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Generativitat ist die menschliche Fahigkeit individuell bzw kollektiv um das gegenseitige Angewiesensein der Generationen zu wissen dies als individuelle bzw kollektive Verantwortung aufzufassen und im individuellen bzw kollektiven Denken und Handeln zu berucksichtigen Generativitat beschreibt insofern die Fahigkeit zur Sorge Fursorge oder Care fur Menschen einer anderen Generation Sie beinhaltet spezifische Potenziale der Sinngebung fur das individuelle bzw gesellschaftliche Leben Da Generativitat auf sozialen Normen basiert hangt die Realisierung immer davon ab inwieweit sich wandelnde Normen individuelle bzw kollektive Generativitat begrenzen oder befordern Kollektive Generativitat setzt die Rahmenbedingungen fur individuelle Generativitat sowohl durch die Normen als auch durch die Institutionen der Generativitat Kinderkrippe Kindergarten Schule Jugendamt Familiengericht Altenheim etc Individuell haben Menschen beispielsweise die Moglichkeit uber eigene Elternschaft oder anderweitig Fursorgeverantwortung fur die Folgegeneration zu ubernehmen Zunachst wurde Generativitat auf die Verantwortungsubernahme fur Menschen der Folgegeneration bezogen In jungster Zeit wird zudem der umgekehrte Aspekt diskutiert namlich dass Jungere individuell bzw kollektiv ein Bewusstsein fur das Wohl der Alteren entwickeln konnen 1 2 3 4 Inhaltsverzeichnis 1 Etymologie und Begriffsentstehung 2 Individuelle Generativitat 2 1 Generativitat im hoheren Lebensalter 3 Kollektive Generativitat 4 Ethisch moralische Aspekte und Macht 4 1 Ethiken im Bereich der Generativitat 5 Literatur 6 EinzelnachweiseEtymologie und Begriffsentstehung BearbeitenEtymologisch geht das Wort Generativitat auf die indogermanische Sprachwurzel ĝen zuruck Die daraus entwickelten Worte decken ein breites Bedeutungsfeld ab erzeugen zeugen hervorbringen Geburt Nachkomme Kind Nachkommenschaft Abstammung Verwandtschaft Geschlecht Stamm Volk 5 Generativ bedeutet erzeugend bzw bezeichnet allgemein die Eigenschaft etwas hervorbringen zu konnen Als Fachbegriff der Ich Psychologie wurde Generativitat von Erik H Erikson und seiner Frau Joan Erikson gepragt um die 7 Stufe ihres Stufenmodells der psychosozialen Entwicklung zu beschreiben 6 John N Kotre 1940 knupfte daran an und wies darauf hin dass Generativitat nicht nur ein individuelles sondern zugleich ein kollektives Phanomen ist Dies beschrieb er in einer Theorie der Generativitat 7 Er legte damit die Grundlage um Generativitat zu einem Fachbegriff der Sozialpsychologie und Soziologie bzw Familiensoziologie zu machen Individuelle Generativitat BearbeitenGenerativitat betrifft Menschen in der Altersklasse von etwa 40 bis 65 Jahren 8 und meint die Liebe in die Zukunft zu tragen und sich um zukunftige Generationen zu kummern zum Beispiel eigene Kinder grosszuziehen oder sich als Grosseltern zu engagieren Erikson zahlt dazu nicht nur eigene Kinder zu zeugen und fur sie zu sorgen er zahlt dazu auch das Unterrichten die Kunste und Wissenschaften sowie soziales Engagement also alles was fur zukunftige Generationen brauchbar sein konnte Generativitat steht dabei im Wechselspiel mit Selbst Absorption oder Stagnation Schafft man es Generativitat und Stagnation in Einklang zu bringen so hat man diese Stufe erfolgreich durchlaufen und die Fahigkeit zur Fursorglichkeit erlangt ohne sich dabei selbst zu vergessen Generativitat im hoheren Lebensalter Bearbeiten In der Gerontologie wurde das Konzept der Generativitat auf die nachberufliche Lebensphase und bis zum hohen Lebensalter ausgeweitet Generativitat bezieht sich danach sowohl auf die Vermittlung und Weitergabe von Erfahrung und Kompetenz an jungere Generationen als auch auf Aktivitaten durch die altere Menschen einen Beitrag fur das Gemeinwesen leisten Generativitat wird dabei als grundlegende Leistung zur Lebensgestaltung und Sinnfindung im hoheren Lebensalter wahrgenommen 9 s a Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung Es werden vier Inhaltsbereiche der Generativitat unterschieden Zur familial verwandtschaftlichen Generativitat gehoren in der nachelterlichen Lebensphase u a Akzeptanz der eigenen Kinder als Erwachsene Unterstutzungsleistungen fur erwachsene Kinder oder Enkel sowie die Regelung von Nachfolge und Erbfragen Padagogische