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Die judische Gemeinde in Selters im Westerwaldkreis Rheinland Pfalz entstand vermutlich im 17 Jahrhundert durch die Ansiedlung von Schutzjuden durch die Ortsherrschaft Sie erlebte durch Ab und Auswanderung in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts einen allmahlichen Niedergang Die judische Gemeinde erlosch im Zuge der Deportation deutscher Juden in der Zeit des Nationalsozialismus Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte der Selterser Gemeinde bis 1800 2 Die Selterser Gemeinde im 19 Jahrhundert 3 Nationalsozialistische Verfolgung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte der Selterser Gemeinde bis 1800 BearbeitenDie Geschichte der judischen Gemeinde in Selters beginnt schon im 16 Jahrhundert als Juden nachweisbar dort ansassig waren 1585 wird ein Adam der Jude erwahnt Seit 1670 verlangte der Graf zu Wied Schutzgelder von den Juden in seiner Grafschaft Juden lebten in den wiedischen Kirchspielen Heddesdorf Niederbieber Feldkirchen Altwied Rengsdorf Honnefeld Anhausen Grenzhausen Nordhofen und Ruckeroth 1688 wird in den beiden letzten Kirchspielen ein Judt Solmen Salomon zu Selters mit zehn Reichstalern Schutzgeld jahrlich verzeichnet 1698 wohnt wieder ein Jude in Selters Er hiess Manus Immanuel und zahlte drei Reichstaler Schutzgeld jahrlich 1705 kamen zu der Familie des Manus die des Benjamin des Joseph und des von Mogendorf kommenden Salmen hinzu 1712 zog eine Familie Hertz hinzu Jungbluth 1 Selters war als einer der vier Orte der Grafschaft in der Viehmarkte abgehalten wurden ein attraktiver Ort fur judische Burger 1746 schrieben die Selterser Juden einen Brief an den Reichsgraf Friedrich Wilhelm zu Wied in dem es um den Bau einer eigenen Synagoge ging Die seit 1705 06 in Selters bestehende Synagoge war kein separates Gebaude gewesen Hintergrund des Anliegens war auch die zunehmende Eigenstandigkeit der benachbarten Judischen Gemeinde Mogendorf und deren Synagogenbau Jungbluth 2 1753 lebten in Selters insgesamt zwolf judische Personen in vier Familien Ein Nathan Levi vollzog 1754 den Ubertritt zur reformierten christlichen Religion und nahm den Namen Johann Jacob Wilhelm Nordhofer an da er in Nordhofen wohnte 1776 zahlten die vier Schutzjudenfamilien in Selters insgesamt 32 Reichstaler Schutzgeld Die meisten waren Handler 1804 sind jedoch drei Familien von acht so arm dass sie kein Schutzgeld zahlen mussten Jungbluth 3 Neben den Schutzgeldern fuhrt Jungbluth die folgenden Abgaben der Juden an den Grafen zu Wied an Dies waren Erbgrafenbewilligung Schlachtgeld Extra Schlachtgeld Nahrungsgeld Heiratsgeld Heiratsmusikgeld Sterbegeld sowie Garkuche Herberg und Einquartier Freiheit Jungbluth 4 Die Selterser Gemeinde im 19 Jahrhundert BearbeitenAls nach den Frieden von Luneville 1801 und dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 das vormals wiedische Selters 1806 dem Herzogtum Nassau zugeschlagen wurde schaffte Herzog Friedrich August von Nassau im August 1806 den Leibzoll ab kundigte aber eine Erhohung des Schutzgeldes ab Die Juden von Selters wurden von dieser Erhohung befreit mussten jedoch ein freiwilliges Geschenk von 700 Gulden entrichten Jungbluth 5 Drei Viertel der sieben Familien die um 1815 in Selters lebten hatten bis zu 75 drei Familien hatten 150 