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Das frachtfahrende Nuklearschiff Otto Hahn wurde als drittes ziviles Schiff nach dem sowjetischen Eisbrecher Lenin und der US amerikanischen Savannah von einem Kernreaktor angetrieben Das Schiff wurde nach dem Kernchemiker und Nobelpreistrager Otto Hahn benannt der beim Stapellauf 1964 personlich anwesend war Es war als Pilotprojekt fur die maritime Nutzung der Kernenergie gedacht blieb aber das einzige deutsche Schiff mit Kernenergieantrieb im Volksmund auch das Atomschiff genannt Im Gegensatz zu den meisten militarischen nuklear angetriebenen Schiffen und U Booten wurde die Otto Hahn nicht mit hoch angereichertem Uran sondern mit konventionellem leicht angereichertem Uranbrennstoff 5 235U betrieben wie man ihn auch in Leichtwasserreaktoren an Land verwendet Otto Hahn SchiffsdatenFlagge Deutschland DeutschlandLiberia Liberiaandere Schiffsnamen Trophy 1983 Norasia Susan 1983 1985 Norasia Helga 1985 Carmen 1985 1989 Hua Kang He 1989 1998 Anais 1998 Tal 1998 1999 Madre 1999 2009 Schiffstyp ForschungsschiffFrachtschiffHeimathafen HamburgBauwerft Howaldtswerke KielBaunummer 1103Baukosten 56 000 000 D MarkStapellauf 13 Juni 1964Indienststellung 11 Oktober 1968Verbleib Ende 2009 zum Abbruch verkauftSchiffsmasse und BesatzungLange 172 05 m Lua 158 2 m Lpp Breite 23 4 mTiefgang max 9 22 mVermessung 16 870 BRT Besatzung 63 MannMaschinenanlageMaschine DruckwasserreaktorDampfturbineMaschinen leistung 11 000 PS 8 090 kW Hochst geschwindigkeit 17 kn 31 km h Propeller 1 vierflugeligTransportkapazitatenTragfahigkeit 14 079 tdwSonstigesRegistrier nummern IMO Nr 6416770 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Planung und Bau 1 2 Betrieb und Forschung 1 3 Stilllegung des Reaktors 1 4 Umbauten und weitere Nutzung 1 5 Verbliebene Bauteile des Schiffs 2 Technische Daten 2 1 Baudaten 2 2 Antrieb 2 3 Reaktor 2 4 Reaktordruckbehalter 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenPlanung und Bau Bearbeiten Am Beginn des Projekts stand 1960 die Ausschreibung der Gesellschaft fur Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt GKSS in Geesthacht fur ein nuklear angetriebenes Handelsschiff mit der Betonung des Vorranges von Forschungsaufgaben Deutsche Werften lieferten 1961 Vorschlage fur ein Schiff das sich fur den Einbau einer solchen Antriebsanlage eignen sollte Ursprunglich war ein Tanker vorgesehen die GKSS hatte jedoch auch Alternativen erbeten Die Wahl fiel auf einen Erzfrachter wie er von den Kieler Howaldtswerken angeboten worden war Als Reaktor war zum damaligen Zeitpunkt noch ein Typ mit organischem Moderator und Kuhlmittel OMR vorgesehen Im Laufe des Jahres 1962 nahm man von diesem Typ jedoch wieder Abstand da technische Schwierigkeiten sein wirtschaftliches Potential zunichtegemacht hatten Am 27 November 1962 wurde im Hamburger Hotel Atlantic der Werftbauvertrag unterzeichnet Die Entwicklungs und Bauleitung wurde dem deutschen Nuklearphysiker Erich Bagge ubertragen Ein Jahr spater konnte aus den Angeboten verschiedener Reaktorbauer der Antrieb festgelegt werden Das Schiff wurde zwischen 1963 und 1968 bei der Kieler Howaldtswerke AG mit Baukosten von 56 Millionen DM gebaut an denen sich die Euratom mit 16 Millionen DM beteiligte Die Arbeiten am nuklearen Antrieb beanspruchten den grossten Teil der Bauzeit die Schiffshulle war bereits im Sommer 1964 im Beisein Otto Hahns getauft worden Als Energiequelle diente ein Druckwasserreaktor DWR des Herstellers Interatom in Bensberg mit Wasser