www.wikidata.de-de.nina.az
Mazanki ist ein kleines seltenes Streichinstrument mit drei Saiten das in der Volksmusik der Region Grosspolen im Westen Polens gespielt wird Anfang des 20 Jahrhunderts verschwand die mazanki allmahlich und wurde wie die verwandte Streichlaute suka weitgehend durch die in einer besonderen Spielweise verwendete Violine ersetzt Seit den 1990er Jahren gibt es einzelne Bestrebungen alte polnische Volksmusikinstrumente wiederzubeleben darunter die mazanki Zwei mazanki mit Streichbogen aus Zbaszyn Westpolen Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Verbreitung 2 Bauform 3 Spielweise 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseHerkunft und Verbreitung Bearbeiten nbsp Die citole ist eine mit den mittelalterlichen Streichinstrumenten verwandte Zupflaute die sich im 13 Jahrhundert vom Mittelmeerraum nach Norden ausbreitete und eine der Ubergangsstufen zwischen fruhen zentralasiatischen Instrumenten und europaischen Fideln darstellt 1 Die erste bekannte sichere Darstellung eines europaischen Streichinstruments findet sich im karolingischen Utrechter Psalter der in der ersten Halfte des 9 Jahrhunderts in Nordfrankreich angefertigt wurde Zu sehen ist ein schreitender Musiker der mit einem geraden Bogen eine Laute mit mittellangem Hals einem spatenformigen Korpus und einem runden Schallloch in der Mitte streicht wahrend er zusatzlich eine an die Schulter gelehnte Winkelharfe tragt Typologisch steht dieser wohl fidula genannte Lautentyp mit zentralasiatischen Instrumenten in Beziehung und kommt in Europa bis ins 12 Jahrhundert vor 2 Ab dem 10 Jahrhundert verbreitete sich in Europa von Osten aus dem Byzantinischen Reich kommend ein birnenformiger Streichlautentyp lira lyra und mit der islamischen Expansion gelangte ein Streichinstrument mit einem langovalen am Boden gerundeten Korpus auf die Iberische Halbinsel rebec sprachverwandt mit Arabisch rabab Neben dieser orientalischen rebec die haufig senkrecht auf den Knien positioniert gespielt wurde verbreitete sich die birnenformige beim Spielen waagrecht oder schrag gegen den Hals oder die Brust gelegte Laute die ebenfalls rebec hiess starker uber Europa 3 Die altesten europaischen Streichlauten besassen entsprechend ihren asiatischen Vorbildern einen aus einem Holzstuck ausgeschnitzten Korpus mit einem schwach gewolbten Boden Eine typische Fidel des 13 und 14 Jahrhunderts hatte einen ovalen Korpus mit geraden Kanten auf den eine Decke aus Kiefernholz geleimt war Bei manchen Instrumenten verlief eine der funf Saiten neben dem Griffbrett und produzierte einen Bordunton ansonsten zeigen die Abbildungen Fideln mit drei oder vier Saiten Solche Fideln mit C Schalllochern und einem breiten Hals gab es noch um die Mitte des 16 Jahrhunderts als bereits die Violine mit Zargenkorpus ungefahr in ihrer heutigen Gestalt existierte 4 In den folgenden Jahrhunderten verdrangte allmahlich auch in der Volksmusik die Violine die Streichinstrumente der Diskant Stimmlage Als um 1820 in den polnischen Ensembles mit mehreren Dudelsacken und einem Streichinstrument die Violine an die Stelle der mazanki trat mussten deren Saiten mit einer Art Kapodaster um etwa ein Drittel verkurzt werden um auf die hohere Stimmung der mazanki zu kommen 5 In Osteuropa gehort die Violine heute zu den beliebtesten Instrumenten der Volksmusik Es gibt einige Regionen in denen sich in der Volksmusik nicht nur Formen mittelalterlicher Fideln sondern auch deren Spielweisen erhalten haben Zu den alten Spielweisen gehort die auf einen Bordunton bezogene musikalische Struktur wobei eine Saite nur als Bordun verwendet wird im Unterschied zum Prinzip der Funktionsharmonik in der neueren Musik Im 16 Jahrhundert und bis ins 17 Jahrhundert wurde die notierte Violinmusik nur in der ersten Lage