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Der Vicus Stettfeld war eine landlich gepragte romische Siedlung Vicus auf dem Gebiet des heutigen Stettfeld einem Ortsteil von Ubstadt Weiher nordlich von Karlsruhe in Baden Wurttemberg Bei archaologischen Ausgrabungen wurden unter anderem eine grosse romische Palastvilla Fernstrassen sowie ein grosses Graberfeld gefunden Die Siedlung zahlte zu ihrer Blutezeit geschatzt bis zu 800 Einwohner und wurde ab etwa 260 n Chr im Rahmen des sogenannten Limesfalls infolge der politischen militarischen und wirtschaftlich kritischen Lage aufgegeben Die Forschungsergebnisse zur Geschichte und Archaologie der antiken Siedlung werden im Romermuseum Stettfeld prasentiert Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Siedlungsstruktur 3 Wirtschaft 4 Religion und Bestattungen 5 Monumentalbau nordostlich der Siedlung 6 Romermuseum Stettfeld und Freundeskreis 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenStettfeld entstand am Kreuzungspunkt der wichtigen Fernstrassen Basel Mainz und Augsburg Speyer nachdem die romische Rheintalstrasse ostwarts auf die nachstgelegenen hochwassersicheren Hugel des Kraichgaus verlegt worden war Die Chronologie der romischen Ansiedlung lasst sich am besten durch die Funde von romischer Feinkeramik Terra Sigillata rekonstruieren Die altesten Sigillata Funde auf Stettfelder Boden stammen grob aus der Zeit um 100 n Chr und lassen sich moglicherweise einem fruhen militarischen Kontrollposten an der Strassenkreuzung zuweisen Zwischen 115 und 120 n Chr entstand dann den Keramikfunden zufolge in relativ kurzer Zeit der eigentliche Vicus der sich bis zur Mitte des 2 Jahrhunderts in nordsudlicher Richtung auf uber 350 Meter ausgedehnt zu haben scheint Welcher Civitas er angehorte kann nur vermutet werden am plausibelsten ware eine Zugehorigkeit zur Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium mit dem Hauptort Lopodunum heute Ladenburg Die Entwicklungen der Siedlung im weiteren 2 und im fruhen 3 Jahrhundert lassen sich nicht genau rekonstruieren da nicht sicher ist ob die bisher ausgegrabenen Befunde reprasentativ sind So wurde einerseits die grosse Nord Sud Strasse durch den Ort verbreitert und eine kleine West Ost Strasse im Siedlungsgebiet neu angelegt andererseits liess sich bei verschiedenen Ausgrabungen zeigen dass diverse Gebaude anscheinend ersatzlos aufgegeben wurden Welche dieser Beobachtungen sich als Indizien fur die Veranderungen des gesamten Vicus verallgemeinern lassen ist unklar Im mittleren 3 Jahrhundert n Chr wurde der Ort aufgegeben Die jungste antike Munze des Siedlungsbereichs datiert auf das Jahr 246 die jungste Munze des dazugehorigen Graberfeldes auf 252 Diese Datierungen ergeben den fruhestmoglichen Zeitpunkt terminus post quem fur das Ende des Vicus Das Fundmaterial speziell an Terra Sigillata deutet jedoch darauf hin dass der Ort bis zum Ruckzug der romischen Herrschaft auf die Rheingrenze ab etwa 259 260 dem sogenannten Limesfall besiedelt blieb Auch danach mag eine gewisse Restbevolkerung noch einige Zeit dort gelebt haben Anschliessend blieb das Areal des heutigen Stettfeld jedoch fur langere Zeit unbewohnt Siedlungsstruktur BearbeitenDie genaue Struktur der antiken Siedlung ist schwer zu bestimmen da sie modern uberbaut ist und die Befunde und Funde von wenigen raumlich stark begrenzten Ausgrabungen stammen Die