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Die sogenannte Lex Heinze war in Deutschland ein umstrittenes Gesetz zur Anderung des Reichsstrafgesetzbuches aus dem Jahre 1900 Der Entwurf sah vor die Darstellung unsittlicher Handlungen in Theaterauffuhrungen zu zensieren die Vorschriften gegen Pornografie und Kuppelei zu verscharfen sowie den Straftatbestand der Zuhalterei einzufuhren Nach zahlreichen offentlichen Protesten und Widerstand weiter Kreise des liberalen Burgertums sowie der Sozialdemokratie entscharfte der Reichstag den Gesetzesentwurf und billigte die Sittlichkeitsparagraphen des Reichsstrafgesetzbuches in einer Kompromissfassung Benannt war das Gesetz nach dem Berliner Zuhalter Hermann Heinze der wegen einer 1887 begangenen Korperverletzung mit Todesfolge angeklagt und verurteilt wurde 1 2 Sein Name steht fur Unsittlichkeit im weitesten Sinn wie sie in diesem Prozess zur Sprache kam BasisdatenTitel Gesetz betreffend Aenderungen und Erganzungen des StrafgesetzbuchsKurztitel Lex Heinze ugs Art ReichsgesetzGeltungsbereich Deutsches ReichRechtsmaterie StrafrechtFundstellennachweis RG Nr 2683Erlassen am 25 Juni 1900 RGBl S 301 Inkrafttreten am 14 Juli 1900Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten Inhaltsverzeichnis 1 Gesetzgebungsverfahren 2 Gesetz 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseGesetzgebungsverfahren Bearbeiten nbsp Zur lex Heinze Karikatur von Ferdinand von Reznicek aus dem Simplicissimus vom 27 Februar 1900 Der Gesetzentwurf ging auf die Initiative von Wilhelm II zuruck und lag in einer ersten Fassung schon 1892 vor Am 6 Februar 1900 wurde am Schluss der zweiten Lesung die Lex Heinze angenommen Durch den Kunst und Schaufensterparagraphen sollte die Verbreitung von Bildern und Schriften welche ohne unzuchtig zu sein das Schamgefuhl groblich verletzen unterbunden werden Der Arbeitgeberparagraph drohte Arbeitgebern mit Strafe die ihre Arbeiterinnen zur Duldung oder Verubung unzuchtiger Handlungen bestimmen Hinzu kam ein Theaterparagraph der Gefangnis vorsah fur jeden der offentlich theatralische Vorstellungen Singspiele Gesangs oder deklamatorische Vortrage Schaustellungen von Personen oder ahnliche Auffuhrungen veranstaltet oder leitet welche durch grobliche Verletzung des Scham und Sittlichkeitsgefuhls Argernis zu erregen geeignet sind Vor allem die Kunst und Theaterparagraphen losten in der Offentlichkeit starken Protest aus Die Gegner kritisierten die beliebig auslegbare Zensur und wiesen darauf hin dass zahlreiche wertvolle und allgemein anerkannte Kunstwerke der Antike bis zur Neuzeit nicht mehr offentlich ausgestellt werden durften Am 15 Marz 1900 grundeten etwa 150 Kunstler Politiker und Gelehrte unter der Fuhrung des prominenten Schriftstellers Hermann Sudermann den Goethe Bund zur Wahrung der kunstlerischen und wissenschaftlichen Freiheit Neben ihm trat auch der Munchner Theaterunternehmer Otto Falckenberg mit einer Kampfschrift gegen das Gesetzesvorhaben auf Das Buch von der Lex Heinze Ein Kulturdokument aus dem Anfange des zwanzigsten Jahrhunderts Staackmann Leipzig 1900 das zahlreiche Stellungnahmen bekannter Personlichkeiten aus Kunst Literatur und Wissenschaft zusammentrug Unter den Verfassern waren ausser Falckenberg selbst Michael Georg Conrad Fanny zu Reventlow Ernst von Wildenbruch und der Jugend Herausgeber Georg Hirth Mit Unterstutzung der Sozialdemokraten im Reichstag erreichten diese Proteste einige Anderungen die in der dritten Lesung am 22 Mai zu einer Kompromissfassung fuhrten in der sowohl der Kunst oder Schaufenster wie der Theaterparagraph ersatzlos gestrichen wurden Die Zensur umging man ohnehin durch die Kennzeichnung von Veranstaltungen