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Die Peisistratiden Tyrannis in Athen ist ein Abschnitt in der archaischen Epoche Athens der durch die Vormachtstellung des Peisistratos und seiner ihm nachfolgenden Sohne Hippias und Hipparchos in der athenischen Polis bestimmt war Diese annahernd uber ein halbes Jahrhundert sich erstreckende Ara folgte auf die Solonischen Reformen und hatte die Kleisthenische Neuordnung der attischen Burgerschaft zur Folge In der althistorischen Forschung schwankt das Urteil uber die Peisistratiden Tyrannis bedingt durch Zweifel und Lucken bei den historischen Quellenzeugnissen speziell in der Frage welchen Beitrag Peisistratos und seine Sohne zur weiteren Entwicklung des attischen Staatsverbands geleistet haben Inhaltsverzeichnis 1 Unklare Uberlieferung 2 Entstehungsbedingungen der Tyrannis in Attika 3 Merkmale der Peisistratiden Herrschaft 4 Sturz des Regimes 5 Historische Einordnung der Athener Tyrannis 5 1 Breites antikes Spektrum 5 2 Neuere Forschungspositionen 6 Literatur 7 AnmerkungenUnklare Uberlieferung BearbeitenDie Quellenlage fur die athenische Geschichte des 6 Jahrhunderts v Chr ist davon bestimmt dass praktisch keine schriftlichen Zeugnisse aus dieser Zeit existieren Der alteste Bericht uber die Peisistratiden Tyrannis stammt von Herodot der 100 Jahre spater schrieb und sich auf mundliche Erzahlungen stutzen musste 1 Seine Darstellung enthalt legendenartige Elemente die von der historischen Realitat nicht immer leicht zu trennen sind Demgegenuber dienten Thukydides die Begebenheiten um den Tyrannenmord an Hipparchos dazu das eigene akribisch prufende Vorgehen als Historiker herauszustellen 2 Seine Darstellung der Athener Tyrannis ist jedoch auf wenige Ausschnitte beschrankt Die nochmals 100 Jahre spater entstandenen Ausfuhrungen des Pseudo Aristoteles in der Athenaion Politeia sind mit Anachronismen und Projektionen durchsetzt 3 Vielerlei Zweifeln und unterschiedlichen Deutungen wird dadurch Raum geboten So gehen manche Historiker davon aus Peisistratos habe nicht dreimal sondern nur zweimal versucht sich zum Alleinherrscher aufzuschwingen Teils wird auch die herkommliche Chronologie in Frage gestellt etwa mit der Annahme spaterer Lebensdaten des Peisistratos Entstehungsbedingungen der Tyrannis in Attika BearbeitenUber die Ursprunge der Tyrannis in Athen berichtet Herodot dass drei Gruppierungen als Anhangerschaften der Adligen Lykourgos Megakles und eben Peisistratos um die Vorherrschaft in Athen stritten die Kustenbewohner Paraloi bzw Paralioi die Leute aus der Ebene Pediakoi oder Pedieis und die Bewohner jenseits des Gebirges Hyperakrioi bzw Diakrioi 4 Diesen im 5 Jahrhundert v Chr nach regionaler Zugehorigkeit unterschiedenen Anhangerschaften wurden in der Athenaion Politeia aus dem 4 Jahrhundert v Chr zusatzlich bestimmte Verfassungspraferenzen zugeschrieben Die Bewohner der attischen Ebene standen demnach fur eine Oligarchie die Kustenbewohner fur einen mittleren bzw gemischten Verfassungstyp die Bewohner der Bergregionen fur eine besonders volksfreundliche Herrschaft Fur die letztere Gruppierung habe der durch seine fuhrende Rolle im Krieg gegen die Megarer populare Peisistratos gestanden 5 Die somit von Aristoteles den drei attischen Regionen fur das 6 Jahrhundert v Chr