Gulden geschatztes Jahreseinkommen Das geringste Jahreseinkommen der Selterser Juden betrug 25 das hochste 150 Gulden 1 Neun von zehn Familien betrieben Handel drei von ihnen widmeten sich neben dem Handel auch dem Ackerbau Im Durchschnitt zahlte jede Familie 9 Gulden und 20 Kreutzer Schutzgeld Verhaltnismassigkeit spielte dabei weniger eine Rolle So zahlten die einkommensstarksten Familien den 13 Teil ihres Einkommens dagegen mussten Einkommensschwache ein Viertel des Jahreseinkommens an Schutzgeld entrichten was bei einigen Familien zur Verarmung fuhrte Jungbluth 6 Im 19 Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der judischen Einwohner wie folgt 1816 17 acht judische Familien 1823 24 neun Familien 1843 90 judische Einwohner 1871 95 9 8 von insgesamt 972 Einwohnern 1885 70 6 6 von 1 062 1905 101 8 5 von 1 193 Die judischen Familien lebten in der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts vor allem vom Viehhandel und vom Schlachten Seit der Mitte des 19 Jahrhunderts gab es auch Handwerker Mehrere eroffneten Ladengeschafte am Ort Judaica 1 1841 wurden die Juden im Herzogtum Nassau zur Annahme erblicher Familiennamen verpflichtet Bis dahin fuhrten sie in der Regel den Vornamen des Vaters als Zweit oder Familiennamen Auf diese Weise erhielt der erstgeborene Sohn den Namen des Grossvaters der Zweitgeborene den Namen des Grossvaters mutterlicherseits 1841 nahmen die Selterser Juden die folgenden erblichen Familiennamen an Friedemann Strauss oder Strauss Bernstein Hofmann Schweigert Schwarz Stern Danzig Altmann und Casparus z T Herkunftsnamen oder Hausnamen aus der Frankfurter Judengasse Stern und Strauss Mehrere Mitglieder einer Familie Leymann waren in der Schutzengesellschaft aktiv Jungbluth 7 Neben dem Schutzgeld zahlten die Selterser Juden auch ein bis vier Gulden an die Gemeinde sowie an die eigene Kultusgemeinde Sie zahlten eine selbst auferlegte Steuer Schulgeld fur die Kinder und die Stuhlpacht fur einen Platz in der Synagoge Hinzu kamen Strafgelder wie fur unangemessene Kopfbedeckung am Feiertag oder fur ein unartiges Kind Jungbluth 8 1850 kauften die insgesamt 21 judischen Familien aus Selters Herschbach Nordhofen und Ruckeroth das in der Waldstrasse gelegene Haus des Kusel Strauss I als Synagogengebaude fur 1 800 Gulden In dieser Zeit wanderten jedoch schon viele Familien in die Vereinigten Staaten aus An Einrichtungen hatte die judische Gemeinde neben der Synagoge eine judische Schule Religionsschule ein rituelles Bad Haus Bahnhofstrasse 8 und einen Friedhof Zur Besorgung religioser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt der zugleich als Vorbeter und Schochet tatig war 1875 wird ein Lehrer Lowenstein genannt der auch fur Singhofen tatig war 1884 wird Lehrer H Stamm genannt der auch in Maxsain tatig war Die Gemeinde gehorte zum Rabbinatsbezirk Bad Ems beziehungsweise nach 1924 Bad Ems Weilburg Judaica 2 Nationalsozialistische Verfolgung BearbeitenAuch die Selterser Gemeinde erlebte durch Ab und Auswanderung ab der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts einen allmahlichen Niedergang An judischen Vereinen gab es den Israelitischen Frauenverein Frauenchewrah 1932 unter Leitung von Lina Oster den Israelitischen Wohltatigkeitsverein gegrundet 1909 1932 unter Vorsitz von Leopold Rosenau Der Zweck war die