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Leges Visigothorum Gesetze der Westgoten sind ein nicht zeitgenossischer Sammelbegriff fur die zahlreichen westgotischen Rechtsaufzeichnungen der Spatantike und des Fruhmittelalters Die Leges Visigothorum in der sich germanische romische und christliche Rechtsvorstellungen verbinden sind die wichtigste Kulturleistung der Westgoten und hatten in Spanien teilweise noch bis ins 20 Jahrhundert Rechtskraft Der Text ist auf Latein verfasst enthalt jedoch germanische Fragmente Titelblatt einer in Spanien erschienenen Ausgabe des Liber Iudicum aus dem Jahre 1600 mit den Leges Visigothorum Inhaltsverzeichnis 1 Die westgotischen Rechtsetzungen 2 Rechtscharakter 3 Fortleben des Rechts 4 Bezeichnung 5 Quellen 6 WeblinksDie westgotischen Rechtsetzungen BearbeitenAls alteste germanische Rechtsetzungen die schriftlich uberliefert sind gelten das Edictum Theoderici und der Codex Euricianus aus der zweiten Halfte des 5 Jahrhunderts Beim Edictum Theoderici durfte es sich eher um einen materiell begrenzten Rechtserlass ohne dauernde Bedeutung gehandelt haben wahrend der Codex Euricianus das erste germanische Stammesgesetz gewesen sein konnte und eventuell mit der formellen Unabhangigkeit des westgotischen Reiches vom Imperium Romanum im Jahr 475 zusammenfiel Der Codex gehort unbestritten zu den westgotischen Rechtsaufzeichnungen und wurde wahrscheinlich von Konig Eurich erlassen dagegen ist die Urheberschaft des Edictum umstritten fruher und spater auch wieder wurde es dem ostgotischen Herrscher Theoderich dem Grossen zugeschrieben danach dem westgotischen Konig Theoderich II Bruder von Eurich Der Codex Euricianus ist in einem Pariser Palimpsest des 6 Jahrhunderts fragmentarisch erhalten das mit einem Kapitel 276 beginnt und mit einem Kapitel 336 endet Den Codex erganzte als Zusammenfassung des spatromischen Vulgarrechts die Lex Romana Visigothorum Romisches Gesetzbuch der Westgoten von 506 auch Breviarium Alarici anum genannt Umfassende Rechtsaufzeichnungen geschahen unter Konig Leovigild und unter den Konigen Chindaswinth und Rekkeswinth Liber Iudiciorum Buch der Urteile Leovigilds Reform die moglicherweise in die Friedenszeit nach 576 fallt ist nicht direkt uberliefert aber durch Isidor von Sevilla bezeugt Der Liber Iudiciorum wahrscheinlich von Chindaswinth begonnen und von dessen Sohn Rekkeswinth 654 erlassen ist dagegen in zwei Handschriften und zwei Fragmenten uberliefert und erlaubt zudem die Ruckerschliessung fruherer Bestimmungen indem 319 als antiqua alt bezeichnete Teile auf Leovigild zuruckgefuhrt werden Ob sich dahinter altere Textstufen oder daran zwischenzeitliche Revisionen verbergen ist nicht festzustellen jedenfalls gibt es neben den antiqua Bestimmungen nur noch solche die von Nachfolgern Leovigilds erlassen worden sind Der Liber Iudiciorum war die umfassendste Rechtsetzung im westgotischen Reich Seine 500 Gesetze bestanden aus dem Basiskodex des Leovigild rund 300 Gesetze und den Erganzungen Chindaswinths und Rekkeswinths jeweils rund 100 Gesetze Die Gesetze waren zudem systematisch unterteilt in 12 Bucher und wieder mehrere Teilbucher Es versammelte Prozessrecht Privatrecht Strafrecht und auch in gewissem Umfang Offentliches Recht Der Liber Iudiciorum galt fur alle Einwohner des Reiches und hob samtliche fruheren Gesetze einschliesslich der Lex Romana Visigothorum auf Er fuhrte nicht zuletzt das Prinzip ein das jedes Urteil auf einem Rechtsgrundsatz zu beruhen habe und sollte richterliche Willkur verhindern Unter Konig Ervig erfolgte 681 eine weitere Erganzung des Rechts ebenfalls erhalten in zwei Handschriften schliesslich sind vor allem noch die Gesetzesnovellen unter Konig Egica durch eine in zahlreichen Handschriften erhaltene Vulgarfassung bekannt Eine umfassende Revision die Konig Egica gegen Ende des 7 Jahrhunderts plante wurde nicht mehr realisiert Rechtscharakter BearbeitenFast jeder westgotische Konig erneuerte oder erganzte das Recht In diesem selbstbewussten Umgang der Herrscher mit den germanischen und den romischen Rechtsvorstellungen entstanden die Leges Visigothorum Das Verhaltnis der Rechtsschichten zueinander ist umstritten Auch gewannen kirchliche Rechtsvorstellungen zunehmenden Einfluss auf die Gesetzgebung Unter dem Einfluss des Ubertritts der arianischen Westgoten zum Katholizismus dessen Erhebung zur Reichsreligion 589 und dem damit verbundenen religiosen Vereinheitlichungsdruck wiesen einige Gesetze offen antijudaistische Inhalte auf Unter dem zunehmenden Einfluss christlichen Gedankenguts bekam die Sprache der Rechtstexte seit dem 7 Jahrhundert einen moralisierenden Zug in diesem Sinne zu verstehen ist auch die Verdrangung des Kompositionensystems Zahlung