zugeordneten Verfassungspraferenzen werden von der neueren Forschung als anachronistische Ruckprojektion aus dem 4 Jahrhundert v Chr kaum mehr ernsthaft erwogen Nicht unumstritten ist aber auch Herodots klare Unterscheidung der jeweiligen Anhangerschaft nach Grossregionen Karl Wilhelm Welwei sieht in ihnen nicht durchorganisierte Kollektive sondern temporare Interessengemeinschaften die auch herkunftsraumlich nicht einheitlich zusammengesetzt waren Peisistratos habe bei der Sammlung seiner Anhangerschaft aber zumindest zeitweilig ein zahlenmassiges Ubergewicht erlangt das ihm zum Erfolg verhalf 6 Auch Michael Stahl erkennt keine fest gefugten Anhangerblocke bei den drei Kontrahenten Als verlassliche Basis eigener Machtambitionen in den Auseinandersetzungen zwischen Adligen sieht er allein den jeweiligen Oikos also den unmittelbaren Besitz mit Familie und zugehorigem Bewirtschaftungspersonal Geschlechterverbande oder Klientelverhaltnisse wie bei der antiken romischen Aristokratie entstanden im archaischen Griechenland nicht 7 Der an die Verwirklichung aristokratischer Normen gebundene individuelle Ehrerwerb vollzieht sich also nur indem der einzelne Aristokrat seine von Hause aus zunachst gegebene okonomisch soziale Vereinzelung durch die bewusste Pflege verschiedenster aristokratischer Geselligkeitsformen z B Hetairien Symposien Agone sowie das Auftreten vor und den Dienst an der Gemeindeoffentlichkeit uberwindet 8 Unterstutzung fur die eigenen Vormachtbestrebungen wurde von ambitionierten Adligen aber nicht nur im eigenen Polisverband sondern auch durch gastfreundliche Beziehungspflege mit ausseren Partnern in anderen griechischen Poleis gesucht Mithin blieb man auch als zeitweilig Unterlegener und als durch Exilierung vom eigenen Oikos Abgeschnittener nicht ohne Ruckhalt sondern hatte Chancen mit ausserer Hilfe gestarkt zuruckzukehren 9 So hat Peisistratos nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen die Rivalen Lykourgos und Megakles staatsstreichartig zu uberflugeln und nachfolgenden Ruckzugen aus Attika erst im dritten Anlauf mit Unterstutzung innerer und ausserer Helfer die Vormachtstellung eines Tyrannen in Athen errichten konnen Als wirtschaftliche Basis fur die Anwerbung von Soldnern und fur die Gewinnung ausserathenischer Aristokraten als Partner seines bewaffneten Ruckkehr Unternehmens diente ihm in annahernd 10 jahrigem Exil die Ausbeutung von Gold und Silberminen am Strymon im Pangaion Gebirge 10 Merkmale der Peisistratiden Herrschaft BearbeitenDie Sonderstellung der Peisistratiden im Alltag Athens zeigte sich augenfallig in der Soldner Leibgarde die das Tyrannenregime demonstrativ vorhielt um Gegner einzuschuchtern Als Gesetzgeber traten die Athener Tyrannen zwar nicht hervor vielmehr galt die solonische Gesetzesordnung auch weiterhin Auf die Besetzung der wichtigen Archonten Amter ubten die Peisistratiden mit ihren Gefolgsleuten aber massgeblichen Einfluss aus Viele andere in den spateren Quellenzeugnissen angesprochene Massnahmen der Peisistratiden Ara stehen in der Forschung als zurechenbar gewichtiges oder als historisches Faktum uberhaupt auf dem Prufstand Anlass zu Zweifeln gibt es etwa hinsichtlich der Art und des Umfangs der Herrschaftssicherung unter anderem die Stellung von Geiseln durch Adelsfamilien