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Die Lex de imperio Vespasiani 1 ist das Antrittsgesetz des romischen Kaisers Vespasian dessen Verabschiedung im Senat Tacitus auf den 22 Dezember 69 n Chr datiert 2 Es stellt die wohl letzte lex im Sinne der republikanischen Gesetzgebungstradition dar 3 und ist in seiner zweiten Halfte erhalten Neben den Res Gestae Divi Augusti gilt das Dokument als eine der wichtigsten Inschriften der Romischen Kaiserzeit Bronzeinschrift des VespasiangesetzesDer Text hat zwar bereits die ausserliche Form eines Senatsbeschlusses wurde aber zugleich noch von der Volksversammlung als Gesetz beschlossen bevor diese ihre Gesetzgebungskompetenz an den Senat und insbesondere den Kaiser verlor In ihm wird dem Burgerkriegssieger Vespasian eine Reihe von Vollmachten verliehen die zusatzlich zu der von Augustus geschaffenen legalen Basis des Prinzipats die Kaiserwurde formal auf den neuen Herrscher ubertragen sollte Die uberragende Machtstellung des Kaisers sollte dabei dem Anschein nach mit der republikanischen Ordnung vereinbar bleiben und basierte daher einerseits auf dem imperium proconsulare maius d h der erweiterten Kommandogewalt uber die Grenzprovinzen die den Oberbefehl uber die Mehrheit der Legionen einschloss und andererseits auf der tribunicia potestas also den erweiterten Rechten des Volkstribunen die unter anderem das Vetorecht bei Senatsbeschlussen beinhaltete Die lex de imperio ubertragt Vespasian uberdies en bloc auch alle weiteren Sondervollmachten die Augustus Tiberius und Claudius verliehen worden waren Inhaltsverzeichnis 1 Uberlieferungsgeschichte 2 Lateinischer Text und Ubersetzung Auszug 3 Einzelbestimmungen und Deutung 4 Literatur 5 AnmerkungenUberlieferungsgeschichte BearbeitenDie zweite Halfte des Gesetzes ist auf einer Bronzetafel erhalten Sie wurde 1347 in der Lateranbasilika entdeckt und von dem damaligen Machthaber der Stadt Rom Cola di Rienzo an die Offentlichkeit gebracht um dem Papst die verfassungsrechtliche Einschrankung seiner Macht zu demonstrieren Heute ist sie in den Kapitolinischen Museen in Rom ausgestellt Lateinischer Text und Ubersetzung Auszug Bearbeiten foedusue cum quibus uolet facere liceat ita uti licuit diuo Aug usto Ti Iulio Caesari Aug usto Tiberioque Claudio Caesari Aug usto Germanico utique ei senatum habere relationem facere remittere senatus consulta per relationem discessionemque facere liceat ita uti licuit diuo Aug usto Ti Iulio Caesari Aug usto Ti Claudio Caesari Augusto Germanico es ihm erlaubt sein soll ein Bundnis zu schliessen mit wem er will so wie es erlaubt gewesen ist dem vergottlichen Augustus dem Tiberius Julius Caesar Augustus und dem Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus und dass es ihm erlaubt sein soll eine Senatssitzung abzuhalten einen Antrag zu stellen und zuruckzuweisen sowie Senatsbeschlusse durch Antrag und Abstimmung durch Auseinandertreten zu verabschieden so wie es erlaubt gewesen ist dem vergottlichen Augustus dem Tiberius Julius Caesar Augustus und dem Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus Einzelbestimmungen und Deutung Bearbeiten nbsp Vespasian Ny Carlsberg Glyptotek Kopenhagen Dass ein gleiches oder ahnliches Gesetzesbundel seit Amtsantritt des Tiberius oder des Caligula an alle Vorganger verliehen worden war wird aufgrund weitgehend eindeutiger Belege in der Historiographie in neueren Spezialuntersuchungen kaum