Nord Sud Hauptachse wurde dabei mehrfach freigelegt wahrend der genaue Verlauf der Ost West Hauptachse und die Position der Kreuzung dieser Strassen unklar sind Von den antiken Gebauden wurden hauptsachlich vereinzelte Mauerzuge oder Kellerraume entdeckt Nur selten und in geringem raumlichen Ausmass fanden sich aufschlussreichere Baureste wie Hypokausten Anlagen die auf beheizte Raumlichkeiten und in zwei Fallen wohl auch auf eine Badeanlage hindeuten Die wenigen verfugbaren Indizien deuten darauf hin dass die meisten Gebaude des Vicus Streifenhauser in Fachwerktechnik waren Auch einige Funde einfacher Wandmalerei und der Dachbedeckung Ziegel Schieferplatten wurden gemacht Neben einigen Brunnen gab es auch Frischwasserleitungen im Vicus von denen zwei Bruchstucke erhalten sind Das Hauptgebiet des Vicus lag sudlich des Katzbachs und erstreckte sich auf einer Lange von 350 bis 370 Metern entlang der nordsudlich verlaufenden Fernstrasse Die Ausdehnung des bebauten Areals in westostlicher Richtung ist dagegen unklar Rekonstruiert man den Vicus als schmales Strassendorf ist eine Breite von etwa 75 Metern realistisch Es ware aufgrund der verfugbaren Indizien aber auch moglich dass es sich um ein Haufendorf mit einer Ost West Ausdehnung von 150 Metern oder mehr handelte Die vereinzelten nachgewiesenen Siedlungsbefunde erstrecken sich sogar uber eine Ost West Distanz von 250 bis 270 Metern 1 Ein zweiter kleinerer Siedlungsbereich wurde nordlich des Katzbachs etwa 200 Meter von dem sudlichen Teil des Vicus entfernt nachgewiesen Fur die Trennung dieser beiden Areale konnte der dazwischen verlaufende Bachlauf verantwortlich gewesen sein der bei moglichen Hochwassern den Boden weggeschwemmt haben durfte Wirtschaft BearbeitenDer Vicus Stettfeld scheint fur das landwirtschaftlich gepragte Umland die Funktion eines Handelsplatzes und Handwerkszentrums gehabt zu haben Neben den bedeutenden Topfereien sind eine Schmiede eine Bronzegiesserei eine Gerberei und eine Leimsiederei sowie das Bauhandwerk nachweisbar oder aufgrund der Befunde zu vermuten Weitere Tatigkeiten wie die Bleiverarbeitung die Beinschnitzerei oder das Backerhandwerk werden durch einzelne Funde nahegelegt diese konnten allerdings auch lediglich durch den Handel in den Ort gekommen sein beziehungsweise von entsprechenden Tatigkeiten fur den privaten Hausgebrauch herruhren Andere Fundstucke etwa die Terra Sigillata die Glas und Edelmetallfunde eine kleine Bernsteinskulptur die Muhlsteine sowie die Amphoren samt ihrem ursprunglichen Inhalt sind dagegen auf den Fernhandel zuruckzufuhren Zudem wurden ein Backerofen und einige Topferofen fur Gebrauchskeramik im Siedlungsgebiet freigelegt Am heutigen Marcellusplatz im Ortszentrum zeugen zwei dieser Ofen vermutlich von einem Topferareal aus der Grundungsphase des Vicus Ausserhalb der Ortschaft auf einer Sanddune ungefahr zwei Kilometer nordwestlich des heutigen Stettfeld entstand Mitte des 2 Jahrhunderts dann auf einer Flache von funf Hektar eine Grossziegelei und topferei die ab 2006 grossflachig ergraben wurde Religion und Bestattungen BearbeitenSpuren des anzunehmenden Kultbezirkes im Ort sind bisher nicht nachgewiesen Die religiose Verehrung diverser romischer und keltischer Gottheiten ist jedoch durch Weihinschriften Plastiken und Reliefs mit Gotterdarstellungen sowie durch Reste zweier Jupitergigantensaulen nachgewiesen Zu