www.wikidata.de-de.nina.az
Die Grundlagen der Arithmetik 1884 mit dem Untertitel Eine logisch mathematische Untersuchung uber den Begriff der Zahl ist eines der Hauptwerke Gottlob Freges Thema des Buches ist die Erlauterung des Begriffs Zahl bzw Anzahl Anhand dieses Grundbegriffs skizziert Frege sein logizistisches Programm d h die Zuruckfuhrung der Mathematik auf die Logik Es finden sich sowohl Bemerkungen zum theoretischen Hintergrund dieses Programms als auch der Entwurf einer praktischen Umsetzung Im Gegensatz zu der funf Jahre fruher erschienenen Begriffsschrift verzichtet Frege auf eine formale Notation Theoreme und Definition werden in naturlicher Sprache ausgedruckt bei Beweisen wird nur die Beweisidee angedeutet Eine mit der Notation der Begriffsschrift durchformalisierte Umsetzung des logizistischen Programms findet sich spater in Die Grundgesetze der Arithmetik 1893 und 1903 Freges Vorgehensweise seine Untersuchung an Beobachtungen uber den naturlichen Sprachgebrauch zu orientieren hatte einen grossen Einfluss auf die spatere Analytische Philosophie Inhaltsverzeichnis 1 Die Theorie des Logizismus 1 1 Anti Psychologismus 1 2 Analytizitat der Arithmetik 2 Die Praxis des Logizismus Definition der Anzahl 2 1 Freges Kritik an seinen Vorlaufern 2 2 Freges eigene Analyse 3 Zur Konsistenz von Freges Vorschlag 4 WeblinksDie Theorie des Logizismus BearbeitenDas Programm des Logizismus wie es Frege in den Grundlagen darstellt fusst im Wesentlichen auf seinem Anti Psychologismus sowie der Uberzeugung dass die Satze der Arithmetik analytisch sind Anti Psychologismus Bearbeiten Fur Frege sind mathematische Objekte gegenstandlich jedoch abstrakt Er wendet sich gegen die Konzeption dass sie nur im Denken existieren So ist auch die Zahl etwas Objektives So verstehe ich unter Objektivitat eine Unabhangigkeit von unserem Empfinden Anschauen und Vorstellen 26 Dies bedeutet auch dass in mathematischen Beweisen nicht auf Intuition oder Anschauung zuruckgegriffen werden darf D h Frege kann sich nicht damit abfinden dass der Mathematiker zufrieden ist wenn jeder Ubergang zu einem neuen Urteile als richtig einleuchtet ohne nach der Natur dieses Einleuchtens zu fragen ob es logisch oder anschaulich sei 90 Nach Frege muss in einem Beweis jeder Schritt durch eine Schlussregel abgedeckt sein und die zulassigen Regeln mussen im Vorhinein spezifiziert werden eine Forderung die sich in letzter Konsequenz nur in einem formalen System wie Freges Begriffsschrift umsetzen lasst Die Forderung ist also unabweisbar alle Sprunge in der Schlussfolgerung zu vermeiden Um diese Ubelstande zu vermeiden habe ich meine Begriffsschrift erdacht 91 Analytizitat der Arithmetik Bearbeiten Frege tritt der Auffassung Kants entgegen dass die Theoreme der Arithmetik synthetische Urteile a priori darstellen also Satze die keine rein begrifflichen und dennoch erfahrungsunabhangige Wahrheiten sind Er akzeptiert aber diese Einschatzung im Falle der Geometrie Indem Kant die geometrischen Wahrheiten synthetisch und a priori nannte hat er ihr wahres Wesen enthullt 89 Noch ferner als die Ansicht Kants liegt ihm die John Stuart Mills der die Satze der Arithmetik fur a posteriori also von der Erfahrung abhangig halt vgl 7 Frege glaubt dagegen dass die Arithmetik analytisch ist d h dass es moglich ist ihre Satze rein auf logische Wahrheiten zuruckfuhren Es kommt nun darauf an den Beweis zu finden und