noch bezweifelt Das Gesetz als solches kann also kaum mit der fehlenden Legitimation des Begrunders der noch unbekannten flavischen Dynastie gedeutet werden wie in der Forschung haufig geschehen allenfalls die offentliche Ausstellung des Dokuments die wohl zu dessen Erhaltung beitrug Da die einzelnen Klauseln jeweils mit der Wendung utique dass es ihm erlaubt sein solle eingeleitet werden handelt es sich bei der Inschrift um einen Senatsbeschluss an dessen Ende eine Sanctio Strafausspruch bei Ubertretung des Gesetzes hinzugefugt wurde die zeigt dass der Senatsbeschluss senatus consultum in der Volksversammlung formal als Gesetz lex genehmigt wurde ohne dass der ursprungliche Wortlaut geandert wurde In der Forschung sieht man darin einhellig ein Sinnbild der nur noch formal und ohne Gestaltungskraft tagenden Volksversammlung Die Mehrzahl der Klauseln enthalt Amtsbefugnisse die bereits seit Augustus in den beiden vom Kaiser permanent bekleideten Amtern weitgehend eingeschlossen waren Die Vertragsschliessung mit ausseren Konigreichen Klausel 1 war Bestandteil des imperium proconsulare maius des formalen Oberbefehls uber die legionsstarken Grenzprovinzen Das Recht der Einberufung Durchfuhrung und Beschlusskraft des Senates Klauseln 2 und 3 war bereits in der tribunicia potestas enthalten der erweiterten Amtsgewalt des Volkstribunen durch die der Kaiser im zivilen und stadtromischen Bereich herrschte Warum diese Kompetenzen zusatzlich verliehen wurden ist unklar Es ist moglich dass die republikanischen Amtsbefugnisse prazisiert und erweitert werden sollten Ausserdem wird die von Augustus wohl noch durch allgemeinen Konsens ausgeubte Bevorzugung eigener Kandidaten bei der Vergabe der hochsten Staatsamter formal sanktioniert Klausel 4 Die Moglichkeit zur Vergrosserung des Pomeriums der sakralen Stadtgrenze von Rom hatte wohl nur kultische kaum praktische Funktion Klausel 5 Der Kaiser sollte moglicherweise mit dem Stadtgrunder Romulus in Verbindung gebracht werden dem die ursprungliche Festlegung des Pomeriums zugeschrieben wird Folgenreich und umstritten ist die Interpretation der Klauseln 6 und 7 Klausel 6 auch diskretionare Klausel genannt ubertruge in ihrer wortlichen Auslegung dem Kaiser die absolute Ermessensfreiheit die mit der von Augustus geschaffenen Konstruktion des Prinzipats unvereinbar zu sein scheint wortliche Ubersetzung etwa dass alles ihm zu tun und zu verordnen was zum Nutzen des Staates und unter Achtung der gottlichen und menschlichen offentlichen und privaten Institutionen ihm gut scheinen mag er das Recht und die Vollmacht hat ebenso wie der vergottlichte Augustus Tiberius und Claudius Es wird in der neueren Forschung daher eine einschrankende Funktion der formelhaften Wendungen der Klausel angenommen Ein moglicher Ansatz ist den Verweis auf die zu dieser Zeit nicht der Ausloschung des Andenkens verfallenen Amtsvorganger in dem Sinne zu verstehen dass Vespasian in Hinsicht der Ermessensfreiheit an diejenigen Gesetze gebunden war die unter den Vorgangern beschlossen worden und noch gultig waren Dann macht dieser Zusatz aber kaum Sinn bei den Klauseln 1 2 und 5 bei denen er sich ebenfalls angehangt findet ebenso bei Klausel 7 Besonders das Recht auf Erweiterung des Pomeriums das allein auf Claudius verweist fur den sich die Erweiterung des Pomeriums inschriftlich bestatigt erscheint unter dieser Interpretation widerspruchlich Eine andere Auslegung