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Als Massenauswanderung der Pfalzer englisch Palatines wird die erste grosse Auswanderungswelle aus Deutschland nach dem Konigreich Grossbritannien und den britischen Kolonien in Nordamerika im Jahr 1709 bezeichnet Die Versorgung und Ansiedlung der mehr als 11 000 verelendeten Ankommlinge stellte die britische Regierung 1 vor eine grosse Herausforderung und stiess eine innenpolitische Debatte und eine Regierungskrise an Inhaltsverzeichnis 1 Verlauf 2 Herkunftsgebiete in Deutschland 3 Push und Pull Faktoren 4 Ruckkehr nach Deutschland 5 Ansiedlung 5 1 Ansiedlung in Irland 5 2 Ansiedlung in der Provinz Carolina 5 3 Ansiedlung in der Provinz New York 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseVerlauf Bearbeiten nbsp Konigin Anne kolorierter Stich aus einem fur August den Starken 1706 1710 gefertigten AtlasDie Kurpfalzer Untertanen waren durch langwierige Kriege und hohe Abgaben belastet Vornehme Personen in England hatten sie darauf hingewiesen dass sie in England besser versorgt werden konnten falls sie sich dahin und von dort weiter an anzuweisende Orte begeben wollten Dieses Angebot verbreitete sich in Sudwestdeutschland durch gedruckte Broschuren mit dem Bild der Konigin Anne und von Mund zu Mund so dass im Fruhjahr 1709 am Mittelrhein ein Auswandererfieber grassierte Die Auswanderer fuhren in Gruppen rheinabwarts und setzten von Rotterdam nach London uber in der Meinung ein besseres Auskommen zu finden Binnen kurzem kamen Tausende auf englischem Boden an Im Mai 1709 wurden in London bereits an die 6520 Personen gezahlt Es bestand zunachst der Plan sie alle zusammen in der Provinz Kent unterzubringen und zu diesem Zweck den grossen Tiergarten und Wald von Coloham wohl Chatham aus dem Besitz des Adligen Joseph Williamson anzukaufen doch kam dieser Plan nicht zur Ausfuhrung Indessen lagerten die armen Leute bei London Ihre Zahl wuchs von Woche zu Woche bis man in Deutschland mit allem Nachdruck bekannt machen liess dass niemand mehr angenommen wurde Etliche hundert Katholiken wurden mit Reisegeld versehen wieder zuruckgeschickt da man sie nach den Landesgesetzen nicht annehmen konnte Fur die ubrigen richtete man notdurftige Hutten auf und wies auch etliche Wohnplatze in Hampshire an 2 Die Auswanderer hatten ihre Barmittel indessen aufgebraucht und sassen mittellos und handlungsunfahig fest Auf englischer Seite hatte niemand mit einer so grossen Zahl von Ankommlingen gerechnet die wohl 11 000 uberstieg die Einwohnerzahl einer Provinz Zu ihrer Unterbringung und Versorgung wurden 100 Kommissare aus allen Standen und Wurden ernannt darunter Herzoge Markgrafen Grafen Bischofe und Ritter zugleich eine Kollekte im ganzen Konigreich erlaubt die eine grosse Summe Geldes erbrachte Mittlerweile liess Konigin Anne taglich an die 800 Reichstaler an sie austeilen dazu an die 1000 hochdeutsche Bibeln 2 Die Arbeitsfahigen sollten auf das Konigreich verteilt werden und wer immer Arbeitskrafte brauchte konnte sie abholen Je langer der Aufenthalt dauerte desto schlechter wurde die allgemeine Stimmung Es kam zu Konflikten zwischen den Pfalzern oder Palatines wie die Auswanderer verallgemeinernd genannt wurden und dem Londoner Proletariat um Arbeitsgelegenheiten Der Ausdruck Palatines wurde ublich und bezeichnete im englischen Sprachgebrauch bis zum Ende der Kolonialzeit alle hochdeutschen Auswanderer Auf Gaerrsey wohl Jersey legte man eine Leinwand Bleiche an um dort eine Anzahl Leute zu beschaftigen Irland forderte Auswanderer an um verodete Guter anzubauen Dorthin wurden sogleich 