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Bei einer Kanonenkugel handelte es sich ursprunglich um eine grosskalibrige Steinkugel die mit Hilfe von Schwarzpulver aus dem Rohr der Steinbuchse abgefeuert wurde Im Laufe des 15 Jahrhunderts setzten sich gegossene Eisenkugeln durch doch fanden Steinkugeln als Munition fur Schiffskanonen bis weit in die Fruhe Neuzeit hinein weiterhin Verwendung Die Kanonen wurden ursprunglich nicht nach dem Kaliber sondern nach dem Gewicht ihrer Kugeln eingeteilt vom 6 Pfunder 6 pfdg bis zu 32 Pfunder und mehr Kanonenkugeln in RhodosSteinerne Kanonenkugel der Burgruine Loch in Bayern Inhaltsverzeichnis 1 Zur historischen Entwicklung 2 Kettenkugeln 3 Stangenkugel 4 Erhitzte Kugel 5 Hohlkugel 6 Brandkugel 7 Varia 8 Siehe auch 9 Weblinks 10 AnmerkungenZur historischen Entwicklung BearbeitenAls man im 14 Jahrhundert begann mit Geschutzen zu schiessen benutzte man zunachst vorwiegend Stein oder Bleikugeln da die Herstellung geschmiedeter Eisenkugeln sehr aufwendig war Wegen des relativ niedrigen spezifischen Gewichts der Steine benotigte man zum Brechen dicker Mauern sehr grosse Steinkugeln weshalb die ersten Steinbuchsen wie sie genannt wurden nicht selten ein Kaliber bis zu 90 cm besassen Damit war ein Geschossgewicht von bis zu 450 kg zu erreichen 1 Diese Situation anderte sich erst als die eisenverarbeitende Industrie schliesslich in der Lage war Eisenkugeln zu giessen Die Verwendung von Eisenkugeln brachte zahlreiche Vorteile mit sich Sie waren bei gleicher Grosse erheblich schwerer als Steinkugeln Daher flogen sie weiter und schlugen mit mehr Energie und damit grosserer Wirkung im Ziel ein Ausserdem lasst sich Eisen besser in eine genaue Kugelform bringen und ist glatter was Energieverluste durch vorbeistromende Explosionsgase im Rohr verringert Zudem verringerte der geringere Zwischenraum zwischen Kugel und Rohr die Beschadigung des Rohrs durch das Herumschleudern der Kugel im Inneren und die Winkelabweichung mit der die Kugel das Rohr verliess und damit die Ungenauigkeit des Schusses Weiter verbesserte Gusstechniken fuhrten zu einer homogenen Masse des Geschosses wodurch sich die Flugeigenschaften und damit die Treffsicherheit weiter verbesserten 2 Im Jahr 1569 erfand Julius Herzog von Braunschweig und Luneburg Furst von Braunschweig Wolfenbuttel eine neue Art der Artilleriemunition Es waren Kugeln gegossen aus der Schlacke der Metallhutten des Harz deren Ausbau er wahrend seiner Regierungszeit 1568 1589 vorantrieb Zwischen 1569 und 1585 wurden in den Metallhutten Frau Sophienhutte und Herzog Juliushutte Tausende solcher Kugeln in unterschiedlichen Kalibern gegossen So erreichten z B im Jahr 1572 bereits 54 000 Stuck dieser Kugeln die Stadt Wolfenbuttel wahrend noch 73 824 weitere in den Metallhutten vorratig lagerten Ein grosser Teil der gefertigten Kanonenkugeln trug eine eingegossene Markierung bestehend aus der Jahreszahl der Fertigung und dem Monogramm des Herzoges Diese Kugeln wurden teils als Handelsware verkauft teils als personliche Tauschware von Herzog Julius verwendet nbsp Kanonenkugeln aus Schlacke im Braunschweigischen LandesmuseumDer grosse und vielleicht einzige Vorteil der Schlacke Kugeln war die enorme Einsparung von Eisen im Vergleich zu herkommlichen aus Eisen gegossenen Kanonenkugeln Gleichzeitig fand die bei der Verhuttung von Erz als Abfallprodukt anfallende Schlacke eine mehr oder weniger sinnvolle Verwendung Aufgrund der