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Faust Der Tragodie dritter Teil ist ein satirisches Theaterstuck von Friedrich Theodor Vischer aus dem Jahr 1862 In ihm fasst der bedeutende Theoretiker der Asthetik seine lebenslangen kritischen Goethestudien in der Form einer umfanglichen Parodie zusammen die auch eine Kritik der Goethephilologie und der Literaturwissenschaft uberhaupt ist Der Untertitel des Werks lautet Treu im Geiste des zweiten Theils des Gotheschen Faust gedichtet von Deutobold Symbolizetti Allegoriowitsch Mystifizinsky Auf Grund seiner langjahrigen Beschaftigung mit Johann Wolfgang Goethes Faust Dichtung parodiert Vischer Goethe insbesondere dessen Faust II auf stilkritischer figuren und motivkritischer zeitkritischer und selbstkritischer Ebene 1886 erschien eine zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage in der Vischer vor allem durch das ausgedehnte Nachspiel den Bezugsrahmen in literatursatirischer Hinsicht ausweitet indem er damalige Interpretationen und Interpreten der Faustdichtung Goethes karikiert Inhaltsverzeichnis 1 Programmatik des Titelblatts 2 Stilkritik 2 1 Jugendliches Weltgedicht vs senile Allegorienzichorie 2 2 Superlativisierte Sprachaffektationen 2 3 Vischers Kritik an der Allegorie 3 Der Hasenfuss Faust 4 Auffuhrungen 5 Ausgaben 6 Literatur 7 WeblinksProgrammatik des Titelblatts BearbeitenAugenscheinlich handelt es sich um eine Fortsetzung des Goetheschen Faust II Dies wird nicht nur lapidar durch die Nummerierung ausgedruckt sondern vor allem durch den Zusatz Treu im Geiste des zweiten Theils des Gotheschen Faust Vischer halt sich in vielfaltiger Weise an diese Bekundung Bis hierher erscheint das Titelblatt durchaus als ernst zu nehmen es konnte eine poetische Fortsetzung der Goetheschen Dichtung folgen der Bruch durch welchen dieser Geist als Ungeist enttarnt wird wird erst durch die Bekanntgabe einer pseudonymen Autorschaft herbeigefuhrt gedichtet von Deutobold Symbolizetti Allegoriowitsch Mystifizinsky Deutobold erinnert was die Namenbildung betrifft an den allegorischen Lumpen des Mephistopheles Raufebold der im 4 Akt des Faust II wahrend der Schlacht zwischen Kaiser und Gegenkaiser neben Habebald und Haltefest mit auf Seiten des Kaisers kampft Namenkundlich betrachtet geht die Namenendung bold aus dem alten Namenelement bald mit der Bedeutung kuhn hervor Im Deutschen Universallexikon wird darauf hingewiesen dass bold eine Person bezeichnet die gerne und haufig etw macht seltener etw ist Ohne hier der von Vischer karikierten Sinnhuberei verfallen zu wollen konnte man Deutobold am ehesten mit kuhn Deutender ubersetzen fur eine Charakterisierung Vischers durchaus brauchbar Neben diesem spielerischen Umgang in der Namenbildung und dem auf die Interpretenwut abzielenden Unterton zeichnet sich Vischers Pseudonym weiterhin dadurch aus dass es ihm gestattet vorubergehend eine bestimmte Rolle einzunehmen wie sich zeigen wird wenn man das Motto der Parodie in diese Betrachtung miteinbezieht Das Motto Und allegorisch wie die Lumpen sind sie werden nur um desto mehr behagen rundet die Programmatik des Titelblattes ab indem es einerseits eine Zugehorigkeitsbestimmung in sich tragt zum anderen zu Spass und Ironie einladt Ursprunglich sind es Verse des Mephistopheles mit welchem er die Ankunft der drei Gewaltigen kommentiert Analog sind die Verse als Motto der Parodie freilich auch auf die allegorischen Figuren des Pseudonyms anwendbar wodurch klar wird dass sie dem Teil von jener Kraft zugehorig sind die stets das Bose will und stets das Gute schafft Die Rolle die Vischer hinter seiner Pseudonymen Quadriga Mahal 1981 S 55 einnimmt verknupft man sie mit Vischers Betrachtungen uber das Wesen des Bosen ist hier die des Gesellen Der reizt und wirkt und muss als Teufel schaffen Faust I V 343 Dies erhartet sich durch einen Brief Vischers an Julius Ernst von Gunthert aus Zurich o J in welchem er mitteilt Gothes Bild ist uns durch das altersschwache unerquickliche Machwerk zweiter Teil Faust getrubt Ich wollte dies Machwerk durch grobe Aristophanisch cynische doch auch hanswurstmassig gutmutige Satire totmachen von Gothes ursprunglich reinem echten Dichterbild wegatzen ich wollte die Deutschen befreien von dem Alb womit dieses lastige Produkt der Senilitat auf ihnen liegt an dem sie sich zergrubeln Julius Ernst von Gunthert Friedrich Theodor Vischer Ein Charakterbild Allen Freunden gewidmet Stuttgart Bonz 1889 S 8 In der hier angesprochenen Weise der Destruktion tritt unverhohlen auch die satirische Wirkungsabsicht der Parodie Vischers heraus das etablierte Geschmacksmonopol Bottger 1886 zu