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Nur Ali Borumand auch Nour Ali Boroumand persisch نورعلی برومند Nur ʿAli Borumand 1905 in Teheran Iran 20 Januar 1977 in Teheran war ein iranischer Musiker und Musiktheoretiker der tar setar und santur spielte Er gilt als einer der bedeutendsten Vermittler und Bewahrer der klassischen iranischen Musik im 20 Jahrhundert Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Wirkung 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenBorumand wurde in eine wohlhabende Familie in Teheran geboren die ursprunglich aus Isfahan stammte Sein Vater war Juwelier und Musikliebhaber der jedoch nicht selbst musizierte sondern regelmassig Musiker zu Auftritten in das Haus der Familie einlud Bis auf zwei Onkel auf mutterlicher Seite die als Amateurmusiker auftraten musizierte niemand in seiner Verwandtschaft Musik gehorte dennoch wie Malerei zu den Dingen die in einem kultivierten Haushalt standig prasent waren Der Junge lernte bei den Auffuhrungen viele der seiner Zeit beruhmtesten Musiker kennen darunter den Komponisten und Spieler der Langhalslaute tar Darvis Khan 1872 1926 1 den Santur Spieler Soma Huzur und Hossein Khan der die Stachelfiedel kamantsche spielte nbsp Borumands Lehrer Darvis Khan eigentlich Ǧolam Ḥosayn Darvis nbsp ʿAli Naqi Waziri mit der Laute tarMit sieben Jahren begann Borumand die Bechertrommel zarb zu schlagen Es war offensichtlich eine ubliche Praxis dass Nachwuchsmusiker auf der zarb fur die rhythmische Begleitung der melodischen Kompositionen radif Plural radif ha sorgen durften Wie Borumand erzahlte uberliess ihm mit 13 Jahren sein Vater die Entscheidung Kalligrafie oder Musik zu studieren Borumand wahlte den Musikunterricht bei Darvis Khan und lernte die nachsten drei Jahre dessen Kompositionen und Spielweisen kennen Jeder Meister ustad verfugt uber einen eigenen Stil in dem er den Formenschatz der radifs ausgestaltet Der Schuler ubernimmt diesen Stil zunachst streng und entwickelt spater seine eigenen Improvisationstechniken die sich innerhalb des gesetzten Rahmens der radifs und der diesen zugrundeliegenden modalen Strukturen dastgah bewegen Der Privatunterricht bei Darvis Khan fand zwei Mal wochentlich statt und dauerte eine halbe Stunde Darvis Khan wandte eine Unterrichtsmethode an die seinerzeit noch ungewohnlich war und erst spater popular wurde Dabei sassen diejenigen Schuler mit etwa gleichem Ausbildungsstand zusammen in einem Aufenthaltszimmer wo sie mithoren konnten wie nacheinander jeder von ihnen im angrenzenden Musikzimmer seine Unterweisung vom Meister zu einer bestimmten Melodiefolge guscheh erhielt Guscheh ist ein mit Titel versehener Bestandteil eines dastgah der eher als ein echtes Melodiemotiv denn als schlichte modale Struktur aufgefasst wird 2 Spater sollte jeder Schuler den anderen seinen eben erlernten guscheh beibringen Der Unterricht zielte mehr auf die Vermittlung der musikalischen Grundlagen und nicht so sehr auf die Spieltechniken eines Instruments Darvis Khan unterrichtete die Laute tar die er fur das eigentliche Nationalinstrument der iranischen Musik hielt Im Alter von 16 Jahren wurde Borumand zur weiteren schulischen Ausbildung nach Berlin geschickt wo er bei einer Arztfamilie lebte und mit 22 Jahren den Gymnasialabschluss erhielt Wahrend seines Aufenthalts in Deutschland kummerte er sich nicht um iranische Musik die ihm mit der europaischen Lebensweise unvereinbar erschien Stattdessen nahm er zwei Jahre lang Klavierunterricht und