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Die Nganasanen sind das nordlichste Volk Russlands und Eurasiens Sie leben in der baumlosen Tundra nordlich des Polarkreises auf dem Gebiet der Taimyrhalbinsel im nordlichen Teil des Nordsibirischen Tieflandes in der Region Krasnojarsk Russland und verteilen sich heute vorwiegend auf drei Siedlungen 1 Trommler einer Nganasan FolkloregruppeGruppe Dentedie Nordlichter Nganasanen 1927Im Russischen Reich waren die Nganasanen unter der Bezeichnung tawgijzy tavgijcy bekannt Das Ethnonym Nganasanen geht auf den russischen Linguisten und Ethnografen G N Prokowjew zuruck der es vom nganasanischen Wort nganasa Mann Mensch ableitete Die Nganasanen selbst verwenden diese Bezeichnung nicht Manner werden mit dem Wort nja nganasa bezeichnet Frauen mit nja ny und das Volk mit nja tansa 2 Die Nganasanen sind ein samojedisches Volk der Uralfamilie sie gehoren neben Nenzen und Enzen zu den Nordsamojeden Ihre Sprache das vom Aussterben bedrohte Nganasanisch ist eine mit Nenzisch und Enzisch verwandte samojedische Sprache Die Zahl der Nganasanen tendiert laut der letzten Bevolkerungszahlung 2010 zu 900 davon nennen 83 Prozent der Befragten Nganasanisch als ihre Muttersprache Die Nganasanen teilen sich in zwei Gruppen die westliche awamische Nganasanen mit Zentren in Dudinka und in den Dorfern Ust Awam Wolotschanka und ostliche wadeische Nganasanen mit Zentrum im Dorf Nowaja Die awamischen Nganasanen sind in funf die wadeischen in sieben Stamme unterteilt obwohl die awamischen Nganasanen eine weitaus grossere Gruppe ca 80 Prozent darstellen Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Verwandtschaft 2 Geschichte 3 Glaube und Religion 4 Literatur 5 EinzelnachweiseHerkunft und Verwandtschaft BearbeitenBei den Nganasanen handelt es sich nach traditioneller Sicht um samojedisierte Nachfahren von palaosibirischen und tungusischen Stammen deren Einheit sich im 17 Jahrhundert herausbildete 3 Neuere genetische Studien belegen jedoch dass es eher umgekehrt war Demnach sind die Alt Nganasanen vor den oben genannten Einflussen als Grunderpopulation der meisten heutigen Sprecher uralischer Sprachen anzusehen Die Entstehung der genetischen Marker wird auf der Taimyr Halbinsel lokalisiert und vor 1500 v Chr datiert Dies wird durch Untersuchungen aus dem Jahr 2019 belegt die zeigen dass Teile der ostlichen fennoskandischen Saami genetische Einflusse einer Zuwanderung durch die Alt Nganasanen aufweisen Diese Komponente tritt erstmals um 1500 v Chr auf der Kola Halbinsel Bolshoy Oleni Ostrov in der Murmansk Region auf Die Studie deutet darauf hin dass es offenbar noch langer Wechselwirkungen zwischen diesen Nganasanen Gruppen und der damals auch weiter sudlicher lebenden saamischen Population gab Bei alteren Proben aus Fennoskandinavien fehlen diese Marker vollstandig sodass von einem Grundereffekt in der beginnenden Eisenzeit auszugehen ist Dies deckt sich auch mit dem Beginn der Rentierwirtschaft Anteile dieser Nganasanen Komponente lassen sich auch in der finnischen karelischen und ostbaltischen Bevolkerung finden 4 Geschichte BearbeitenIm fruhen 17 Jahrhundert begegneten die Nganasanen zum ersten Mal den Russen 5 Nach ersten Widerstanden begannen sie ab 1618 dem Zaren in Form von Zobelpelzen Abgaben zu leisten Die russischen Eintreiber liessen sich am Zusammenfluss der Flusse Awam und Dudypta nieder wo sich die