als Kuhlflussigkeit und Moderator im Primarkreislauf der von der Deutsche Babcock amp Wilcox Dampfkessel Werke AG in Friedrichsfeld Niederrhein gebaut wurde Im Sekundarkreislauf wurde der Antriebsdampf fur die konventionelle Dampfturbine erzeugt Druckwasserreaktoren sind die bevorzugte Bauform fur maritime Anwendungen da sie sehr kompakt und robust sind Abgesehen von einigen sowjetischen und amerikanischen Experimenten mit Flussigmetallreaktoren sind bis heute alle nuklear angetriebenen Wasserfahrzeuge mit Druckwasserreaktoren ausgestattet nbsp Schemazeichnung des DruckwasserreaktorsAls Neuerung gegenuber fruheren Druckwasserreaktoren wurden bisher ausserhalb des Reaktordruckbehalters angeordnete Komponenten namentlich der Sekundardampferzeuger und der Druckhalter fur den Primarkreislauf in den Reaktordruckbehalter verlagert Dadurch konnten Tragkonstruktionen fur die Komponenten und die verbindenden Rohrleitungen entfallen Zudem wurde die Abschirmung des Reaktors ausserhalb des Druckbehalters durch die kompakte Bauweise vereinfacht Die Druckhaltung im Primarsystem erfolgte durch ein Dampfpolster im oberen Teil des Reaktordruckbehalters Die Temperatur des Primarwassers am Reaktorkernaustritt bestimmte hierbei den Dampfdruck des Dampfpolsters Die Umwalzung des Primarwassers erfolgte mit drei freistehenden Primarumwalzpumpen die mit kurzen Rohrkrummern am Boden des Druckbehalters angebracht waren Im Innenrohr des Krummers erfolgte der Ruckfluss zum Reaktorkern Durch das Dampfpolster die statische Hohe des Primarsystems und die Abkuhlung des Primarwassers am Sekundardampferzeuger wurde der erforderliche Zulaufdruck fur die Primarumwalzpumpen auch bei starkerem Seegang gewahrleistet Betrieb und Forschung Bearbeiten Das Schiff absolvierte am 11 Oktober 1968 seine erste Probefahrt Die Otto Hahn war in erster Linie ein Forschungsschiff die Verwendung als Frachtschiff war sekundar Sie sollte zwar bereits quasi kommerziell als Erzfrachter fahren vor allem aber dazu dienen Erfahrungen fur zukunftige Nuklearschiffbauten zu sammeln Das zeigt auch ihr ungewohnliches Aussehen mit einem mittschiffs angeordneten zusatzlichen Aufbau fur die Brucke wahrend in den Heckaufbauten Kabinen fur bis zu 36 Forscher ein Besprechungsraum zwei Labore und zwei Salons sowie diverse Messen und Empfangsraume fur Reprasentationszwecke untergebracht wurden Ab 1969 war Heinrich Lehmann Willenbrock Kapitan der Otto Hahn Von 1974 bis 1979 fuhrte Ralf Matheisel das Schiff Nach vier Jahren und 250 000 Seemeilen 460 000 km musste 1972 zum ersten Mal der Kernbrennstoff ausgetauscht werden 1 Die Otto Hahn hatte bis dahin 22 Kilogramm davon verbraucht also etwa funf Gramm auf hundert Kilometer Am 18 Marz 1977 ubergab die GKSS in Geesthacht die Bereederung und die Befrachtung des Schiffs an die Reederei Hapag Lloyd in Hamburg 2 Da die Otto Hahn wegen ihres nuklearen Antriebs zahlreiche auslandische Hafen nicht anlaufen durfte wurde das Experiment 1979 eingestellt und der Atomantrieb stillgelegt Fur die in den 1970er Jahren entstandenen Schiffsentwurfe Nukleares Container Schiff 80 NCS 80 sowie NCS 240 der GKSS Interatom und des Bremer Vulkan fand sich trotz staatlicher Forderzusagen keine Reederei die bereit war ein solches Schiff in Auftrag zu geben 3 4 Bis zur Stilllegung des Kernenergieantriebs hatte die Otto Hahn insgesamt 650 000 Seemeilen zuruckgelegt und 33 Hafen in 22 Staaten angelaufen hauptsachlich in Sudamerika und Afrika viele davon aber nur einmal mit einer Ausnahmegenehmigung 5 