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Das Judische Waisenhaus in Berlin Pankow ist ein denkmalgeschutztes Gebaude in der Berliner Strasse 121 im Bezirk Pankow Das neobarocke Eckhaus pragt mit seinem hohen Mansarddach und einem machtigen Segmentgiebel uber dem Mittelrisalit das Bild der Strasse Es wurde in den Jahren 1912 13 von Alexander Beer an der Stelle alterer Bauten auf dem Grundstuck des II Waisenhauses fur die Berliner judische Gemeinde errichtet Das seit 53 Jahren bestehende Waisenhaus wurde im Jahr 1940 zur Zeit des Nationalsozialismus geschlossen Das Haus diente danach verschiedenen Zwecken wodurch es im Innern Veranderungen erfuhr Judisches Waisenhaus BerlinDatenOrt BerlinArchitekt Alexander BeerBauherr Judische Gemeinde zu BerlinBaujahr 1912 13Koordinaten 52 34 7 N 13 24 44 O 52 568611111111 13 412222222222 Koordinaten 52 34 7 N 13 24 44 OIm Jahr 1999 erwarb die Dr Walter und Margarete Cajewitz Stiftung das seit 1991 leerstehende Gebaude liess es wiederherstellen und vermietet es seitdem zur Unterbringung der Bezirksbibliothek und einer Schule Zudem dient das Waisenhaus auch als Kulturzentrum und Begegnungsstatte Seit der Wiedereroffnung im Jahr 2001 gibt es viele Veranstaltungen die darauf gerichtet sind Kommunikation als wertvolles Mittel der Information und Friedenswahrung zu begreifen Aus dieser Intention heraus entstand 2007 die Reihe Pankower Waisenhausgesprache 1 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Grundung und erste Jahrzehnte 1 2 Zeit des Nationalsozialismus 1 3 In Ost Berlin 1 4 Nach der Wiedervereinigung Berlins 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenGrundung und erste Jahrzehnte Bearbeiten In den Jahren 1881 82 ereigneten sich in Russland blutige Judenverfolgungen Um judische Fluchtlinge zu unterstutzen reiste 1882 eine Abordnung des deutschen Hilfskomitees fur die russischen Fluchtlinge unter Leitung Hermann Makowers nach Brody an der osterreich ungarisch russischen Grenze und holte 39 teils elternlose Fluchtlingsjungen nach Berlin Fur ihre Unterbringung erwarb das Komitee ein Landhaus in Pankow als Erziehungshaus zu Pankow dessen Leiter der Lehrer Nathan Lewinski wurde 2 S 119 Die Jungen wurden beschult und sollten nach Abschluss einer Handwerkerlehre nach Brody zuruckkehren jedoch gingen alle in die USA Die letzten russischen Zoglinge verliessen Pankow 1893 mit dem Ziel New York Inzwischen waren auf die frei gewordenen Stellen judische Waisen und Halbwaisenknaben aus Berlin nachgeruckt und die Berliner judische Gemeinde hatte 1887 die Einrichtung vom Hilfskomitee ubernommen Seit 1888 war ausserdem Isidor Grunwald 1853 in Powidz 1925 in Berlin der Direktor der Einrichtung Seine Ausbildung hatte er an der Lehrerbildungsanstalt der Berliner Judischen Gemeinde erhalten 27 Jahre lang bis zu seinem Tod im Jahre 1925 lagen die Geschicke des Waisenhauses in seinen Handen unterstutzt durch seine Ehefrauen nach dem Ableben von Nanny 1903 war Rosa die gute Seele des Hauses Trotz umstrittener wenn auch durchaus dem Zeitgeist entsprechender autoritarer Erziehungsmethoden fand sein Wirken nicht nur in judischen Kreisen hohe Anerkennung Inge Lammel Alltagsleben im Waisenhaus S 119 f Fur mehr Informationen uber Isidor Grunwald siehe Walter Grunwald Erlebtes Ab 1898 hiess die Einrichtung II Waisenhaus der judischen Gemeinde zu Berlin 3 Im Jahr 1901 erwarb die judische Gemeinde das Nachbargrundstuck zur Hadlichstrasse und verband