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Gnothi sauton ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel Fur die gleichnamige Zeitschrift siehe Gnothi Sauton Zeitschrift Gnothi seauton altgriechisch Gnῶ8i seayton Gnṓthi seauton durch Elision auch Gnῶ8i sayton Gnṓthi sauton Erkenne dich selbst Erkenne was Du bist ist eine vielzitierte Inschrift am Apollotempel von Delphi als deren Urheber Chilon von Sparta einer der Sieben Weisen angesehen wird Die Forderung wird im antiken griechischen Denken dem Gott Apollon zugeschrieben Als nosce te ipsum oder temet nosce wurde die Anweisung ins Lateinische ubernommen 1 Die zweite Variante wurde popular durch ihre Verwendung in den Filmen Matrix und Matrix Revolutions 2 Gnothi sauton auf einem Fenster im Kulturhaus der Stadt LudwigshafenGnothi sauton als Gravur mit einem stilisierten Auge auf Schloss Buonconsiglio in Trient Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Unterschiedliche Bedeutungen 3 Literatur 4 AnmerkungenHerkunft BearbeitenDer erste Beleg fur den Gedanken findet sich in einem Fragment des Philosophen Heraklit Allen Menschen ist zuteil sich selbst zu erkennen und verstandig zu denken 3 Der Spruch stand neben den ebenfalls als apollinisch betrachteten Weisheiten Ἐggya para d ἄta Engya para d ata Burgschaft schon ist Schaden da und Mhdὲn ἄgan Meden agan Nichts im Ubermass an einer Saule der Vorhalle des Apollontempels in Delphi Dort ist er spatestens um die Mitte des 5 Jahrhunderts v Chr angebracht worden Nach einem Fragment aus der verlorenen Schrift Uber die Philosophie des Aristoteles befand er sich sogar schon an dem Vorgangerbau der 548 547 v Chr durch Brand zerstort wurde doch ist die Glaubwurdigkeit dieser Behauptung ungewiss 4 Als Urheber der Aufforderung zu menschlicher Selbsterkenntnis galt in der Antike der Gott Apollon selbst strittig war aber welcher Mensch den Spruch zuerst geaussert hat Schon vor dem Beginn des 4 Jahrhunderts v Chr wurden die drei delphischen Spruche auf die Sieben Weisen zuruckgefuhrt 5 Das gnothi seauton wurde meist Chilon zugeteilt aber auch Zuschreibung an Thales Solon und Bias von Priene kam in der Antike vor Der Aristoteles Schuler Theophrastos von Eresos bezeichnet den Spruch in seiner Schrift uber die Sprichworter als Sprichwort Chamaileon ordnet ihn in seinem Buch uber die Gotter Thales zu Hermippos schreibt in seinem ersten Buch uber Aristoteles dass ein Eunuche namens Labys in Delphi der Tempelwachter im Heiligtum war diesen Spruch geaussert habe Klearchos von Soloi behauptet es sei ein Gebot des pythischen Apoll gewesen das Chilon als Orakelspruch gegeben wurde als er fragte was die Menschen am ehesten lernen sollten Aristoteles schreibt gnothi seauton in seinem Dialog uber Philosophie der Pythia zu Auch Antisthenes behauptet der Spruch stamme von Phemonoe der ersten Pythia in Delphi und Chilon habe ihn sich nur angemasst Unterschiedliche Bedeutungen BearbeitenDie Forderung sich selbst zu erkennen zielte ursprunglich auf Einsicht in die Begrenztheit und Hinfalligkeit des Menschen im Gegensatz zu den Gottern Damit war sein Dasein als Gattungswesen gemeint man dachte aber nicht nur an die Menschheit und an prinzipielle Grenzen des fur den Menschen Erreichbaren sondern der Spruch diente auch oft als Warnung vor der Uberschatzung individueller Moglichkeiten