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Die romanische Holztur von St Maria im Kapitol ist eine zweiflugelige Holztur die um die Mitte des 11 Jahrhunderts entstanden ist Sie befindet sich im sudlichen Seitenschiff der Kirche St Maria im Kapitol in Koln und zahlt zu den bedeutendsten komplett erhaltenen Holzturen der Kunstgeschichte Sie wurde mit der Vollendung der Kirche um 1060 am nordlichen Hauptportal Nordkonche angebracht jedoch in den 1930er Jahren zum Schutz vor Verwitterung in den Innenraum gebracht Daher ist sie noch heute in sehr gutem Zustand und es sind zum Teil noch Farbreste zu erkennen Die zwei Torflugel zeigen 26 Reliefs mit Bildern aus dem Leben Christi Holztur von St Maria im Kapitol in KolnDie Holztur beinhaltet den wichtigsten noch erhaltenen christologischen Reliefzyklus aus dem 11 Jahrhundert In ihrer Bedeutung wurde die Ture seit dem 19 Jahrhundert erkannt In Mitteleuropa sind mehrere mittelalterliche Bronzeturen dieser Art anzutreffen doch die Kolner Torflugel bilden die einzige geschnitzte Holztur aus dieser Zeit Nicht nur die Seltenheit dieser Turen macht sie so besonders sondern auch die Qualitat der Schnitzarbeiten und der Kolorierung Die leuchtenden und kraftigen Farben kamen nach einer sorgfaltigen Restaurierung in den 1930er Jahren wieder zum Vorschein Inhaltsverzeichnis 1 Standorte der Tur 2 Formaler und technischer Aufbau 2 1 Herstellung 2 2 Tafeln und Figuren 2 3 Ikonografie 2 4 Anordnung und Verlust 3 Meisterfrage 4 Vorbilder und Nachahmungen 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksStandorte der Tur Bearbeiten nbsp St Maria im Kapitol Koln 2007Seit der Mitte des 11 Jahrhunderts befanden sich die beiden Turflugel am nordlichen Hauptportal oder auch Nordkonche genannt Da St Maria im Kapitol damals noch Kolns grosstes Kloster war wurde zu besonderen Anlassen vor dieser Ture der Kaiser von der Abtissin begrusst Es fuhrte nur eine Holzbrucke zum Haupteingang denn das Kloster befand sich auf dem sogenannten Kapitolshugel und die Nordkonche lag hoher als der restliche Bau Ab dem 12 Jahrhundert wurde das Tor jedoch von einer Vorhalle umgeben und somit geschutzt Eine solche Vorhalle wurde auch an der Sudkonche gebaut 1832 wurden beide Vorhallen wieder abgerissen und vereinfacht wieder aufgebaut Dies hatte zur Folge dass die Reliefs auf den Turflugeln durch die Dunkelheit verschmutzten Anfang des 20 Jahrhunderts wurden sie dann jedoch aus dem Turrahmen genommen und in eine Ecke der Vorhalle gestellt somit verschlossen sie nicht mehr die Kirche Um das Tor zu schutzen wurde ein Drahtgitter davor gebaut was gute Fotografien des Objekts fast unmoglich machte Kurz vor der Jahrhundertwende fertigte man jedoch einen Gipsabdruck an der von da an als fotografisches Modell diente Dieser ging vor dem Zweiten Weltkrieg verloren und man musste sich mit einer Fotografie des Gipsabdrucks behelfen 1935 wurde festgestellt dass die drei Konchen einsturzgefahrdet sind und so verlegte man den Haupteingang aus dem Norden in den Westen Dieser Eingang diente fruher als Zugang zum Kreuzgang und den ehemaligen Stiftsgebauden Dort befindet sich noch heute der offizielle Eingang und genau nebenan wurde das Pfarrzentrum und ein Kindergarten sowie eine Bibliothek errichtet Im Zweiten Weltkrieg wurden die Torflugel zum Schutz vor Schaden durch Luftangriffe aus der Kirche geholt und in abgelegene Gebiete gebracht So lagerten sie zunachst im Schloss Pommersfelden in Franken und danach im Schloss Krottorf bei Siegen Nach einer Diskussion mit dem Gemeindevorstand und den Nationalsozialisten die die Tur als typisch deutsche Kunst ansahen und sie nicht der Zerstorung durch die Alliierten aussetzen