www.wikidata.de-de.nina.az
Joseph Francois Lafitau 31 Mai 1681 in Bordeaux 3 Juli 1746 in Bordeaux war ein franzosischer Jesuit der als Missionar Ethnologe und Naturforscher in Franzosisch Kanada Neufrankreich arbeitete Er gilt als Begrunder der vergleichenden Sozialanthropologie und Vorlaufer einer evolutionaren Anthropologie 1 2 Bekannt wurde er durch seine Schriften uber die Irokesen und die Entdeckung des kanadischen Ginseng Aureliana Joseph Francois Lafitau Inhaltsverzeichnis 1 Jugend und Ausbildung 2 Wissenschaftliches und theologisches Werk 3 Hauptwerke 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseJugend und Ausbildung BearbeitenLafitau Sohn eines wohlhabenden Weinhandlers und strengen Katholiken interessierte sich seit seiner Jugend fur die franzosischen Kolonien Er erhielt eine sehr gute Bildung und beherrschte bald die Literatur uber die Entdeckungs und Eroberungsreisen der Franzosen Spanier und Englander uber die alten Kulturen Europas sowie die Lehren zur Naturgeschichte Mit 15 Jahren trat er in den Jesuitenorden in Bordeaux ein und studierte anschliessend Rhetorik und Philosophie in Pau Danach lehrte er in Limoges Saintes und Pau und setzte von 1706 bis 1709 seine Studien in Poitiers und La Fleche fort Am jesuitischen Kolleg von La Fleche hatte auch Rene Descartes studiert Sein Theologiestudium schloss Lafitau im Jahr 1710 am College Louis le Grand in Paris ab 1711 erhielt er die Erlaubnis zur Irokesenmission nach Kanada zu wechseln 3 Bei seinem Eintreffen herrschte noch Krieg Die Mehrzahl der irokesischen Krieger der Five Nations war bereit auf Seiten der Englander in den Kampf gegen die Franzosen einzutreten Die Walder galten als unsicher so dass Lafitau in die kleine Siedlung Sault St Louis heute Kahnawake beordert wurde wo bereits eine langere jesuitische Tradition bestand Hier wirkte er fast sechs Jahre lang 4 Ende 1717 kehrte er nach Frankreich zuruck und richtete den erfolgreichen Appell an die Kolonialverwaltung den Handel mit Brandy einzustellen weil dies gegen die Interessen der Kolonie verstiess Anschliessend widmete er sich seinem wissenschaftlichen Werk Lafitaus Bruder Pierre Francois Lafitau war von 1720 bis 1764 Bischof von Sisteron Wissenschaftliches und theologisches Werk BearbeitenBei seiner Arbeit wurde sich Lafitau der bedeutenden Stellung der Irokesenfrauen in der Gesellschaft und der matrilinearen Erbfolge der Unterschiede der Verwandtschaftssysteme im Vergleich zu Europa der Exogamie und Wohnsitzregeln der Irokesen und der gewichtigen Rolle ihrer Dorfrate bewusst Er versuchte die Irokesenkultur mit Hilfe ihrer eigenen Begriffe zu verstehen und eurozentrische Interpretationen zu vermeiden Jedoch ging er dabei von theologischen Voraussetzungen aus Alle Menschen seien gleich geschaffen und hatten von Gott die gleichen moralischen Prinzipien erhalten Doch durch die Ausbreitung der Menschen auf der Erde hatten sie den Kontakt zu den Werten und Traditionen ihrer monotheistischen Urreligion dem Christentum verloren eine Folge der Erbsunde Lafitau versuchte konsequenterweise Spuren des wahren Glaubens bei den indigenen Volknern Amerikas nachzuweisen Demgegenuber gingen Pierre Daniel Huet und andere Vorganger und Zeitgenossen Lafitaus davon aus dass die heidnischen Gottheiten direkt auf Mose und seine Ehefrau Zipporah zuruckgingen oder noch alter seien und dass es daher keine gemeinsamen Wurzeln der Religionen der Volker gabe Eine solche Annahme wurde jedoch nach Lafitau die christliche Religion fur Angriffe der Atheisten empfindlich machen die in ihr eine unter vielen anderen also nur menschliches Blendwerk sehen konnten 5 Lafitau nahm an dass sich alle Kulturen entwickeln und allmahlich das europaische Niveau erreichen konnten Er verglich die Irokesenkultur mit den alten europaischen Kulturen bzw mit dem was antike Autoren uber diese uberliefert hatten und kam zu dem Schluss dass Kulturen mit ahnlichen Entwicklungsniveaus zu verschiedenen Zeiten und unter jeweils anderen Bedingungen existiert hatten Durch Gegenuberstellung von Kulturen Gebrauchen Glauben und Mentalitaten mit ahnlichem Entwicklungsstand konne man sie wechselseitig erleuchten und Ahnlichkeiten wie Unterschiede herausarbeiten 6 So konne man durchaus die Gebrauche der biblischen Volker mit denen der Indianer Nordamerikas vergleichen und als fruhe Beispiele bewundernswerter Humanitat betrachten 7 Lafitau hielt es auch fur moglich dass sich Gebrauche angleichen oder raumlich weit verbreiten So untersuchte er den Arbeitsprozess in dem die indigenen Volker Steinbeile herstellten und schlussfolgerte dass ahnliche Steine die in vorzeitlichen Siedlungen gefunden wurden nicht Donnersteine seien die vom Blitz gespalten wurden wie fruhere Autoren behauptet hatten sondern auf die gleiche Art hergestellt worden waren 8 Es sei moglich alle Formen menschlichen