betreffend oder in Bezug auf die Entwaffnung der gesamten Burgerschaft Nur in der Athenaion Politeia ist die Rede davon dass Peisistratos Demenrichter eingesetzt habe und in Attika auf dem Lande dahin gewirkt habe dass die Burger ihre Rechtsstreitigkeiten dort beilegten um sie von Athens Zentrum fernzuhalten 11 Als finanzpolitische Massnahme ist von einer sonst im archaischen Griechenland unbekannten wohl zehnprozentigen Bodenertragssteuer die Rede und davon dass der armen Bauernschaft zu ihrer Besanftigung grosszugige Darlehen ausgereicht wurden 12 Mit Unsicherheiten insbesondere hinsichtlich der Datierbarkeit ist auch die Bautatigkeit der Peisistratiden behaftet so ihr Anteil am Bau des spater von den Persern zerstorten alten Athena Tempels auf der Akropolis sowie an den im 6 Jahrhundert v Chr auf der Agora dem politischen Zentrum Athens errichteten Neubauten Dazu gehorten neben einem grosseren Gebaudekomplex der als Wohn und Regierungssitz des Peisistratos in Frage kommt mehrere andere Bauten die fur Versammlungen Gerichtsbarkeit und Verwaltung nutzbar waren Fur eine deutlich verbesserte Wasserversorgung des Stadtzentrums sorgte ein zu dieser Zeit errichtetes Brunnenhaus Kultischen Zwecken diente der 522 v Chr auf der Agora errichtete Zwolfgotter Altar 13 Die aussenpolitische Lage Athens zur Zeit der Peisistratiden Tyrannis blieb weitgehend stabil Militarisch riskante Unternehmen wurden vermieden Einen prestigetrachtigen Erfolg konnte Peisistratos mit der Ruckgewinnung Sigeions im Kampf mit Mytilene erzielen Damit war ein wichtiger Handelsstutzpunkt fur das Schwarzmeergebiet wieder in athenischer Hand 14 Sturz des Regimes BearbeitenNach dem Tod des Peisistratos 528 27 v Chr setzten die Sohne Hippias und Hipparchos als unangefochtene Erben das Regime des Vaters fort 15 In der Besetzung des hochstrangigen Archontats folgte auf Hippias der das Amt 526 25 personlich bekleidete der Alkmeonide und spatere Reformer Kleisthenes Anscheinend bemuhten sich die Nachfolger des Peisistratos um Kooperation mit prominenten attischen Adelshausern auf hochster Ebene Die Alkmeoniden gingen jedoch bald nach Kleisthenes Archontat wieder ins Exil wohl um sich gegen die Tyrannen zunachst vergeblich in Stellung zu bringen 16 In welchem Masse das Tyrannenregime bereits vor den Umsturzaktivitaten der Attentater Harmodios und Aristogeiton Kritik und unterschwelligen Widerstand in Athen verursachte ist nicht bezeugt Allerdings rechneten die spater als Tyrannenmorder Gefeierten bei ihrem Anschlag wahrend der Grossen Panathenaen 514 v Chr mit Unterstutzung in der Burgerschaft In ihren Attentatsplan eingeweiht hatten sie wohl nur wenige Als ihr ursprungliches Vorhaben den auf der Akropolis den Panathenaen Festzug erwartenden Hippias den fuhrenden Kopf des Tyrannengespanns als Ersten umzubringen moglicherweise durch ein Missverstandnis scheiterte toteten sie den mit der Ordnung der Prozession noch auf der Agora befassten Bruder Hipparchos Wahrend Harmodios sogleich umgebracht wurde unterzog man Aristogeiton nach seiner Ergreifung der Folter um Mitwisser zu ermitteln Der Athenaion Politeia zufolge hat Hippias ihn schliesslich selbst niedergemacht 17 Danach verhartete der nun gegenuber vielen misstrauische Hippias sein tyrannisches Regime und starkte damit die