Generativitat Altere Menschen sind Trager und Vermittler von kulturellen Traditionen z B als Mentoren Historisch soziale Generativitat Dazu gehoren aktives Engagement zugunsten jungerer Menschen z B im Ehrenamt eine positive Auseinandersetzung mit den Werthaltungen und Lebensformen der nachkommenden Generationen sowie die Ubergabe von Verantwortung an Jungere Wohlfahrtsstaatliche Generativitat Altere unterstutzen die gesellschaftlichen Interessen der nachfolgenden Generationen z B eine nachhaltige okologische Entwicklung Generativitat schliesst die Fixierung auf die Interessen der eigenen Altersgruppe Rentner aus Generativitat wird als bedeutsam bis zum Lebensende angesehen In der Wurdetherapie einer psychotherapeutischen Kurzintervention fur Kranke im terminalen Stadium werden die familial verwandtschaftliche und die historisch soziale Generativitat thematisiert Es wird ein Generativitats Dokument erstellt 10 Kollektive Generativitat BearbeitenJohn N Kotre machte darauf aufmerksam dass Generativitat auch ein kollektives Phanomen ist Er beschrieb vier Typen der Generativitat biologisch elterlich technisch kulturell die sich auf unterschiedliche generative Objekte fokussieren 11 Dan P McAdams und Ed de St Aubin haben dies zu einem multifaktoriellen Verstandnis von Generativitat weiterentwickelt als Ubernahme von Verantwortung fur die nachste Generation die auf kulturellen Erwartungen bzw Anforderungen an Generativitat basiert 12 Generativitat wird gepragt durch und ausgedruckt durch kulturelle Normen soziale Bewegungen gesellschaftliche Institutionen und Gesellschaftspolitik Genau wie Individuen konnen sich Gesellschaften auch in Bezug auf den Inhalt und die Form des generativen Ausdrucks dramatisch unterscheiden Generativitat geschieht in der Gesellschaft Noch bis vor kurzem haben Psychologen und andere Sozialwissenschaftler nicht systematisch uber die gesellschaftlichen Dimensionen der Generativitat nachgedacht 13 Kurt Luscher u a schlagen in Hinblick auf die aktuellen gesellschaftlichen Verhaltnisse in drei Schritten ein erweitertes Verstandnis von Generativitat vor 14 Auf der Basis eines solchen kollektiven Konzeptes der Generativitat kann auch Elternschaft nicht mehr lediglich als individuelles Prozessphanomen gesehen werden Sie kann zudem als ein unverzichtbarer sozialer Kernprozess der Generativitat verstanden werden uber den Gesellschaften ihre Generativitat gewahrleisten Die Normen Ideale und Habitus der Elternschaft werden durch die sich wandelnden sozialen Normen und Institutionen der Generativitat gepragt und verandert 15 Ethisch moralische Aspekte und Macht BearbeitenGenerativitat enthalt stets vier Dilemmata der Verantwortung Was wird generativ weitergegeben Wer profitiert davon Wann kann daraus Nutzen gezogen werden 16 Wer investiert 17 Wie diese zentralen Fragen der Generativitat beantwortet werden hangt von der Machtverteilung und den sozialen Normen in einer Gesellschaft ab Jede Gesellschaft hat insofern eine generative Machtarchitektur mit zugehorigen generativen Standards des Verhaltens und Empfindens Diese ist jedoch nicht statisch sondern verandert sich Bei der Ausgestaltung generativer Verantwortung geht es insbesondere um folgende Beziehungsachsen und die zugehorigen Machtbalancen zwischen den Generationen zwischen den Geschlechtern d h nach Geschlechterrollen bzw Gender zwischen privaten und offentlichen Spharen 18 Ethiken im Bereich der Generativitat Bearbeiten Care Ethik bzw Ethik der Achtsamkeit beschaftigen sich ebenfalls mit ethisch moralischen Aspekten der Achtsamkeit Care Arbeit Sorge und Fursorge die fur Generativitat von zentraler Bedeutung sind Ethiken von Familie und Elternschaft beschaftigen sich mit den ethisch moralischen Aspekten der Generativitat in der Privatsphare der Familie 19 20 21 22 Ethiken in professionellen Bereichen wie Erziehung Psychologie oder Padagogik beschaftigen sich mit den ethisch moralischen Aspekten der Generativitat in der Sphare der jeweiligen Berufe 23 24 25 Eine Ethik der Generativitat gibt es noch nicht Literatur BearbeitenErik H Erikson Childhood and Society Norton New York 1985 ISBN 0 393 30288 1 EA New York 1950 Erik H Erikson Joan M Erikson The Life Cycle Completed Extended Version W W Norton New York 1997 Laura E Berk Development through the lifespan 5 Auflage