und hauptsachlich auf der obersten und sehr selten auf der tiefsten Saite gespielt Diese wohl von dreisaitigen fruhen Fiedeln herruhrende Praxis wird in Polen bei der mazanki und der zlobcoki bis heute weitgehend beibehalten 6 Ein Streichinstrument bei dem alte und neue Bauformen vereinigt sind ist die norwegische Hardangerfiedel 7 In der Slowakei und in anderen osteuropaischen Landern sind oder waren einfache in der Volksmusik gespielte Fideln mit einem aus einem Holzstuck geschnitzten Korpus in zahlreichen Formvarianten unter dem slawischen Namen husle verbreitet Die isolierte deutschsprachige Region um Iglau in Mahren ist auch eine Traditionsinsel fur eine Familie von seit dem 16 Jahrhundert uberlieferter Fideln Das Diskantinstrument heisst Klarfiedel mittelhoch klingt die Grobfiedel und der Bass ist als Ploschperment bekannt 8 Mit der mittelalterlichen dreisaitigen rebec verwandte Streichinstrumente wie die drei Iglauer Bauerfideln die mazanki oder die grosseren Bassinstrumente basy wurden offenbar einer alten Tradition folgend bis ins 20 Jahrhundert vom Spieler selbst oder seinem nahen Umfeld mit archaischen Methoden hergestellt 9 In Polen ist die zlobcoki auch gesliki podhalanskie oder oktawi eine der mittelalterlichen rebec mit schlankem ovalem Korpus ahnliche Fidel die nur im Tatravorland in der Region Podhale vorkommt 10 Die drei oder viersaitige einfach gebaute zlobcoki verschwand Anfang des 20 Jahrhunderts und wird heute in begrenztem Umfang handwerklich neu hergestellt Die Korpusform ahnelt den slowakischen Rinnengeigen Neben der zlobcoki der suka und der mazanki kommt in der von der Violine skrypze dominierten polnischen Volksmusik die skrypze zlobione ausgehohlte Violine als eine regionale einfache Imitation derselben vor 11 In dieser Region wird die in einem Volksmusikensemble eingesetzte Violine gesle genannt Im mittelalterlichen Polen bezeichnete gesle gesl gaslki oder gusli unterschiedliche ursprunglich gezupfte und spater gestrichene Saiteninstrumente 12 Bauform Bearbeiten nbsp MazankiDie mazanki ahnelt in ihrem Ausseren einer Violine wobei jedoch nur bei einigen Instrumenten der Korpus wie bei jener aus Boden Zargenkranz und Decke zusammengesetzt ist Derartige Instrumente gehoren nach der Hornbostel Sachs Systematik zu den Kastenhalslauten Traditionell werden Korpusboden und Zargen aus einem Stuck Holz herausgearbeitet Diese Bauweise macht die mazanki zu einer Schalenhalslaute Die Gesamtlange der mazanki betragt etwa 50 Zentimeter sie ist kleiner als die Violine Die Formdetails sind nicht standardisiert und unterschiedlich Die Mittelbugel taillierter Mittelteil des Zargenkranzes konnen wie bei der Violine flach C formig oder tief in einem engen Halbkreis einwarts gebogen sein Bei einer modernen Version endet der ansonsten schmucklose Wirbelkasten in einer Schnecke als Angleichung an die Violine Die f Schalllocher haben keine Kerben in der Mitte Die drei Saiten verlaufen von seitenstandigen Wirbeln an einem geraden Wirbelkasten uber ein Griffbrett und einen schmalen Steg zu einem Saitenhalter der am unteren Rand befestigt ist Der Steg ist asymmetrisch wie bei der Fidel von Plock einem fur die Kenntnis polnischer Saiteninstrumente bedeutsamen Fund aus dem 16 Jahrhundert der in der Nahe von Plock ausgegraben wurde 13 Der Stegfuss unter der hochsten Saite ruht auf der Decke wahrend der Steg unter der tiefsten Saite verlangert ist und durch ein Loch in der Decke durchgesteckt den Boden erreicht um die Funktion eines Stimmstocks zu ubernehmen Die Saiten sind hoher als bei der Violine auf a1 e2 b2 gestimmt 14 Skordatur Stimmungen mit denen die mazanki auf das Zusammenspiel mit einem Dudelsack eingestellt wird sind a1 e2 h2 und g1 d2 a2 und fis1 cis2 gis2 sowie f1 c2 g2 15 Spielweise BearbeitenDer Musiker