Widerstandspotentiale ohne dass die von ausserhalb auf den Regimesturz hinarbeitenden Alkmeoniden mit ihren Unterstutzern sich aber allein hatten behaupten konnen Erst die Hilfe des spartanischen Konigs Kleomenes I der dabei angeblich delphischen Orakelspruchen folgte fuhrte zu wiederholten Belagerungen der Zufluchtsstatte des Hippias auf der Akropolis und schliesslich 510 v Chr zu seinem unter Druck ausgehandelten Wegzug ins Exil 18 Historische Einordnung der Athener Tyrannis BearbeitenDie Einschatzungen zu Ausrichtung Handhabung Wirkungen und Bedeutung der Peisistratiden Tyrannis schwankten bereits bei den antiken Quellenautoren seit Herodot In der modernen althistorischen Forschung hangen die Urteile nicht zuletzt davon ab welche der Quellenaussagen als geschichtliche Tatsachen angenommen und herangezogen oder als fehlerhaft verworfen werden Zentral ist dabei die Frage nach der Bedeutung der Tyrannis fur den Fortgang der politischen Entwicklung Attikas Breites antikes Spektrum Bearbeiten Die Quellenzeugnisse schon allein in der griechischen Antike des 5 und 4 Jahrhunderts v Chr weisen eine Spannbreite des Urteils uber die Peisistratiden Tyrannis auf die sich zwischen einem Verdammungsmahnmal auf der Akropolis 19 bis zum Lobpreis eines wiedererstandenen Goldenen Zeitalters 20 erstreckt Gedanklich nachvollziehbar werden diese ausserst kontroversen Bewertungen wenn man mit Pedro Barcelo davon ausgeht dass ihr Zustandekommen auf Wechsellagen der athenischen Innenpolitik beruhte 21 Ein bis zu dem todlichen Anschlag auf Hipparchos vornehmlich positives Zeugnis stellen Thukydides und die Athenaion Politeia der Peisistratiden Tyrannis aus die Frieden hergestellt und erhalten habe Impulse fur die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung gesetzt sowie relativ massvoll vernunftig und volksfreundlich agiert habe 22 Bei Herodot heisst es dagegen dass das Regime unter Hippias nach dem Attentat nur noch druckender wurde als es vordem schon war 23 Als Grund fur das im 5 Jahrhundert v Chr deutlich ausgepragte tyrannenfeindliche Bewusstsein in Athen verweist Barcelo auf die wiederholten Versuche des exilierten Hippias erst mit spartanischer dann mit persischer Hilfe nach Athen in die fruhere Machtposition zuruckzukehren 24 Die in den Perserkriegen unter Aufbietung aller Krafte errungene Selbstbehauptung habe so bei den Athenern zur Kopplung der Perserfurcht an das Tyrannentrauma gefuhrt und das politische Bewusstsein der Burger gepragt 25 In diesem Zusammenhang seien die Tyrannenmorder Harmodios und Aristogeiton zu Freiheitsstiftern und Begrundern der demokratischen Staatsform aufgestiegen und zu offentlich verehrten Identifikationsfiguren geworden 26 Die ursprunglich aristokratische antityrannische Kampfparole und Forderung nach Isonomie sei auf diese Weise zur radikal demokratischen Gleichheitsidee geworden die sich auf alle Burger bezog In der Polis der Athener vereinigten sich beide Tendenzen namlich die Forderung nach Isonomie die aus der Abwehrhaltung gegen die Machtanmassung einzelner geboren der Geisteswelt des Adels entstammte und die von der gesamten Burgerschaft adaptierte Vorstellung der komplementaren Begriffe Demokratie und Isonomie zum ideologischen Gehause der demokratischen Staatsform 27 Erst vor dem Erfahrungshintergrund der