500 Familien circa 3000 Personen geschickt Diese wurden gut aufgenommen und gefordert beispielsweise liess der Erzbischof von Dublin Kirchengebete Lieder usw in hochdeutscher Sprache drucken und die Ankommlinge damit beschenken 100 Familien beziehungsweise 650 Personen begleiteten Christoph von Graffenried 1710 mit nach Carolina 850 Familien beziehungsweise 3000 Personen wurden 1710 nach New York weitergeleitet Eine unbekannte Anzahl starb vor der Verteilung 2 Herkunftsgebiete in Deutschland BearbeitenEine Statistik von 1711 nennt folgende Herkunftsgebiete der Auswanderer 3 Aus der Kurpfalz 8589 Aus der Landgrafschaft Hessen Darmstadt 2334 Aus der Grafschaft Hanau Munzenberg der Grafschaft Isenburg und Umgebung wie auch aus der Wetterau 1113 Aus dem Frankenland 653 Aus dem Kurmainzischen 63 aus dem Kurtrierischen 58 Aus dem Bistum Worms dem Bistum Speyer und der Grafschaft Erbach 490 Aus der Landgrafschaft Hessen Kassel waren es 81 Auswanderer aus dem Herzogtum Pfalz Zweibrucken 125 Fur das Herzogtum Nassau wurden 203 Personen genannt aus dem Elsass stammten 413 Auswanderer Aus der Markgrafschaft Baden stammten 320 Personen Zusammen mit weiteren 871 Auswanderern aus anderen Territorien waren dies insgesamt 15 313 Personen Das gleiche Pamphlet spricht dann von 8213 angenommenen und 6994 ruckkehrenden Auswanderern zusammen 15 207 Personen Mit noch 17 261 in London Verstorbenen waren dies 32 468 Ankommlinge Bedingt durch Mehrfachzahlung scheinen die Zahlen zu hoch Push und Pull Faktoren Bearbeiten nbsp Winter 1708 1709 Temperatur Anomalie im Vergleich zu 1971 2000 Als Grunde fur die Auswanderungswelle wurden zeitgenossisch genannt Im Heimatland der extrem kalte und harte Winter 1708 09 fur Mittel Ost und Sudosteuropa einer der kaltesten Winter des Jahrtausends der mit dem Erfrieren der Wintersaat der Weinstocke und Obstbaume Teuerung und Hungersnot erwarten liess England und Irland aber nicht betroffen hatte die nicht enden wollenden Kriege am Mittelrhein das heisst der noch andauernde Spanische Erbfolgekrieg mit standiger Truppenprasenz und Requisitionen in der Sudpfalz die hohen Abgaben Im Zielland die seit Marz 1709 mogliche Einburgerung aller Protestanten dazu grosszugige Versprechungen seitens der Grundherren zur Anwerbung der Siedler namlich 100 Acres also 200 Morgen Landbesitz pro Kopf gleich ob Mann Frau oder Kind dazu 10 Jahre Steuerfreiheit 4 sowie die erwartete religiose Toleranz fur die protestantischen Nonkonformisten Die Ankunft der unerwartet grossen Masse stiess eine innenpolitische Debatte uber die Vor und Nachteile der Einwanderung an Konigin Anne sprach sich fur eine Ansiedlung der Pfalzer in England aus andere wollten sie instrumentalisieren zur Starkung des Protestantismus in Irland zur Arbeit fur die britische Marine und zur Abwehr der Franzosen mit denen das Konigreich noch im Krieg lag Als im April 1711 ein Parlamentsbericht die aufgewendeten Betrage mit 135 775 Pfund Sterling bezifferte 5 wurde das Einburgerungsgesetz schleunigst aufgehoben Ruckkehr nach Deutschland BearbeitenWeder die britische Regierung noch die Ankommlinge waren auf die Situation vorbereitet Aus eigener Kraft ohne Verwandte Geld Sprachkenntnis oder Kontakte war es kaum jemandem moglich Fuss zu fassen Wer von Land Haus Vieh und Steuerfreiheit getraumt hatte sah sich getauscht Neben den zur Ruckkehr gedrangten Katholiken gelangten mehrfach ruckkehrwillige Auswanderer nach Rotterdam zuruck Namenslisten der Ruckkehrer fuhren 508 Familien oder 2150 Personen im Jahr 1709 auf 4 482 Familien mit 1617 Personen im Jahr 1710 6 168 Familien