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Der Kuss als Gebarde der Ehrfurcht und Verbundenheit ist seit dem fruhen Christentum ein Ritus in der christlichen Liturgie und Frommigkeit Verwendung findet er unter anderem in der heiligen Messe als Altarkuss als Kuss des Evangelienbuchs und als Friedensgestus Inhaltsverzeichnis 1 Altarkuss 2 Friedenskuss Amplexus 3 Der Kuss als Verehrung von Evangelienbuch Kreuz und Ikonen 4 Ringkuss Kuss von Reliquien und Gegenstanden 5 Literatur 6 EinzelnachweiseAltarkuss Bearbeiten nbsp Altarkuss zu Beginn einer Konzelebration in der Kathedrale von VersaillesZu Beginn der heiligen Messe begrussen und verehren der Zelebrant gegebenenfalls auch die Konzelebranten und Diakone den Altar indem sie sich verneigen und die Altarplatte mit den Lippen beruhren Am Ende des Gottesdienstes erfolgt in gleicher Weise ein Altarkuss als Abschiedsgeste Die Verehrung wurde fruh auf Christus bezogen der durch den Altar symbolisiert wird 1 Petr 2 4 8 EU Seit dem Mittelalter galt die Verehrung auch den Reliquien die in der Altarplatte eingemauert waren Das im 12 Jahrhundert entstandene Begleitgebet zum Altarkuss Oramus te Domine das der Priester seit 1570 im Romischen Ritus beim Altarkuss sprach brachte dies zum Ausdruck Herr wir bitten Dich Durch die Verdienste Deiner Heiligen deren Reliquien hier ruhen sowie aller Heiligen verzeih mir gnadig alle Sunden Amen 1 Der Brauch des Altarkusses zu Beginn und zum Ende der heiligen Messe geht auf die Alte Kirche zuruck Bereits in der Antike kusste man die Schwelle des Tempels beim Betreten ebenso Gotterbilder und den Altar 2 Ab dem 13 Jahrhundert nahm die Zahl der Altarkusse in der heiligen Messe zu Der Priester kusste jedes Mal den Altar bevor er sich mit einer Akklamation Dominus vobiscum Orate fratres der Gemeinde zuwandte ferner im eucharistischen Hochgebet bei den Gebeten Te igitur und Supplices 3 Seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils wird die Zahl der Altarkusse wieder auf den Kuss zu Beginn der heiligen Messe und fakultativ zu deren Ende beschrankt das Begleitgebet ist weggefallen 4 Wenn der Altarkuss nicht der Tradition beziehungsweise dem Empfinden eines Landes entspricht kann die zustandige Bischofskonferenz ein anderes Zeichen festlegen 5 In Japan ist beispielsweise das Beruhren des Altars mit der Stirn bekannt 6 Friedenskuss Amplexus Bearbeiten nbsp Friedenskuss zwischen Bischof und Diakon in einem Pontifikalamt nbsp Paxtafel mit Kreuzigungsszene Anfang des 16 Jahrhunderts Ein heiliger Kuss oder Friedenskuss als Zeichen der geschwisterlichen Verbundenheit aller am Gottesdienst Teilnehmenden war offenbar schon in apostolischer Zeit beim Herrenmahl ublich vgl Rom 16 16 EU 1 Kor 16 20 EU 2 Kor 13 12 EU 1 Petr 5 14 EU die christliche Gemeinde ubernahm das Zeichen aus der judisch hellenistischen Umwelt Der Austausch des Friedenskusses in der heiligen Messe lateinisch amplexus Umschlingen Umfassen Umarmung 7 erfolgte im Lauf der Entwicklung an unterschiedlicher Stelle zu Beginn der heiligen Messe in Verbindung mit dem Altarkuss nach dem Ende des Wortgottesdienstes oder vor der Kommunion In der gallisch frankischen Liturgie des Rheinischen Messordos um das Jahr 1000 erfolgte er zu Beginn und vor der Kommunion 8 Der Friedenskuss wurde bald auf die Kleriker untereinander beschrankt und zur Umarmung stilisiert sinistris genis sibi invicem appropinquantibus indem sie sich mit den linken Wangen einander annaherten 9 In der byzantinischen Liturgie wird der Friedensgruss zwischen Priester und Diakon nur durch eine Verneigung angedeutet oder es werden einander Finger oder Hande gekusst 10 Zur Weitergabe des Friedensgrusses an die Gemeinde kusste der Priester zunachst den Altar und dann eine Paxtafel pacificale 11 instrumentum pacis paxillum von lat pax Frieden fur Friedenstafel die an die Glaubigen nach Geschlechtern getrennt zum Kuss weitergereicht wurde Solche Kusstafelchen oder Oskulatorien von lat osculari kussen aus Elfenbein Holz oder Metall waren mit einem Kreuz oder religiosen Symbolen geschmuckt und konnten auch eine Reliquie enthalten sie hatten an der Ruckseite eine Haltevorrichtung 12 Sie wurden seit dem 13 Jahrhundert in England ublich sind ab dem 15 Jahrhundert auch in Rom und im deutschen Sprachgebiet nachweisbar und blieben bis ins 18 