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Als Neurophilosophie wird die Diskussion um die Einbeziehung der neurophysiologischen Forschungsergebnisse in philosophische Uberlegungen bezeichnet Der Terminus ist aus dem Englischen ubernommen wo er Anfang der 70er Jahre von dem Neurobiologen Humberto Maturana erfunden wurde In Deutschland wurde er vor allem durch das 1986 erschienene Buch Neurophilosophy von Patricia Churchland bekannt Weitere Vertreter der im weiteren Sinne Philosophie des Geistes sind Daniel Dennett John Searle David Chalmers im deutschen Sprachraum Ansgar Beckermann Hans Lenk Thomas Metzinger Albert Newen Markus Werning u a Von den Neurowissenschaften an die Philosophie angenahert haben sich die Mediziner Henrik Walter und Kai Vogeley sowie Georg Northoff der sich als einziger sowohl in Medizin als auch in Philosophie habilitiert hat Auch philosophisch engagierte Hirnforscher wie Gerhard Roth und Wolf Singer und Kunstler wie Torsten de Winkel sind dieser Richtung zuzurechnen wahrend der australische Hirnforscher Max Bennett in seinem mit dem Philosophen Peter Hacker verfassten Buch Philosophical Foundations of Neuroscience als eher kritischer Teilnehmer an der neurophilosophischen Diskussion auftritt Die meisten der hier genannten Philosophen verwenden jedoch den Begriff Neurophilosophie in ihren Arbeiten nicht oder nur selten Inhaltsverzeichnis 1 Fragen 2 Rezeption 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseFragen BearbeitenWahrend die Philosophie des Geistes allein durch ihr Thema Was ist der Geist bestimmt ist steht bei der Verwendung des Begriffs Neurophilosophie oft auch eine inhaltliche Positionierung mit im Vordergrund Die Neurowissenschaften sind das zentrale Element einer Erklarung des Geistes nicht die restlichen Kognitionswissenschaften und schon gar nicht eine dualistische Metaphysik Die Tatsache dass Neurophilosophie weniger durch ein neues Thema als durch eine inhaltliche Positionierung gekennzeichnet ist fuhrt bei vielen Philosophen zu einer Ablehnung des Begriffs Sie argumentieren dass der Begriff eher ein Modewort im Kielwasser der Neurowissenschaften sei als dass er die Philosophie des Geistes und die Wissenschaftstheorie der Neurowissenschaften um Neues erganzen wurde Ein zentrales Thema der Neurophilosophie ist die Beziehung zwischen neuronalen Prozessen und bewusstem Erleben in Form sogenannter Qualia das damit einen Teilaspekt des klassischen Leib Seele Problems darstellt Die Besonderheit des Ansatzes der Neurophilosophie liegt in der breiten Akzeptanz der Voraussetzung eines Gehirns als Basis geistiger Phanomene Ziel ist die Schaffung einer Bruckendisziplin mittels der die naturwissenschaftliche Erkundung mentaler Phanomene einschliesslich formaler Kognition und subjektiv phanomenaler Wahrnehmungen theoretisch darstellbar wird Grundlegende Arbeiten waren etwa Consciousness explained von Daniel Dennett sowie An astonishing hypothesis deutsch Was die Seele wirklich ist des Nobelpreistragers Francis Crick Vor allem Crick ist ein gesteigertes Interesse an allen subjektiven mentalen Vorgangen innerhalb der Neurowissenschaften zu verdanken Zusammen mit dem amerikanischen Neurobiologen Christof Koch proklamierte er die Herausarbeitung neuronaler Korrelate des Bewusstseins neuronal correlates of consciousness NCC als heuristisches Ziel Rezeption BearbeitenDie Anwendung neurowissenschaftlicher Ergebnisse auf philosophische Probleme lost immer wieder Konflikte aus die uber die akademische Debatte hinausreichen Im deutschsprachigen Raum veroffentlichte etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Reihe von Beitragen die dem Verhaltnis von Neurowissenschaft und Willensfreiheit gewidmet waren 1 Einige Philosophen und Hirnforscher wie Gerhard Roth erklarten dass die Erkenntnisse uber neurophysiologische Grundlagen von Entscheidungsprozessen einen