www.wikidata.de-de.nina.az
Hollandganger waren Wanderarbeiter die nach dem Dreissigjahrigen Krieg etwa ab 1650 bis in die 1930er Jahre von sozialer Not getrieben aus wirtschaftlich schwachen Gebieten Deutschlands saisonal in die Niederlande umgangssprachlich Holland zogen um dort zu arbeiten und ein dringend benotigtes Einkommen fur sich und ihre Familien zu erzielen Wanderarbeiter die nach West oder Ostfriesland zogen wurden auch als Frieslandganger bezeichnet Hollandganger oder Pickmaijer in Uelsen Skulptur von Leo Janischowsky und seinem Partner 1997 Hollandganger auf einem Notgeldschein aus Freren von 1921Der Hollandgang vorwiegend mannlicher Arbeitskrafte war eine Form saisonaler Arbeitsmigration und wird heute als ein Teil des wesentlich grosseren und umfassenderen Nordseesystems gesehen Aus dem Hollandgang entwickelte sich in bestimmten Regionen Westfalens und angrenzenden Landesteilen der Toddenhandel Frauen fanden in den Niederlanden vorwiegend langerfristige Anstellungen in Haushalten als Dienstmadchen bis zur Heirat Der Hohepunkt der weiblichen Hollandgangerei war nach dem Ersten Weltkrieg in den 1920er Jahren Inhaltsverzeichnis 1 Ablauf der Hollandgangerei 1 1 Saisonale Hollandgangerei 1 2 Dienstmadchen 2 Ursachen des Hollandgangs 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseAblauf der Hollandgangerei BearbeitenSaisonale Hollandgangerei Bearbeiten Die Hollandganger brachen typischerweise in einer gemeinsamen Wanderbewegung im Fruhjahr von ihrer Heimat zu Fuss auf und nutzten regelmassig feste Routen die zu zentralen Treffpunkten fuhrten Die Wanderarbeiter waren in Holland vor allem als Tagelohner in der Landwirtschaft beschaftigt vielfach als Grasmaher oder Torfstecher Das Torfstechen galt als die schwerste Arbeit die allerdings auch am hochsten bezahlt wurde Andere Hollandganger arbeiteten als Seeleute in der Ziegelindustrie bei der Geneverherstellung als Deckenhausierer Herings und Walfanger In der Regel verdingten sich jungere Manner Die Unverheirateten unter den jungen Mannern blieben wie man aus hollandischen Kirchenbuchern entnehmen kann nicht selten auch dauerhaft in Holland und grundeten dort Familien Ihre hochste Intensitat erreichte die Hollandgangerei in der zweiten Halfte des 18 Jahrhunderts Die Zahl der Hollandganger ist nicht genau belegt wird aber zwischen 1700 und 1875 auf 20 000 bis 40 000 im Jahr geschatzt Dienstmadchen Bearbeiten Junge Frauen arbeiteten vor allem nach dem Ersten Weltkrieg als Dienstmadchen in niederlandischen Haushalten oder seltener in Bleichereien Im spaten 19 Jahrhundert bis in die 1920er Jahre war die Hollandgangerei fur viele junge Frauen aus den Industriegebieten an der Ruhr mangels anderer Beschaftigungsalternativen oft die einzige Moglichkeit zum Familienunterhalt beizutragen 1 In der ersten Halfte der 1920er Jahre fanden etwa hundert bis dreihunderttausend deutsche Frauen als Dienstmadchen in den Niederlanden Arbeit 1934 waren zum Beispiel in Haarlem 60 Prozent der Hausangestellten Deutsche 2 In den 1930er Jahren versuchten die Behorden im Rahmen der Hausmadchenheimschaffungsaktion vor allem aus bevolkerungspolitischen Grunden die dort lebenden Frauen teilweise gegen deren Widerstand zur Ruckkehr nach Deutschland zu bewegen 3 Behordliches Druckmittel war vor allem die Begrenzung der Gultigkeit der Reisepasse oder die Drohung mit Ausburgerung 4 Ursachen des Hollandgangs BearbeitenDie Hollandganger kamen hauptsachlich aus den von grosser Ruckstandigkeit und Armut gepragten Landstrichen Westfalens vor allem Lipperland Munsterland aus dem Emsland aus dem Tecklenburger Land dem Osnabrucker Mindener Raum dem Oldenburgischen sowie aus dem Unterwesergebiet Wenig fruchtbare Geest Moor und Heidelandschaften warfen in diesen Landstrichen nur geringe Ertrage ab die landliche Bevolkerung war von druckenden Steuern und Abgaben geplagt Eingezwangt in traditionelle landliche Strukturen kam es zudem bei relativ hohem Bevolkerungszuwachs kaum noch zur Schaffung neuer