bzw 620 Personen im Jahr 1711 4 Zusammen ergibt dies eine Zahl von 1158 Familien bzw 4387 Personen Ansiedlung BearbeitenAnsiedlung in Irland Bearbeiten Nach Irland gelangten im September 1709 anstatt der von der Ansiedlungskommission vorgeschlagenen 500 Familien deren 821 mit insgesamt 3073 Personen die zunachst in Dublin beim Bau eines Arsenals und im Land verteilt im Taglohn arbeiteten Bald verliessen die meisten Irland wieder auf eigene Faust so dass im Februar 1710 noch 507 Familien mit 2051 Personen in Irland waren im Juli 1711 noch 314 Familien mit 1231 Personen 5 Die zum Verbleib bereiten Familien wurden zum Teil als Pachter auf dem Land der Adligen Thomas Southwell und Charles Silver Oliver in der Grafschaft Limerick in Sudwest Irland angesiedelt Sie errichteten Siedlungen bei Rathkeale Courtmatrass Castlematrass Killeheen und Ballingarane 1715 wurden per Gesetz 213 namentlich genannte Haushaltsvorstande eingeburgert Die Irlandpfalzer unterschieden sich auch wegen des konfessionellen Gegensatzes noch lange Zeit vom irisch katholischen Umfeld 7 Ansiedlung in der Provinz Carolina Bearbeiten 100 Familien mit 650 Mitgliedern wurden von Christoph von Graffenried ubernommen einem uberschuldeten Berner Patrizier der in Carolina Silberminen ausbeuten wollte Sie fuhren im Januar 1710 mit dem designierten Gouverneur von Carolina Edward Hyde und dem Landvermesser John Lawson mit zwei Schiffen von London ab Graffenried selbst und sein Kompagnon Franz Ludwig Michel folgten im Sommer 1710 mit einer kleinen Gruppe Berner Die Ankommlinge deren Zahl sich durch Tod und Abgang bis Juli 1711 auf 300 Personen verminderte errichteten die Siedlung New Bern im heutigen North Carolina Bereits 1711 scheiterte das ganze Kolonisationsunternehmen an den politisch instabilen Verhaltnissen der Provinz Die Tuscarora auf deren Land New Bern errichtet war brannten die Siedlung nieder die Ansiedler litten Hunger Lawson kam um spater auch Michel Graffenried setzte sich schliesslich ab und gelangte 1713 uber London nach Bern zuruck Seine Rechtfertigung schildert das Unternehmen umstandlich und ist fur viele Geschehnisse die einzige Quelle 8 Ansiedlung in der Provinz New York Bearbeiten 850 Familien mit 3000 Personen wurden zur Jahreswende 1709 10 eingeschifft und fuhren 1710 auf zehn Schiffen mit dem neuen Gouverneur Robert Hunter und dem ordinierten Pfarrer Josua Harrsch alias Kocherthal nach New York City das sie im Sommer 1710 erreichten Das von der Regierung gebilligte Projekt Hunters sah vor dass die Deutschen aus den dortigen Kiefern Pech und Teer fur die Magazine der britischen Marine herstellen sollten Einige Auswanderer blieben in New York City zuruck fur die anderen wurden Barackenlager am mittleren Hudson errichtet die West Camps Elizabeth Town George Town New Town bei Saugerties auf koniglichem Land am Westufer und die East Camps Hunterstown Queensbury Annsbury Haysbury heute Germantown am Ostufer auf dem Besitz des Adligen Robert Livingston der an den Zahlungen der Regierung zum Unterhalt der Einwanderer gut verdient haben soll Die Pech und Teerproduktion kam nie in Gang sei es wegen der ungeeigneten Baumart oder aus anderen Grunden Im September 1712 stellte die Regierung die Zahlungen an die Ansiedler ein und uberliess diese ihrem Schicksal Nach einem Hungerwinter 1712 13 verliessen viele Familien die Camps eigenmachtig Zahlreiche siedelten sich ohne Werkzeuge oder Vieh unter elenden Bedingungen im nicht allzu weit entfernten Schoharietal an Da ihnen dort die Besitztitel streitig gemacht wurden kauften 100 Familien 1723 mit Zustimmung des