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Die Geschichte der Erbschaftsteuer umfasst die Entwicklung der Besteuerung des Ubergangs von Vermogenswerten eines Verstorbenen an Erben von der Fruhgeschichte bis zur Gegenwart Die Erbschaftsteuer ist eine der altesten nachweisbaren Steuern Sie wird anlasslich des Todes einer Person des Erblassers entweder unmittelbar vom Nachlass oder beim Erben von seinem Erwerb erhoben Inhaltsverzeichnis 1 Fruhe Ursprunge 2 Wiedereinfuhrung der Steuer in Europa 3 Ideengeschichtliche Entwicklung 4 Nationales 4 1 Deutschland 4 2 Osterreich 5 Literatur 6 EinzelnachweiseFruhe Ursprunge BearbeitenDie Erbschaftsteuer soll bereits im sumerischen Reich erhoben worden sein Nachgewiesen ist sie als Besitzwechselabgabe im Alten Agypten fur das Jahr 117 v Chr und ebenfalls schon fur die Romische Republik In der Romischen Kaiserzeit wurde sie seit dem Jahr 8 n Chr mit wenigen Ausnahmen in Hohe von funf Prozent bis zum 4 Jahrhundert erhoben Im Mittelalter spielte die Erbschaftsteuer in Europa keine besondere Rolle und tauchte dort dann zuerst wieder im Mittelmeerraum als fruhes Finanzierungsinstrument der italienischen Stadtstaaten auf Bekannt waren aber bereits als Vorlaufer im fruhen Mittelalter an den Tod oder Besitzwechsel anknupfende vom Lehns bzw Standesherrn erhobene Abgaben auf in Erbpacht vergebenes Land Mortuarium genannt Auch uberschnitt sie sich mit in der Neuzeit erhobenen Stempelabgaben die auch auf Urkunden wie Testamente und Erbschaftsvertrage anfallen konnten Bereits von Anbeginn waren mit der Erhebung der Erbschaftsteuer einerseits die Frage nach einer wertabhangigen Progression und andererseits die der Freistellung von nahen Familienangehorigen verbunden 1 2 Wiedereinfuhrung der Steuer in Europa BearbeitenIn Schweden findet sich der fruheste Nachweis eines Erbschaftsteuergesetzes in Form des jungeren Westgotengesetzes vastgotalagen im 14 Jahrhundert wonach der Erbe 1 10 des ererbten beweglichen Vermogens abgeben musste 3 Wahrend des Spanisch Niederlandischen Unabhangigkeitskrieges wurde die Erbschaftsteuer Ende des 16 Jahrhunderts in den dortigen Provinzen eingefuhrt im 17 Jahrhundert folgten einige deutsche Lander Braunschweig Luneburg und Hamburg In Baden wurde 1654 im Landrecht der Markgrafschaft Baden Durlach eine Erbschaftssteuer fur entfernte Verwandte des Erblassers als Lacherbengeld eingefuhrt 4 England fuhrte die Erbschaftsteuer 1694 Frankreich 1703 Osterreich 1759 Danemark und Norwegen 1702 ein Auf dem Gebiet der Schweiz wurde sie seit 1798 erhoben 1873 erliess Preussen das erste moderne umfassende Erbschaftsteuergesetz auf deutschem Gebiet gefolgt von Hamburg 1894 und Baden 1899 Nach der Einfuhrung des Burgerlichen Gesetzbuchs zur Jahrhundertwende 1900 das erstmals eine Vereinheitlichung des Erbrechts brachte wurde 1906 auf der Grundlage des als Vorbild dienenden preussischen Erbschaftsteuergesetzes ein Reichserbschaftsteuergesetz erlassen 5 2 6 Ideengeschichtliche Entwicklung BearbeitenIdeengeschichtlich geht die Erbschaftsteuer in der Neuzeit auf die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Gewahrung des Erbrechts zuruck Adam Smith hielt sie fur sinnvoll die Ablehnung einer Erbschaftssteuer hielt er fur unbegrundbar 7 Die Fruhsozialisten wie Henri de Saint Simon forderten eine Abschaffung des Erbrechts weil hierdurch die ungleiche Vermogensverteilung aufrechterhalten werde Das Kommunistische Manifest ubernahm zwar diese Forderung aber spater nahmen sie Karl Marx und Friedrich Engels wieder ausdrucklich zuruck Denn erst die Vergesellschaftung der wichtigsten Produktionsmittel darunter auch Grund und Boden wurde eine Beseitigung der