als Geschlossene Gesellschaft Gesetz Bearbeiten 184 des Reichsstrafgesetzbuches Verbreitung unzuchtiger Schriften lautete in der 1900 in Kraft getretenen Fassung Mit Gefangnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft wer unzuchtige Schriften Abbildungen oder Darstellungen feilhalt verkauft verteilt an Orten welche dem Publikum zuganglich sind ausstellt oder anschlagt oder sonst verbreitet sie zum Zwecke der Verbreitung herstellt oder zu demselben Zwecke vorratig halt ankundigt oder anpreist unzuchtige Schriften Abbildungen oder Darstellungen einer Person unter sechzehn Jahren gegen Entgelt uberlasst oder anbietet Gegenstande die zu unzuchtigem Gebrauche bestimmt sind an Orten welche dem Publikum zuganglich sind ausstellt oder solche Gegenstande dem Publikum ankundigt oder anpreist offentliche Ankundigungen erlasst welche dazu bestimmt sind unzuchtigen Verkehr herbeizufuhren Neben der Gefangnisstrafe kann auf Verlust der burgerlichen Ehrenrechte sowie auf Zulassigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden Siehe auch Weblink unten der die weiteren Paragraphen enthalt Die damals eingefuhrten Bestimmungen traten in der DDR 1968 durch die Einfuhrung des Strafgesetzbuchs DDR und in der Bundesrepublik durch die Sexualstrafrechtsreform von 1973 ausser Kraft Die Lex Heinze kann als Vorlaufer der Straftatbestande Verbreitung pornographischer Inhalte Forderung sexueller Handlungen Minderjahriger und Zuhalterei im heutigen deutschen Strafgesetzbuch angesehen werden Literatur BearbeitenDas Buch von der Lex Heinze Ein Kulturdokument aus dem Anfange des zwanzigsten Jahrhunderts Hg von Otto Falckenberg L Staackmann Leipzig 1900 online Georg von Vollmar Fur die Freiheit der Kunst Rede gegen die 184 a und b der sogenannten Lex Heinze gehalten in der Sitzung des Reichstages vom 15 Marz 1900 L Pickelmann Munchen 1900 Meyers 1908 Hermann Roeren Die Lex Heinze und ihre Gefahr fur Kunst Litteratur und Sittlichkeit J P Bachem Koln 1910 Peter Mast Kunstlerische und wissenschaftliche Freiheit im Deutschen Reich 1890 1901 Umsturzvorlage und Lex Heinze sowie die Falle Arons und Spahn im Schnittpunkt der Interessen von Besitzburgertum Katholizismus und Staat 3 Auflage Schauble Verlag Rheinfelden 1994 ISBN 3 87718 018 3 Weblinks Bearbeiten nbsp Wikisource Gesetz betreffend Aenderungen und Erganzungen des Strafgesetzbuchs Vom 25 Juni 1900 Quellen und Volltexte nbsp Commons Karikaturen zur lex Heinze Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Entwurf eines Gesetzes uber Abanderung von Bestimmungen des Strafgesetzbuchs des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Gesetzes vom 5 4 1888 betreffend die unter Ausschluss der Oeffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen Erster Entwurf der lex Heinze eingebracht in den Reichstag am 29 Februar 1892 Reichstagsprotokolle Aktenstuck 713 Zweite Einreichung der lex Heinze als Aktenstuck Nr 11 am 22 November 1892 Wortprotokoll der 8 Sitzung des Reichstags vom 3 12 1892 S 133 bis 151 Wortprotokoll der 16 Sitzung vom 15 12 1892 S 353 bis 381 Aktenstuck 173 Kommissionsbericht dazu vom Marz 1893 Erklarungen zu diesem Kommissionsbericht Stichtag 25 Juni 2005 Vor 105 Jahren Das Kuppelei Gesetz Lex Heinze tritt in KraftEinzelnachweise Bearbeiten Martin Pfaffenzeller Verworfene Menschenklasse In SPIEGEL GESCHICHTE Nr 2020 6 ISSN 1868 7318 S 90 94 spiegel de abgerufen am 3 April 2022 Das Ehepaar Heinze wegen Ermordung des Nachtwachters Braun vor den Geschworenen In Hugo Friedlander Kulturhistorische Kriminal Prozesse der letzten vierzig Jahre Bd 1 Berlin 1908 S 72 77 Digitalisat Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lex Heinze amp oldid 231875149