www.wikidata.de-de.nina.az
Ein Versfuss altgriechisch poys pous lateinisch pes ist in der Verslehre der kleinste Teil eines Verses der als sich wiederholendes Element im Versrhythmus erkannt wird Im metrischen Schema erscheint er als eine Folge von Verselementen im konkreten Vers als eine Folge von Silben die je nach Versprinzip der jeweiligen Sprache leicht oder schwer sind In Literaturen mit quantitierendem Versprinzip wie der antiken griechischen und lateinischen Dichtung entsprechen den leichten die kurzen und den schweren die langen Silben in Literaturen mit akzentuierendem Versprinzip wie der deutschen entsprechen den leichten die unbetonten und den schweren die betonten Silben Bezeichnet man die leichten Silben entsprechend der ublichen metrischen Notation mit dem Symbol und die schweren mit so wird man in einem Vers mit dem Schema als sich wiederholendes Element den als Jambus bekannten Versfuss erkennen und dementsprechend aufteilen ˌ ˌ ˌ ˌ Enthalt der Vers ein zusatzliches leichtes Element also so ist sowohl die Aufteilung ˌ ˌ ˌ ˌ ˌ als auch ˌ ˌ ˌ ˌ ˌ moglich wobei dann ein uberzahliges Element am Anfang stehen wurde und das sich wiederholende Element der Trochaus ist Offensichtlich ist die als Skansion bezeichnete Gliederung eines Verses in Versfusse nicht naturgegeben sondern eine Sache von Wahrnehmung und Konvention Welche Folgen leichter und schwerer Glieder uberhaupt auftreten konnen und welche haufig bzw selten sind ist im Wesentlichen durch die jeweilige Sprache bestimmt Beispielsweise sind im Griechischen und Lateinischen schwere also lange Silben wesentlich haufiger als im Deutschen und es konnen fast beliebig lange Sequenzen langer und kurzer Silben auftreten Beispielsweise sind vier aufeinanderfolgende Langen im Lateinischen zwar selten kommen jedoch vor Dementsprechend wurden in der antiken Metrik bei den zwei bis viergliedrigen Folgen alle moglichen Kombinationen aufgefuhrt und benannt woraus sich die Zahl der 2 2 2 3 2 4 4 8 16 28 displaystyle 2 2 2 3 2 4 4 8 16 28 antiken Versfusse ergibt wobei man nur die zwei und dreigliedrigen Folgen als einfache Versfusse betrachtete Die viergliedrigen nannte man zusammengesetzt was sich auch in den Namen teilweise anzeigt so wurde zum Beispiel der diiambos doppelter Jambus genannt da jede Sequenz aus vier oder mehr Gliedern aus den einfachen zwei und dreigliedrigen Fussen zusammengesetzt werden kann Die folgende Tabelle zeigt die antiken Versfusse sortiert in Gruppen nach der Zahl ihrer Glieder Die Spalten zeigen das Schema des Versfusses und die Abkurzung in metrischer Notation den griechischen Namen mit Umschrift den lateinischen Namen und die im Deutschen gebrauchliche Bezeichnung Schema Abk griechisch gr Transkr lateinisch deutsch BemerkungZweigliedrige einfache Fusse pyrrixios dibraxys pyrrhichios dibrachys pyrrhichius dibrachus bibrevis Pyrrhichius Dibrachys zweisilbiger Brachysyllabus tr troxaῖos trochaios trochaeus Trochaus auch Faller in der Antike auch manchmal als choreios bzw choreus bezeichnet ia ἴambos iambos iambus Jambus auch Steiger sp spondeῖos spondeios spondeus spondius SpondeusDreigliedrige einfache Fusse tribraxys tribrachys tribrachys tribrachus tribrevis Tribrachys dreisilbiger Brachysyllabus in der Antike auch manchmal als choreios bzw choreus bezeichnet da daktylos daktylos dactylus Daktylus auch Doppelfaller ἀmfibraxys amphibrachys amphibrachys amphibrachus amphibrevis Amphibrachys an ἀnapaistos anapaistos anapaestus Anapast auch Doppelsteiger ba bakxeῖos bakcheios bacchius Bacchius oder auch Bakchius cr ἀmfimakros amphimakros amphimacrus Amphimacer oder Kretikus palimbakxeios palimbakcheios antibacchius Antibacchius oder auch Palimbakchius molossos molossos molossus MolossusViergliedrig zusammengesetzte Fusse prokeleysmatikos tetrabraxys prokeleusmatikos tetrabrachys proceleusmaticus Prokeleusmatikus viersilbiger Brachysyllabus paiwn Aʹ paiōn 1 paean primus Paon 1 paiwn Bʹ paiōn 2 paean secundus Paon 2 paiwn Gʹ paiōn 3 paean tertius Paon 3 paiwn Dʹ paiōn 4 paean quartus Paon 4 ioma ἐpionikos epionikos ionicus a maiore fallender Ionikus ἀntispastos antispastos antispastus Antispast iomi ionikos ionikos ionicus a minore steigender Ionikus cho xoriambos choriambos choriambus Chorjambus ditroxaios ditrochaios ditrochaeus Ditrochaus auch Dichoreus doppelter Trochaus diῖambos diiambos diiambus Dijambus doppelter Jambus ἐpitritos Aʹ epitritos 1 epitritus primus Epitrit 1 ἐpitritos Bʹ epitritos 2 epitritus secundus Epitrit 2 bei Hephaistion auch Karikos ἐpitritos Gʹ epitritos 3 epitritus tertius Epitrit 3 bei Hephaistion auch Podios ἐpitritos Dʹ epitritos 4 epitritus quartus Epitrit 4 bei Hephaistion auch Monogenes dispondeios dispondeios dispondeus Dispondeus doppelter SpondeusFunfgliedrige Fusse thym thymelicos ThymelicusDem kombinatorischen Reichtum der antiken