Jahrhundert in Gebrauch wenn auch zuletzt als Ehrenvorrecht fur Personen hoheren Standes oder bei besonderen festlichen Anlassen 13 14 Der Friedenskuss geht also vom Altar aus und wird wie eine Botschaft ja wie eine Gabe die aus dem Allerheiligsten kommt weitergegeben 15 Die Form des Friedenszeichens wird nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils durch die regionalen Bischofskonferenzen entsprechend der Eigenart und den Brauchen der Volker bestimmt Der Priester oder der Diakon laden zum Friedensgruss ein mit den Worten Gebt einander ein Zeichen des Friedens und der Versohnung In Mitteleuropa ist Handeschutteln ublich bei Klerikern und Ordensleuten weiterhin die rituelle Umarmung 16 Infolge der Corona Pandemie hat sich anstelle des Handschlags ein freundliches Zunicken Verneigen oder Zuwinken etabliert Auch bei der Inthronisation eines Bischofs geben sich die anwesenden Bischofe gegenseitig den Friedenskuss bei pontifikalen Handlungen wie der Jungfrauenweihe oder der Dedikation eines Abtes gibt der Bischof der oder dem Neugeweihten den Friedenskuss bei einer Profess geben ihn alle Mitglieder des Konvents dem Professen als Zeichen seiner endgultigen Eingliederung in die Ordensgemeinschaft 17 Papst Franziskus pflegt bei der Fusswaschung im Gottesdienst am Grundonnerstag als ein Zeichen der Nachstenliebe den Glaubigen die Fusse nicht nur zu waschen sondern sie auch zu kussen 6 Der Kuss als Verehrung von Evangelienbuch Kreuz und Ikonen Bearbeiten nbsp Kuss des Kruzifixes bei einer ProzessionDer Kuss des Evangeliars oder Lektionars des Buches in dem das in der heiligen Messe verkundete Wort Gottes aufgezeichnet ist kam durch frankischen Einfluss im fruhen Mittelalter in den Romischen Ritus Der Zelebrant kusste es zu Beginn der heiligen Messe in Verbindung mit dem Altarkuss 18 Der Kuss des Evangelienbuchs durch den verlesenden Priester oder Diakon nach dem Vortrag des Evangeliums ist bis heute Teil der romisch katholischen Liturgie kann aber gegebenenfalls auch durch ein anderes Zeichen ersetzt werden 5 Der Ritus gilt nicht dem Buch selbst sondern Christus der im Moment der Verkundigung des Evangeliums als gegenwartig geglaubt wird 6 Der Kuss des Kruzifixes gehort zur Feier vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag Nach der Enthullung des Kreuzes treten alle hinzu und konnen das Kreuz durch Niederknien und den Kuss verehren Seit dem Hochmittelalter kusste der Priester zu Beginn der heiligen Messe neben dem Altar und dem Evangelistar auch das Altarkreuz am Ausgang des Mittelalters trat an die Stelle am Beginn des Canon Missae der Kuss des Kreuzigungsbildes das im Missale in Ausschmuckung des ersten Wortes des Kanons Te igitur ublich geworden war 19 Das regional bisweilen ubliche Kussen des Kreuzes zu Beginn des Rosenkranzgebetes gehort in den Bereich der Volksfrommigkeit Das Sterbekreuz konnte dem Sterbenden zum Kuss gereicht werden In der orthodoxen Liturgie verehren die Glaubigen beim Betreten der Kirche die dort auf Ikonenpulten liegenden Ikonen durch einen Kuss Am Ende der Liturgie nach dem Schlusssegen reicht ihnen der Priester das Altarkreuz zum Kuss ebenfalls am Ende der Myronsalbung nach der Taufe Das Kussen von Kreuz und Evangelienbuch ist ferner Element in manchen orthodoxen Bussgottesdiensten von Ikonen beispielsweise beim Akathistos Bei der kirchlichen Trauung kussen Braut und Brautigam vor der rituellen Kronung eine kleine Ikone Ringkuss Kuss von Reliquien und Gegenstanden BearbeitenDer Kuss des Bischofsrings beim Handkuss gehort zu den heute noch moglichen aber nicht mehr gebotenen protokollarischen Hoflichkeitsformen gegenuber einem Bischof Er bringt Verehrung und Gehorsam zum Ausdruck Beim Anlegen der Paramente vor der heiligen Messen kussen der Priester und der Diakon als Zeichen ihrer bewussten Vorbereitung auf den Gottesdienst die Stola bevor sie sich umlegen Dieser Ritus ist seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht mehr verpflichtend 6 Im Mittelalter gab es den Brauch dass Glaubige bei der Gabenbereitung der heiligen Messe Gaben zum Altar brachten und den Manipel oder die Stola des Priesters kussten der dabei ein Segenswort sprach Dies wurde im Missale Pius 1570 fallen gelassen Regional blieben vergleichbare Formen beim Opfergang der Glaubigen bestehen wie etwa der Kuss der