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Die Judische Gemeinde Haigerloch war eine uber sechs Jahrhunderte bestehende Religionsgemeinschaft in Haigerloch im heutigen Zollernalbkreis in Baden Wurttemberg die wahrend der Zeit des Nationalsozialismus vernichtet wurde Heute besteht mit dem Gesprachskreis ehemalige Synagoge Haigerloch e V ein Verein der sich mit der Erinnerung und der Geschichte des judischen Lebens in Haigerloch beschaftigt Inhaltsverzeichnis 1 Fruhe Geschichte 2 Judische Gemeinde im Haag 3 Zeit des Nationalsozialismus 4 Siehe auch 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseFruhe Geschichte BearbeitenUrkundlich erwahnt ist das judische Leben von Haigerloch seit dem Mittelalter Aus dem Jahr 1346 stammt das Rottenburger Dokument Vifelin der Jude von Haigerloch Eine Judenverbrennung in Haigerloch am 13 Dezember 1348 ist durch den Konstanzer Domherrn und Chronisten Heinrich von Diessenhofen uberliefert wobei nicht uberliefert ist wie viele Juden hierbei getotet wurden Der Hintergrund dieser Judenverbrennung ist wahrscheinlich dass man die Juden fur die Pestepidemie verantwortlich machte Wahrend des 14 und 15 Jahrhunderts ist judische Geschichte in Haigerloch kaum nachweisbar Nur in Dokumenten zur ausserordentlichen Reichssteuer Kronungssteuer dritter Pfennig aus den Jahren 1418 1433 und 1438 und im Bickelpergsche Lagerbuch aus dem Jahr 1435 mit einem Dokument Ysac Jude von Haigerloch werden Juden erwahnt Erst in der ersten Halfte des 16 Jahrhunderts bildete sich eine Judische Gemeinde die dauerhaft Bestand hatte Da viele Juden wahrend der Reformationszeit um 1525 aus den Reichsstadten und aus Wurttemberg vertrieben wurden fanden sie gegen ein jahrliches Schutzgeld Zuflucht unter anderem bei den Grafen von Hohenzollern was fur diese eine lukrative Einnahmequelle wurde Der erste bekannte Schutzbrief dieser Art stammt vom 6 Oktober 1534 und wurde von Graf Christoph Friedrich von Zollern ausgestellt Diese Schutzbriefe waren zeitlich befristet und mussten nach Ablauf ihrer Gultigkeit neu erworben werden Sie waren an Bedingungen gebunden so dass nur jeweils ein Kind einer Familie heiraten durfte und dass die Erwerbsmoglichkeiten auf den Handel eingeschrankt wurden Weitere Schutzbriefe aus den Jahren 1595 1640 1688 1700 1745 1780 und 1805 sind ebenfalls fur Haigerloch erhalten geblieben 1587 wurde zum ersten Mal in einer Renteirechnung der judische Friedhof der Gemeinde in Weildorf urkundlich erwahnt Eine Judschule also eine Synagoge in Haigerloch wurde das erste Mal 1595 urkundlich erwahnt wobei uber den damaligen Standort nichts bekannt ist Es war jedoch ublich dass es sich hierbei um Betsale in Privathausern handelte was bis zum Bau einer Synagoge wohl auch in Haigerloch die Regel war Wahrend dieser Zeit war den Juden sowohl der Zugang zu den Zunften als auch der Grunderwerb untersagt so dass ihnen ausschliesslich der Handel als Erwerbsmoglichkeit blieb Da sie eine wichtige Rolle als Wanderhandler spielten konnte die Forderung der Haigerlocher Bevolkerung nach einer Aufhebung des Judenschutzes was eine Vertreibung der judischen Bevolkerung zur Folge gehabt hatte durch den Protest der umliegenden Dorfer nicht durchgesetzt werden Die Forderung der Haigerlocher Bevolkerung war in der starken Konkurrenz der Juden gegenuber den ansassigen Handlern und der Verschuldung bei den Juden bedingt Die Dorfer hingegen profitierten durch diesen Wanderhandel da sie durch die Juden versorgt wurden die sich auch in Naturalien wie Lebensmittel Rohstoffe oder Gebrauchsgegenstande bezahlen liessen also Tauschhandel trieben Ende der ersten Halfte des 18 Jahrhunderts wollte der Furst Josef Friedrich die Juden aus Haigerloch ausweisen und gab der Bevolkerung diese Zusage Jedoch wurde 1745 der Schutzbrief erneuert mit der Begrundung dass sich die Juden untadelig verhalten hatten Doch trat 1749 ein Heiratsverbot fur die Juden in Kraft mit dem Ziel die Juden biologisch zu dezimieren Dieses wurde jedoch bald wieder eingeschrankt da man auf die Schutzgelder nicht verzichten