wollten wurde die Tur daraufhin erneut ins Siegerland ausgelagert Nach dem Krieg war St Maria im Kapitol stark beschadigt und die Ture musste in einer der Chorumgangskapelle des Kolner Domes aufbewahrt werden 1950 gelangte die Tur wieder in ihre Heimatkirche zuruck und wurde dort bis 1984 im sudlichen Seitenschiff aufgestellt In den darauffolgenden Jahren mussten die Torflugel aufgrund von Restaurierungsarbeiten an der Kirche wieder ihren Standort wechseln erst in die Krypta dann in die Ostkonche und letztendlich wieder in das sudliche Seitenschiff Formaler und technischer Aufbau BearbeitenHerstellung Bearbeiten Die zwei Turflugel die 485 cm hoch und zusammen 248 cm breit sind bestehen jeweils aus drei Eichenbohlen auf denen die in Nussbaumholz geschnitzten Rahmen und Tafeln angebracht sind Um diese herum befinden sich auf jedem Flugel grossere verzierte wulstartige Rahmen Zwischen den Tafeln und dem ausseren Rahmen erkennt man die Tituli die textartigen Uberschriften die zu jedem Bild aufgemalt sind Darauf folgen reliefartige Schnitzarbeiten die man als dunne Perlstabe und durchbrochene Flechtbander bezeichnen konnte Diese und runde Knaufe an den Eckpunkten rahmen die einzelnen Bildtafeln Die Perlstabe um die Tafeln herum sollen die Lucke zwischen Tafel und Flechtband verdecken So entsteht der Eindruck eines aus einem Stuck Holz gefertigten Reliefs Doch die einzelnen Rahmenstucke sind mit eisernen Stiften und Nageln die durch die Knaufe gebohrt sind an den Eichenbohlen befestigt So sind auch die ausseren Rahmenwulste festgenagelt nur ohne Verzierung mit Hilfe von den Knaufen Die kleineren Teile so wie Perlstabe und Schriftleisten sind mit dunneren fast unauffalligen Stiften festgemacht Dieser Turaufbau folgt der in Antike und Spatantike ublichen Tradition Tafeln und Figuren Bearbeiten nbsp Holztur von St Maria im KapitolDas Relief der Tafeln ist sehr plastisch geschnitzt worden so dass manche Figuren uber den Rahmen hinaus ragen Vor allem die unteren Tafelrander sind stark hervorgehoben denn sie dienen als Untergrund fur die darauf stehenden Figuren Die Fusse Beine und Kopfe reichen weiter nach aussen zum Betrachter als der Oberkorper Meist sind die Figuren im Profil abgebildet in einigen Tafeln jedoch auch in der Frontalansicht Bei allen lasst sich jedoch von einer starken Korperlichkeit und ausgepragten Symmetrie reden Der Schnitzer wollte in aller Genauigkeit die biblische Geschichte erzahlen Seit der Barockzeit wurde die Tur hin und wieder mit Olfarbe uberstrichen die einerseits eine gute Schutzschicht war aber andererseits auch die Reste der ursprunglichen Bemalung uberdeckte Diese alten Harzfarben wurden 1936 im Schnutgen Museum wieder freigelegt An der oberen Halfte der Tur war die originale Farbigkeit gut erhalten an der unteren Seite jedoch sehr abgeschliffen Man erkennt aber noch gut dass kraftige Farben benutzt wurden So herrscht in den Rahmen ein starkes Rot die Perlstabe sind ebenfalls rot oder grun gehalten so wie die Blatter und Ranken auf der ausseren Wulst Der Untergrund der Tafeln ist gelb was auf die Goldgrunde der Buchmalerei deutet Die Figuren sind in allen moglichen Farben gehalten dabei wurden zum Teil Augen Munder und Gewandfalten aufgemalt und nicht geschnitzt da es fur das Schnitzermesser zu fein gewesen ware Ikonografie Bearbeiten nbsp Anordnung der einzelnen Tafeln22 Tafelbilder veranschaulichen das Leben Jesu von der Verkundigung bis Pfingsten Vier weitere Tafeln unten an der Tur zeigen die drei Versuchungen Christi und die Huldigung durch zwei Cherubim 1 Der linke Turflugel beinhaltet die Geburt und Jugend Christi der rechte hingegen sein Wirken und Leiden Der Text der Tituli beschreibt