heutige Siedlung Ust Awam befindet Die Wohngebiete der Nganasanen lagen damals deutlich weiter sudlich als heute bei Mangaseja in der Taiga 5 Die Nganasanen versuchten sich oftmals der Tributzahlung zu entziehen und dementsprechend gespannt war das Verhaltnis zu den Besetzern 1666 kam es dreimal zu Uberfallen auf die Russen bei denen insgesamt 35 Manner ums Leben kamen 3 Allgemein gab es nur wenige Kontakte mit russischen Kaufleuten der Handel lief stattdessen haufig uber die benachbarten Dolganen Dabei wurden vor allem Zobelpelze gegen Alkohol Tabak Tee und verschiedene Werkzeuge getauscht Produkte die schnell ihren Platz in der Nganasanen Kultur fanden 6 Seit dem 17 Jahrhundert wurde das Volk von den Jakuten Dolganen und Nenzen aus einigen seiner ursprunglichen Lebensraume verdrangt Im 18 Jahrhundert wurden die Nganasanen endgultig von den Russen unterworfen Im Gegensatz zu den meisten anderen sibirischen Volkern konnten sie sich jedoch aufgrund ihrer abgelegenen Wohnorte der Christianisierung und Russifizierung lange Zeit entziehen Dies verhinderte allerdings nicht die Vermischung christlicher und schamanistischer Vorstellungen 5 7 Wie bei sehr vielen Ureinwohnern der Erde entstand das grosste Leid durch den Kontakt mit Europaern durch eingeschleppte Seuchen In den 1830er Jahren 8 und erneut von 1907 bis 1908 wurden die Nganasanen etwa von Pockenausbruchen heimgesucht In den 1930er Jahren begann der Einfluss der Sowjetregierung durch ein Kollektivierungsprogramm Es beinhaltete die Enteignung der Familien und die Grundung einer Rentierhalter Kolchose 9 Die Massnahme wurde damit gerechtfertigt dass angeblich 60 der Rentiere im Besitz von nur 11 der Familien gewesen seien wahrend 66 der Familien mit 17 der Tiere auskommen mussten 10 Tatsachlich waren die Nganasanen jedoch vormals hauptsachlich Jager Fischer und Sammler die vor allem wildlebende Rentiere jagten und nur kleine Bestande domestizierter Rentiere besassen die nur fur den Transport oder den Verzehr in Notzeiten bestimmt waren 11 Das Leben in der Kolchose fuhrte zu erheblichen Veranderungen der Traditionen Die vollnomadische Lebensweise der Jager wich dem Halbnomadismus der Rentierhaltung Dieser Wandel wurde von sowjetischen Ethnographen dokumentiert die sich seit den 1930er Jahren fur die Nganasanen interessierten In den fruhen 1970er Jahren wurden die Nganasanen Dolganen und Enzen der Region vom Sowjetregime in drei Dorfern sesshaft gemacht und die Kolchosen dieser Ethnien wurden zusammengelegt Viele Nganasanen gaben anschliessend die Arbeit als Rentierhuter auf und verdingten sich als Jager im staatlichen Jagdunternehmen Gospromchose Taymirsky die das aufstrebende Industriezentrum Norilsk im Sudwesten mit Fleisch versorgte Bis 1978 kam die gesamte Rentierhaltung zum Erliegen Stattdessen erreichte der Ertrag an wieder wildlebenden Rentieren mit Hilfe moderner Ausrustung in den 1980er Jahren rund 50 000 Tiere Wahrend die Nganasan Manner als Jager beschaftigt waren arbeiteten die Frauen etwa als Lehrerinnen oder Naherinnen die traditionelle Kleidung aus Rentierfellen herstellten Die Kinder gingen zur Schule wo sie auf Russisch unterrichtet wurden Die Russifizierung die bei den anderen sibirischen Indigenen seit Jahrhunderten stattfand ergriff nun auch die Nganasanen Wirtschaftlich fuhrte die sowjetische Planwirtschaft die die Siedlungen mit angemessenen Lohnen Maschinen