von Suhnegeld zugunsten von Korperstrafen bis hin zum alttestamentlichen Talionsprinzip Vergeltung von Gleichem mit Gleichem Die traditionelle Lehrmeinung versteht mit Blick auf das germanische Personalitatsprinzip das im Gegensatz zum Territorialitatsprinzip davon ausgeht dass ein Individuum demjenigen Herrschafts bzw Rechtssystem unterworfen ist dem es personlich angehort sei es als Stammesmitglied oder als Burger den Codex Euricianus und alle weiteren Rechtsaufzeichnungen bis zu Rekkesvinths Liber Iudiciorum als allein auf die Westgoten anwendbares Recht wahrend die Lex Romana Visigothorum die Grundlage fur die Rechtsprechung bei den Romern bzw Romanen blieb In jedem Fall war die Romanisierung der Goten seit dem 6 Jahrhundert weit fortgeschritten wenn auch die Volkszugehorigkeiten sich immer noch unterscheiden liessen Aber das Eheverbot beispielsweise das zwischen Goten und Romanen weiterhin dem Euricianischen Gesetz nach bestand liess sich in der Praxis nicht mehr durchsetzen Tatsachlich gab es Mischehen nicht zuletzt auch in den hoheren Volksschichten wo sie politisch ohnehin angeraten waren So verschwand diese Bestimmung aus den Rechtsbuchern Nachdem man die Ehe zwischen Romanen und Germanen gestattet hatte konnte man nicht gut die Mitglieder einer solchen legalen Verbindung nach grundsatzlich verschiedenem Recht behandeln Eine logische Folge der Veranderung war dass auch die rechtlichen Stellungen von Angehorigen beider Bevolkerungsgruppen sich einander annahern mussten Neuere Forschungen betonen vermehrt die territoriale Geltung der Gesetze und stellen deren strikt stammesrechtliche Gebundenheit in Frage Fortleben des Rechts BearbeitenIn der Praxis war die Lex Visigothorum gemessen an fruhmittelalterlichen Verhaltnissen sehr effektiv und uberdauerte den Zusammenbruch des Westgotenreiches Nach der islamischen Eroberung Spaniens 711 konnten die christlich gebliebenen Untertanen der neuen Herrschaft Mozaraber innerhalb ihrer Gemeinden das westgotische Recht behalten das allerdings aufgrund der nur noch lokalen christlichen Strukturen nicht mehr obrigkeitlich weiterentwickelt wurde und immer starker gewohnheitsrechtliche Zuge annahm Es gab zahlreiche private Nachschriften des Liber Iudiciorum die als Vulgata Fassungen bekannt sind und den ursprunglichen Text veranderten indem einige Gesetze den sich neuen Verhaltnissen angepasst und sogar altere Gesetze wieder eingefugt wurden Als Ergebnis davon stellten sich zahlreiche Unklarheiten und Widerspruche ein Besonders nahe am Originaltext blieb das Lokalrecht von Toledo der alten Hauptstadt des Westgotenreiches Im Zuge der Reconquista liess es Ferdinand III der Heilige als Fuero Juzgo ins Kastilische ubertragen und setzte es nachdem er es als Stadtrecht von Toledo bereits 1222 garantiert hatte 1240 uberhaupt in den von ihm eroberten Gebieten ein In dieser Form blieb es bis in der Neuzeit in Geltung und verlor erst allmahlich seine Bedeutung in Einzelfallen wurde der Fuero Juzgo bis ins 20 Jahrhundert von den Gerichten zitiert Bezeichnung BearbeitenDie westgotischen Rechtsaufzeichnungen trugen keine offiziellen Namen die Handschriften weisen verschiedene Titel auf Liber iudiciorum Liber iudicum Liber goticum Liber iudicis Forum iudicum Lex Gotorum Die Bezeichnung Leges Visigothorum fixierte Karl Zeumer in seinen Textausgaben um 1900 Der Liber Iudiciorum wie es entsprechend dem altesten erhaltenen Codex womoglich schon bald nach seiner Veroffentlichung oder spatestens im 8 Jahrhundert genannt wurde gilt durch seine zentrale Bedeutung als die eigentliche Lex Visigothorum in der ersten Druckausgabe des Petrus Pithoeus von 1579 erscheint es noch als Codicis legum Wisigothorum libri XII Die Bezeichnung Fuero Juzgo fur die hochmittelalterliche Ubertragung des Liber Iudiciorum ins Kastilische stellt eine Verballhornung der lateinisch romanischen Bezeichnung Forum Iudicum Gotico Gotische Richtercharta dar Quellen BearbeitenKarl Zeumer Leges Visigothorum antiquiores in Fontes iuris Germanici antiqui Hannover 1894 Karl Zeumer Leges Visigothorum Hannover 1902 Weblinks BearbeitenOnline Fassung der Leges Visigothorum Englische Ubersetzung des Forum iudicum von Samuel Parsons Scott Spanische Rechtsgeschichte spanisch Die leges Visigothorum Lex Visigothorum Codex Euricianus in der Bibliotheca legum regni Francorum manuscripta Handschriftendatenbank zum weltlichen Recht im Frankenreich Karl Ubl Universitat zu Koln Leges Visigothorum und Lex Romana Visigothorum im LegIT Projekt Digitale Erfassung und Erschliessung des volkssprachigen Wortschatzes der kontinentalwestgermanischen Leges barbarorum in einer Datenbank Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Leges Visigothorum amp oldid 225426948