Eine Passage durch den Suez oder Panamakanal wurde ihr stets verwehrt International gultige Richtlinien fur den Betrieb von Kernenergieschiffen kamen trotz zahlreicher Seerechtskonferenzen in den 1960er Jahren nie zustande Die letzte Reise des Schiffes nach Durban 1978 ist in dem Roman Der Abschied von Lothar Gunther Buchheim beschrieben nbsp Nuklearschiff Otto Hahn im Hamburger Hafen 1980 Stilllegung des Reaktors Bearbeiten Der Ausbau des Nuklearantriebs erfolgte im Hamburger Hafen Der Druckbehalter und die Kernbrennstabe wurden 1981 im Helmholtz Zentrum Geesthacht eingelagert Im Sommer 2010 wurden 52 Kernbrennstabe von dort in das sudfranzosische Kernforschungszentrum Cadarache transportiert Von dort aus wurde das behandelte Nuklearmaterial im Dezember 2010 in das Zwischenlager Nord in Lubmin bei Greifswald uberfuhrt 6 Am 16 November 2016 beantragte das Helmholtz Zentrum Geesthacht unter anderem die Zerlegung des Reaktordruckbehalters nach 7 des Atomgesetzes 7 Umbauten und weitere Nutzung Bearbeiten Die Otto Hahn wurde im Sommer 1982 an die Projex Reederei des Hamburger Reeders Harm Vellguth verkauft der das Schiff in Trophy umbenannte und bis zum November 1983 fur 4 Millionen DM bei der Bremerhavener Rickmers Werft zu einem Containerschiff mit Dieselmotor und drei 35 Tonnen Bordkranen umbauen liess Die Heckaufbauten wurden entfernt und an ihrer Stelle der ursprunglich mittschiffs gelegene Bruckenaufbau aufgesetzt wodurch sich das Aussehen des Schiffes radikal veranderte Unter den Namen Norasia Susan ab 1983 Norasia Helga ab 1985 und Carmen ab 1985 fuhr das Schiff bis 1988 fur Projex 1989 kam es in den Besitz der chinesischen Reederei COSCO fur die es bis 1998 als Hua Kang He fuhr Danach wurde das Schiff fur neue griechische Eigner noch einmal zum Mehrzweckfrachter umgebaut und blieb als Anais Tal und Madre bis 2009 unter der Flagge Liberias in Dienst Nach einer mehrwochigen Aufliegezeit in Abu Dhabi wurde das Schiff Ende 2009 von seiner letzten Reederei der griechischen Alon Maritime Corporation fur 2 45 Millionen US Dollar zum Abbruch nach Bangladesch verkauft und dort abgewrackt nbsp Bugwappen der Otto Hahn heute am Elbufer in Geesthacht ausgestellt nbsp Schornstein der Otto Hahn auf dem Gelande des Deutschen Schiffahrtsmuseums in BremerhavenVerbliebene Bauteile des Schiffs Bearbeiten Das ehemalige Bugwappen der Otto Hahn ist heute auf einer Wiese hinter dem Freibad in Geesthacht zu finden Die Schiffsglocke befindet sich im Geesthachter Helmholtz Zentrum Hereon der fruheren GKSS im Archiv Der Schornstein steht auf dem Aussengelande des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven Er hatte vorwiegend dekorative Funktion und wurde nur beim Einsatz der Hilfsmaschinen benotigt Der Reaktor und Maschinenleitstand der Otto Hahn befindet sich ebenfalls in der Sammlung des Deutschen Schifffahrtsmuseums Technische Daten BearbeitenBaudaten Bearbeiten Schiffsname Otto Hahn Eigner GKSS Forschungszentrum Geesthacht GmbH Bauwerft Kieler Howaldtswerke AG spater HDW Baunummer 1103 Schiffsklasse 100 A4E durch Germanischer Lloyd und Bureau Veritas Schiffstyp Erzschiff Fahrgastschiff Kernenergieschiff Heimathafen Hamburg Unterscheidungssignal DAOH Kiellegung 31 August 1963 Stapellauf 13 Juni 1964 Fertigstellung 1 Oktober 1968 BRT 16 870 NRT 7 257 LuA 172 05 m Lpp 158 20 m Breite auf Spanten 23 40 m T beladen 9 22 m Freibord 5 33 m Seitenhohe bis Deck 14 5 m Tragfahigkeit tdw 14 079 ts Leistung der Hauptmaschine 7 355 kW Besatzung 63 Mann Forschungspersonal 