folgendes ANGELUS AFFATUR STERILIS CUI LETIFICATUR HIC DEUS ARTATUR PASTORIBUS INSINUATUR REX IUBET HII PERGUNT STELLA DUCE MUNERA PROMUNT DISCIT UT IN SOMNIS HOS DUCIT NON PEDE SEGNIS REX DERIDETUR SIBI VERUM SCRIBA FATETUR PRECIPIT INSONTES P UEROS VITE REDDIT QUI CECO LUMINA LIVIT EST ALIIS SOMNUS DU M PETRO PETRA PROFATUR CUM PURIS CENAT QUI IUDAM PECTORE CELAT CECAT HIC OBIT EST POSITUS TUMULO TUMULOQUE LEVATUS DUM SCANDIT CELOS Der Engel verkundet Durch ihn wird die Unfruchtbare erfreut Hier schrankt Gott sich ein Den Hirten wird er kundgetan Der Konig befiehlt diese ziehen fort gefuhrt von dem Stern bringen sie ihre Geschenke dar Wie er im Traum lehrt fuhrt er diese nicht saumigen Fusses Der Konig wird verspottet Ihm eroffnet der Schriftgelehrte die Wahrheit Er gibt den Befehl die unschuldigen Kinder zu toten Diesen gibt er dem Leben wieder Er der dem Blinden die Augen gesalbt hat Die anderen schlafen Da sagt er zu Petrus Du bist der Fels Mit den Reinen halt er das Mahl Der Judas im Herzen verblendet Hier stirbt er Er ist ins Grab gelegt worden und aus dem Grabe erstanden Da steigt er zum Himmel empor 2 Linker Flugel Geburt und Jugend Rechter Flugel Wirken und Leiden 1 Verkundigung an Maria und Heimsuchung 12 Einzug in Jerusalem2 Verkundigung an die Hirten 13 Blindenheilung3 Geburt Christi 14 Auferweckung des Lazarus4 Die drei Magier vor Herodes 15 Gethsemani5 Anbetung des Kindes 16 Bereitung des Osterlamms6 Josephs Traum und die Flucht nach Agypten 17 Abendmahl7 Zwei Krieger bei Herodes 18 Himmelfahrt8 Rat suchend bei Gelehrtem 19 Christus am Kreuz9 Herodes handigt Waffen aus 20 Himmelfahrt10 Kindermord 21 Frauen am Grabe11 Darbringung im Tempel und Taufe Christi im Jordan 22 PfingstenAnordnung und Verlust Bearbeiten nbsp Ausschnitt Tafeln 7 11Uber die Jahre sind viele Rahmenstucke verloren gegangen oder wurden verandert wieder angeordnet so auch die 2 und 3 Tafel auf dem linken Flugel Laut der Tituli stand die Verkundigung an die Hirten vor der Geburt Jesu Auch die Tafeln 7 8 9 und 10 sind vertauscht angebracht worden Nach der Tituli musste zuerst Christus am Kreuz kommen dann die Frauen am Grabe und zu guter Letzt die Himmelfahrtbilder Auffallend ist vor allem auch der Verlust der unteren rechten Tafel auf dem linken Turflugel Auf dem Gipsabdruck von ca 1900 sind diese Tafel wie auch viele Rahmenteile noch deutlich zu erkennen Es lasst sich vermuten dass zum Zweck des Abdruckes die beschadigte Tafel abgenommen wurde und verlorengegangen ist Nach der Restaurierung im Jahre 1936 liessen sich mehrere ubereinander aufgetragene Farbschichten wiedererkennen Auch Bilduberschriften die bis dahin nicht sichtbar waren wurden wieder lesbar Leider kam es in den letzten Jahren auch zu weiterem Verlust von Schnitzarbeiten an den Turen welcher durch Diebstahl verursacht wurde So sind die grossten Schaden nicht durch Verwitterung oder wahrend des Krieges sondern erst ca 950 Jahre nach Vollendung des Werkes durch Menschenhand entstanden Meisterfrage BearbeitenEs wird angenommen dass der Kunstler dieser Turflugel aus der Gegend um Koln zwischen Niederrhein und Maas kam Dies wurde von Kunsthistorikern vermutet da in der ersten Halfte des 11 Jahrhunderts in Koln und Luttich die Elfenbeinkunst welche die Kleinfigurige genannt wird aufbluhte die wohl die Tafelreliefs der Holztur beeinflusste 3 Andere Wissenschaftler sind sich jedoch sicher dass nicht nur ein Meister daran gearbeitet hat Der Kunsthistoriker Richard Hamann beispielsweise war der Meinung es seien zwei Kunstler beschaftigt gewesen die auf ihre eigene individuelle Art schnitzten und arbeiteten Weiter war er der Meinung diese hatten dieselbe Schulung erhalten und seien