wollte 1752 wurde durch den Fursten ein allsonntaglicher Besuch der katholischen Kirche angeordnet jedoch konvertierten nur drei Familien deswegen zum christlichen Glauben Judische Gemeinde im Haag BearbeitenDie Juden lebten bis 1780 verstreut in Haigerloch sowohl in der Ober als auch in der Unterstadt und zu einem grossen Teil zur Miete da ihnen der Grund und Hauserwerb erschwert oder verboten war Sie bildeten jedoch eine eigene Gemeinde mit einem vom Fursten eingesetzten Judenschultheiss oder Barnas als Vorstand Im Jahr 1780 wurde durch den Fursten Karl Friedrich angeordnet dass alle Juden ohne eigenes Haus ihren Wohnsitz in das Haagviertel zu verlegen hatten Der Grund hierfur war die Verwertung des verwahrlosten Haagschlossles und die Vorfinanzierung durch die Juden fur den Umbau zu Wohnungen und spatere Miete Jedoch stammten nur vier der zehn Familien die sich dort ansiedelten aus Haigerloch 1795 betrug die Zahl der in der Stadt verbliebenen Familien 22 Im Schutzbrief von 1780 wurde den Juden das Errichten von weiteren Gebauden zugestanden Darauf aufbauend wurden eine judische Herberge ein spateres Armenhaus und 1785 eine Metzgerei errichtet nbsp Synagoge Haigerloch 2010 Durch die Zunahme der Schutzjuden bis 1795 wurde Wohnraum knapp Aus diesem Grund erlaubte der Furst den Bau von Wohnungen auf Pachtbasis das heisst er uberliess den Juden einen Bauplatz und die Juden konnten daraufhin ein eigenes Gebaude errichten Obwohl die Juden die Gebaude selber finanzieren mussten blieb der Besitzer der Furst und mussten die Juden einen jahrlichen Bodenzins entrichten Auf diese Weise entstand in den folgenden Jahren eine ganze Reihe an Gebauden 1813 verkaufte jedoch der Furst einen Teil und 1815 den Rest der Grundstucke auf dem Haag fur insgesamt 300 fl in sechs Jahresraten an die judische Gemeinde Damit wurde das 100 jahrige Erwerbsverbot fur Hauser aufgehoben und die Schutzjuden wurden Eigentumer ihrer Hauser Weitere Baumassnahmen folgten im nordlichen Bereichs des Haags 1850 war die bauliche Entwicklung schliesslich praktisch abgeschlossen denn bis zum Ende des Judischen Viertels im Jahr 1942 wurden keine grosseren Baumassnahmen ausgefuhrt Ab etwa 1780 wurde so die Infrastruktur fur eine funktionierende judische Gemeinde geschaffen So wurde im Jahr 1783 die Synagoge mit einer Mikwe eingeweiht 1803 wurde im Haag ein judischer Friedhof angelegt Um 1815 verkaufte der Landesfurst das gesamte Haag an die dortige judische Gemeinde 1820 entstand ein souveranes Rabbinat 1823 eine Judische Elementarschule 1825 eine Gemeindebackkuche und ein Armenhaus 1844 errichtete die judische Gemeinde ein dreigeschossiges Gemeindehaus mit Wohnraum fur den Rabbiner den judischen Lehrer und mit einer Schule 1885 wurden eine neue Mikwe eine Metzgerei Judenmetzig und ein judisch gefuhrtes Gasthaus gebaut Bis in die erste Halfte des 19 Jahrhunderts lebten die Juden unter dem Schutzbrief des Fursten mit allen Rechten und Pflichten Im Rahmen der Aufklarung setzte jedoch eine Emanzipation der Juden ein 1829 forderten die Juden nicht nur eine Verlangerung der Schutzbriefe sondern die allgemeine Gleichstellung mit den christlichen Mitburgern nbsp Verordnung der furstlichen Landesregierung vom 16 Mai 1849Mit der Verfassung von Hohenzollern Sigmaringen von 1833 wurde ein erster Schritt in diese Richtung vollzogen Dort wurde eine Gewissensfreiheit fur alle Religionen garantiert Die Juden erhielten jedoch nicht die vollen staatsburgerlichen Rechte und das passive Wahlrecht zum Landtag Erst das Landesfurstliche Gesetz die staatsburgerlichen Verhaltnisse der israelitischen Glaubens Genossen betreffend vom 9 August 1838 brachte eine grundlegende Neuordnung Durch dieses Gesetz wurden die Schutzjuden zu furstlichen Untertanen Sie waren damit allen burgerlichen Gesetzen unterworfen und mussten alle Pflichten und Leistungen wie die christlichen Mitburger einhalten Jedoch bescherte erst die Verfassung des Deutschen Reiches welches in der Frankfurter Paulskirche verabschiedet wurde vom 28 Marz 1849 und die daraus resultierende