In zahlreichen Texten der griechischen Klassik findet sich die Deutung dass sich der Mensch bewusst sein solle sterblich unvollkommen und begrenzt zu sein 6 Das Verstandnis des Spruchs als Hinweis auf eine naturliche Schwache der Sterblichen die man einsehen solle und deren Kenntnis zur Bescheidenheit fuhre blieb in der gesamten Antike prasent und war noch in der romischen Kaiserzeit gelaufig In diesem Sinne betonte beispielsweise der romische Stoiker Seneca es gehe darum sich die korperliche und geistige Verletzlichkeit des Menschen zu vergegenwartigen nicht nur ein grosser Sturm sondern schon eine kleinere Erschutterung konne den Menschen wie ein zerbrechliches Gefass in Scherben gehen lassen In diesem Zusammenhang ubertragt eine leicht anderslautende Ubersetzung der Inschrift den Wesenskern der gottlichen Forderung deutlicher Erkenne was Du bist bzw auch Bleibe in den Dir gesetzten Grenzen Damit fokussiert der Blick darauf was der Mensch als solcher ist Eben kein Gott Das ist der eigentliche Hinweis den Apollon dem sturmischen Diomedes mit diesem Befehl ubermittelt 7 Einen erganzenden Akzent setzte die stoische Tradition indem sie die Forderung gnothi seauton mit ihrem Ziel einer Einordnung des Menschen in den Naturzusammenhang verband Die Selbsterkenntnis wurde eingebettet in das Bestreben in Ubereinstimmung mit der Natur zu leben ὁmologoymenws tῆ fysei zῆn homologoumenōs te physei zen Eine andersartige Entwicklung nahm der Gedanke der Selbsterkenntnis im Platonismus Fur Platon stand der Aspekt im Vordergrund dass der Mensch Wissen um das eigene Nichtwissen erlangen soll 8 damit er dann nach rechter Einsicht strebt und dadurch auch seinen Charakter veredelt Das Bemuhen um solche Selbsterkenntnis war fur Platon ein Bestandteil seines zentralen ethischen Projekts der Sorge um die Seele deren Wohlergehen davon abhange dass sie Tugend aretḗ kultiviere Damit bahnte sich ein Bedeutungswandel an Neben das traditionelle eher resignative Verstandnis von Selbsterkenntnis das naturgegebene unuberwindliche Grenzen des Erreichbaren hervorhob trat eine optimistischere Interpretation Sie machte die Aufforderung zur Selbsterkenntnis auch zum Ausgangspunkt fur eine Einsicht in Entwicklungsmoglichkeiten die dank der uberirdischen Herkunft und Natur der Seele gegeben seien Solches Gedankengut wurde im Platonismus schon fruh ausgearbeitet Bereits in dem Platon zugeschriebenen im 4 Jahrhundert v Chr entstandenen Dialog Alkibiades I war das anthropologische Konzept der Selbsterkenntnis der Seele voll ausgebildet Der dort dargelegten Auffassung zufolge besagt das gnothi seauton der Mensch solle sich als das erkennen was er sei namlich eine den Korper bewohnende und gebrauchende unsterbliche und gottahnliche Seele Die platonische Auslegung des Spruchs die positive Aspekte der Selbsterkenntnis betonte hatte in der Antike eine betrachtliche Nachwirkung In diesem Sinne ausserte Cicero in einem Brief an seinen Bruder Quintus der Sinn des Spruches beschranke sich nicht darauf die Anmassung einzudammen sondern es gehe auch um eine Aufforderung das uns eigentumliche Gute bona nostra zu erkennen 9 Die Neuplatoniker bezogen die menschliche Schwache und Hinfalligkeit auf den Korper die Gottahnlichkeit auf die geistigen Leistungen der Seele Sie deuteten die Forderung der delphischen Maxime