Materialeigenschaften der Schlacke in Verbindung mit mangelnder Verarbeitungstechnik bei der Herstellung erwiesen sich die auf diese Weise gegossenen Kanonenkugeln allerdings nur bedingt als Artilleriemunition tauglich Wie zeitgenossische Beschussversuche zeigten zerbrachen die Kugeln bereits entweder beim Abfeuern im oder kurz nach Verlassen des Kanonenrohres Dies mag der Grund sein warum diese Materialzusammensetung sich fur Artilleriegeschosse in spateren Jahrhunderten nicht durchgesetzt hat 3 Nach der allgemeinen Einfuhrung gegossener Kanonenkugeln aus Eisen im 16 Jahrhundert wurden diese nicht nur in Deutschland ublicherweise nach dem Nurnberger Pfund 4 gewogen Daher bestand ein fester Zusammenhang zwischen dem Gewicht und dem Durchmesser einer eisernen Vollkugel Das Kaliber einer sechspfundigen Kanone war etwa 9 cm und das eines 12 Pfunders war 12 cm zwischen der Kugel und der Rohrinnenwand musste ein gewisser Spielraum gelassen werden daher war das Kaliber in der Regel ein Dreissigstel bis ein Zwanzigstel grosser als der Durchmesser der Kanonenkugel Fur den Gebrauch von Blei Eisen und Steinkugeln lagen gedruckte Tabellen vor und es gab entsprechend geeichte Messinstrumente die ursprunglich uberwiegend aus Nurnberg kamen Da mit Morsern und Haubitzen noch lange Zeit danach mit Steinkugeln geschossen wurde galten bei diesen andere Masse bis sich bei beiden Geschutzarten schliesslich die Kaliberangabe in Zoll durchsetzte Das Nurnberger Masssystem galt im Waffenbau letztlich bis zur Einfuhrung der gezogenen Geschutzrohre und der Langgranaten im 19 Jahrhundert Allerdings gingen im Verlauf des 18 Jahrhunderts die grossen Armeen die ihre Geschutze selbst herstellten immer mehr dazu uber die Nurnberger Masse in die jeweils regional ublichen umzurechnen jedoch ohne das System zu andern dies zog allerdings eine Unzahl abweichender Zahlenangaben in der Artillerie nach sich 5 nbsp Kanonenkugel im Gesenk eines GesenkschmiedehammersBei der Feldartillerie waren Kanonenkugeln die Hauptgeschosse da die Kugeln nach dem Abfeuern in flachem Winkel in Mannshohe flogen und nach 800 Metern das erste Mal den Boden beruhrten um gleich darauf weiter zu hupfen und nach weiteren 400 Metern nochmals aufzusetzen und noch weitere 200 Meter zu springen Rikoschettschuss In dichten Infanterieformationen konnte eine Kugel drei bis vier Menschen toten und funf bis sechs weitere verletzen Seit Mitte des 19 Jahrhunderts werden in der Artillerie statt der Kugeln ogivale Langgranaten als Geschosse verwendet die drei bis sechsmal schwerer sind als demselben Kaliber entsprechende Kanonenkugeln Damit besitzen sie als Vollgeschoss zum einen mehr Masse was sich positiv auf die Abgabe der kinetischen Energie im Ziel auswirkt Durchschlagsleistung und zum anderen steht bei hohlen Sprenggeschossen mehr Raum fur die Wirkladung zur Verfugung Allerdings benotigt man zum Verschuss von Langgeschossen entweder gezogene Kanonenrohre die diesen einen Drall geben damit sie sich im Flug nicht uberschlagen oder eine Flugbahn Stabilisierung mittels kleiner Flugel Leitwerk Kettenkugeln Bearbeiten nbsp Verschiedene Kugeltypen gefunden im Wrack der VasaBesonders verheerend waren Kettenkugeln die aus zwei mit einer Kette verbundenen Eisenkugeln manchmal auch zwei Halbkugeln bestanden 6 Beim Verlassen des Rohres gingen die Kugeln auf Kettenlange auseinander und flogen instabil um sich selbst rotierend bis zum Aufprall bei dem sie ein fast