ihn bis auf die Urwahrheiten zuruckzuverfolgen Stosst man auf diesem Wege nur auf die allgemeinen logischen Gesetze und auf Definitionen so hat man eine analytische Wahrheit 3 Seine Auffassung grundet sich vor allem auf die Tatsache dass es ihm gelungen ist die Schlussregel der vollstandigen Induktion welche allein in der Mathematik gebraucht wird und daher nicht logischen Charakter zu haben scheint auf eine Definition zuruckzufuhren Und dadurch gelang es die Schlussweise von n auf n 1 welche gewohnlich fur eine eigentumlich mathematische gehalten wird als auf den allgemeinen logischen Schlussweisen beruhend nachzuweisen 108 Diese Definition die ubrigens als eine der herausragenden Leistungen des Mathematikers Frege angesehen werden muss hatte er schon in der Begriffsschrift formuliert in den Grundlagen findet sie sich in 79 Die Satze der Arithmetik konnen also auf Definitionen zuruckgefuhrt werden allerdings sind diese weitaus komplexer als diejenigen die in Kants Beispielen fur analytische Satze vorkommen Kant hatte also offenbar die schopferische Kraft der Definition unterschatzt Die fruchtbareren Begriffsbestimmungen ziehen Grenzlinien die noch gar nicht gegeben waren Was sich aus ihnen schliessen lasse ist nicht von vornherein zu ubersehen Diese Folgerungen erweitern unsere Kenntnis und man sollte sie daher Kant zufolge fur synthetisch halten dennoch konnen sie rein logisch bewiesen werden und sind also analytisch 88 Die Praxis des Logizismus Definition der Anzahl BearbeitenUngefahr die erste Halfte von Freges Essay 5 44 befasst sich mit seiner Kritik an Philosophen und Mathematikern die versucht haben den Begriff der Zahl zu bestimmen In der zweiten Halfte 45 109 legt er seine eigene Definition vor und versucht zu zeigen dass sie von den vorher angefuhrten Schwierigkeiten frei ist Freges Kritik an seinen Vorlaufern Bearbeiten Frege untersucht verschiedene Ansichten uber das Wesen der Satze der Arithmetik das der Zahlen und das der Einheit Er leitet aus diesen Aporien ab und zeigt so dass sie unhaltbar sind So weist er beispielsweise nach dass Leibniz Beweis fur 2 2 4 der scheinbar nur auf Definitionen beruht fehlerhaft ist 6 Er kritisiert auch die Ansicht Ernst Schroders nach der die Zahlen aus Ansammlungen von Dingen durch Abstraktion entstehen indem von allen anderen Eigenschaften der Dinge ausser eben ihrer Anzahl abgesehen wird 21 Ansammlungen von Dingen konnten nicht die Grundlage der Zahlen sein da man derselben Ansammlung unterschiedliche Zahlen zuordnen kann Ich kann die Ilias als 1 Gedicht als 24 Gesange oder als eine grosse Anzahl von Versen auffassen So ist auch ein Gegenstand dem ich mit demselben Rechte verschiedene Zahlen zuschreiben kann nicht der eigentliche Trager einer Zahl 22 Frege untersucht auch Versuche Zahlen aus Einheiten entstehen zu lassen wobei eine Einheit durch ihre Ungeteiltheit charakterisiert ist Er weist darauf hin dass man nicht prinzipiell von einer Ungeteiltheit der Einheit ausgehen kann Es gibt aber Falle wo man gar nicht vermeiden kann an die Zerlegbarkeit zu denken wo sogar der Schluss auf der Zusammensetzung der Einheit beruht z B bei der Aufgabe ein Tag hat 24 Stunden wie viel Stunden haben 3 Tage 33 Ausserdem steht der Versuch Zahlen aus Einheiten zu gewinnen vor der Schwierigkeit ob diese Einheiten nun einander gleich oder ungleich sind Thomas Hobbes vertritt z B die Meinung dass diese Einheiten