das dort stehende Wohnhaus durch einen kleineren Neubau mit dem Altbau Auf dem erweiterten Grundstuck entstanden eine Kegelbahn und eine Turnhalle gestiftet von Emil Mosse Die Anstalt hatte nun 55 Zoglinge die vorzugsweise zu Handwerkern ausgebildet wurden 4 Die Aktivitaten des Waisenhauses forderten namhafte judische Personlichkeiten und auch die Kaiserin Auguste Viktoria schenkte 1897 dem Waisenhaus 3000 Mark 5 Nachdem der Altbau 1911 durch Brand erheblichen Schaden genommen hatte entschloss sich die judische Gemeinde zu einem Neubau des Komplexes Entworfen und ausgefuhrt wurde er 1912 13 durch den Leiter des Bauamts der Judischen Gemeinde zu Berlin Alexander Beer 6 7 Den imposanten Betsaal im zweiten Obergeschoss stiftete der auf dem Nachbargrundstuck ansassige Zigarettenfabrikant Josef Garbaty und liess ihn durch August Unger gestalten Die Familie Garbaty unterstutzte das Waisenhauses regelmassig finanziell Das Waisenhaus war ein Internat fur 6 bis 14 jahrige Schuler die anschliessend intern oder extern bis zum 18 Lebensjahr weiterfuhrende Schulen oder eine Berufsausbildung absolvierten Im Neubau war Platz fur 80 Schuler und 25 Lehrlinge Den Zoglingen bot das Waisenhaus ein vielfaltiges sportliches und musisches Freizeitangebot Ab 1916 stand ihnen ein Ferienhaus in Wustrow an der Ostsee spater ein weiteres in Agnetendorf im Riesengebirge zur Verfugung Die Finanzierung des Waisenhauses erfolgte uberwiegend aus Geld Spenden die im Judischen Gemeindeblatt mit ihren Namen und Betragen veroffentlicht wurden Auch Sachspenden wurden angenommen und gesponserte Veranstaltungen fanden statt 3 1925 starb Isidor Grunwald und sein Nachfolger als Direktor wurde sein Schwiegersohn Max Blumenfeld 13 Juni 1880 in Kirchhain 8 Marz 1936 in Meran 8 Mit ihm zog ein freiheitlicher Geist in die Erziehung ein demokratische Formen wie Beschwerdemoglichkeiten und ein geheim gewahltes Lehrlingsgericht erhohten das Selbstvertrauen der Zoglinge 2 S 126 f Zeit des Nationalsozialismus Bearbeiten Im nationalsozialistischen Berlin verscharfte sich stetig die Situation der Juden durch administrative Anordnungen politische Kampagnen und individuelle Terroraktionen Antisemitisch verhetzte Angehorige der Hitlerjugend provozierten immer wieder vor dem Haus oder versuchten einzudringen Im Sommer 1938 kam es zu einem Uberfall doch zogen die Randalierer nach einer energischen Aufforderung des Lehrers Heinz Nadel ab 9 Die 1935 verordnete Rassentrennung bei der Einschulung hatte eine Vergrosserung der Schule des Waisenhauses fur Externe zur Folge Im Jahr 1936 wurde sie fur judische Kinder aus Pankow darunter erstmals Madchen denen der Besuch offentlicher Schulen nun verwehrt war zur V Judische Volksschule erweitert Zum Leiter des Waisenhauses und der Schule berief die judische Gemeinde nach dem Tod von Max Blumenfeld Kurt Crohn der selber Zogling des Waisenhauses war und dieses zusammen mit seiner Frau Susanne als Hausmutter bis zum Schluss leitete 2 S 135 Angesichts der Novemberpogrome von 1938 und der beschleunigten Entrechtung der Juden gelang es ihm mehrere Kinder mit Kindertransporten nach Grossbritannien und in die Niederlande in Sicherheit zu bringen und funf Jungen konnten mit der Jugend Alijah nach Palastina ausreisen Heim und Schule existierten bis Dezember 1940 Dann wurden sie mit dem Auerbachschen Waisenhaus in Prenzlauer Berg zum Berliner judischen Waisenhaus Auerbach Pankow zusammengelegt Dorthin kamen auch