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Der Begriff Lai wurde im europaischen Mittelalter fur Versdichtungen unterschiedlicher Machart verwendet und ist im Provenzalischen als lais im Altfranzosischen als lai im Mittelenglischen als lay und im Mittelhochdeutschen als leich seit ca 1140 in Gebrauch Die verschiedenen Phanomene denen lediglich die Volkssprachigkeit gemeinsam ist werden nach poetischen Merkmalen differenziert und bezeichnet Am haufigstens trifft man auf den lai lyrique den lai breton und den lai arthurien weitere Formen sind bekannt Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie 2 Lai lyrique 2 1 Prinzipien der Bauform 2 2 Verwandte Formen 3 Lai breton 4 Lai arthurien 5 Siehe auch 6 LiteraturEtymologie BearbeitenZur Etymologie des Begriffs gibt es verschiedene strittige Theorien Ferdinand Wolf leitet es vom altirischen loid laid ab was Lied bedeutet G Paris stellt die Verbindung zum angelsachsischen laic lac Gabe her wahrend R Baum das lateinische laicus laice als Ausgangspunkt sieht Auch Hugo Kuhn geht von der germanischen Wurzel laik aus was so viel wie Tanz oder Spiel meint im Angelsachsischen aber auch in der Bedeutung Opfer auftaucht Hermann Apfelbock verweist auf das althochdeutsche leih Gesang Melodie Christoph Marz kritisiert an allen Thesen zur Etymologie die Vermischung von Wort und Sachgeschichte der sich die Theoretiker anheimgeben Obwohl Etymon und Sache nicht denselben Weg gegangen sein mussen wird das Etymon fur die Geschichte und Inhaltsbestimmung der Sache beansprucht Lai lyrique BearbeitenDer franzosische lai lyrique ist eng verwandt mit dem deutschen Leich Unter diesem Begriff werden monodische meint hier einstimmige Werke in der Volkssprache zusammengefasst die sich dem Prinzip der Gleichstrophigkeit entziehen und sowohl lyrische als auch epische und dramatische Elemente aufweisen Als verhaltnismassig lange und komplexe Texte nehmen die lyrischen Lais schon bei den Trouveres Troubadours und Minnesangern eine Sonderstellung ein und gelten besonders im 13 Jahrhundert als Konigsdisziplin der Lieddichtung Ferdinand Wolf vertritt die These der Lai sei seinem Wesen nach eine Gattung der Volkspoesie die sich erst spater zu einer hofischen Kunstform entwickelt Dafur spreche dass die als besonders alt geltenden provenzalischen Lais anonym uberliefert sind und Titel tragen die auf die bretonische Mythologie verweisen z B Lai Markiol Diese Lais weisen grosstmogliche Formenvielfalt auf sind weniger lang dafur repetitiver und metrisch wie melodisch einfacher gebaut als ihre mit Autorennamen uberlieferten provenzalischen und altfranzosischen Nachfolger Erst im Laufe der Zeit entwickelt sich eine Tendenz zur Musterbildung heraus bis der Lais im 14 Jahrhundert bei Guillaume de Machaut seine endgultige normative Form erhalt Die fruhen provenzalischen und franzosischen Lais sind in Quellen nordfranzosischer Provenienz uberliefert Ihre Entstehung wird auf vor 1250 datiert Die Chansonniers die sie bewahren stammen aber erst aus dem 13 evtl 14 Jahrhundert Nach 1300 gibt es nur noch wenige franzosische Lais dazu zahlen vier Stucke aus einer mit musikalischen Interpolationen versehenen Handschrift des Roman de Fauvel sowie 19 Stucke des franzosischen Dichter Komponisten Guillaume de Machaut Prinzipien der Bauform Bearbeiten Es gibt fast kein Lai das dem anderen gleicht jedes besticht durch individuelle Gestaltung und erschafft seine Regeln quasi aus sich selbst heraus Das Gattungsprinzip das sie alle miteinander verbindet ist die individuelle Formenphysiognomie die in einem Verzicht auf Strophigkeit und sonstige regelhaft gesetzte Wiederkehr ihren Ausdruck findet Jeder Vers ist unterschiedlich lang und verwendet andere Reimworte kleinere Motive und Phrasen werden aber stetig wiederholt und variiert bevor neues Material eingebunden wird was zu einer oft komplexen metrischen Binnenstruktur fuhrt Dies ist das zweite grundlegende