halt die mazanki beim Spiel ungefahr waagrecht gegen seine linke Armbeuge und streicht sie mit einem Geigenbogen Die Saiten werden mit den Fingerspitzen der linken Hand auf dem Griffbrett verkurzt Die polnischen Volksmusikstile lassen sich regional in funf Musiklandschaften einteilen Fur die Zentralregion zu der Grosspolen gehort sind in den Liedern und Tanzen Melodien mit Rhythmen im Dreiertakt charakteristisch Grosspolnische Ensembles bestehen aus einem von mehreren Dudelsacktypen vor allem dem grossen koziol Bock oder einem kleineren Dudelsack dudy und einer mazanki sofern sie nicht durch die Violine ersetzt wird In anderen Regionen spielen eine Geige und eine kleine Handtrommel mit Schellenkranz oder einer rhythmisch eingesetzten kleinen Bassgeige mit zwei Bordunsaiten zusammen Bis zum Ersten Weltkrieg gehorte ein Ensemble aus Dudelsack und mazanki zum zeremoniellen Teil einer Hochzeitsfeier Nach einer Beschreibung von 1861 spielte ein Geiger begleitet von einem Dudelsackspieler ab der Ankunft der Gaste bis zum Abendessen eine hoch und schrill klingende mazanki Solange diese erklang musste der Brautigam fur die Kosten von Wodka Bier und Essen aufkommen Sobald der Geiger zur Violine wechselte und der Dudelsackspieler zu einem anderen Instrument hatten die Hochzeitsgaste alle weiteren Getranke und Essenskosten zu ubernehmen 16 Literatur BearbeitenJan Steszewski Mazanki In Laurence Libin Hrsg The Grove Dictionary of Musical Instruments Band 3 Oxford University Press Oxford New York 2014 S 418Weblinks BearbeitenMazanki fiddle Polish folk musical instruments mit Horproben Kapela Dudziarzy Wielkopolskich 2 festiwal Wszystkie Mazurki Swiata Youtube Video Ensemble mit zwei Violinen und zwei Dudelsacken aus Poznan Warsztaty budowy mazanek wielkopolskich Youtube Video uber einen 2015 an einer Schule durchgefuhrten Workshop zur Herstellung von mazanki polnisch Einzelnachweise Bearbeiten Laurence Wright Citole In Grove Music Online 2001 Curt Sachs Handbuch der Musikinstrumentenkunde 2 Auflage 1930 Georg Olms Hildesheim 1967 S 175 Marianne Brocker Rebec II Beschreibung In MGG Online November 2016 Musik in Geschichte und Gegenwart 1998 Fidel In Anthony Baines Lexikon der Musikinstrumente J B Metzler sche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 2005 S 91 Andreas Michel Oskar Elschek Instrumentarium der Volksmusik In Doris Stockmann Hrsg Volks und Popularmusik in Europa Neues Handbuch der Musikwissenschaft Band 12 Laaber Laaber 1992 S 279 Zbigniew J Przerembski Studying folk violin playing to recover early music performance practices The Violin in Polish Collections Institut of Music an Dance IMiT Warschau Andreas Michel Oskar Elschek Instrumentarium der Volksmusik In Doris Stockmann Hrsg 1992 S 305f Sibyl Marcuse A Survey of Musical Instruments Harper amp Row New York 1975 S 474f Thomas Drescher Streichinstrumentenbau A Die Violinfamilie II Die Fruhgeschichte bis ca 1550 Rebec Fidel Lira In MGG Online November 2016 Jan Steszewski Polen II Volksmusik 4 Regionale Differenzierung In MGG Online Oktober 2017 Peter Cooke The violin instrument of four continents In Robin Stowell Hrsg The Cambridge Companion to the Violin Cambridge University Press Cambridge 1992 S 239 Gesle In Laurence Libin Hrsg The Grove Dictionary of Musical Instruments Band 2 Oxford University Press Oxford New York 2014 S 418 Vgl Ewa Dahlig A Sixteenth Century Polish Folk Fiddle from Plock In The Galpin Society Journal Band 47 Marz 1994 S 111 122 Jan Steszewski Mazanki In The Grove Dictionary of Musical Instruments 2014 Marianne Ronez Scordatura III Geschichte 3 Violine b Volksmusik In MGG Online November 2016 Mazanki fiddle Polish folk musical instruments Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mazanki Streichinstrument amp oldid 228452269