Hand des Priesters des Korporales oder der Patene 20 Das Kussen von Gegenstanden und der Hand in der heiligen Messe wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil abgeschafft das fur die Riten den Glanz edler Einfachheit forderte Konstitution Sacrosanctum Concilium Nr 34 21 Der Kuss von Reliquien in einem Reliquiar als Zeichen der Heiligenverehrung ist eine verbreitete Frommigkeitsform ebenfalls der Kuss von Andachtsbildern Marienstatuen Medaillen und anderen Devotionalien Literatur BearbeitenFranz Joseph Dolger Der Altarkuss In ders Antike und Christentum Band 2 1930 S 190 221 Sylva Harst Der Kuss in den Religionen der Alten Welt Ca 3000 v Chr 381 n Chr Lit Munster 2004 ISBN 3 8258 7600 4 Dissertation Universitat Bonn 2004 Eduard Nagel Friedensritus Friedenskuss In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 4 Herder Freiburg im Breisgau 1995 Sp 142 f Thomas Richter Paxtafeln und Pacificalia Studien zu Form Ikonographie und liturgischem Gebrauch VDG Verlag und Datenbank fur Geisteswissenschaften Weimar 2003 Digitalisat Thomas Richter Paxtafel In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 7 Herder Freiburg im Breisgau 1998 Sp 1535 f Einzelnachweise Bearbeiten Andreas Heinz Altarkuss In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 1 Herder Freiburg im Breisgau 1993 Sp 440 Josef Andreas Jungmann SJ Missarum Sollemnia Eine genetische Erklarung der romischen Messe Band 1 Herder Verlag Wien Freiburg Basel 5 Auflage 1962 S 406 Hans Bernhard Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral Regensburg 1989 Gottesdienst der Kirche Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4 S 217 f Allgemeine Einfuhrung in das Romische Messbuch AEM Nr 27 85 125 a b AEM Nr 232 a b c d Wann in der Liturgie gekusst wird und warum In katholisch de 6 Juli 2022 abgerufen am 8 Juli 2022 Andreas Heinz Amplexus In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 1 Herder Freiburg im Breisgau 1993 Sp 541 Hans Bernhard Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral Regensburg 1989 Gottesdienst der Kirche Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4 S 79 121 204 ff Missale Romanum zitiert bei Josef Andreas Jungmann SJ Missarum Sollemnia Eine genetische Erklarung der romischen Messe Band 2 Herder Verlag Wien Freiburg Basel 5 Auflage 1962 S 408 Hans Christoph Schmidt Lauber Gesten Gebarden Liturgische 3 3 Der Friedensgruss TRE Band XIII S 134 Kreuzpartikel Pacificale Christus als Weltenherrscher Abgerufen am 6 August 2023 Joseph Braun S J Liturgisches Handlexikon Pustet Regensburg 1924 S 185 f Thomas Richter Paxtafel In Walter Kasper Hrsg Lexikon fur Theologie und Kirche 3 Auflage Band 7 Herder Freiburg im Breisgau 1998 Sp 1535 f Hans Bernhard Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral Regensburg 1989 Gottesdienst der Kirche Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4 S 291 Anm 51 Josef Andreas Jungmann SJ Missarum Sollemnia Eine genetische Erklarung der romischen Messe Band 2 Herder Verlag Wien Freiburg Basel 5 Auflage 1962 S 405 Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz Missale Romanum Editio typica tertia 2002 Grundordnung des Romischen Messbuchs Vorabpublikation zum Deutschen Messbuch 3 Auflage PDF 545 kB Arbeitshilfen Nr 215 Bonn 2007 Nr 82 Annibale Bugnini Die Liturgiereform 1948 1975 Zeugnis und Testament Herder Verlag Freiburg Basel Wien 1988 ISBN 3 451 20727 3 S 802 Hans Bernhard Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral Regensburg 1989 Gottesdienst der Kirche Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4 S 203 205 Josef Andreas Jungmann SJ Missarum Sollemnia Eine genetische Erklarung der romischen Messe Band 1 Herder Verlag Wien Freiburg Basel 5 Auflage 1962 S 404 Hans Bernhard Meyer Eucharistie Geschichte Theologie Pastoral Regensburg 1989 Gottesdienst der Kirche Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4 S 218 Josef Andreas Jungmann SJ Missarum Sollemnia Eine genetische Erklarung der romischen Messe Band 2 Herder Verlag Wien Freiburg Basel 5 Auflage 1962 S 23 ff Instruktion Inter Oecumenici 26 September 1964 Nr 36 d Der Handkuss und der Kuss von Gegenstanden die dargereicht oder entgegengenommen werden sollen unterbleiben Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kuss Liturgie amp oldid 236180726 Friedenskuss