Metrik gegenuber ist die Zahl der moglichen Versfusse im Deutschen durch dessen Eigentumlichkeiten stark eingeschrankt Zum Beispiel ergibt im Deutschen das Aufeinandertreffen zweier betonter Silben beim Sprechen eine deutliche Zasur genannte Sprechpause 1 Hohl und einsam und kahl blickt aus der Hohe sein Haupt 2 Die Zasur teilt hier den Vers in zwei Kola genannte Halbverse zwischen den beiden Hebungen steht also eine Halbversgrenze wodurch die Zasur zur Diharese wird die zusatzlich eine Versfussgrenze markiert Der Einschnitt muss dabei nicht auf eine Wortgrenze fallen Wilhelm Busch gibt das schone Beispiel 3 zweier aufeinanderfolgender Hebungen indem er diese uber zwei Verse verteilt Madam Sauerbrot die schein Tot gewesen tritt herein Eine weitere Einschrankung moglicher Sequenzen im Deutschen ist dass nicht mehr als zwei Hebungen aufeinander folgen konnen Erscheinen drei normalerweise unbetonte Silben nebeneinander so entsteht beim Sprechen ein Nebenakzent auf einer von ihnen Unter Berucksichtigung dieser Einschrankungen bleiben als mogliche Versfusse im Deutschen bei den zweigliedrigen nur Jambus und Trochaus und bei den dreigliedrigen Daktylus Anapast Amphibrachys und Kretikus Dabei kann der Kretikus nicht rein auftreten Ein rein daktylischer Vers ist zum Beispiel einer der nur aus Daktylen ein rein jambischer Vers einer der nur aus Jamben besteht Stunden zwei kretische Fusse nebeneinander ˌ so hatte man wieder zwei aufeinanderfolgende Hebungen Trotz dieser Reduktion der Anzahl moglicher Versfusse auf 5 bzw 6 bleiben Mehrdeutigkeiten der Skansion Beispielsweise lasst wenn man nur die Wiederholung gleichartiger Silbensequenzen betrachtet die Zeile der Glaube die Liebe die Hoffnungmit dem Schema sich in drei amphibrachysche Fusse gliedern ˌ ˌ Diese Gliederung entsprache zudem den vorliegenden Wortgruppen der Glaube die Liebe die HoffnungDennoch spielt der Amphibrachys in der deutschen Verslehre kaum eine Rolle und man wurde die Zeile entweder mit Daktylen ˌ ˌ ˌ oder mit Anapasten ˌ ˌ ˌ gliedern wobei dann am Anfang und Ende uberzahlige leichte Silben bzw verkurzte Versfusse stehen wurden Welche der verschiedenen Moglichkeiten als die angemessenste betrachtet wird ist also Sache der Konvention bzw der vertretenen verstheoretischen Schule Klopstock zufolge ist eine Gliederung entsprechend der versbildenden Worte bzw Wortgruppen naturlich und angemessen wofur er den Begriff des Wortfusses pragte Nach Klopstock ware also in drei Amphibrachys zu gliedern Nach der Theorie von Andreas Heusler ist der auf die Antike zuruckgehende Versfussbegriff dem deutschen Vers jedoch unangemessen Heusler spricht in seiner sich stark an musikalischen Konzepten orientierenden Verslehre nicht von Fussen sondern von Takten wobei jede Hebung den Beginn eines Taktes markiert Heusler zufolge ware also daktylisch zu gliedern Schliesslich gibt es noch die Auffassung dass man vom Versanfang her in jeweils vollstandige Versfusse zu gliedern habe mit eventuell katalektischem Versschluss also wie im letzten Beispiel oben in Jambus zwei Anapaste und hyperkatalektisch mit einer unbetonten Silbe am Versschluss Gegen diesen Ansatz der die Gliederung vom Versanfang abhangig macht wurde eingewandt dass im Deutschen nicht der Versanfang sondern vielmehr der Versschluss genauer die Kadenz fur den Rhythmus ausschlaggebend sei Man habe sich also nicht an formalen Eigenschaften einer Sequenz zu orientieren sondern daran ob der jeweilige Vers eher fallenden oder steigenden Rhythmus aufweise und dementsprechend bei steigendem Rhythmus jambisch anapastisch bzw bei fallendem Rhythmus trochaisch daktylisch zu interpretieren Das Problem ist dass der Begriff des Versrhythmus zwar zentral aber auch sehr verschwommen ist und es keine etablierte Auffassung gibt was die Konstituenten des Versrhythmus sind geschweige denn dass klar sei wie genau ein Vers mit steigendem von einem mit fallendem Rhythmus zu unterscheiden sei Literatur BearbeitenIvo Braak Poetik in Stichworten 8 Aufl Borntrager Stuttgart 2001 ISBN 3 443 03109 9 S 82 84 Dieter Burdorf Christoph Fasbender Burkhard Moennighoff Hrsg Metzler Lexikon Literatur Begriffe und Definitionen 3 Aufl Metzler Stuttgart 2007 ISBN 978 3 476 01612 6 S 805 Wilfried Neumaier Antike Rhythmustheorien Historische Form und aktuelle Substanz Gruner Amsterdam 1989 ISBN 90 6032 064 6 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Versfuss Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenAnmerkungen und Einzelnachweise Bearbeiten Die betonten Silben sind durch Unterstreichung kenntlich gemacht Friedrich Holderlin Der Wanderer v 4 Wilhelm Busch Ein frohes Ereignis In ders Werke Historisch kritische Gesamtausgabe Bd 2 Hamburg 1959 S 65 online Normdaten Sachbegriff GND 4240922 6 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Versfuss amp oldid 204378292