ungerechten Verteilung erzielen Wie jede andere burgerliche Gesetzgebung sind die Erbschaftsgesetze nicht die Ursache sondern die Wirkung die juristische Folge der bestehenden okonomischen Organisation der Gesellschaft die auf das Privateigentum in den Mitteln der Produktion begrundet ist Das Verschwinden des Erbschaftsrechts wird das naturliche Resultat eines gesellschaftlichen Wechsels sein der das Privateigentum im Produktionsmittel verdrangt aber die Abschaffung des Erbrechts kann niemals der Ausgangspunkt einer solchen Umgestaltung sein 8 Eine Auseinandersetzung mit der sozialpolitischen Bedeutung von Erbrecht und Erbschaftsteuern spielte auch bei der fruhen sozialdemokratischen Opposition im preussischen Parlament und im Reichstag keine besondere Rolle Der um 1900 in Italien Frankreich und England heftig diskutierte nach seinem Urheber Eugenio Rignano benannte Plan durch Erbschaftsteuererhebung innerhalb von drei Generationen alles Erbvermogen zu konfiszieren erlangte bei den politischen Diskussionen um die Erbschaftsteuer in Deutschland keine besondere Bedeutung obgleich schon 1905 ins Deutsche ubersetzt Andererseits wurde die Erbschaftsteuer seit Anbeginn von ihren Gegnern stets als Angriff auf und Eingriff in die Familie angesehen 9 Nationales BearbeitenDeutschland Bearbeiten In Deutschland wurde eine einheitliche Erbschaftsteuer im Jahr 1906 eingefuhrt Das Erbschaftsteuergesetz von 1906 10 fuhrte eine progressive Besteuerung ein nahm jedoch die Ehegatten und die Kinder von der Besteuerung aus In den Jahren 1908 und 1909 wurde im Reichstag zwar die Frage der Einbeziehung auch der Ehegatten und Kinder in die Besteuerung heftig diskutiert jedoch von der Mehrheit schliesslich als Eingriff in die Familien abgelehnt Erst mit der Steuer und Finanzreform 1919 des spater ermordeten dem Zentrum angehorenden Reichsfinanzministers Matthias Erzberger fand dann wieder eine allgemeine Erbschaft und Schenkungsteuergesetzgebung statt mit der nunmehr erstmals auch die Ehegatten und Kinder der Steuerpflicht unterworfen wurden Sie bildeten die erste Steuerklasse mit einem progressiv ansteigenden Steuersatz von 4 bis 35 Bei Dritten und fernen Verwandten stieg der Spitzensteuersatz ab einem Wert von einer Million Mark auf 70 der noch um 20 auf 90 angehoben wurde wenn der Erbe bereits ein 100 000 Mark ubersteigendes Vermogen besass Ebenfalls wurde eine zusatzliche Nachlasssteuer bis zu funf Prozent erhoben Jedoch bereits 1922 kam es zu einer neuen Reform in der der Spitzensteuersatz der Steuerklasse 1 halbiert und die Ehegatten wieder ganzlich befreit wurden was 1925 fur kinderlose Ehegatten zuruckgenommen wurde Die Nachlasssteuer wurde abgeschafft und die Steuerklassen differenziert Seither haben sich alle nachfolgenden Erbschaftsteuergesetze in diesem Rahmen bewegt 11 12 Siehe auch Erbschaftsteuer in der DDR Seit 1955 Bundesrepublik Deutschland werden die Ehegatten wieder generell zur Erbschaftsteuer veranlagt die Last wurde aber durch im Laufe der Jahrzehnte mehrmals angehobene Freibetrage gemindert dies gilt auch fur Kinder Der Spitzensteuersatz in der Steuerklasse I Ehegatte Kinder betrug 15 in der Steuerklasse V Fremde ferne Verwandte 60 Im Jahr 1974 wurden unter der sozialliberalen Koalition SPD FDP die Steuersatze fur die Familien drastisch erhoht wodurch eine Verdoppelung des Steueraufkommens erreicht wurde Der Freibetrag fur Ehegatten betrug 250 000 DM fur Kinder 90 000 DM und fur sonstige Erben 3000 DM 13 2 Mit der Steuerreform 2008 wurden die Freibetrage fur Ehegatten auf 300 000 Euro und fur Kinder auf 200 000 Euro erhoht zudem wurde zugunsten von Ehegatten ein Versorgungsfreibetrag eingefuhrt In der