den bedeutendsten romischen Funden aus Stettfeld gehoren die Reste einer Sandsteinskulptur des Hercules Ein Friedhof mit ursprunglich vermutlich 500 bis 550 Grabern und wertvollen Grabbeigaben im Bereich der heutigen Albert Schweitzer Strasse zeugt von der damaligen Grosse des Vicus Stettfeld Von den 400 bei Ausgrabung noch erhaltenen Grabern handelte es sich bei 341 um Brandbestattungen und bei 59 um Korperbestattungen wobei letztere vor allem bei Neugeborenen durchgefuhrt wurden Zeitlich erstrecken sich die Grabstatten uber die gesamte Besiedlungszeit des Vicus Einige der Skelette zeigen Spuren starker Gewalteinwirkung mit Todesfolge Da diese Graber jedoch nicht genauer datiert werden konnen ist eine Verbindung mit moglichen germanischen Einfallen in der Spatzeit der Siedlung rein hypothetisch Monumentalbau nordostlich der Siedlung BearbeitenIm Gewann Hecken das etwa 1 5 km nordostlich des Ortes liegt ist seit Ende des 19 Jahrhunderts eine romische Fundstelle bekannt die erstmals 1958 durch Wilhelm Bauer archaologisch untersucht wurde Man meinte damals das zu einem Gutshof Villa rustica gehorige Badehaus sowie zwei Wirtschaftsgebaude angeschnitten zu haben Bei den Untersuchungen erwiesen sich die Gebaudereste als teilweise sehr gut erhalten so waren die Mauern noch bis zu zwei Meter hoch und auch die Fussbodenheizung befand sich in einem sehr guten Zustand 2003 und 2006 wurden dann geophysikalische Untersuchungen durch das Landesamt fur Denkmalpflege Baden Wurttemberg durchgefuhrt aufgrund derer das 1958 gewonnene Bild korrigiert werden musste Mithilfe der Geomagnetik zeigte sich dass die Anlage mit einer Gesamtlange von 120 Metern deutlich uber ein einfaches Landgut hinausgeht und dass die 1958 freigelegte Badeanlage Teil kein eigenes Nebengebaude bildete sondern in die Villa integriert war Diese besteht insgesamt aus einem langen und schmalen zentralen Trakt an dessen beiden Enden jeweils zwei turmartige Eckbauten anschlossen Festgestellt wurden zudem mehrere Nebengebaude Schwierigkeiten bereitet die Rekonstruktion da das Gebaude sicherlich nicht auf einmal errichtet wurde und ohne eine Ausgrabung nicht feststellbar ist welche der geomagnetisch nachgewiesenen Mauern zu welcher Bauphase gehorten Ungeklart bleiben muss vorerst auch ob die rechts des Rheins bislang einmalige Prachtvilla ein oder zweistockig war Aus asthetischen Grunden und ihrer Grosse wegen wird man eher von einem zweistockigen Bau auszugehen haben Ein vergleichbares Bauwerk Villa von Nennig wurde in der Gemeinde Perl im Saarland gefunden Die Villa bei Stettfeld lasst sich aufgrund der vereinzelten Funde in die Zeit etwa von der Mitte des 2 bis in die Mitte des 3 Jahrhunderts n Chr datieren Neben der Grosse der Anlage spricht auch die 1958 aufgefundene Ausstattung aus Wandmalereien und Bodenmosaiken fur einen aussergewohnlich reichen Besitzer Zur Person des Bauherrn lassen sich nur Vermutungen anstellen Moglicherweise war er mit dem Betreiber der grossen Topferei und Ziegelei nordwestlich des Vicus identisch Auf vielen der dort produzierten Gegenstande findet sich das Namenskurzel LPL Die Verbreitung der so gestempelten Ziegel deutet darauf hin dass es sich um einen Grossbetrieb handelt fur dessen Besitzer eine Villa wie die nordostlich des Vicus nachgewiesene durchaus plausibel ware 2 Romermuseum Stettfeld und Freundeskreis Bearbeiten nbsp Romermuseum