36 Mann max Geschwindigkeit 17 knAntrieb Bearbeiten Antriebsanlage normal max 10 000 11 000 PS Drehzahl normal max 97 100 min Dampfmenge Haupt Hilfsturbine 48 8 5 7 t h Primarsystem Betriebsdruck 63 5 bar Ein Auslasstemperatur 267 278 C Dampfsekundarsystem Speisewasser Dampftemperatur 185 273 C Dampfdruck 31 barReaktor Bearbeiten Thermische Leistung 38 MW Einsatzzeit bei Volllast 900 d Mittlerer Abbrand 23 000 MWd tU Eingesetzte UO2 Menge 1 7 t Mittlere Anreicherung 3 5 6 6 Mittlerer therm Neutronenfluss 1 1 1013 cm2s1 Zahl der Elemente Brennstabe 12 2810 Aquivalenter Kerndurchmesser 1050 mm Aktive Kernhohe 830 mm Brennstabdurchmesser 11 4 mm Wandstarke der Hullrohre 0 8 mm Hullrohrwerkstoff Zirkalloy 4Reaktordruckbehalter Bearbeiten Durchmesser Hohe licht 2360 8580 mm Innenvolumen 35 m Wand Plattierungsstarke 50 8 mm Auslegungs Druck Temperatur 85 kp cm 300 CLiteratur BearbeitenLothar Gunther Buchheim Otto Hahn Die Atom Ruine In Geo Magazin Hamburg 1979 5 S 66 84 ISSN 0342 8311 informativer Erlebnisbericht eines Insiders Ein funktionierender Atomfrachter ist klar zum Verschrotten Er war der Seefahrtsgeschichte vorausgefahren Die letzten Eindrucke von Bord schrieb Lothar Gunther Buchheim auf Buchheim trifft dabei auf den Alten der im Krieg sein Kommandant auf U96 war und jetzt auf dem NS Otto Hahn fahrt NS steht fur Nuklearschiff Werner Hinsch Gestrandet an einem Schreibtisch Books on Demand Norderstedt 2012 ISBN 978 3 8482 5365 4 Luciene Fernandes Justo Gildo Magalhaes dos Santos The Otto Hahn Nuclear Ship and the German Brazilian Deals on Nuclear Energy A Case Study in Big Science in Icon 6 2000 pp 21 49 Hajo Neumann Vom Forschungsreaktor zum Atomschiff Otto Hahn Die Entwicklung von Kernenergieantrieben fur die Handelsmarine in Deutschland Hauschild Bremen 2009 ISBN 978 3 89757 446 5 Hajo Neumann Werftindustrie und technologischer Spin off am Beispiel der Otto Hahn In Jurgen Elvert Sigurd Hess Heinrich Walle Hrsg Maritime Wirtschaft in Deutschland Schifffahrt Werften Handel Seemacht im 19 und 20 Jahrhundert Steiner Stuttgart 2012 S 106 117 ISBN 978 3 515 10137 0 Michael Schaaf Kernspaltung im Herzen der Finsternis Afrika und die Ursprunge des Nuklearzeitalters in Vera Keiser Hrsg Radiochemie Fleiss und Intuition Neue Forschungen zu Otto Hahn Berlin 2018 ISBN 978 3 86225 113 1 darin ein Kapitel uber die NS Otto Hahn S 450 457 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Otto Hahn Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Bild der Otto Hahn 1977 vor Durban Bild der Madre ex Otto Hahn aus dem Jahr 2006 Webseite mit diversen Publikationen zur Otto Hahn Technische Daten zur Otto HahnEinzelnachweise Bearbeiten https radiationworks com ships nsottohahn htm Otto Hahn Exot mit Kernenergieantrieb schon vor vierzig Jahren In Hansa Heft 6 2017 S 98 Information zum Containerschiff NCS 80 Bundesarchiv Paul Laufs Reaktorsicherheit fur Leistungskernkraftwerke Die Entwicklung im politischen und technischen Umfeld der Bundesrepublik Deutschland Springer Verlag Berlin 2013 S 809 810 Vgl Michael Schaaf Kernspaltung im Herzen der Finsternis Afrika und die Ursprunge des Nuklearzeitalter s in Vera Keiser Hrsg Radiochemie Fleiss und Intuition Neue Forschungen zu Otto Hahn Berlin 2018 ISBN 978 3 86225 113 1 Darin eine Auflistung aller afrikanischen Hafen die die NS Otto Hahn anlief Nibelungen Kurier Online Das einzige deutsche Atomschiff BAnz AT 25 11 2016 B10 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Otto Hahn Schiff amp oldid 238068961