Gouverneurs im Stone Arabia Patent und Burnetsfield Patent Land von den Mohawk im mittleren Mohawktal 15 Familien zogen im gleichen Jahr in einem grossen Treck nach Pennsylvania das sie mittlerweile als gunstiger fur eine Ansiedlung ansahen und errichteten dort die Siedlung Tulpehocken Ob wie gelegentlich behauptet wird Auswanderer nach den Scilly Inseln Jamaika oder Barbados gelangt sind oder sich gar den Piraten auf Nassau auf den Bahamas angeschlossen haben bleibt offen Literatur BearbeitenDaniel Defoe Kurze Geschichte der Pfalzischen Fluchtlinge Munchen dtv 2017 Frank Ried Diffenderffer The German exodus to England in 1709 Massenauswanderung der Pfalzer Lancaster PA 1897 Herausgegeben von der Pennsylvania German Society openlibrary google Emil Heuser Pennsylvanien im 17 Jahrhundert und die ausgewanderten Pfalzer in England Neustadt a d Weinstrasse 1910 openlibrary Walter Allen Knittle The early eighteenth century Palatine emigration a British government redemptioner project to manufacture naval stores Philadelphia PA 1936 Dissertation am College of the City of New York Walter Allen Knittle Early Eighteenth Century Palatine Emigration Philadelphia PA 1937 E Text Walter Lenke Untersuchung der altesten Temperaturmessungen mit Hilfe des strengen Winters 1708 1709 Berichte des Deutschen Wetterdienstes Bd 13 Nr 92 Offenbach a M 1964 online Philip L Otterness The unattained Canaan the 1709 Palatine migration and the formation of German society in colonial America Iowa City 1996 Dissertation google Philip Otterness Becoming German the 1709 Palatine migration to New York Cornell University Press Ithaca 2004 google Vincent H Todd Julius Goebel Christoph von Graffenried s Account of the Founding of New Bern The North Carolina Historical Commission Raleigh NC 1920 E Text Theatrum Europaeum Bd 18 Teil 3 1709 Frankfurt am Main 1720 S 248 f onlineWeblinks BearbeitenIrish Palatine Heritage englisch Palatines to America englisch Poor Palatines Memento vom 16 Juli 2011 im Internet Archive englisch Palatine DNA Project englisch Einzelnachweise Bearbeiten siehe Sidney Godolphin 1 Earl of Godolphin a b c Theatrum Europaeum Bd 18 Teil 3 1709 Frankfurt am Main 1720 S 248 f Moritz Wilhelm Hoen Pseudonym von Anton Wilhelm Bohme Das verlangte nicht erlangte Canaan Frankfurt und Leipzig 1711 Druck selbst lag nicht vor Zitiert in 1 Frank Ried Diffenderffer The German exodus to England in 1709 Massenauswanderung der Pfalzer Lancaster PA 1897 p 155 f 2 Emil Heuser Pennsylvanien im 17 Jahrhundert und die ausgewanderten Pfalzer in England Neustadt a d Weinstrasse 1910 S 72 3 Variante nach einem handschriftlichen Eintrag im Kirchenbuch von Dreieichenhain dem zeitgenossischen Schreiber lag wohl gleichfalls Hoens Druckschrift vor Henry Z Jones Jr The Palatine Families of New York Universal City CA 1985 ISBN 0 9613888 2 X set p viii a b c Walter Allen Knittle Early Eighteenth Century Palatine Emigration Philadelphia PA 1937 a b Rudiger Renzing Pfalzer in Irland Schriften zur Wanderungsgeschichte der Pfalzer Folge 39 Kaiserslautern 1989 ISBN 3 927754 02 1 Henry Z Jones Jr John P Dern Palatine Emigrants Returning in 1710 In Pfalzer Palatines Beitrage zur Bevolkerungsgeschichte der Pfalz Bd 2 Kaiserslautern 1981 S 53 78 Henry Z Jones Jr The Palatine Families of Ireland Camden Maine 1990 ISBN 0 929539 09 5 Vincent H Todd Julius Goebel Christoph von Graffenried s Account of the Founding of New Bern The North Carolina Historical Commission Raleigh NC 1920 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Massenauswanderung der Pfalzer 1709 amp oldid 226578374