aus derselben Werkstatt Hamann versuchte jeden Turflugel einem dieser Meister zuzuordnen 4 Denn wenn man die drei grossen rechteckigen Tafeln auf der linken Seite mit denen auf der rechten vergleicht sieht man dass die auf der linken Seite jeweils zwei Szenen aus dem Leben Christi darstellen die auf der rechten jedoch nur eine 5 Einen weiteren Unterschied gibt es in der Ausfuhrung der Reliefs Vergleicht man die Drei Konige vor Herodes mit der Blindenheilung oder die Flucht nach Agypten mit dem Abendmahl so sind die einen plastisch und sehr ausgearbeitet die anderen hingegen wirken durch ihre klare Struktur und senkrechte Liniengebung Hamann nannte diesen Kunstler einen Meister der Parallelfiguren 6 Vorbilder und Nachahmungen Bearbeiten nbsp BernwardsturAls altestes Beispiel von Kirchenturen mit Reliefs zahlen die Fragmente der spatantiken Holztur von Sant Ambrogio in Mailand die gegen Ende des 4 Jahrhunderts gefertigt wurden Die geschnitzten Tafeln zeigen Szenen aus der Geschichte Davids Die Kirche S Sabina in Rom besitzt ebenfalls noch eine spatantike Holztur auf der alttestamentliche Szenen dargestellt sind zu datieren um 430 Die grosste Ahnlichkeit hat die Kolner Tur mit der sogenannten Bernwardstur des Doms zu Hildesheim welche um 1015 entstand Diese zeigt alt und neutestamentliche Szenen ab Die Torflugel sind zwar aus Bronze gegossen sind jedoch vom Aufbau und der Themenwahl den Kolner Tur das grosste Vorbild gewesen Etwa gleichzeitig mit der Entstehung der Tur von St Maria im Kapitol entstanden die Bronzetur des Augsburger Domes um 1065 diese zeigt mythologische allegorische und alttestamentliche Szenen 7 Wie schon oben erwahnt gelten auch Elfenbeintafeln als Vorbild fur die Relieftafeln Die Kreuzigungsszene auf dem Elfenbeindeckel des Lyskirchen Evangeliars aus St Georg zu Koln ahnelt den Schnitzereien der Holztur so auch die Elfenbeintafel auf dem Buchdeckel des Theophanu Evangeliar im Essener Domschatz Ausserdem wurden verschiedene Kruzifixe im Stil der Relieftafeln angefertigt wie das um 1067 aus St Georg zu Koln stammende 8 Literatur BearbeitenRichard Hamann Die Holztur der Pfarrkirche zu St Maria im Kapitol Verlag des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universitat Marburg Lahn 1926 Hermann Schnitzler Die Holzturen von St Maria im Kapitol Rheinische Meisterwerke 2 Rohrscheid Bonn 1937 Peter Bloch Die Turflugel von St Maria im Kapitol zu Koln Kuhlen Monchengladbach 1959 2 Auflage 1959 ISBN 978 3 87448 090 1 Wolfgang Stracke Die Turflugel von St Maria im Kapitol In Colonia Romanica Jahrbuch des Fordervereins Romanische Kirchen Koln 3 1988 S 31 46 Wolfgang Stracke Untersuchungen zur fruhen Ausstattung von St Maria im Kapitol in Koln Dissertation Universitat Bonn 1989 Wolfgang Stracke St Maria im Kapitol Koln die romanische Bildertur Wienand Koln 1994 ISBN 3 87909 377 6 Klaus Gereon Beuckers Rex iubet Christus imperat Studien zu den Holzturen von St Maria im Kapitol und zu den Herodesdarstellungen vor dem Investiturstreit SH Verlag Koln 1999 ISBN 3 89498 069 9Einzelnachweise Bearbeiten Bloch 1978 S 6 Ubersetzung nach Stracke 1988 S 32 33 Schnitzler 1937 S 9 Bloch 1978 S 13 Bloch 1978 S 14 Bloch 1978 S 13 Bloch 1978 S 5 Bloch 1978 S 15 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Holztur von St Maria im Kapitol Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Die Holztur von St Maria im Kapitol auf der Homepage des Fordervereins Romanische Kirchen Koln Die Holztur von St Maria im Kapitol im Bildindex der Kunst und Architektur50 9342331 6 9586746 Koordinaten 50 56 3 2 N 6 57 31 2 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Holztur von St Maria im Kapitol amp oldid 220736966