furstliche Verordnung vom 16 Mai 1849 den Juden eine vollige Gleichberechtigung gegenuber den christlichen Mitburgern Die Ubernahme der Furstentumer Hohenzollern Hechingen und Hohenzollern Sigmaringen von Preussen im Jahr 1850 war insofern ein Ruckschritt als in der preussischen Verfassung die christliche Religion zur Staatsreligion wurde und somit den Juden die Staatsamter verwehrt waren Erst mit dem Gesetz des Norddeutschen Bundes von 1869 wurde erneut eine Gleichstellung der Juden und der Christen vollzogen Zeit des Nationalsozialismus BearbeitenAm 30 Januar 1933 lebten in Haigerloch 193 Juden was einem prozentualen Anteil von 14 der Bevolkerung entsprach Wie im ganzen Deutschen Reich wurden die Juden auch in Haigerloch zunehmend aus dem offentlichen Leben verdrangt Es wurde zwar der Aufruf zum Boykott von judischen Geschaften vom 1 April 1933 weitgehend ignoriert aber in spateren Jahren fand dies auch in Haigerloch Anklang Die zunehmende Isolierung der Juden im offentlichen Leben zeigte sich beispielsweise darin dass die beiden Juden Jakob Hohenemser und Louis Ullmann welche gewahlt im Gemeinderat von Haigerloch ein Mandat hatten dieses niederlegen mussten Auch zwei Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr wurden aus dieser gedrangt Beim Volkstrauertag 1934 wurde das erste Mal der Reichsbund Judischer Frontsoldaten nicht zugelassen Auch in anderen Bereichen kam es zunehmend zu Diskriminierungen Es fanden willkurliche Verhaftungen von Juden und Einweisungen in Schutzlager statt 1935 gab es in Haigerloch 39 judische Geschafte 1938 noch 31 und 13 judische Firmen mussten in diesem Jahr aufgelost werden Der Viehwirtschaftsverband schloss ab dem Fruhjahr 1938 judische Viehhandler vom Beruf aus und im September 1938 verloren die Wandergewerbsscheine ihre Gultigkeit Damit waren alle judischen Viehhandler aus dem Markt gedrangt Im Marz 1938 verlor die judische Gemeinde ihren Status als offentlich rechtliche Korperschaft Die judische Volksschule wurde am 1 Oktober 1939 geschlossen Wahrend der Reichspogromnacht vom 9 auf den 10 November 1938 wurde die Synagoge zwar nicht durch Brand zerstort jedoch nebst mehreren Hausern schwer verwustet Die judischen Kaufleute und der Lehrer wurden auf Anordnung des Hechinger Landrats Paul Schraermeyer verhaftet im KZ Dachau inhaftiert und uber Wochen festgehalten 1 Von 1940 bis August 1942 wurden zahlreiche Juden aus Stuttgart und anderen grosseren wurttembergischen Stadten nach Haigerloch umgesiedelt von hier wurden sie zusammen mit den Juden aus Haigerloch deportiert Mindestens 84 Juden aus Haigerloch kamen im Holocaust ums Leben Nach Kriegsende kehrten elf deportierte Juden nach Haigerloch zuruck 1993 wurde ein Gedenkstein aufgestellt Ende 1999 konnte die Stadt Haigerloch das einstige Synagogengebaude erwerben nach mehrjahrigen Restaurierungsarbeiten wurde es im November 2003 als Haus der Begegnung eingeweiht 2 3 Siehe auch BearbeitenSpurensicherung Judisches Leben in HohenzollernWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Judische Gemeinde Haigerloch Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Website der judischen Gemeinde Haigerloch Die judische Gemeinde Haigerloch bei Alemannia Judaica 1 2 Vorlage Toter Link www schule bw de Eine hohenzollerische Kleinstadt und die Schoah Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im September 2020 Suche in Webarchiven Die Judische Gemeinde Haigerloch 1933 bis 1942 Beim Landesbildungsserver Baden WurttembergEinzelnachweise Bearbeiten Aussage des Hechinger Landrates Paul Schraermeyer im Prozess 1947 Memento des Originals vom 3 November 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www schule bw de Lexikon der judischen Gemeinden im deutschen Sprachraum Eintrag Haigerloch Geschichte Hintergrundinformationen vom Landesbildungsserver Baden Wurttemberg Memento des Originals vom 22 Januar 2017 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www schule bw de Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judische Gemeinde Haigerloch amp oldid 228816972