Ausbildung des demokratischen Systems im Zuge des ausseren Machtzuwachses der Athener aber wurde die Tyrannis als Herrschaftsform auch verfassungstheoretisch bedeutsam und zum wichtigen Element in Herodots Verfassungsdebatte 28 Indem die Tyrannis sich als allbekanntes negatives Gegenbild zur im 5 Jahrhundert v Chr positiv besetzten Volksherrschaft etablierte wurde sie als abwertender Begriff in verschiedenen Varianten Gemeingut Schlagwort fur den Alltagsgebrauch wurde sie beispielsweise bei Euripides der in einem Drama Kinder und Frauen als eine grosse Tyrannis fur den Mann apostrophierte 29 Eine wiederum hoch politische Wendung nahm der Tyrannisbegriff wo er auf Athens Stellung im Attischen Seebund angewendet wurde Thukydides gibt im Entstehungszusammenhang des Peloponnesischen Krieges den politisch einflussreichsten Athener Perikles in einer Ansprache an seine Mitburger mit den Worten wieder Und wenn unsere Stadt in Ehren steht wegen ihrer Herrschaft und ihr doch auch alle darauf stolz seid so gebuhrt es sich jetzt ihr zu Hilfe zu eilen und der Muhsal sich nicht zu entziehen und glaubt nicht es ginge bei diesem Kampf nur um das eine nicht Knechte zu werden statt frei sondern euch drohen auch der Verlust eures Reiches und die Gefahren des Hasses der euch aus der Herrschaft erwuchs denn die Herrschaft die ihr ubt ist jetzt schon Tyrannis sie aufzurichten mag ungerecht sein sie aufzugeben ist gefahrlich 30 Mit der Destabilisierung der perikleischen Demokratie im Zuge des Peloponnesischen Krieges so Barcelo war das mit der Uberhohung der Demokratie verbundene Verdammungsurteil der Peisistratiden Tyrannis am Ende des 5 Jahrhunderts v Chr nicht mehr selbstverstandlich und wich teilweise einer ganz anderen Sicht In der Athenaion Politeia bekam die Athener Tyrannis Zuge eines Goldenen Zeitalters und im pseudoplatonischen Dialog Hipparchos entstand ein literarisches Denkmal fur den ermordeten Peisistratiden 31 Neuere Forschungspositionen Bearbeiten Michael Stahl betrachtet die Entstehung der Tyrannis als folgerichtiges Ergebnis des Verlaufs der archaischen Geschichte mit ihren adligen Machtkampfen Die Tyrannis habe der Staatlichkeit im athenischen Gemeinwesen zur endgultigen Durchsetzung verholfen Zwar habe die Tyrannis an den Grundgegebenheiten der Sozialstruktur nichts geandert die Vorteile einer institutionellen Machtkonzentration aber allen Burgern vor Augen gefuhrt 32 Auf der Agora sei von den Peisistratiden durch bauliche Tatigkeit ein neuer staatlicher Mittelpunkt geschaffen worden unter anderem mit der Errichtung des Zwolfgotter Altars und des Brunnenhauses Die Neuanlage der Agora habe auf die Einbindung breiter Bevolkerungsschichten gezielt Dem dienten die Kultstatten ebenso wie Brunnen und die Bereitstellung grosserer Verkehrsflachen fur den Marktbetrieb und schliesslich die Erleichterung des geordneten Zusammenlebens durch Forderung der staatlichen Verwaltung 33 Die Einfuhrung von Bodenertragssteuern in Form von Naturalabgaben habe den Tyrannen zwar primar dazu gedient die eigene Machtstellung zu erhalten Mit ihnen seien aber zudem wichtige Gemeinschaftsaufgaben finanziert worden wie Soldnerentlohnung Darlehensgewahrung an bedurftige Bauern in Form von Saatgut und Naturalentlohnung von mit dem Bau der Kultstatten befassten Handwerkern 