Verhaltens und alle Formen von Religion in die Sprache einer symbolischen Theologie zu ubersetzen die die universellen Elemente des Glaubens und des Verhaltens sichtbar machen konne 9 Obwohl die Sitten und Gebrauche der indigenen Volker Amerikas bereits fruher schon immer wieder mit den Geschichten der antiken europaischen Autoren oder der Bibel uber die weisen und aufgeklarten alten Volker verglichen worden waren fielen Lafiteaus Vergleiche wesentlich positiver fur die Indianer aus Er trug dazu bei das Image der indigenen Volker zu verbessern und ihre merkwurdig erscheinenden Sitten und Gebrauche besser zu verstehen und damit die Wilden humaner erscheinen zu lassen So konnte er zeigen dass auch in der Antike Menschen Tiernamen trugen wie die Irokesen wie z B Hoghouaho Grosser Wolf oder Hoskereouak Grosser Bar Angeregt durch Berichte jesuitischer Missionare aus Nordchina uber den Ginseng bestatigte er dessen Nutzung auch als Heilmittel der Irokesen Diese wertvolle Pflanze wurde im Anschluss an seine Entdeckung uber Frankreich auch nach China exportiert 10 Sein zweibandiges Hauptwerk Mœurs des sauvages ameriquains comparees aux mœurs des premiers temps mit einem Umfang von 1100 Seiten erschien erstmals 1724 in Paris Darin wies er darauf hin dass in der Gartenbau Fischer und Jagerkultur der Wyandot die Frauen die tragende Saule des Wirtschaftens und frei von mannlicher Unterdruckung seien In zwei Banden zur Histoire des decouvertes et conquestes des Portugais dans le Nouveau Monde 1733 berichtete Lafitau den franzosischen Lesern uber die Geschichte der portugiesischen Entdeckungen Auch hierbei wandte er seine vergleichende Methode an Der evidenzbasierte methodisch reflektierte Ansatz Lafitaus kann als cartesianisch betrachtet werden obwohl er von theologischen Pramissen ausgeht Seine Ideen und seine Sprache bilden das Scharnier zwischen dem franzosischen Klassizismus und dem Rationalismus der Naturrechtler Auch kann er kann als Vorlaufer des Diffusionismus gelten Die Originalitat seines Werks wurde zu seinen Lebzeiten jedoch nicht voll erkannt da sie denen seiner Vorganger zu ahnlich schienen Anerkennung wurde ihm erst von spateren Wissenschaftlern zuteil Hauptwerke BearbeitenMœurs des sauvages ameriquains comparees aux mœurs des premiers temps 2 Bande Paris 1724 Deutsche Ausgabe Die Sitten der amerikanischen Wilden im Vergleich zu den Sitten der Fruhzeit Neuausgabe der deutschen Erstausgabe von 1752 1753 durch Johann Justinus Gebauer Halle 1 Abteilung der Algemeinen Geschichte der Lander und Volker von America Hrsg Helmut Reim Leipzig 1987 Histoire des decouvertes et conquestes des Portugais dans le Nouveau Monde 2 Bande Paris 1733 Nachdruck Slatkine Reprints Genf Online Literatur BearbeitenWilliam N Fenton Elizabeth L Moore J F Lafitau 1681 1746 Precursor of Scientific Anthropology In Southwestern Journal of Anthropology 25 Jg 1969 S 2 ff JSTOR 3629200 William N Fenton Lafitau Joseph Francois In G G Halpenny Dictionary of Canadian Biography Bd III 1741 1770 University of Toronto Press 1974 Online William N Fenton Elizabeth L Moore Hrsg und Autoren der Einleitung zu Joseph Francois Lafitau Customs of the American Indians compared with the customs of primitive times Toronto Champlain Society 1874 Anthony Pagden The Fall of Natural Man The American Indian and the Origins of Comparative Ethnology Cambridge Cambridge University Press 1983 ISBN 0 521 33704 6 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Joseph Francois Lafitau im SUDOC Katalog Verbund franzosischer Universitatsbibliotheken Angaben zu Joseph Francois Lafitau in der Datenbank der Bibliotheque nationale de France Einzelnachweise Bearbeiten William N Fenton Elizabeth L Moore J F Lafitau 1681 1746 Precursor of Scientific Anthropology In Southwestern Journal of Anthropology 25 Jg 1969 S 2 ff JSTOR 3629200 Harry Liebersohn Anthropoplogy before Anthropology in Henrika Kuklick Harry Liebersohn Hrsg A New History of Anthropology Wiley amp Sons 2019 S 17 ff Fenton und Moore 1974 S XXXI Fenton und Moore 1974 S XXXIII und 175 Fenton und Moore 1974 S 31 36 Pagden 1983 S 199 200 Harry Liebersohn Anthropoplogy before Anthropology in Henrika Kuklick Harry Liebersohn Hrsg A New History of Anthropology Wiley amp Sons 2019 S 22 f Fenton und Moore 1974 S LXXX LXXXI Pagden 1983 S 201 William N Fenton Contacts between Iroquois herbalism and colonial medicine Smithsonian Institution Annual Report 1940 41 S 503 526 Normdaten Person GND 104173068 lobid OGND AKS LCCN n84100121 VIAF 54254915 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Lafitau Joseph FrancoisKURZBESCHREIBUNG franzosischer Jesuit Ethnologe und MissionarGEBURTSDATUM 31 Mai 1681GEBURTSORT BordeauxSTERBEDATUM 3 Juli 1746STERBEORT Bordeaux Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Joseph Francois Lafitau amp oldid 235858101