einander gleich sein mussen ahnlich sieht es auch David Hume 34 Sind diese Einheiten aber wirklich gleich so kann anscheinend kein Unterschied mehr zwischen ihnen gemacht werden es stellt sich dann die Frage wie dann uberhaupt von mehreren Dingen geredet werden soll Aus diesem Grunde ist beispielsweise Rene Descartes der entgegengesetzten Ansicht namlich dass die Einheiten voneinander verschieden sein mussen 35 William Stanley Jevons vertritt dieselbe Auffassung er geht sogar so weit zu behaupten dass im Ausdruck 1 1 die beiden Einsen voneinander verschieden seien 36 Nach Frege ware dann die Gleichung 1 1 falsch Jevons Ansicht sei daher unhaltbar 36 Frege fasst die Diskussion wie folgt zusammen Wenn wir die Zahl durch Zusammensetzung von verschiedenen Gegenstanden entstehen lassen wollen so erhalten wir ein Anhaufung in der die Gegenstande mit eben den Eigenschaften enthalten sind durch die sie sich unterscheiden und das ist nicht die Zahl Wenn wir die Zahl andererseits durch Zusammenfassung von Gleichem bilden wollen so fliesst dies immerfort in eins zusammen und wir kommen nie zu einer Mehrheit 39 Versuche die Zahlen durch Einheiten zu analysieren kranken daruber hinaus an der prinzipiellen Schwierigkeit dass sie kaum auf die Eins und noch weniger auf die Null anwendbar sind 44 Freges eigene Analyse Bearbeiten Freges Ausgangspunkt zur Losung der Schwierigkeiten ist die Erkenntnis dass die Zahlangabe eine Aussage von einem Begriffe enthalte 46 Begriff bestimmt Frege in 70 wie folgt Wenn wir in dem Satze Die Erde hat mehr Masse als der Mond die Erde absondern so erhalten wir den Begriff mehr Masse als der Mond habend Ein Begriff ist also dasselbe was in der modernen Logik als Pradikat bezeichnet wird Zahlen werden nun nach Frege nicht Gegenstanden sondern Begriffen zugeschrieben Hierdurch lost sich die Schwierigkeit dass derselbe Gegenstand z B die Ilias mit unterschiedlichen Zahlen bedacht werden kann 1 Gedicht 24 Gesange Der Gegenstand wird dann durch unterschiedliche Begriffe beschrieben und diesen nicht dem Gegenstand selbst kommt die jeweilige Zahl zu Die Zahl Null macht dann ebenfalls keine Schwierigkeiten mehr Wenn ich sage die Venus hat 0 Monde so ist gar kein Mond da von dem etwas ausgesagt werden konnte aber dem Begriffe Venusmond wird dadurch eine Eigenschaft beigelegt namlich die nichts unter sich zu befassen 46 Frege weist darauf hin dass sich ahnliche Uberlegungen auch schon bei Spinoza finden 49 Frege kann nun auch die Schwierigkeiten in Bezug auf die Einheit auflosen Fur ihn ist eine Einheit ein Begriff der eine Sache bezeichnet deren Teile nicht mehr derselbe Begriff zukommt 54 Ein Beispiel fur eine Einheit ist der Begriff Silbe Teile einer Silbe sind keine Silben Im Gegensatz dazu konnen Teile von roten Dingen auch rot sein der Begriff Rot ist somit keine Einheit Begriffe von denen Zahlen ausgesagt werden mussen immer Einheiten sein Einheit in Bezug auf eine endliche Anzahl kann nur ein solcher Begriff sein der das unter ihn Fallende bestimmt abgrenzt und keine beliebige Zerteilung gestattet 54 Frege geht nun daran die Zahlen als eigenstandige Objekte so wie sie in der Mathematik verwendet werden zu definieren Diese Definition sei auch auf die naturlichsprachigen Zahl Aussagen anwendbar nur musse hierzu ein Satz wie Jupiter hat vier Monde umgeformt werden zu Die Zahl der Jupitermonde ist die Vier 58 Freges erster Definitionsversuch