StettfeldIm heutigen Ortsteil Stettfeld prasentiert das 1984 am Marcellusplatz eroffnete Romermuseum Stettfeld die wichtigsten archaologischen Funde der Grabungen die seit den 1970er Jahren im Vicus und seiner Umgebung durchgefuhrt wurden Im Erdgeschoss werden verschiedene Aspekte des Lebens im antiken Vicus sowie der Begrabniskultur vorgestellt So werden in der Dauerausstellung Tonkruge Urnen Feinkeramik Glasgefasse Munzen und Metallgegenstande aus dem grossen Graberfeld sowie entsprechende Funde aus dem Siedlungsbereich gezeigt Davon ausgehend werden die Themenkomplexe Verkehr und Transport Handel und Handwerk Lebens und Wohnaspekte Graberfeld und Totenkult sowie die Gotterverehrung vorgestellt Erganzt und veranschaulicht werden die Funde durch Rekonstruktionsmodelle des Tubinger Kunstlers Thomas Waldner Im Obergeschoss werden vor allem durch ein grosses Diorama die Lage der antiken Siedlung sowie die Strukturen in der Umgebung veranschaulicht darunter das Toperei und Ziegeleizentrum und die geophysikalisch nachgewiesene Villa Im Kellergeschoss wird die Vorgeschichte des Stettfelder Raumes vorgestellt Seit der Neugestaltung 2016 wird die Dauerausstellung durch einen Audioguide und digitale Bilderrahmen mit zusatzlichen Informationsangeboten erganzt nbsp Logo des Freundeskreises Romermuseum Stettfeld FRM Um die romische Vergangenheit zu dokumentieren die Denkmalpflege zu fordern und die Betreuung des Romermuseums in Stettfeld zu ermoglichen wurde 1984 der Freundeskreis Romermuseum Stettfeld e V gegrundet Bekannt sind die jahrlichen Sonderausstellungen welche der Freundeskreis Romermuseum Stettfeld uberwiegend in Eigenregie unter wissenschaftlicher Anleitung konzipiert und realisiert Daruber hinaus veranstaltet der Freundeskreis regelmassig die Stettfelder Abendvortrage sowie Fuhrungen durch das Museum und zu den Originalschauplatzen Erganzend dazu werden Schulen innerhalb der Region unterrichtsbegleitende Veranstaltungen und museumspadagogische Aktivitaten angeboten Literatur BearbeitenPeter Knotzele Das romische Stettfeld In Gemeinde Ubstadt Weiher Hrsg Stettfeld 2000 Jahre Geschichte Verlag Regionalkultur Ubstadt Weiher 2003 ISBN 3 89735 238 9 Peter Knotzele Zur Topographie des romischen Stettfeld Grabungen 1974 1987 Konrad Theiss Verlag Stuttgart 2006 ISBN 3 8062 2040 9 Peter Knotzele Das romische Graberfeld von Stettfeld Band 2 Katalog der Graber und ubrigen Befunde Konrad Theiss Stuttgart 2018 ISBN 978 3 95490 356 6 online Joachim Wahl Mostefa Kokabi Das romische Graberfeld von Stettfeld Band 1 Osteologische Untersuchung der Knochenreste aus dem Graberfeld Konrad Theiss Stuttgart 1988 ISBN 3 8062 0788 7 Weblinks BearbeitenWebsite des Romermuseums StettfeldEinzelnachweise Bearbeiten Peter Knotzele Zur Topographie des romischen Stettfeld Grabungen 1974 1987 Konrad Theiss Verlag Stuttgart 2006 ISBN 3 8062 2040 9 S 98 und Faltkarte Siehe Broschure Ziegelei und Topferei in Stettfeld Kreis Karlsruhe auf der Website des Landesamts fur Denkmalpflege im Regierungsprasidium Stuttgart abgerufen am 21 November 2020 Siehe auch Ulrich Brandl und Emmi Federhofer Ton Technik Romische Ziegel Schriften des Limesmuseums Aalen Nummer 61 Theiss Stuttgart 2010 ISBN 978 3 8062 2403 0 49 182027777778 8 6428055555556 Koordinaten 49 10 55 3 N 8 38 34 1 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vicus Stettfeld amp oldid 227424605