doppelt so grosses Loch verursachten wie eine Vollkugel Durch das Flugverhalten wurde aber die Geschwindigkeit der Geschosse beeintrachtigt so dass ihre Energieabgabe im Ziel deutlich geringer war Bei Belagerungen im 16 Jahrhundert warf man Kettenkugeln auch oft aus Morsern da sie aufgrund der steileren Flugbahn eine hohere Geschwindigkeit erreichten als beim direkten Schuss und damit mit mehr Wucht einschlugen Ausserdem richteten sie in ungedeckten Zielen wie Dachern Strassen Platzen und Geschutzstellungen von oben mehr Schaden an Im Schiffskampf waren Ketten und Stangenkugeln sehr beliebt da man durch ihre Verwendung bei Treffern in die gegnerische Takelage deutlich grossere Schaden verursachen konnte Beschoss man dagegen den Schiffsrumpf waren normale Kugeln effektiver Da die Kettenkugeln im Flug rotierten verursachten sie auch unter dichten Formationen ausserst schwere Verluste Sie kamen z B 1642 in der zweiten Schlacht bei Breitenfeld zum Einsatz Stangenkugel BearbeitenEine Variante der Kettenkugel war die Stangenkugel bei der zwei ganze oder halbe Kanonenkugeln durch eine Eisenstange verbunden waren Beide Kugeltypen wurden auch bei Seegefechten zur gezielten Zerstorung von Takelagen und Masten eingesetzt Erhitzte Kugel BearbeitenZur Schiffsbekampfung und bei Belagerungen wurden auch rotgluhende Kugeln verschossen die im Ziel Brande verursachen sollten Allerdings war dieses Vorgehen nur fur ortsfeste Landbatterien praktikabel Auf Schiffen selbst war die Brandgefahr zu gross und fur Feldbatterien fehlten meistens geeignete Ofen Weitere Einschrankungen waren dass nur in Salven geschossen werden konnte weil gleichzeitiges Hantieren mit Schiesspulver und den gluhenden Kugeln zu gefahrlich war Ferner musste sofort nach dem Fertigladen geschossen werden weil ansonsten der Treibpfropf durchgluhte und sich der Schuss selbst ausloste wodurch die Bedienmannschaft gefahrdet wurde Ausserdem musste die Grosse und Heizleistung des Ofens angepasst sein um die Kugeln schnell genug auf Rotglut aber nicht uber die Verformungstemperatur zu erhitzen Wegen dieses grossen Aufwands und den vielen Einschrankungen wurde diese Einsatzart nur selten verwendet Hohlkugel BearbeitenDie meisten der als Hohlkugeln verwendeten Kanonenkugeln enthielten eine Sprengladung Diese zundete man mit unterschiedlichen Zundeinrichtungen u a mit einer in einer Holztulle befindlichen Zundschnur Diese Hohlkugeln wurden als Bomben oder Granaten bezeichnet je nachdem ob sie mit einem Morser oder einer Haubitze geworfen wurden Ab Mitte des 17 Jahrhunderts besassen Hohlkugeln Granaten am Boden eine dickere Wandstarke Damit sollte erreicht werden dass sich das Geschoss aufgrund der unterschiedlichen Gewichts Masseverteilung der Hulle wahrend seiner Flugphase so ausrichtet dass es mit dem verstarkten Boden zuerst im Ziel einschlug Damit war man einerseits in der Lage das Geschoss besser in ein festes Zielobjekt z B ein Gebaude eindringen zu lassen und andererseits dabei die noch brennende Zundrohre vor ihrer Zerstorung beim Aufschlag zu schutzen im Falle des Aufschlages mit der Zundrohre voran Das Geschoss konnte also besser in ein Ziel eindringen und die Wirkladung kam erst in dessen Inneren zur Umsetzung Dadurch wurde eine noch hohere zerstorerische Wirkung erzielt Brandkugel Bearbeiten nbsp Abbildung historischer Brandkugeln und Brandballen aus dem Jahr 1676Eine Brandkugel besteht aus einem aus Eisendraht gefertigtem Kafig der ahnlich