besteht darin die Zahl die dem Begriff F zukommt die Zahl die dem Begriff G zukommt zu definieren als zwischen F und G gibt es eine ein eindeutige Zuordnung in Freges Terminologie die beiden Begriffe sind gleichzahlig vgl seine Definition in 72 Die Erkenntnis dieses Zusammenhangs schreibt er Hume zu in der Literatur wird dieser Satz auch gelegentlich Humes Prinzip Hume s principle genannt Humes Prinzip ist aber keine Definition da sich ihm zufolge nicht entscheiden lasst ob die Anzahl die F zukommt mit einem beliebigen Ding identisch ist oder nicht dies lasst sich nur entscheiden wenn das andere Ding auch eine Anzahl ist Wenn wir hiermit den Ausdruck die Anzahl welche dem Begriffe F zukommt einfuhren so haben wir fur die Gleichung nur dann einen Sinn wenn beide Seiten die eben genannte Form haben Wir konnten nach einer solchen Definition nicht beurteilen ob eine Gleichung wahr oder falsch ist wenn nur die eine Seite diese Form hat 107 Frege definiert daher wie folgt Die Anzahl welche dem Begriffe F zukommt ist der Umfang des Begriffes gleichzahlig dem Begriffe F Frege ist sich jedoch daruber im Klaren dass er Umfang eines Begriffes dabei noch nicht definiert hat Erst in den Grundgesetzen der Arithmetik wird er Begriffsumfange axiomatisch einfuhren Frege versteht jedenfalls unter einem Begriffsumfang dasjenige was wir heute als eine Menge bezeichnen Der Umfang des Begriffs gleichzahlig dem Begriff F ist also die Menge aller Begriffe die zu F gleichzahlig sind Aus dieser Definition lasst sich Humes Prinzip ableiten 73 Frege definiert die Zahl 0 74 und beweist einige ihrer Eigenschaften 75 Er legt dann fest was es heisst dass zwei Zahlen aufeinander folgen 79 Aus dieser Definition kann er ableiten dass es unendlich viele Zahlen gibt 81 ff Zur Konsistenz von Freges Vorschlag BearbeitenIn dem spateren Werk Grundgesetze der Arithmetik wird die praktische Umsetzung des logizistischen Programms wie es in den Grundlagen angedeutet wurde in verschiedener Hinsicht prazisiert und erweitert Erstens werden alle Beweise streng formal durchgefuhrt Zweitens decken die bewiesenen Theoreme viele weitere Teile der Arithmetik ab Drittens werden Begriffsumfange axiomatisch eingefuhrt und damit das eigentliche Fundament des Programmes geschaffen streng genommen fuhrt Frege Wertverlaufe von Funktionen ein die aber mit Begriffsumfangen aquivalent sind Dieses Fundament stellt sich jedoch als bruchig heraus Bertrand Russell entdeckt hier einen Widerspruch Russells Paradox und Freges Lebenswerk fallt in sich zusammen Russell selbst soll es vorbehalten bleiben zusammen mit Alfred North Whitehead in den Principia Mathematica 1910 die erste Umsetzung des logizistischen Programms vorzulegen Die Inkonsistenz in den Grundgesetzen betrifft auch die Grundlagen denn auch dieses Werk macht von der letzten Endes widerspruchlichen Charakterisierung der Begriffsumfange Gebrauch Die moderne Frege Forschung u a George Boolos hat herausgefunden dass aber zumindest Humes Prinzip konsistent ist und dass sich auf dessen Grundlage mittels Freges Theorem das logizistische Programm verwirklichen lasst was zur Bildung des Neo Logizismus fuhrte Weblinks BearbeitenVerschiedene Digitalisate des Originalbuchs bei archive org Eingescannter und mittels automatischer Texterkennung aufbereiteter Text PDF 623 kB Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Grundlagen der Arithmetik amp oldid 237840377