Konsumgutern und Bildung versorgte bis Ende der 1980er Jahre zu einem relativ hohen Lebensstandard 9 Am Ende des 20 Jahrhunderts haben die Nganasanen ihre traditionelle Lebensweise fast vollig aufgegeben Dennoch begann in dieser Zeit eine Retraditionalisierung Das regionale Radio strahlt heute regelmassig Sendungen in Nganasanisch aus in der Zeitung werden die Artikel in dieser Sprache gedruckt und seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion dient vielen Menschen die wildbeuterische Subsistenzwirtschaft in den Dorfern verbunden mit einer wieder zunehmenden Isolation als vorrangige Proteinquelle 12 Glaube und Religion BearbeitenAhnlich wie die Nenzen und Dolganen sind die Nganasanen heute offiziell russisch orthodox verknupft mit einer starken christlich gepragten Spiritualitat Dabei sind schamanistische Praktiken aus der ursprunglichen ethnischen Religion immer noch weit verbreitet Nganasan Schamanen waren bis in die 1970er Jahre aktiv Die letzten Schamanen sind jedoch heute verstorben und haben keine Nachfolger hinterlassen So ist das Wissen um die alten Rituale nur noch sehr eingeschrankt vorhanden Lediglich die religiosen Brauche die immer schon individuell durchgefuhrt wurden wie etwa die Ehrerweisungen an den Schutzgeist der Familie werden ublicherweise praktiziert 1 10 Literatur BearbeitenChester S Chard The Nganasan Wild Reindeer Hunters of the Taimyr Peninsula In Arctic Anthropology Vol 1 No 2 1963 S 105 121 Einzelnachweise Bearbeiten a b John Ziker Sharing Subsistence and Social Norms in Northern Siberia Boise State University Department of Anthropology 1 Januar 2014 pdf Onlineversion S 340 342 343 V A Turaev R V Sulyandziga P V Sulyandziga V N Bocharnikov Encyklopediya korennyh malochislennyh narodov Severa Sibiri i Dalnego Vostoka Rossijskoj Federacii Moskva 2005 S 143 a b B O Dolgikh On the Origin of the Nganasans Studies in Siberian Ethnogenesis University of Toronto Press 1962 S 244 245 247 290 292 Thiseas Lamnidis et al Ancient Fennoscandian genomes reveal origin and spread of Siberian ancestry in Europein Nature Communications doi 10 1038 s41467 018 07483 5 a b c A Popov The Nganasan The Material Culture of the Tavgi Samoyeds in Indiana University Publications Bloomington 1966 S 11 The Red Book of the Peoples of the Russian Empire THE NGANASANS Online Zugang abgerufen am 27 November 2020 Dieter Stern Taimyr Pidgin Russian Govorka Russian Linguistics 29 3 2005 doi 10 1007 s11185 005 8376 3 S 290 293 James Forsyth A History of the Peoples of Siberia Russia s North Asian Colony 1581 1990 Cambridge University Press 1994 ISBN 9780521477710 S 177 178 a b John Ziker Land use and economic change among the Dolgan and the Nganasan People and the Land Pathways to Reform in Post Soviet Siberia Reimer 2002 pdf Version S 195 208 209 a b Chester S Chard The Nganasan wild reindeer hunters of the Taimyr Peninsula Arctic Anthropology 1963 1 2 S 113 114 Allan W Johnson Timothy K Earle The Evolution of Human Societies from Foraging Group to Agrarian State 2 Auflage Stanford University Press Stanford 2000 ISBN 9780804740326 S 118 119 Department of Economic and Social Affairs State of the World s Indigenous Peoples In un org Publikation ST ESA 328 2009 abgerufen am 22 Januar 2020 S 18 Normdaten Sachbegriff GND 4107075 6 lobid OGND AKS LCCN sh85091667 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nganasanen amp oldid 231038892