der Karkasse mit Salpeter Schwefel Mehlpulver Kolophonium Pech siehe Brandsatz gefullt wurde Man uberzog diesen dann mit Stoff meist Drillich nahte das Ganze zu und tauchte es in flussiges Pech Diese Brandkugeln wurden aus kleineren Morsern aus geringeren Entfernungen geworfen vgl Hauptartikel Granate Eine den Brandkugeln und Karkassen sehr artverwandte Munitionssorte waren die Brandballen genannt auch Feuerkugeln Diese wurden allerdings nicht aus Kanonen verschossen sondern ausschliesslich aus Morsern geworfen oder mittels Katapulten oder Schleudern auf den Gegner geschleudert Varia Bearbeiten nbsp Kanonenkugel datiert 20 August 1615 in der Ostwand des Braunschweiger Doms nbsp Munchhausens Ritt auf der Kanonenkugel Zeichnung von August von Wille nbsp ZarenkanoneGelegentlich befinden sich Kanonenkugeln die nur leichte Schaden an Gebauden verursachten noch an der Stelle wo sie einschlugen wie zum Beispiel am Braunschweiger Dom Sie dienen gewissermassen einerseits als Erinnerungsstucke an historische Ereignisse andererseits als Verzierung des Hauses Auch wurden Kanonenkugeln in Kirchen zur Erinnerung an glucklich uberstandene Belagerungen aufgehangt wie in zwei Kopenhagener Kirchen 7 Des Weiteren wurden Kanonenkugeln auch bei Reparaturen von Belagerungsschaden absichtlich von aussen sichtbar ins Mauerwerk eingefugt um einem moglichen Gegner den augenscheinlich hohen Fortifikationswert der Festung zu suggerieren Es gab selbst Kanonen zu denen zwar Kugeln gegossen wurden die aber nie mit Kugeln geschossen hatten Das war namentlich bei der Zarenkanone im Moskauer Kreml der Fall Die Kugeln hatten von vornherein nur dekorative Funktion Die Kanone selbst ware zum Abfeuern von Kartatschen verwendbar gewesen Durch die von Gottfried August Burger veroffentlichte Geschichte des als Lugenbaron bekannten Freiherrn Karl Friedrich Hieronymus von Munchhausen der auf einer Kanonenkugel in eine belagerte Stadt geflogen sein soll fand dieser an und fur sich kriegerischen Zwecken dienende Gegenstand Eingang in die Unterhaltungsliteratur Mit Hans Albers in der Hauptrolle kam diese Szene 1943 in Munchhausen dann schliesslich in den Unterhaltungsfilm Siehe auch BearbeitenProjektilWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Kanonenkugeln Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wiktionary Kanonenkugel Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen kanonen kugeln de Sammlung von Kanonenkugeltypen sowie RestaurationsanleitungenAnmerkungen Bearbeiten Ortenburg Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Landsknechte 1984 65 Dirk Gotschmann Die Effizienz der fruhneuzeitlichen Feuerwaffen pdf In Militargeschichtliche Zeitschrift Band 78 Heft 1 6 Mai 2018 S 99 122 hier 105f abgerufen am 15 Juni 2021 Arne Homann Artilleriegeschosse aus Schlacken Eine welfische Erfindung des 16 Jahrhunderts in Braunschweigisches Jahrbuch fur Landesgeschichte 96 2015 S 11 26 509 96 Gramm Hoyer Allgemeines Worterbuch der Artillerie 1802 1806 s v Gewicht der Kugeln s v Kaliber s v Kalibermass Ortenburg Waffen und Waffengebrauch im Zeitalter der Landsknechte 1984 69ff Siehe auch unter Bola und Manriki Gusari als Wurfwaffen Jurgen Beyer Donations by strangers to Lutheran churches during the seventeenth and eighteenth centuries In Journal of Social History 47 2013 2014 S 196 221 hier S 207f Memento vom 2 Januar 2017 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kanonenkugel amp oldid 238517548