Verzicht auf den Begriff der Willensfreiheit und eine Neuinterpretation der Idee der Verantwortung notig machten Gegen diese Thesen wurde von Philosophen wie Peter Bieri Jurgen Habermas und Ernst Tugendhat eingewandt dass die Begriffe der Willensfreiheit und Verantwortung keinesfalls die Unabhangigkeit von kausaler Determination voraussetzen 2 Andere Autoren bestreiten die kausale Determination des Willens und werfen Kritikern der Willensfreiheitstheorie Selbstwiderspruchlichkeit vor Die Leugnung der Willensfreiheit sei inkoharent da auch im Handeln und Argumentieren der Kritiker die Willensfreiheit bereits vorausgesetzt werden musse 3 Literatur BearbeitenPatricia Churchland Neurophilosophy Toward a Unified Science of the Mind Brain Bradford Book 1989 ISBN 0 262 53085 6 Markus Gabriel Ich ist nicht Gehirn Philosophie des Geistes fur das 21 Jahrhundert Ullstein Taschenbuch Berlin 2017 ISBN 978 3548376806 Klaus Jurgen Grun Michel Friedman Gerhard Roth Hrsg Entmoralisierung des Rechts Massstabe der Hirnforschung fur das Strafrecht Vandenhoeck amp Ruprecht 2008 ISBN 978 3 525 49131 7 John Dylan Haynes und Matthias Eckoldt Fenster ins Gehirn Wie unsere Gedanken entstehen und wie man sie lesen kann 2 Auflage Ullstein Hardcover 2021 ISBN 978 3 550 20003 8 Carsten Konneker Mit Kant ins Labor Interview mit Georg Northoff In Gehirn amp Geist Nr 3 2008 S 68 72 spektrum de Paywall Hans Lenk Kleine Philosophie des Gehirns Wiss Buchges Primus Darmstadt 2001 ISBN 3 534 15057 0 Thomas Metzinger The Ego Tunnel The Science of the Mind and the Myth of the Self Basic Books New York 2009 ISBN 0 465 04567 7 Albert Newen und Kai Vogeley Hrsg Selbst und Gehirn Menschliches Selbstbewusstsein und seine neurobiologischen Grundlagen Mentis 2000 ISBN 3 89785 053 2 Georg Northoff Philosophy of the brain the brain problem Benjamins 2004 ISBN 1 58811 417 1 Georg Northoff Das disziplinlose Gehirn Was nun Herr Kant Auf den Spuren unseres Bewusstseins mit der Neurophilosophie Irisiana Munchen 2012 ISBN 3424151238 Gerhard Roth und Klaus Jurgen Grun Hrsg Das Gehirn und seine Freiheit Beitrage zur neurowissenschaftlichen Grundlegung der Philosophie Vandenhoeck amp Ruprecht 2006 ISBN 3 525 49085 2 Dieter Sturma Philosophie und Neurowissenschaften 2 Auflage Suhrkamp Frankfurt am Main 2006 ISBN 978 3 518 29370 6 Rudiger Vaas Schone neue Neuro Welt Die Zukunft des Gehirns Eingriffe Erklarungen und Ethik Hirzel Stuttgart 2008 ISBN 978 3 7776 1538 7 Henrik Walter Neurophilosophie der Willensfreiheit Von libertarischen Illusionen zum Konzept naturlicher Autonomie Schoningh 1998 ISBN 3 506 73241 2 engl Neurophilosophy of free will From libertarian illusions to a concept of natural autonomy MIT Press 2001 ISBN 0 262 23214 6Weblinks BearbeitenEintrag in Edward N Zalta Hrsg Stanford Encyclopedia of Philosophy Vorlage SEP Wartung Parameter 1 und weder Parameter 2 noch Parameter 3 Bibliographie von naturwissenschaftlichen Arbeiten zum Thema Bewusstsein zusammengestellt von David Chalmers engl Bibliographie von Arbeiten zu den neuronalen Grundlagen visueller Illusionen oder optischer Tauschungen 1 Zur Politik der Hirnforschung Interview mit den Philosophen Petra Gehring und Michael Hagner Audio Video Flash oder PDF Georg Northoff Sind wir nichts als Gehirn Das Selbst und sein Gehirn PDF Datei 237 kB EXISTENZANALYSE 27 2 2010 27 31Einzelnachweise Bearbeiten Christian Geyer Hg Hirnforschung und Willensfreiheit Suhrkamp Frankfurt 2004 ISBN 3 518 12387 4 z B Ernst Tugendhat Willensfreiheit und Determinismus in Jochen Troger Wie frei ist unser Wille Universitatsverlag Winter 2007 ISBN 3 8253 5287 0 Kognitive Hirnforschung Mythos einer naturwissenschaftlichen Theorie menschlichen Verhaltens VSA Verlag Hamburg 2008 ISBN 978 3 89965 305 2 Zusammenfassende Darstellung der Kritik Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Neurophilosophie amp oldid 237902151