Unterstutzung der Ortsarmen Ebenso gab es die Mannerchewra 1932 unter Leitung von Leopold Rosenau und einen Israelitischen Jugendverein 1932 unter Leitung von Lehrer Siegfried Goldbach Auch eine Gemeindebibliothek war vorhanden Judaica 3 Die judische Gemeinde erlosch im Zuge der Deportation deutscher Juden in der Zeit des Nationalsozialismus Auswanderungen erfolgten nach den USA 6 Personen nach Palastina 5 Personen nach England 6 Personen nach Holland 2 Schweiz 3 Sudamerika 3 und Danemark Judaica 4 Schon im September 1938 fand ein erstes Pogrom in Selters statt bei dem die Fensterscheiben judischer Anwesen und der Synagoge zertrummert wurden Auch mit dem Novemberpogrom 1938 erfolgten in Selters Aktionen mit dem Ziel der Zerstorung des judischen Gotteshauses und judischen Eigentums So wurde am 10 November die Synagoge in Brand gesetzt und Juden wurden aus ihren Hausern geholt und in das Gerichtsgefangnis in Selters gebracht wohin auch Juden aus den Nachbarorten Herschbach und Maxsain gebracht wurden Jungbluth 9 Die beiden Pogrome gaben den noch verbliebenen Juden den letzten Anstoss Selters zu verlassen Seit 1933 verliessen innerhalb von sechs Jahren alle Juden den Ort 91 Personen verzogen innerhalb Deutschlands 28 ins Ausland Am 3 Oktober war Selters wie es im Nazijargon hiess judenfrei Simon Danzig verliess an diesem Tag mit seiner Frau Ella und seiner Schwester Berta den Ort in Richtung Koln Simon ist in Auschwitz verschollen Ella und Berta wurden in Minsk umgebracht Jungbluth 10 Die 45 Selterser Juden wurden zumeist in den Osten deportiert so nach Auschwitz Majdanek Riga Litzmannstadt Minsk oder Theresienstadt nur wenige Familien konnten in die Vereinigten Staaten emigrieren wie die Familie Weinberg Jungbluth 11 Herbert Danzig dessen Eltern Simon und Ella Danzig im Osten verschollen sind war der erste US amerikanische Soldat der 1945 nach Selters kam Er veranlasste beim Burgermeister dass der Zaun des judischen Friedhofs wiederhergestellt wurde Das Synagogengebaude ging am 3 Juli 1948 die judische Kultusgemeinde Koblenz uber Nach dem Aufheben des Verausserungsverbots wurde das Gebaude am 8 Mai 1950 an die Schreinerei Mende fur 500 Mark verkauft Jungbluth 12 Literatur BearbeitenKlaus Dieter Alicke Lexikon der judischen Gemeinden im deutschen Sprachraum 3 Bande Gutersloher Verlagshaus Gutersloh 2008 ISBN 978 3 579 08035 2 Weblinks BearbeitenGeschichte der Synagoge Selters bei Alemannia Judaica Judaice Weblink Judaice Weblink Judaice Weblink Judaice WeblinkEinzelnachweise Bearbeiten Jungbluth fuhrt zum Vergleich an dass ein Lehrer des benachbarten Ortes Nordhofen als Schullehrer Glockner Kirchdiener und Organist 230 Gulden jahrlich verdiente Uli Jungbluth Landjuden im Westerwald Die Selterser Juden In Joachim Jolsch Uli Jungbluth Hg Juden im Westerwald Leben Leiden und Gedenken Montabaur 1998 Jungbluth S 111 ff Jungbluth S 112 Jungbluth S 113 ff Jungbluth S 114 Jungbluth S 111 ff Jungbluth S 115 Jungbluth S 117 Jungbluth S 118 Jungbluth S 118 Jungbluth S 123 Jungbluth S 126 ff Jungbluth S 124 Ehemalige judische Gemeinden im Westerwaldkreis Freilingen Gemunden Grenzhausen Hachenburg Hochstenbach Kirburg Kroppach Maxsain Meudt Mogendorf Montabaur Rennerod Selters Westerburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judische Gemeinde Selters amp oldid 206285573