Vollbauernstellen Als Folge entstand eine zunehmende Zahl von angesessenen Kleinbauern Kotner auch Kotter oder Katner genannt vor allem aber von landarmen Kleinstellenbesitzern Brinksitzer oder Brinkkotter auch Anbauer genannt Weiter entwickelte sich eine stark anwachsende nichtangesessene landlose Schicht von Heuerlingen Hauslingen auch als Einlieger oder Mietsleute bezeichnet die nicht zur eigentlichen Dorfgemeinde zahlten Diese Heuerlinge Hauslinge und Brinksitzer stellten den Hauptstrom der Hollandganger der vielfach durch verschuldete Kotner durch nicht erbberechtigte Sohne von Kleinbauern und sogar durch Vollbauern erganzt wurde Das vorherrschende Anerbenrecht liess eine Teilung der Hofe nicht zu Der Besitz ging so auf den erstgeborenen Sohn uber andere mannliche Nachkommen wurden abgefunden Nur vereinzelt schlossen sich Bauern soweit sie in wirtschaftliche Not geraten waren den Arbeitswanderern an Angehorige der alteren Generation gingen nur in Zeiten akuter okonomischer Krisen auf Wanderarbeit Aus den gleichen Beweggrunden aus denen der Hollandgang entstanden ist entwickelte sich im 19 Jahrhundert die Emigration nach Amerika Der starke Anstieg junger Frauen die nach dem Ersten Weltkrieg Anstellung in den Niederlanden als Hausmadchen suchten war einerseits auf den Frauenuberschuss nach dem Weltkrieg und damit auf mangelnde Heiratschancen und fehlende Versorgung zuruckzufuhren anderseits aber auch auf die Verarmung breiter Teile der Bevolkerung durch die Hyperinflation infolge der Ruhrbesetzung 5 Siehe auch BearbeitenLippische Ziegler Heringsfangermuseum Heimsen Ziegelei Lage Wiesenmacher Saisonarbeiter SchwabenkinderLiteratur Bearbeitenin der Reihenfolge des Erscheinens Johannes Tack Die Hollandganger in Hannover und Oldenburg Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiter Wanderung Leipzig 1902 Gerda van Asselt De Hollandganger gastarbeid in de 19de eeuw In Tijdschrift voor sociale geschiedenis Jg 2 1976 S 4 41 niederlandisch Andreas Eiynck Freren und die Hollandgangerei In Bernhard Fritze Hrsg Freren Kleine Stadt im Emsland Verlag van Acken Lingen 1994 Horst Rossler Hollandganger Straflinge und Migranten Bremen und Bremerhaven als Wanderungsraum Edition Temmen Bremen 2000 ISBN 3 86108 765 0 Gerda van Asselt Albin Gladen u a Hrsg Hollandgang im Spiegel der Reiseberichte evangelischer Geistlicher Quellen zur saisonalen Arbeitswanderung in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts 2 Bande Aschendorff Munster 2007 ISBN 978 3 402 06800 7 Ralf Weber wo sie gegen kargen Lohn sich Sklavenarbeiten unterziehen mussen Das Hollandgehen aus dem Oldenburger Munsterland im 19 Jahrhundert In Heimatbund fur das Oldenburger Munsterland Hrsg Jahrbuch fur das Oldenburger Munsterland 2014 Vechta 2013 S 68 86 Marijn Molema Meindert Schroor Hrsg Migrationsgeschichte in Nordwestdeutschland und den nordlichen Niederlanden Quellen Handreichungen und Beispiele zur grenzubergreifenden Forschung Benelux German Borderlands Histories Band 1 Munster 2019 ISBN 978 3 8405 2001 3 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Hollandganger Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Hollandganger Amerika Auswanderer und Heringsfanger von Kirchner Raddestorf Hollandganger im Kulturportal NordwestEinzelnachweise Bearbeiten F J Bruggemeier Leben vor Ort Beck Munchen 1983 ISBN 3 406 09742 1 S 73 168 Barbara Henkes Heimat in Holland Deutsche Dienstmadchen 1920 1950 Straelener Ms Straelen Niederrhein 1998 ISBN 978 3 89107 044 4 S 44 Barbara Henkes Heimat in Holland Deutsche Dienstmadchen 1920 1950 Straelener Ms Straelen Niederrhein 1998 ISBN 978 3 89107 044 4 S 173 Barbara Henkes Heimat in Holland Deutsche Dienstmadchen 1920 1950 Straelener Ms Straelen Niederrhein 1998 ISBN 978 3 89107 044 4 S 180ff Barbara Henkes Heimat in Holland Deutsche Dienstmadchen 1920 1950 Straelener Ms Straelen Niederrhein 1998 ISBN 978 3 89107 044 4 S 33f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hollandganger amp oldid 237766373