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Die neutrale Theorie der molekularen Evolution englisch neutral theory of molecular evolution ist ein Teilaspekt der Evolutionstheorie sie wurde in den spaten 60er Jahren von Motoo Kimura begrundet Ihre Kernaussage ist dass die meisten genetischen Veranderungen bezuglich der naturlichen Selektion neutral sind dem Individuum also keine direkten Vor oder Nachteile bieten Daraus folgt dass zufallige Ereignisse wie die Gendrift fur die Evolution der genetischen Information eine weitaus grossere Rolle spielen als solche Veranderungen die durch Selektion getrieben werden Die neutrale Theorie der molekularen Evolution schliesst dabei aber die Bedeutung selektionsgetriebener Veranderungen fur bestimmte Gensequenzen ausdrucklich nicht aus Wahrend diese Sequenzen fur den beobachtbaren und daher auch selektierbaren Phanotyp eine grosse Rolle spielen konnen machen sie aber nur einen kleinen Teil der genetischen Information aus Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Ursachen und Auftreten neutraler Mutationen 3 Bedeutung 4 Literatur 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie neutrale Theorie wurde in den 1960er Jahren von Motoo Kimura formuliert Er hatte durch Vergleiche der Aminosauresequenzen von Proteinen bei verschiedenen Arten herausgefunden dass die Evolutionsrate der Aminosauresequenzen einiger Proteine konstant ist Diese Konstanz lasst sich nicht durch Selektion sondern nur durch die genetischen Drift erklaren Sie stellte ein Gegengewicht zur damals verbreiteten Ansicht dar jede Mutation sei fur die Selektion bedeutend Sie war jedoch ausdrucklich kein Gegenentwurf zur Selektionstheorie sondern eine Erweiterung Der Titel eines Aufsatzes von J L King und T H Jukes Non Darwinian Evolution in Science Band 164 1969 S 788 ff fuhrte allerdings zu einer Diskussion ob die neutrale Theorie und die Molekularbiologie die Evolutionstheorie Darwinscher Pragung nicht generell in Frage stellen Es war jedoch bald klar dass dies nicht der Fall ist Sie zeigen jedoch dass nicht alle Mutationen der Selektion unterliegen sogenannte stille Mutationen 1 In der sogenannten Neutralisten Selektionisten Debatte ging es zunachst darum ob es neutrale Mutationen uberhaupt gibt Dies ist heute allgemein anerkannt Diskutiert wird nach wie vor wie gross der Anteil der neutralen Mutationen ist Ursachen und Auftreten neutraler Mutationen BearbeitenVerschiedene Veranderungen des Erbguts konnen zu selektionsneutralen Mutationen fuhren Zum einen ist der genetische Code degeneriert so dass Veranderungen der Nukleotidsequenz in der Nukleinsaure nicht unbedingt zu Veranderungen der Aminosauresequenz eines Proteins fuhren Des Weiteren sind auch viele Aminosaureaustausche auf Grund ahnlicher Eigenschaften hinsichtlich der Proteinbiosynthese fur die Form und Funktion des gebildeten Proteins weitgehend neutral Dazu kommt dass grosse Teile der meisten Genome gar nicht Proteine codieren Vergleiche verschiedenster proteincodierender Gene bei Menschen und bei verschiedenen Nagetieren zeigten dass die Rate synonymer Mutationen also solcher bei denen sich die Aminosauren Sequenz nicht andert wesentlich hoher ist als die Rate nicht synonymer Mutationen also solcher die nicht neutral sind Die Mutationsrate ist in Sequenzen die nicht Proteine codieren hoher Im Intron des Gens fur Insulin ist die Mutationsrate etwa 6 mal hoher als in den beiden Exons Dies erklart sich dadurch dass solche Abschnitte wesentlich weniger der Selektion unterliegen als die proteincodierenden Synonyme Mutationen sind auch in verschiedenen Linien der Saugetiere gleich haufig wahrend nicht synonyme Mutationen etwa bei Primaten wesentlich seltener sind als bei Nagetieren Am hochsten ist die Mutationsrate in Pseudogenen die gar nicht transkribiert werden Bedeutung BearbeitenEine wichtige Folgerung aus der neutralen Theorie ist dass neutrale Mutationen zumindest innerhalb ahnlicher Lebensformen mit einer konstanten Rate erfolgen Darauf beruht das heute in der Evolutionsforschung haufig verwendete Konzept der molekularen Uhr Fur das Verstandnis der Mechanismen der Evolution spielt die neutrale Theorie besonders bei der Erklarung der Evolvierbarkeit evolvability oder auch der Fahigkeit zur Selbstanpassung self adaptability eine Rolle Da neutrale Mutationen die biologische Fitness unter den gegebenen Bedingungen nicht verandern konnen durch sie Merkmale variieren die bei veranderten Umweltbedingungen fur die Selektion relevant werden Ausserdem konnen selektionsneutrale Mutationen das Potential fur eine darauffolgende selektionsrelevante Anderung beeinflussen So codieren beispielsweise 9 verschiedene Nukleinsauretripletts fur die Aminosaure Arginin Bei CGA ist die Wahrscheinlichkeit dass bei einer Punkt Mutation weiterhin Arginin codiert wird 4 9 Bei AGA hingegen ist die Wahrscheinlichkeit 2 9 Trotz neutraler Wirkung auf den Phanotyp verandert also eine Mutation der ersten Base das Potential einer weiteren Mutation den Phanotyp zu beeinflussen Literatur BearbeitenM Kimura The Neutral Theory of Molecular Evolution Cambridge University Press 1983 Douglas J Futuyma Evolution Sinauer Sunderland 2005 S 235 240 ISBN 0 87893 187 2 Naoyuki Takahata Neutral theory of molecular evolution In Current Opinion in Genetics amp Development Band 6 Nr 6 1996 S 767 772 englisch Einzelnachweise Bearbeiten V Storch U Welsch M Wink Evolutionsbiologie 2 Auflage Springer Berlin 2007 S 285 f ISBN 978 3 540 36072 8 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Neutrale Theorie der molekularen Evolution amp oldid 238731127