Kinder aus anderen Einrichtungen darunter die des Sauglings und Kleinkinderheims in Berlin Niederschonhausen Das Heim wurde am 31 Dezember 1942 geschlossen Noch im August 1942 hatten sich dort 282 Sauglinge und Kinder und 14 Erzieher befunden Sie wurden von der Gestapo uber das Sammellager in der Synagoge Levetzowstrasse in Vernichtungslager in den besetzten Ostgebieten deportiert Im Holocaust wurden 44 Zoglinge Lehrer Erzieher und Beschaftigte des Waisenhauses Pankow in den deutschen Konzentrations und Vernichtungslagern ermordet 10 Nach 1940 zogen Bewohner geraumter judischer Altenheime in das ehemalige Waisenhaus um danach auf andere Wohnstatten in Berlin verteilt zu werden Im Dezember 1942 ging das Haus in den Besitz der Polizeiverwaltung des Deutschen Reichs uber die dort Ende 1943 die zentrale Sichtvermerkstelle des Reichssicherheitshauptamts einrichtete Diese Nutzung dauerte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges an In Ost Berlin Bearbeiten Weil die sowjetische Bezirkskommandantur von 1945 bis 1950 das Rathaus Pankow beanspruchte hatte in dieser Zeit das Bezirksamt Pankow im ehemaligen Waisenhaus seinen Sitz Nach Ruckkehr der Bezirkspolitiker ins Rathaus nutzte der Deutsche Sportausschuss bis Ende 1951 das fruhere Waisenhaus und hatte dafur die Anzahl der Raume durch Einbau von Trennwanden erheblich vergrossert Im Jahr 1952 ging das Gebaude an die Polnische Mission bzw die polnische Botschaft in der DDR uber Zwischen 1968 und 1971 stand es leer Nach einer Renovierung war es bis 1991 Sitz der kubanischen Botschaft Das Haus erfuhr in diesen Jahren eine Reihe von Um und Anbauten wie einen separaten Kleinlastenaufzug und die Uberbauung des Betsaals wobei die kostbare Kassettendecke infolge des Einhangens einer Zwischendecke stark beschadigt erhalten blieb Seit dem 16 Marz 1978 steht das Gebaude unter Denkmalschutz 11 Nach der Wiedervereinigung Berlins Bearbeiten nbsp Gedenktafel im Haus Berliner Strasse 120 nbsp Berliner GedenktafelDas seit 1991 ungenutzte Haus wurde 1993 der Jewish Claims Conference restituiert die es dem Staat Israel ubereignete Dessen Botschafter Avi Primor erwog das ehemalige Waisenhaus zu seinem Sitz zu machen Weil die Kosten sich angesichts des sanierungsbedurftigen Zustands und der neuen Nutzungs und Sicherheitsanforderungen auf geschatzte 20 Millionen DM belaufen hatten nahm Israel davon Abstand und bot es zum Kauf an 12 Die Dr Walter und Margarete Cajewitz Stiftung kaufte 1999 das durch langjahrigen Leerstand weiter verfallene Gebaude um es nach aufwendiger Restaurierung fur neue Nutzer zur Verfugung zu stellen Im Jahr 2001 zog die nach Janusz Korczak benannte Zweigstelle der Stadtbibliothek Pankow in einen Teil des ehemaligen judischen Waisenhauses ein 13 Der Betsaal mit der freigelegten und wiederhergestellten Kassettendecke wurde 2002 feierlich eingeweiht Der nie ganz unsichtbar gewordene Schriftzug am Gebaude konnte nach historischem Vorbild erneuert und im April 2002 enthullt werden Seit 2007 ist im Gebaude ausserdem die freie Gemeinschaftsschule SchuleEins untergebracht 14 Vor dem Eingang steht die granitene Skulptur Stein Handler von Alexander Polzin der auch eine bronzene Collage fur die Gedenktafeln des Eingangsbereichs schuf Seit den 2010er Jahren erinnert der Verein der Forderer und Freunde des ehemaligen Judischen Waisenhauses in Pankow an das Heim Dem Kuratorium des Vereins gehoren unter anderem Jutta Limbach und Wolfgang Thierse an