begann sich fur westliche Klassik besonders fur Mozart zu interessieren Nachdem er 1928 fur ein Jahr nach Teheran zuruckgekehrt war wandte er sich wieder ganz der iranischen Musik zu Einer seiner Lehrer hiess Musa Maʿrufi ein Traditionalist und Schuler des zwischenzeitlich verstorbenen Darvis Khan Daneben gab es ʿAli Naqi Waziri Ali Naqi Vaziri 1887 1979 3 der 1923 nach einem funfjahrigen Aufenthalt in Berlin und Paris in den Iran zuruckgekehrt war Waziri war ein Tar Spieler Musiktheoretiker und trat als Erneuerer der iranischen Musik auf die er mit der europaischen Musik zu verbinden suchte Borumand nahm fur ein Jahr Tar und Setar Unterricht bei Musa Maʿrufi einem Lehrer im Umkreis von Waziri den er jedoch bat ihm nur die alteren traditionellen Kompositionen beizubringen und auf deren Notation nach westlichem Vorbild zu verzichten Dem Wunsch seines Vaters folgend einen etwas praktischeren Beruf zu erlernen ging Borumand 1929 zuruck nach Berlin um dort Medizin zu studieren Nach sechs Semestern als er eben das Physikum abgeschlossen hatte geschah ein Ungluck das ihn zum sofortigen Abbruch seines Studiums zwang In beiden Augen loste sich die Netzhaut ab worauf er dauerhaft erblindete 1935 ging er in den Iran zuruck und liess sich im Suden Teherans nieder Hatte er sich in Deutschland wahrend des Studiums zuletzt mit der westlichen Klassik beschaftigt so konzentrierte er sich nunmehr ganz auf die iranische Musiktradition Nebenher unterrichtete er an einigen Schulen und Hochschulen die deutsche Sprache die er sehr gut beherrschte Anstelle der tar spielte er nun uberwiegend die etwas zarter klingende Langhalslaute setar und zusatzlich das trapezformige Hackbrett santur Sein Santur Lehrer war Habib Somaʾ 1901 1946 Sohn von Soma Huzur der im Haus seiner Eltern aufgetreten war Somaʾ erteilte seit 1938 Unterricht Er gilt als der letzte grosse Santur Virtuose der zur Kadscharenzeit gepflegten Spieltradition Fur die nachsten zwolf Jahre beschaftigte Borumand sich mit Somaʾs Kompositionen und denen anderer Musiker darunter bis 1958 mit dem Gesangsstil von Seyyed Hossein Taherzadeh obwohl Borumand selbst nicht sang Aus all dem entwickelte Borumand einen eigenen Musizierstil der sich nach seinen Worten im Wesentlichen an seinem alten Lehrer Darvis Khan und an dessen Schuler Musa Maʿrufi orientierte Bis 1965 lebte Borumand bis auf den Unterricht den er empfing und den er erteilte weitgehend zuruckgezogen Er gab keine offentlichen Konzerte Die Wende kam zu einer Zeit als unter den Kulturschaffenden eine Ruckbesinnung auf die persische Tradition einsetzte und man an der Universitat Teheran beschloss einen Studiengang fur klassische iranische Musik zu grunden Der Leiter der damaligen Musikabteilung Mahdi Barkesli lud Borumand ein als fuhrender Lehrer fur radif zu unterrichten Borumand begann in der Methode des traditionellen Lehrer Schuler Verhaltnisses wie er selbst ausgebildet worden war zwei Mal in der Woche eine Klasse zu unterrichten 1967 lehrte er einige Wochen als Gastprofessor an der University of Illinois Von 1970 bis zu seinem Ruhestand 1974 hatte er eine ordentliche Professorenstelle in Teheran inne Erst 1975 gab er seine bisherige Haltung gegen Mitschnitte seiner Konzerte auf und erlaubte dem Ministerium fur Kunst und Kultur von ihm auf der tar vorgetragene radifs aufzuzeichnen Diese erste quasi offizielle Tondokumentation enthalt unter anderem 15 guschehs aus dem dastgah schur die Borumand 1968 von seinem Schuler Bruno Nettl wahrend