34 Der Ausbau des Athena Kults und der Panathenaen durch die Peisistratiden habe eine mythisch kultische Reprasentation der staatlichen Identitat Athens begrundet die die Tyrannis auch in dieser Hinsicht mit der klassischen Demokratie verbindet 35 Karl Wilhelm Welwei wendet sich gegen eine Sicht nach der Staatlichkeit und Burgerbewusstsein von der Peisistratiden Tyrannis wichtige Impulse erhalten haben Vielmehr sei Peisistratos nach seinem dritten und erfolgreichen Anlauf zwar um massvolle Machtausubung bemuht gewesen und habe Frieden und Sicherheit gewahrleisten wollen Doch mit der Errichtung der Tyrannis habe er in eine funktionsfahige politische Ordnung eingegriffen und kein anderes Konzept besessen als eine facettenreiche Politik der Machtsicherung 36 Weder offentliche Bauten noch die glanzvolle Gestaltung der Kultfeste hatten fur breitere Schichten einen neuen Bezugspunkt politischer Bindungen an das Gemeinwesen geschaffen 37 Dass Peisistratos die von Solon geschaffene Polisordnung nicht einfach durch eine institutionalisierte Monarchie ersetzen konnte dient Welwei als Beleg fur die Tragfahigkeit der Solonischen Fundamente Hingegen sei mit der Etablierung der Tyrannis eine Stagnation im politischen Leben der Burgergemeinschaft eingetreten Nicht eine einzige Massnahme hatten die Peisistratiden in dreieinhalb Jahrzehnten ihrer Herrschaft getroffen so Welwei die als zukunftsweisende Reform anzusehen ware 38 Erst die kleisthenischen Reformen haben demnach aus der innen und aussenpolitischen Sackgasse der Tyrannenzeit hinausgefuhrt Die Linie vom Eunomiagedanken Solons zum Demokratieverstandnis der klassischen Zeit fuhrte vorbei an der Tyrannis in Athen 39 Loretana de Libero zufolge sicherten die Peisistratiden die eigene Herrschaft mittels einer Doppelstrategie Ausschaltung der prominentesten Adligen einerseits und Kooperation mit dem weniger gefahrlichen Durchschnitt andererseits Entscheidend fur die nachfolgende politische Entwicklung Athens war laut Libero die Zuruckdrangung des Adels aus seinen traditionellen Tatigkeitsfeldern woraus sich auch Verluste an Einfluss und Bedeutung ergaben Die fortbestehende Solonische Ordnung habe sich so einspielen und fest verwurzeln konnen Auch ohne erfolgreiche spartanische Intervention ware die Peisistratiden Tyrannis wohl bald von anderen Kraften von der Macht verdrangt worden so Libero Die athenische Tyrannis war trotz aller Bezugnahmen auf aristokratische Traditionen Mentalitaten und Handlungsweisen trotz ihrer erkennbaren Ruckwartsgewandtheit kein unnotiges Zwischenspiel sondern schuf unbeabsichtigt und unbewusst einige der Voraussetzungen die bei der politischen Entwicklung hin zur Isonomie in Athen zum Tragen kommen sollten 40 Literatur BearbeitenPedro Barcelo Thukydides und die Tyrannis In Historia Bd 39 Nr 4 1990 S 401 425 JSTOR 4436164 Helmut Berve Die Tyrannis bei den Griechen 2 Bande C H Beck Munchen 1967 Konrad H Kinzl Hrsg Die Altere Tyrannis bis zu den Perserkriegen Beitrage zur Griechischen Tyrannis Wege der Forschung Bd 510 Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1979 ISBN 3 534 07318 5 Frank Kolb Die Bau Religions und Kulturpolitik der Peisistratiden In Jahrbuch des Deutschen Archaologischen Instituts Bd 92 1977 ISSN 0931 7007 S 99 138 Loretana de Libero Die