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Die historische Metrik ist der Teilbereich der Verslehre der die metrischen Formen in ihrer historischen Entwicklung zum Gegenstand hat meist bezogen auf eine bestimmte Sprache oder Literatur Ebenso Gegenstand ist die Untersuchung historischer Theoriebildungen etwa der Werke der antiken alexandrinischen Grammatiker oder der Wirkung von Martin Opitz Buch Von der Deutschen Poeterey auf die deutsche Dichtung Und schliesslich werden auch die Beziehungen Einflusse und Ubernahmen zwischen den verschiedenen Literaturen in ihrer historischen Dimension erforscht zum Beispiel der Einfluss der franzosischen Poesie auf die Barockdichtung in Deutschland und Frankreich Uberblick BearbeitenFur die Auffassungen und Begriffsbildungen in den europaischen Literaturen seit der Antike war die alt griechische Metrik grundlegend und pragend bis heute Vor allem in der Zeit des Hellenismus wurden die Dichtungen der griechischen Klassik und hier in erster Linie die homerischen Epen Ilias und Odyssee untersucht und die gefundenen Regelmassigkeiten formalisiert zu einem ausgearbeiteten System von Schemata das hierarchische Versmassen als Anordnungen gleichartiger oder verschiedenartiger Versfusse die wiederum aus bestimmten Folgen langer oder kurzer Verselemente bestanden und die verschiedenen Strophenform als Folgen gleichartiger oder verschiedenartiger Verse beschrieb Grundlegend war dabei die den Silben zugeordnete Dauer Quantitat Bereits in der Spatantike ging jedoch das Empfinden fur die Quantitaten allmahlich verloren Die Regelsysteme der quantitierenden Metrik mussten seither schulmassig im Grammatik und Rhetorikunterricht im Rahmen der Artes liberales erlernt werden Neben der quantitierenden entstand deshalb eine nichtquantitierende akzentuierende Dichtung die einerseits von akzentuierenden Umbildungen quantitierender Verse Commodian andererseits von volkssprachlichen Liedern sogenannten Psalmi Augustinus ihren Ausgang nahm Seit dem Fruhmittelalter setzte sich unter dem Einfluss der volkssprachlichen Dichtung vielfach auch allmahlich der Reim durch und in der mittellateinischen Dichtung entwickelten sich zum Teil eigene Vers und Strophenformen wie der einst quantitierende Hymnus der Tropus die Sequenz und die Vagantenzeile Die Entwicklung der mittellateinischen akzentuierenden Dichtung stand in enger Wechselwirkung mit der volkssprachlichen Dichtung sodass sich auch diese seit dem Ende des 9 Jahrhunderts von der germanischen Form die auf dem Stabreim und der Langzeile mit fester oder variabler Silbenzahl beruhte losloste Parallel zur akzentuierenden Dichtung die als Rhythmus oder Prosa auch Prosula bezeichnet wurde lebte die quantitierende Dichtung oft von ursprunglich fremdem Reim etwa dem leoninischen kunstvoll verziert durch das ganze Mittelalter fort und wurde in den Dichtungslehren sogar ausschliesslich behandelt Dabei nahmen die einzelnen Autoren gegenuber den antiken Normen zum einen Abmilderungen vor etwa bei der Behandlung des auslautenden o als anceps das heisst metrisch beliebig Zum anderen kam es auch zu Verscharfungen so galt es etwa die Synaloephe die Verschleifung eines auslautenden Vokals mit dem anlautenden des Folgewortes zu einem Diphthong zu vermeiden Die aus der Antike ubernommenen lyrischen Formen Akrostichon und Figurengedicht waren im Mittelalter besonders beliebt und wurden weiterentwickelt In Deutschland war das Werk von Martin Opitz Von der Deutschen Poeterey von 1624 fur die Verslehre bahnbrechend Opitz und seiner schlesischen Dichterschule um Gryphius und von Logau ging es darum die dichterische Praxis zu systematisieren und zu regulieren und mit dem antiken Vorbild vereinbar zu machen Die Betonung der Silben den exspiratorischen Akzent erklarte er zum einzigen Gliederungselement gebundener Sprache Dabei gibt es zur quantitierenden Dichtung grob folgende Entsprechungen Einer kurzen Silbe in der antiken Metrik entspricht eine unbetonte Silbe oder Senkung in der deutschen Verslehre einer langen Silbe in der antiken Metrik entspricht sofern diese nicht eine Doppelkurze vertritt eine betonte Silbe oder Hebung So wurde ein Versiktus bzw Versakzent konstituiert der auch beim Vortrag lateinischer Dichtung Verwendung fand um den Rhythmus fur ein nicht an quantitierende Dichtung gewohntes Ohr horbar zu machen Mit demselben Verfahren konnten die ursprunglich auf quantitierender Betonung beruhenden antiken Versfusse in die deutsche Sprache ubertragen werden Dagegen wurden die antiken Verse in der Zeit vor Opitz auf andere Weise ins Deutsche gebracht Da die lateinische Betonungsregel das sogenannte Panultimagesetz im Zusammenwirken mit den Zasuren dazu fuhrt dass auch im quantitierenden Vers an bestimmten Stellen des Verses mit einer gewissen Regelmassigkeit Wortakzente auftreten konnten deutsche Verse gebaut werden die dieselbe Silbenzahl hatten wie der lateinische Vers und auch an denselben Stellen Wortakzente aufweisen Beispiel Das Kirchenlied Herzliebster Jesu was hast Du verbrochen dass man ein solch scharf Urteil hat gesprochen Was ist die Schuld in was fur Missetaten bist Du geraten ist die akzentrhythmische Umsetzung einer sapphischen Strophe Ausserdem war es in der Zeit vor Opitz in ausuferndem Masse ublich silbenzahlende Verfahren anzuwenden zusatzliche unbetonte Silben einzufuhren Synkopen zu setzen und unreine Reime zu benutzen Literatur BearbeitenAlfred Behrmann Einfuhrung in den neueren deutschen Vers Von Luther bis zur Gegenwart Metzler Stuttgart 1989 ISBN 3 476 00651 4 Ivo Braak Poetik in Stichworten 8 Aufl Borntrager Stuttgart 2001 ISBN 3 443 03109 9 Dieter Breuer Deutsche Metrik und Versgeschichte Fink Munchen 1981 ISBN 3 7705 1623 0 3 Aufl 1994 ISBN 3 8252 0745 5 Christian Wagenknecht Deutsche Metrik Eine historische Einfuhrung 5 erweiterte Auflage C H Beck Munchen 2007 ISBN 3 406 55731 7 Volkhard Wels Kunstvolle Verse Stil und Versreformen um 1600 und die Entstehung einer deutschsprachigen Kunstdichtung Harrassowitz Wiesbaden 2018 ISBN 978 3 447 11073 0 online abrufbar auf academia edu Gero von Wilpert Sachworterbuch der Literatur 8 Aufl Kroner Stuttgart 2013 ISBN 978 3 520 84601 3 S 516f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Historische Metrik amp oldid 229047079