Bis zu ihrem Tode waren auch Christa Wolf und Thomas Garbaty Mitglieder des Kuratoriums Der Betsaal des Waisenhauses dient als Erinnerungsstatte an das judische Leben in Pankow Im Eingangsbereich sind auf sechs Bronzetafeln die Namen der 579 deportierten und ermordeten Pankower Juden verzeichnet Literatur BearbeitenPeter Alexis Albrecht Leslie Baruch Brent Inge Lammel Hrsg Verstorte Kindheiten Das Judische Waisenhaus in Pankow als Ort der Zuflucht Geborgenheit und Vertreibung Berliner Wissenschafts Verlag Berlin 2008 ISBN 978 3 8305 1571 5 Schriftenreihe der Dr Walter und Margarete Cajewitz Stiftung Band 1 Darin auch Inge Lammel Alltagsleben im Waisenhaus Die Geschichte des Judischen Waisenhauses in Pankow in Bildern und Dokumenten S 114 142 Inge Lammel Das Judische Waisenhaus in Pankow Seine Geschichte in Bildern und Dokumenten Verein der Forderer und Freunde des ehemaligen Judischen Waisenhauses in Pankow Berlin 2001 ISBN 978 3 9808577 1 0 DNB 1055916849 Inge Lammel Judische Lebenswege ein kulturhistorischer Streifzug durch Pankow und Niederschonhausen Hrsg vom Forderverein Ehemaliges Judisches Waisenhaus Pankow mit Rudolf Dorrier 2 Auflage Hentrich amp Hentrich Berlin 2007 ISBN 978 3 938485 53 8 Walter Grunwald Erlebtes Jugend Verfolgung Befreiung Eine Autobiographie Online Walter Grunwald ist der Enkel von Isidaor Grunwald und uberliefert in seinen Erinnerungen Eindrucke vom Charakter und den Erziehungspraktiken seines Grossvaters Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Zweites Waisenhaus der Judischen Gemeinde Berlin Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Forderverein Judisches Waisenhaus e V Einzelnachweise Bearbeiten Pankower Waisenhausgesprache Informationen der Cajewitz Stiftung zu allen Themen und Teilnehmern der Pankower Waisenhausgesprache abgerufen am 23 Dezember 2020 a b c Inge Lammel Alltagsleben im Waisenhaus a b Zweites Waisenhaus in Berlin Gemeindeblatt der Judischen Gemeinde zu Berlin 11 1921 2 11 2 1921 abgerufen am 6 Januar 2023 Aus der Satzung siehe Albrecht Lit S 118 dort auch die Umbenennung und Lehrplane in Faksimile S 118 120 Albrecht Lit S 133 Zum Gebaude Beers siehe Sylvia Muller Pfeifruck Das II Judische Waisenhaus 1912 13 Gestalt Nutzung Bauhistorische Bewertung In Albrecht Lit S 143 170 Das II judische Waisenhaus in Pankow Architekturfotos Berliner Architekturwelt 1916 S 410 412 The Search for Max Blumenfeld Gestutzt auf Dokumente aus Archiven wird hier und auf einer weiteren Unterseite der Lebensweg von Max Blumfeld nachgezeichnet In den Publikationen von Inge Lammel finden sich viele Erinnerungen ehemaliger Schuler an das mutige Auftreten von Nadel durch das weitere Zerstorungen des Waisenhauses abgewendet werden konnten Eine Wurdigung stammt auch von Leslie Baruch Brent die ausfuhrlich von Peter Alexis Albrecht in seiner Hinfuhrung zu etwas Unfassbarem in dem von ihm mit herausgegebenen Buch Verstorte Kindheiten zitiert wird Online S 11 f Namensliste bei Albrecht Lit S 141f Eintrag zu Judisches Waisenhaus Berlin Obj Dok Nr 09085259 in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen Lammel Lit S 8f zitiert Avi Primor mit Ausnahme Deutschlands Als Botschafter Israels in Bonn Ullstein Berlin 1997 ISBN 3 550 07099 3 S 202ff Informationen zur Janusz Korczak Bibliothek Homepage SchuleEins in Pankow abgerufen am 29 Dezember 2012 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judisches Waisenhaus Berlin amp oldid 238751371