fuhrt die Wendung zum Nutzen des Staates auf Vorbilder in republikanischen Gesetzesinschriften zuruck die in diesem Kontext dem Amtstrager gewisse jedoch eher unverbindliche Limitierungen vorschrieb Der erstgenannte Ansatz argumentiert hauptsachlich mit dem Wortlaut von Klausel 7 die Vespasian prinzipiell von der legislativen Gewalt von Senat und Volksversammlung unabhangig macht jedoch nur im Bereich dessen was unter den Vorgangern ublich war und ihm andersherum alle unter den Vorgangern beschlossenen Vorrechte in ihrer Gesamtheit ubertragt Sollten tatsachlich alle Sondervollmachten damit en bloc verliehen worden sein so ware die Auflistung selektiver Gesetze in der Inschrift uberflussig Die Klausel ist daher auch eher als Aufforderung an den Kaiser sich bei Ausubung der Gesetze an seine guten Vorganger zu halten verstanden worden Allerdings kann man die zusatzliche Nennung von Einzelkompetenzen auch mit der antiken Rechtstradition begrunden die anders als im modernen normativen Recht die wiederholte Aktualisierung bestehender Gesetze bei Relevanz vorsah Die abschliessende retroaktive Klausel bestatigt die Gultigkeit der Beschlusse Vespasians vor Inkrafttreten des Antrittsgesetzes Ihre Ruckwirkung wird in der Regel auf den dies imperii Vespasians bezogen dem Herrschaftsantritt des Kaisers den Tacitus auf den Tag der Akklamation durch das Heer 1 Juli 69 n Chr nicht wie ublich der Beschlussfassung des Senats datiert Somit konnte diese Klausel nicht bereits in entsprechenden Antrittsgesetzen der Vorganger enthalten gewesen sein Es ist allerdings auch moglich darin eine technische Vorschrift zur Uberbruckung des Zeitraums zwischen Beschlussfassung im Senat und Gesetzgebung durch die Volksversammlung zu sehen also uberliefertes Recht Die genaue Interpretation des formelhaften teilweise archaisierenden Textes ist auch deshalb schwierig weil systematische Rechtssammlungen die zum Vergleich dienen konnten erst seit dem dritten Jahrhundert erstellt werden und sich die formale Amtsgewalt des Kaisers entscheidend geandert haben durfte Von der Diskussion dieser Frage hangen nicht nur Einzelfragen der Regierungszeit Vespasians ab sondern die verfassungsrechtlichen Vollmachten des Kaisers im fruhen Prinzipat Literatur BearbeitenPeter Brunt Lex de imperio Vespasiani In Journal of Roman Studies Band 67 1977 S 95 116 Grundlegender Artikel wenngleich er nicht den letzten Stand der Forschung widerspiegelt Angela Pabst ageret faceret quaecumque e re publica censeret esse Annaherungen an die lex de imperio Vespasiani In Werner Dahlheim Hrsg Festschrift Robert Werner zu seinem 65 Geburtstag Xenia 22 Universitats Verlag Konstanz Konstanz 1989 ISBN 3 87940 356 2 S 125 148 Luigi Capogrossi Colognesi Elena Tassi Scandone Hrsg La Lex de imperio Vespasiani e la Roma dei Flavi Atti del convegno 20 22 novembre 2008 Acta Flaviana Band 1 L Erma di Bretschneider Rom 2009Anmerkungen Bearbeiten CIL 6 930 31207 Hermann Dessau Inscriptiones Latinae selectae ILS 244 Tacitus Historiae 4 3 3 online Christoph F Wetzler Rechtsstaat und Absolutismus Uberlegungen zur Verfassung des spatantiken Kaiserreichs anhand von CJ 1 14 8 Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen Zugleich Universitat Dissertation Freiburg Breisgau 1995 96 Duncker und Humblot Berlin 1997 ISBN 3 428 08968 5 S 79 FN 22 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lex de imperio Vespasiani amp oldid 217323483