Allyn amp Bacon Boston Mass 2010 ISBN 978 0 205 68793 0 deutsch Entwicklungspsychologie 3 Auflage Pearson Munchen 2005 ISBN 3 86894 049 9 S 711 ff deutsch Kindheit und Gesellschaft Klett Cotta Stuttgart 2005 ISBN 3 608 94212 2 John N Kotre Outliving the self Generativity and the interpretationof lives Baltimore 1984 Kurt Luscher Giovanni Lamura Andreas Hoff Generationen Generationenbeziehungen Generationenpolitik Ein mehrsprachiges Kompendium Universitat Konstanz Konstanz 2014 ISBN 978 3 89318 064 6 Dan P McAdams Ed de St Aubin T ae ch ang Kim Hrsg The generative society Caring for future generations Washington DC 2004 Vera King 2013 Die Entstehung des Neuen in der Adoleszenz Individuation Generativitat und Geschlecht in modernisierten Gesellschaften 1 Auflage 2002 Desiree Waterstradt Prozess Soziologie der Elternschaft Nationsbildung Figurationsideale und generative Machtarchitektur in Deutschland Munster 2015 Vera King 2015 Kindliche Angewiesenheit und elterliche Generativitat Subjekt und kulturtheoretische Perspektiven In Andresen S u a Hg Vulnerable Kinder Eine kritische Diskussion Weinheim 23 43 Einzelnachweise Bearbeiten John N Kotre Outliving the self Generativity and the interpretationof lives Baltimore 1984 Dan P McAdams Ed de St Aubin T ae ch ang Kim Hrsg The generative society Caring for future generations Washington DC 2004 Kurt Luscher Generationen Generationenbeziehungen Generationenpolitik Memento vom 15 Februar 2017 im Internet Archive 2014 S 13 Desiree Waterstradt Prozess Soziologie der Elternschaft Nationsbildung Figurationsideale und generative Machtarchitektur in Deutschland Munster 2015 S 109ff Gerhard Kobler Indogermanisches Worterbuch 2000 Erik H Erikson Joan M Erikson The Life Cycle Completed Extended Version New York 1997 S 3 John N Kotre Outliving the self Generativity and the interpretation of lives Baltimore 1984 Laura E Berk Entwicklungspsychologie 2005 S 620 F Hopflinger Generativitat im hoheren Lebensalter Generationensoziologische Uberlegungen zu einem alten Thema In Z Gerontologie Geriatrie 35 2002 S 328 334 Harvey M Chochinov Thomas Hack u a Dignity therapy A novel psychotherapeutic intervention for patients near the end of life In J Clinical Oncology 23 2005 S 5520 5525 John N Kotre Outliving the self Generativity and the interpretation of lives Baltimore 1984 Dan P McAdams Ed de St Aubin A theory of generativity and its assessment through self report behavioral acts and narrative themes in autobiography In Journal of Personality and Social Psychology 62 1992 S 1003 1015 Ubersetzung von Dan P McAdams Regina L Logan What ist generativity In Dan P McAdams Ed de St Aubin T ae ch ang Kim Hrsg The generative society Caring for future generations Washington DC 2004 S 27 Kurt Luscher Generationen Generationenbeziehungen Generationenpolitik Memento vom 15 Februar 2017 im Internet Archive 2014 S 13 Desiree Waterstradt Prozesstheorie der Elternschaft Grundlage zur Reflexion und Offenlegung von Elternschaftskonzepten in Forschung und Berufspraxis In Journal fur Psychologie 24 1 2016 Elternschaft als relationale Praxis Kai Erikson Reflections on Generativity and Society A Sociologist s Perspective In Dan P McAdams Ed de St Aubin T ae ch ang Kim Hrsg The generative society Caring for future generations Washington DC 2004 S 51 61 Desiree Waterstradt Prozess Soziologie der Elternschaft Nationsbildung Figurationsideale und generative Machtarchitektur in Deutschland Munster 2015 S 113ff Desiree Waterstradt Prozess Soziologie der Elternschaft Nationsbildung Figurationsideale und generative Machtarchitektur in Deutschland Munster 2015 M Betzler B Bleisch Familiare Pflichten Suhrkamp Berlin 2015 N Richards The Ethics of Parenthood University Press Oxford 2010 B Rill C Rummel Hrsg Elternverantwortung und Generationenethik in einer freiheitlichen Gesellschaft Hanns Seidel Stiftung Munchen 2001 C Wiesemann Von der Verantwortung ein Kind zu bekommen Eine Ethik der Elternschaft Beck Munchen 2006 E Birkenbeil Verantwortliches Handeln in der Erziehung Eine Herausforderung fur die dialogische Padagogik Klinkhardt Bad Heilbrunn 1986 Detlef Horster Hrsg Padagogik und Ethik Wiesbaden 2005 Anna Felnhofer Hrsg Ethik in der Psychologie Wien 2011 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Generativitat amp oldid 233993904