einer Unterrichtseinheit mitgeschnitten in derselben Reihenfolge vorgetragen hatte 4 Wirkung BearbeitenGegen Ende des 19 Jahrhunderts befand sich die klassische iranische Musik auf einem langsamen Ruckzug der mit einem allgemeinen Niedergang der nationalen kulturellen Tradition und einer zunehmenden Verwestlichung zusammenhing Seit dem Mittelalter war die Musik religios gepragt und der Gesang dominierte in der poetischen Form des Ghasel Der Instrumentalist wiederholte beim radif die zunachst gesungenen Einheiten in einem eigenen Abschnitt Der radif wurde nicht notiert sondern vom Lehrer mundlich an den Schuler weitergegeben indem der Lehrer eine Phrase vorsang oder vorspielte und der Schuler diese getreulich wiederholte Borumands erster Lehrer Darvis Khan teilte seine Schuler in drei Klassenstufen ein Uber eine Gesamtzeit von etwa zehn Jahren vermittelte er in jeder Stufe ein umfassenderes Verstandnis von einem radif 5 Nach Aussage von Borumand war das musikalische Repertoire im 19 Jahrhundert weitgehend festgelegt und erlaubte kaum personliche Freiheiten Unter Darvis Khan und seinen Zeitgenossen am Anfang des 20 Jahrhunderts begann sich der formale Rahmen zu lockern Darvis Khan hatte unter anderem bei dem 1868 als Lehrer fur europaische Militarmusik nach Teheran gekommenen Franzosen A Lemaire studiert Ein einflussreicher Fursprecher fur eine Verbindung der iranischen mit der europaischen Musik war ʿAli Naqi Waziri der auf der Grundlage der alten Skalen dastgah neue Melodieformen einfuhrte Borumand lehnte eine solche Vermischung aus theoretischen Uberlegungen heraus ab ebenso wenig konnte er sich mit der Niederschrift der persischen Musik in westlicher Notation abfinden die ab den 1920er 1930er Jahren von einigen Musikern praktiziert wurde Borumand wollte die Musik nicht von ihrem kulturellen Umfeld trennen deshalb hatte er sich in Deutschland ausschliesslich mit westlicher Klassik und im Iran nur mit der eigenen Musiktradition beschaftigt Borumands Entscheidung Medizin zu studieren war nicht allein dem Wunsch des Vaters geschuldet Im 19 Jahrhundert waren Berufsmusiker ublicherweise an einem der Furstenhauser angestellt Dort traten sie in kleinen Ensembles bei Veranstaltungen zur Unterhaltung ihres Gonners auf und reisten in seiner Begleitung uber Land Sie besassen wenig personliche Freiheiten und mussten um Erlaubnis bitten wenn sie vor anderem Publikum auftreten wollten 6 Berufsmusiker besassen ein geringes gesellschaftliches Ansehen sie galten als unzuverlassig und stets verschuldet Dagegen zog Borumand es vor als Amateur der von seinem Vermogen lebte die Entscheidungsfreiheit zu besitzen wann und vor wem er wollte zu musizieren Die Fahigkeit zur musikalischen Improvisation konnte fur ihn nur mit personlicher Freiheit einhergehen Insofern verkorperte er das iranische Idealbild einer unabhangigen Musikerpersonlichkeit 7 Als er 1965 als Dozent an die Teheraner Universitat berufen wurde geschah dies zu einer Zeit in der das Interesse an klassischer iranischer Musik wieder grosser wurde und von den Meistern des traditionellen Stils aus dem Anfang des 20 Jahrhunderts nur noch wenige am Leben waren Borumand verstand sich zeit seines Lebens als Bewahrer der Tradition So wie er in seiner Jugend die Neuerungen eines Darvis Khan angenommen hatte so beharrte er spater auf der Beibehaltung der traditionellen Unterrichtsmethoden und Spielweisen die genaues Auswendiglernen beinhalteten und urteilte uber Musiker die Noten vom Blatt spielten dass