insbesondere im unteren Revier 3 S 32Die Bergwerksdirektion machte nach dem gescheiterten Versuch der Streikkommission nach westfalischem Vorbild eine Anhorung beim Kaiser zu bewirken nur geringe Zugestandnisse und anderte die Arbeitsordnung Danach dauerte die Schicht einschliesslich Ein und Ausfahrt jetzt nur noch zehn statt zwolf Stunden Dieser Teilerfolg wurde von den Streikenden akzeptiert Dieser Streik kaisertreuer konservativer Arbeiter anderte das politische Klima Mallmann bescheinigte den Bergleuten die umfangreichste gewerkschaftliche Aktion im Deutschland des 19 Jahrhunderts uberhaupt 7 S 112 Die Zahl von 100 000 Streikenden bedeutete mehr kampfende Arbeiter als jemals zuvor seit Erlass des Sozialistengesetzes 3 S 34 Grundung und Ende des Rechtsschutzvereins Bearbeiten nbsp Inserat in der Volklinger Zeitung vom 31 Juli 1889Vor allem die Erkenntnis grosser Organisationsdefizite bei der Steuerung des Streikes durfte die Streikfuhrer zu einer professionelleren Konfliktbewaltigung mit der Bergwerksdirektions bewogen haben Der drei Jahre zuvor von Johannes Fusangel in Bochum gegrundete Rechtsschutzverein fur die bergmannische Bevolkerung des Oberbergamtsbezirks Dortmund der sich mit seinen Forderungen bei dem Bergarbeiterstreik von 1889 bewahren konnte durfte dabei Vorbild gewesen sein ubernahm man doch dessen Satzung nahezu wortwortlich 8 Zudem stand diese gewerkschaftsahnliche Arbeitervertretung auf der Tagesordnung der Bildstocker Vorstandssitzung vom 21 Juli 1889 die sich aus den Streikfuhrern zusammensetzte An diesem Tag wahlte sie auch die Vertrauensmanner fur eine ahnliche Vereinsgrundung wie im Ruhrgebiet Die Grundungsversammlung fand am 28 Juli in Bildstock statt Am 4 August wurde der neue Verein in Volklingen vor rund 300 Bergleuten prasentiert Der Sitz des Vereins wurde zur Vermeidung von Kosten auf Bildstock festgelegt weil dort die meisten der gewahlten Vertreter wohnten und arbeiteten Erster Prasident wurde Nikolaus Warken sein Stellvertreter Matthias Bachmann Vier Monate spater waren bereits uber sechseinhalb Tausend Mitglieder registriert am 31 Oktober des Folgejahres fast 19 000 3 S 34 Im Sommer 1891 war je nach Quelle mit 20 000 oder 24 000 der Hohepunkt erreicht eine Mitgliederquote von 67 bis 81 Prozent aller Bergleute Diesen hohen Organisationsgrad gab es sonst in keinem anderen deutschen Bergrevier 9 S 24In dieser Zeit wuchs das Selbstbewusstsein der Mitglieder des Rechtsschutzvereins wobei Grossveranstaltungen wie die Versammlung von 15 000 Bergarbeitern im Tivoli dem spateren Gewerkschaftshaus das ihrige dazu beigetragen haben durften Diese Versammlung die behordlicherseits auf 1000 Personen beschrankt werden sollte gilt heute als eine immense Machtdemonstration seitens der Arbeiter und allein durch ihr Zustandekommen als ein herausragendes Ergebnis 9 S 17 Am Ende des Jahres 1889 waren zwar nicht die Ziele der Bergarbeiter erfullt worden aber mit der allgemeinen Schichtverkurzung um eineinhalb bis zwei Stunden und der einheitlichen Arbeitsordnung fur alle Teile des Reviers mit einer wesentlichen Lohnaufbesserung und der Einfuhrung von Arbeiterausschussen den sogenannten Schachtvertrauensmannern fuhlte man sich auf dem richtigen Weg Doch es gab auch immer wieder Ruckschlage und neue Arbeitskampfe Hinzu kam eine schikanose Verleumdungskampagne in der missliebige Vorstandsmitglieder wegen angeblicher Beleidigung von Bergbeamten angeklagt und zum Teil zu drakonischen Strafen von bis zu sechs Monaten Haft verurteilt wurden 3 S 42 nbsp Rechtsschutzsaal in BildstockAuf diesem Hohepunkt der Existenz des Rechtsschutzvereins wurde am 10 Mai 1891 der Grundstein fur den Rechtsschutzsaal in Bildstock gelegt ein eigenes Vereinsheim mit Versammlungsmoglichkeit fur bis zu 1000 Personen Enttauschungen uber Entscheidungen einzelner Staatsdiener insbesondere der Direktion des Bergfiskus und ein Wechsel der Haltung der katholischen Kirche radikalisierten die uberwiegend wertkonservativ national eingestellten Bergleute immer mehr und machten sie zu Sozialdemokraten die zu recht auf ihre allmahlich erworbenen Errungenschaften pochen konnten Weiter demoralisiert wurden die Bergarbeiter durch einen Hirtenbrief des Trierer Bischofs Korum der sie am 30 Dezember 1891 und am darauffolgenden Sonntag zu dem gesetzlich geordneten Weg ermahnte statt sie