als Aufforderung zur Selbsterkenntnis der Seele hinsichtlich ihrer gottlichen Herkunft Natur und Bestimmung Nicht in der Aussenwelt sei die erlosende Wahrheit zu finden sondern in der Besinnung der Seele auf sich selbst Der Neuplatoniker Porphyrios verfasste eine mehrbandige Schrift Uber das Gnothi seauton die nur fragmentarisch erhalten ist In der Spatantike verbreitete Macrobius die neuplatonische Interpretation des Spruchs in seinem sehr einflussreichen Kommentar zu Ciceros Somnium Scipionis 10 Dabei zitierte er einen Vers des Satirikers Juvenal wonach das Gnothi seauton vom Himmel herabgestiegen war 11 Juvenal hatte dies allerdings nicht in einem religiosen sondern in einem ironischen Zusammenhang geschrieben und die Maxime auf eine kluge Entscheidung von Lebens und Alltagsfragen bezogen Im Mittelalter und noch bis ins 17 Jahrhundert wurde der Juvenalvers in Verbindung mit der neuplatonischen Deutung des Spruchs oft zitiert Christliche Autoren der Antike wie Clemens von Alexandria und Origenes behaupteten der Gedanke stamme ursprunglich aus dem Alten Testament und sei von den Juden zu den Griechen gelangt Petrus Abaelardus verwendete die Forderung als Titel seiner Ethik Ethica seu scito se ipsum und betonte damit die Bedeutung der Vernunft und der Gesinnung als Grundlage sittlichen Handelns Literatur BearbeitenPierre Courcelle Connais toi toi meme de Socrate a Saint Bernard Etudes Augustiniennes 3 Bande Paris 1974 1975 Eliza Gregory Wilkins The Delphic Maxims in Literature University of Chicago Press Chicago 1929 Hermann Trankle Gnothi seauton Zu Ursprung und Deutungsgeschichte des delphischen Spruchs In Wurzburger Jahrbucher fur die Altertumswissenschaft Neue Folge Bd 11 1985 S 19 31Anmerkungen Bearbeiten Marcus Tullius Cicero De finibus bonorum et malorum 5 44 Iubet igitur nos Pythius Apollo noscere nosmet ipsos So befiehlt uns also der Apollo von Delphi uns selbst zu erkennen Temet Nosce A Latin Sign for a Greek Oracle In Matrix4Humans Abgerufen am 19 November 2022 englisch mit Szenenbild siehe auch Gerald Krieghofer Erkenne dich selbst Sokrates angeblich In Zitatforschung 30 September 2017 abgerufen am 19 November 2022 mit Szenenbild und Notation der Orakalszene aus dem ersten Film sowie Einbettung eines kurzen Ausschnitts dieser Szene als YouTube Video DK 22 B 116 In der Forschung mitunter geausserte Zweifel an der Authentizitat dieses Fragments sind unbegrundet siehe dazu Serge N Mouraviev Heraclitea Bd 3 B I Sankt Augustin 2006 S 295f Bd 3 B III Sankt Augustin 2006 S 136 Hermann Trankle Gnothi seauton In Wurzburger Jahrbucher fur die Altertumswissenschaft Neue Folge Bd 11 1985 S 19 31 hier 20 zur Frage nach der genauen Ortlichkeit S 21 Hermann Trankle Gnothi seauton In Wurzburger Jahrbucher fur die Altertumswissenschaft Neue Folge Bd 11 1985 S 19 31 hier 20 Hermann Trankle Gnothi seauton In Wurzburger Jahrbucher fur die Altertumswissenschaft Neue Folge Bd 11 1985 S 19 31 hier 22 24 Gunther Hansen Herrscherkult und Friedensidee In Umwelt des Urchristentums 4 Auflage Band 1 Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1975 S 130 Platon Apologie 23b Cicero Ad Quintum fratrem 3 5 7 Macrobius In somnium Scipionis 1 9 Juvenal Satiren 11 27 E caelo descendit gnῶ8i seayton Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gnothi seauton amp oldid 237537829