nachsten Steuerreform wurden die dann bis heute gultigen Satze von 500 000 Euro fur Ehegatten und 400 000 Euro fur Kinder jeweils je Elternteil eingefuhrt Die Einnahmen aus der Erbschafts und Schenkungssteuer stiegen 2015 auf einen Rekordwert von 6 3 Milliarden Euro Das waren 15 Prozent mehr als 2014 Insgesamt wurde 2015 ein Gesamtbetrag von 102 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt wovon 57 Milliarden Euro wegen der Freibetrage steuerfrei blieben 14 Osterreich Bearbeiten In Osterreich wurde die Erbschaftsteuer 2007 von Verfassungsgerichtshof aufgehoben weil die Bemessungsgrundlage fur Grundstucke der Einheitswert gegen den Gleichheitsgrundsatz verstossen hatten Da der Gesetzgeber SPO OVP Regierung Gusenbauer nicht reagierte entfiel die Steuer Sie wurde aber durch diverse Anpassungen insbesondere die Grunderwerbssteuer die bei entgeltlichem wie auch unentgeltlichen Vermogensubertragungen im Immobilienbereich anfallt ersetzt Sie wurde 2015 deutlich erhoht Sonstiges Vermogen insbesondere Hausrat und sonstige bewegliche Guter aber auch endbesteuerte Sparguthaben bei denen die Kapitalertragsteuer KEST eingehoben wird fur diese galten vorher Ausnahmeregelungen nach Hohe des vererbten Vermogensgutes und nach dem Verwandtschaftsgrad zwischen Erben und Erblasser bleiben aber unbesteuert Literatur BearbeitenJens Beckert Unverdientes Vermogen Soziologie des Erbrechts Campus Verlag Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 593 37592 3 Max Troll Dieter Gebel Marc Julicher Erbschaftsteuer und Schenkungsteuergesetz Loseblattkommentar 7 Auflage Vahlen Munchen 2009 ISBN 978 3 8006 2402 7 Einfuhrung Rdn 60ff Einzelnachweise Bearbeiten Max Troll Dieter Gebel Marc Julicher Erbschaftsteuer und Schenkungsteuergesetz 2009 Einfuhrung Rdn 60 und 61 a b c Stichwort Erbschafts und Schenkungsteuer In Willi Albers Hrsg Handworterbuch der Wirtschaftswissenschaften HdWW Band 2 G Fischer Stuttgart 1980 ISBN 3 525 10255 0 S 448 Ernst Johannsson Erbrecht in Schweden In Rembert Suss Hrsg Erbrecht in Europa 2 Auflage Zerb Verlag Angelbachtal 2007 ISBN 978 3 935079 57 0 Seite 1318f Nr 183 Otto Raspe Eine Erbschaftssteuer und eine Vermogenssteuer per aes et libram in Mecklenburg zur Zeit des dreissigjahrigen Krieges In Jahrbucher des Vereins fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde Band 79 1914 S 193 Online bei der Landesbibliothek Mecklenburg Vorpommern Max Troll Dieter Gebel Marc Julicher Erbschaftsteuer und Schenkungsteuergesetz 2009 Einfuhrung Rdn 61 63 Bundesfinanzministerium Erbschaftsteuer Schenkungsteuer Geschichtliche Entwicklung Memento vom 8 November 2011 im Internet Archive Sam Fleischacker On Adam Smith s Wealth of Nations Princeton University Press Princeton N J 2004 ISBN 0 691 11502 8 S 199 books google de there is no point more difficult to account for than the right we conceive men to have to dispose of their goods after death Karl Marx Bericht des Generalrats uber das Erbrecht 6 Auflage Dietz Verlag Berlin 1975 367 Nr 2 abgerufen am 13 September 2009 Jens Beckert Unverdientes Vermogen Soziologie des Erbrechts 2004 S 253 255 Erbschaftssteuergesetz Deutschland 1906 Wikisource Max Troll Dieter Gebel Marc Julicher Erbschaftsteuer und Schenkungsteuergesetz 2009 Einfuhrung Rdn 65ff Jens Beckert Unverdientes Vermogen Soziologie des Erbrechts 2004 S 263 273 Jens Beckert Unverdientes Vermogen Soziologie des Erbrechts 2004 S 272 Statistisches Bundesamt Erbschaftsteuereinnahmen 2015 auf 6 3 Milliarden Euro gestiegen In Pressemitteilung Nr 276 11 August 2016 abgerufen am 15 Marz 2017 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Geschichte der Erbschaftsteuer amp oldid 204704285