Prinzip welches in der Forschung mit fortschreitende Repetition beschrieben wird Auch wenn es keine Strophen in dem Sinne gibt handelt es sich formal um alles andere als Prosa Grossere strophenahnliche Formabschnitte werden Versikel genannt Ausserdem kommt es oft zur Verschleierung von Zasuren und Kadenzen und zu Enjambements uber die Versikelgrenzen hinaus Die Enddifferenzierung in ouvert und clos Kadenzen die Ausbildung paariger Komplexe Doppelversikel die Wiederaufnahme des Anfangs am Ende und die 12 Strophigkeit werden im Laufe der Zeit formbestimmend In den Melodien der Lais dominiert der G Modus wahrend in den mhd Leichen oft ein Terzengebaude uber D oder F anzutreffen ist Es sind Melodien zu 43 franzosischen Lais uberliefert Mit zunehmender historischer Entwicklung strebt der heterogene Lais hin zu einer formalen Stabilisierung die Guillaumes Schuler der Literat Eustache Deschamps wie folgt beschreibt 12 Teile von denen der erste und letzte in Form und Reim identisch sind ohne dass sich Reimworte wiederholen wahrend die anderen zehn dahingehend individuell sind doch jeder Teil muss vier Viertel haben Bei Machaut wird mit dem letzten Versikel nicht nur die Form und der Reim sondern auch die Musik des ersten Versikels wiederholt diese erklingt jedoch fur gewohnlich eine Quarte oder Quinte hoher oder tiefer Verwandte Formen Bearbeiten Eng verwandt mit dem franzosischen lay lyrique sind nicht nur der ebenfalls volkssprachige monodische Leich sondern auch die lateinische Sequenz der lateinische Planctus und Conductus Der franzosische descort ist eine Sonderform des Lais die ausschliesslich Stoffe der amours courtoise behandelt Auch Tanzformen wie die Estampie oder Ductia werden zum Vergleich herangezogen Lai breton BearbeitenDer lai breton ist eine kurze epische Versdichtung und einer der mittelalterlichen Vorlaufer der Novelle Die Inhalte der Gedichte entstammen keltischen Sagen Die wichtigste Sammlung erhaltener bretonischer Lais ist in anglonormannischer Sprache verfasst der franzosische Dialekt der Normandie der am englischen Hof verwendet wurde und wird Marie de France zugeschrieben Die Lais der Marie de France datieren um 1160 und sind in achtsilbigen Reimpaarversen abgefasst Zu diesen ist keine Musik uberliefert Hinweise im Text und ein leeres Notensystem in einer der Quellen verweisen aber auf die Existenz von dazugehoriger Musik Nach eigenen Angaben schrieb Marie mundlich tradierte bretonische Quellen nieder weshalb diese Lais lai breton genannt werden Eine andere Bezeichnung ist lai narrative Aus dem deutschen Sprachraum sind keine Lais dieser Machart uberliefert der Leich entspricht dem hier lai lyrique genannten Phanomen Lai arthurien BearbeitenEine dritte Form des Lais ist das lai arthurien ein einfaches Strophenlied Es taucht in diversen mittelalterlichen Romanen z B Tristan en prose als ein dem Helden der Geschichte in den Mund gelegtes Lied auf Es verweist ebenfalls auf bretonische Stoffe und die Sagenwelt um Konig Artus woher es seinen Namen bezieht Es dient vermutlich der Darstellung der kulturellen Bildung des Helden Ein Grund fur die metrische und melodische Einfachheit dieser Strophenlais konnte im Performativen liegen Ein vortragender Epensanger ist u U nicht versiert genug um ein Lais wie das lai lyrique von hochkomplexer Machart uberzeugend vorzutragen Siehe auch BearbeitenVirelaiLiteratur BearbeitenHermann Apfelbock Tradition und Gattungsbewusstsein im deutschen Leich Tubingen 1991 David Fallows Lai In New Grove Dictionary of Music and Musicians 2nd ed 2001 Christoph Marz Lai Leich In Die Musik in Geschichte und Gegenwart Sachteil Bd 5 2 Auflage 1996 John Stevens Rhythm and Genre V The Lai In Words and Music in the Middle Ages Song Narrative Dance and Drama 1050 1350 Cambridge 1986Normdaten Sachbegriff GND 4166463 2 lobid OGND AKS LCCN sh85075406 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lai Dichtung amp oldid 229687068