ihnen dadurch der innere Zugang zur Musik fehle Borumand mochte nicht vor mehr als einer Handvoll Zuhorer auftreten und reagierte zuruckhaltend auf die offentliche Bekanntheit die er in seinen letzten Jahren erlangt hatte Zugleich empfand er es als seine Pflicht zu unterrichten um die Musik zu erhalten und an die Nachwelt weiterzugeben Ustad Borumand der von seinen Freunden Nour Ali Khan genannt wurde 8 galt als grosser Musiktheoretiker und als der zu seiner Zeit bedeutendste Bewahrer des radif der traditionellen iranischen Musik Er selbst verstand sich als einziges Bindeglied zu den Meistern des 19 Jahrhunderts Viele bekannte Musiker die von ihm unterrichtet wurden billigen ihm bis heute diese Rolle zu Es gab andere Musiker die seine konservative Einstellung kritischer beurteilten Da Borumand kaum Tonaufnahmen seiner Auffuhrungen zuliess ist er nur auf einer einzigen Schallplattenveroffentlichung zu horen bei der er einen Sanger auf der tar begleitet 9 Zu seinen iranischen Studenten zahlten der Sanger Mohammad Resa Schadscharian 1940 2020 die Tar und Setar Spieler Mohammad Reza Lotfi 1947 2014 Hossein Alizadeh 1951 und Dariusch Talai 1953 sowie der Santur Spieler Madjid Kiani 1941 Ferner erhielten die Musikethnologen Jean During 1947 Bruno Nettl 1930 Gen ichi Tsuge 1937 und Margaret L Caton bei ihm Unterricht 10 Literatur BearbeitenBruno Nettl Nour Ali Boroumand a twentieth century master of Persian music In Gustaf Hillestrom Hrsg Studia instrumentorum musicae popularis III Musikhistoriska museets skrifter 5 Festschrift fur Ernst Emsheimer Musikhistoriska museet Stockholm 1974 S 167 171 Bruno Nettl Borumand Nur ʿAli In Encyclopaedia Iranica Bruno Nettl On Nour Ali Khan In Ders The Study of Ethnomusicology Thirty One Issues and Concepts University of Illinois Press Champaign 2003 S 179 181 Jean During The Radif of Mirza Abdollah A Canonic Repertoire of Persian Music Mahoor Institute of Culture and Art Teheran 2006 insbesondere S 5 292 f und 309Weblinks BearbeitenBruno Nettl Learning from the Ostad persiansantoor com Dr Nour Ali Boroumand tebyan net Foto Einzelnachweise Bearbeiten Darvish Khan radiodarvish com Ella Zonis Classical Iranian Music In Elizabeth May Hrsg Musics of Many Cultures An Introduction University of California Press Berkeley 1983 S 274 Vaziri ʿAli Naqi In Encyclopaedia Iranica Carol M Babiracki Bruno Nettl Internal Interrelationships in Persian Classical Music The Dastgah of Shur in Eighteen Radifs In Asian Music Vol 19 No 1 Herbst Winter 1987 S 46 98 hier S 47 53 Margaret Caton Performance Practice in Iran Radif and Improvisation In Virginia Danielson Scott Marius Dwight Reynolds Hrsg The Garland Encyclopedia of World Music Volume 6 The Middle East Routledge New York London 2002 S 135 138 Margaret Caton in Garland S 139 Bruno Nettl 2003 S 180 Bruno Nettl 2003 S 179 Iran I Herausgegeben von Alain Danielou Serie A Musical Anthology of the Orient Barenreiter Musicaphon BM 30 L 2004 Unesco Collection Veroffentlicht um 1962 Bruno Nettl 1974 S 171 Fussnote 7 Bruno Nettl 1974 S 167 171Normdaten Person GND 135588073 lobid OGND AKS LCCN no2004016791 VIAF 62766461 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Borumand Nur AliALTERNATIVNAMEN Borumand Nur ʿAli نورعلی برومند persisch KURZBESCHREIBUNG iranischer Musiker Komponist MusiklehrerGEBURTSDATUM 1905GEBURTSORT Teheran IranSTERBEDATUM 20 Januar 1977STERBEORT Teheran Iran Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nur Ali Borumand amp oldid 232782296