in ihrem gerechten Kampf zu unterstutzen und die Betriebsbesitzer zu tadeln Ein weiterer Streik der ausbrach weil die Bergwerksdirektion nicht bereit war einzelne Paragrafen im Sinne des Rechtsschutzvereins zu andern spielte den Herrschenden in die Hande Sie waren namlich inzwischen gegen mehrwochige Streiks durch grosse Kohle und Koksvorrate und Liefervereinbarungen mit Belgien gerustet Alfred von Bake Landrat von Saarbrucken meinte lakonisch zu den Streikbeschlussen Bei den augenblicklichen schlechten Absatzverhaltnissen wurde ein Ausstand der Bergverwaltung kaum sehr unerwunscht kommen die Bergleute wurden uber kurz oder lang doch nachgeben mussen 7 S 289Insgesamt verloren 2457 Arbeiter wahrend des nachfolgenden Arbeitskampfes vom 30 September 1892 bis zum 17 Januar 1893 ihre Arbeitsstelle und wurden nachfolgend aus disziplinarischen Grunden auch nicht wieder eingestellt Viele Kumpel mussten ihre Hauser verkaufen und gingen zuruck in ihre Heimat andere wanderten in die Vereinigten Staaten aus oder ins benachbarte Ausland Bis zum 25 Marz hatten bereits 10 500 Mitglieder ihrem Verein den Rucken gekehrt Mitte Juni 1893 waren es schon knapp 20 000 Der Verein wurde am 27 August 1893 aufgelost der Rechtsschutzsaal verkauft und die Arbeiterbewegung existierte nicht mehr Die endgultige Liquidierung zog sich bis 1896 hin Die seinerzeit in Volklingen gefassten Beschlusse waren Programm des Rechtsschutzvereins und sind unter der Bezeichnung Volklinger Beschlusse in die Geschichte eingegangen als richtungsweisend fur die Zielsetzung in der Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Mit der Aufnahme von etwa 1100 Maschinen und Werkstattarbeitern der Saargruben im Juni 1890 in den Rechtsschutzverein waren alle Werktatigen in einer Arbeitnehmervertretung reprasentiert 3 S 79Erst nach dem Tod Carl Ferdinand von Stumm Halbergs im Marz 1901 keimte mit dem Gewerkverein Christlicher Bergleute wieder eine nennenswerte Arbeitnehmervertretung auf 2 S 4Einzelnachweise Bearbeiten Klaus Michael Mallmann Lohn der Muhen C H Beck Munchen 1989 a b Harald Glaser Streikwelle und Rechtsschutzverein Die Anfange der Bergarbeiterbewegung im Saarrevier Arbeitskammer des Saarlandes 2015 a b c d e f Hubert Kesternich Volklinger Beschlusse Der Saarkohlenbau an der Saar seine Geschichte und sein bauliches kulturelles Erbe In Karlheinz Pohmer Herausgeber Der saarlandische Steinkohlenbergbau Kruger Druck Verlag Dillingen 2012 ISBN 978 3 9814952 1 8 S 130 Karl Alfred Gabel Kampfe und Werden der Huttenarbeiterorganisationen an der Saar Saarbrucker Druckerei u Verlag Saarbrucken o J 1921 S 80 Stahl und Eisen Nr 6 Juni 1889 S 465 a b c d Klaus Michael Mallmann Die Anfange der Bergarbeiterbewegung an der Saar 1848 1904 Minerva Saarbrucken 1981 ISBN 3 477 00065 X Ernst Muller Der Steinkohlebergbau des Preussischen Staates IV Teil Die Entwicklung der Arbeitsverhaltnisse auf den staatlichen Steinkohlebergwerken vom Jahre 1816 bis zum Jahre 1903 Berlin 1904 S 52 a b Johann Leimpeters Die Komodie im Saargebiet Selbstverlag Bochum 1913Literatur BearbeitenHarald Glaser Streikwelle und Rechtsschutzverein Die Anfange der Bergarbeiterbewegung im Saarrevier Vortrag zum Gedenken an die Volklinger Beschlusse vor 125 Jahren Arbeitskammer des Saarlandes Saarbrucken Mai 2015 Hubert Kesternich Volklinger Beschlusse Signal Bedeutung und Wirkung fur die Bergarbeiter als Vorlaufer der Bergarbeitergewerkschaft an der Saar Blattlausverlag Saarbrucken 2015 Klaus Michael Mallmann Horst Steffen Lohn der Muhen Geschichte der Bergarbeiter an der Saar ISBN 978 3 406 33988 2 C H Beck Munchen 1989 Ernst Muller Der Steinkohlenbergbau des Preussischen Staates in der Umgebung von Saarbrucken VI Teil Die Entwickelung der Arbeiterverhaltnisse auf den staatlichen Steinkohlenbergwerken vom Jahr 1816 bis 1903 Springer Verlag Berlin Heidelberg 1904 Horst Steffen Autoritat und Revolte Alltagsleben und Streikverhalten der Bergarbeiter an der Saar im 19 Jahrhundert ISBN 978 3 924027 47 6 Drumlin Weingarten 1987 Klaus Tenfelde Heinrich Volkmann Hrsg Streik Zur Geschichte des Arbeitskampfes in Deutschland wahrend der industrialisierung ISBN 978 3 406 08130 9 C H Beck Munchen 1981 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rechtsschutzverein fur die bergmannische Bevolkerung des Oberbergamtsbezirks Bonn amp oldid 211119825