archaische Tyrannis Steiner Stuttgart 1996 ISBN 3 515 06920 8 Teilweise zugleich Gottingen Universitat Habilitations Schrift 1995 James F McGlew Tyranny and Political Culture in Ancient Greece Cornell University Press Ithaca NY u a 1993 ISBN 0 8014 2787 8 Heleen Sancisi Weerdenburg Hrsg Peisistratos and the Tyranny A Reappraisal of the Evidence Publications of the Netherlands Institute at Athens Bd 3 Gieben Amsterdam 2000 ISBN 90 5063 416 8 Michael Stahl Aristokraten und Tyrannen im archaischen Athen Untersuchungen zur Uberlieferung zur Sozialstruktur und zur Entstehung des Staates Steiner Verlag Wiesbaden GmbH Stuttgart 1987 ISBN 3 515 04501 5 Karl Wilhelm Welwei Athen Von den Anfangen bis zum Hellenismus Einbandige Sonderausgabe 2 bibliographisch aktualisierte und mit einem neuen Vorwort versehene Auflage der Bd Athen 1992 und Das klassische Athen 1999 Primus Darmstadt 2011 ISBN 978 3 89678 731 6 Anmerkungen Bearbeiten Herodot Historien 1 59 5 55 57 62 65 und 90 griechischer Text und deutsche Ubersetzung Thukydides 1 20 6 54 59 Aristoteles Der Staat der Athener 13 4 19 Herodot Historien 1 59 griechischer Text und deutsche Ubersetzung Aristoteles Der Staat der Athener 13 4 14 1 Welwei 2011 S 222 f Stahl 1987 S 101 Stahl 1987 S 87 Stahl 1987 S 96 f Welwei 2011 S 227 229 Aristoteles Der Staat der Athener 16 5 Aristoteles Der Staat der Athener 16 2 4 Stahl 1987 S 233 241 Welwei 2011 S 214 217 250 f Welwei 2011 S 244 f Da die Polisordnung formal weiterexistierte stand eine Legalisierung des Machtmonopols zweifellos nicht zur Debatte Welwei 2011 S 247 Welwei 2011 S 249 Aristoteles Der Staat der Athener 18 Aristoteles Der Staat der Athener 19 Thukydides 1 55 Berve 1967 Bd 1 S 73 Bd 2 S 562 Aristoteles Der Staat der Athener 16 7 Barcelo 1990 S 417 Thukydides 6 54 Aristoteles Der Staat der Athener 16 2 Barcelo 1990 S 411 Herodot Historien 5 55 Herodot Historien 5 91 96 Barcelo 1990 S 412 f Barcelo 1990 S 414 James F McGlew schreibt dazu Of course even in the popular tale the Athenian demos played no part in the conspiracy that killed Hipparchus and the tyrannicides motives ware obviously personal But this probably did not bother the Athenians more than the fact that the conspiracy failed When they treated Harmodios and Aristogeiton as civic heroes the Athenians embraced the private actions of the tyrannicides as public and secured themselves from the contradictions revealed by the historian s logic James F McGlew 1993 S 154 Barcelo 1990 S 416 Barcelo 1990 S 418 Heleen Sancisi Weerdenburg unterstreicht It is nothing new that reflexions on tyranny in the fifth century were deeply influenced by political and democratic constitutional thinking Sancisi Weerdenburg The Tyranny of Peisistratos In dies Hrsg 2000 S 14 Berve 1967 Bd 1 S 205 Zitiert nach Barcelo 1990 S 420 Barcelo nennt dies eine frappierende Umkehrung der in Athen allgemein verbreiteten Tyrannenideologie und sieht dadurch den Tyrannenbegriff in eine politische Durchhalteparole umgewandelt Ebenda Barcelo 1990 S 417 Stahl 1987 S 258 260 Stahl 1987 S 242 Stahl 1987 S 197 f Stahl 1987 S 252 255 Welwei 2011 S 259 f Welwei 2011 S 262 f Welwei 2011 S 261 Welwei 2011 S 265 Libero 1996 S 134 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Peisistratiden Tyrannis in Athen amp oldid 227440692