brechen um schliesslich zu einer ehrlichen asthetischen Bewertung des Goetheschen Faust zuruckkehren zu konnen Im Faust III wird dies von Vischer in der Rolle des Unbekannten ebenfalls thematisiert Und hier schliesst sich denn der Bogen zum Titelblatt der Unbekannte ist erst mit den allegorischen Figuren des Pseudonyms ein Mensch Vischer selbst gemass Vischers Interpretation Faust Inneres ist der Boden worauf die allgemeinen Machte sich bekampfen der wahre Schauplatz der tragischen Gewalten Faust ist mit Mephistopheles ein Mensch und mit dem Herrn auch der Mensch F Th Vischer Kritische Gange 2 Bd S 204 Vischer der sich selbst oft in der Lage Fausts empfunden hat versucht mit seiner Parodie einen literaturkritischen Kommunikationsprozess zu initiieren Wende 1995 S 270 und bezieht sich selbst mit in diesen ein bis hin zur Hollenfahrt des Unbekannten hinabgezogen durch die eigenen Kreaturen die er unter Zuhilfenahme seines Pseudonyms geschaffen hat bzw die wie es Mephistopheles im Nachspiel deutlich macht sich ihm souffliert haben fur seines schlechten Dramas Zweck Vischers doppelte in sich verschachtelte Tarnung erlaubt es ihm einmal durch die allegorischen Figuren seines Pseudonyms in mephistophelischem Geist zu wirken zum anderen in der Rolle des Unbekannten als strebender Mensch aufzutreten Stilkritik BearbeitenJugendliches Weltgedicht vs senile Allegorienzichorie Bearbeiten In seinem Buch Goethes Faust von 1875 untersucht Vischer in seinem ersten Abschnitt Die lange Saumnis und ihre Ursachen welchen Einflussen Goethe beim Verfassen seines Faustdramas unterlag warum jene eine Verzogerung bzw Verschleppung auslosten Hierbei nimmt Unterpunkt Die erste Ursache Der Stilwechsel uber 100 Seiten ein Zahlreiche Passagen in diesem Buch wurdigen den Jugendstil Goethes beispielsweise schreibt Vischer Goethes Jugendstil und vor allem die freien Reime in seinem Faust derb frisch von der Leber unnachahmlich lebenswahr und nie gemein wahr blitzend von Geist unbekummert wie scharf die Kontraste des Unheimlichen Schauderhaften und Komischen aufeinanderstossen mogen F Th Vischer Goethes Faust S 59 Vischer der unbestreitbar dem idealistischen Kunstverstandnis verpflichtet ist Scholz 1993 S 30 und dessen Asthetik ein Versuch darstellt den Ertrag der asthetischen und insbesondere der poetologischen Diskussion der Goethezeit enzyklopadisch zusammenzufassen Willems 1981 S 28 schreibt schon 1839 Im ersten Teil Faust sehen wir das Schwierigste was ein Dichter leisten kann die Wandlung der tiefsten und universellsten Ideen in poetisches Fleisch und Blut durch das Geheimnis der Phantasie gelost Vischer Kritische Gange 2 Bd S 202 Hier sprudelt die auf asthetischer Betrachtung begrundete Hochachtung aus jeder Silbe der erste Teil ist ihm eine Schopfung von absolutem poetischen Werte Martini 1978 S 79 Allerdings mit Einschrankungen denn auch im Besten ist ein Haar Vischer tadelt beispielsweise die Willkur Goethes mit der er eine Anzahl von Xenien meist ephemeren satyrischen Inhalts in eine ernste tiefe Tragodie wirft bezeichnet diese Einstreuung von satirischem Hackerling in der echten und wirklichen Poesie als fremdes zersetzendes Element Als einen der Grunde warum Goethe diesen nach Vischers Ansicht verwerflichen Akt begeht nennt er Goethes Verachtung des jugendlichen Fauststils welche er aus einem Brief Goethes an Schubarth 1820 ableitet von diesen Irrtumern die seinem Helden im zweiten Teil vorbehalten sind sagt dann der Brief der arme Mensch Faust durfte sich edler wurdiger hoher in sie verlieren als im ersten gemeinen Teile geschieht Gemein dies kann unmoglich bloss auf die Schlichtheit der Verhaltnisse in seinem ersten Lebensgang sich beziehen Goethe kann Gretchen nicht gemein nennen auch Valentin nicht es muss auf die Behandlung gehen Goethe nennt seinen naturderben Jugendstil gemein Quasi als Gegenteil zu diesem gemeinen naturderben Jugendstil verhalt sich Goethes Altersstil den Vischer als ein Produkt der Steigerung des klassisch typischen Schonheitsbegriff zu dem asthetischen Prinzip der blossen Formschonheit begreift Dieser Altersstil ist dafur verantwortlich dass der hohere Schauplatz zwar betreten wird aber nicht als Schauplatz handelnden Lebens sondern nur zu dem Zwecke das humanistische Bildungsthema in undramatischer poetisch unerquicklicher Weise des klassizierenden und allegorisierenden Stils aufzunehmen Demzufolge versieht Vischer den Faust II immer wieder mit Attributen wie zusammenhanglos unorganisch trubselig verschnorkelt manchmal unfreiwillig komisch kindisch affektiert manieriert usw bezeichnet ihn als seltsame Sprachperucke in voller Lockenpracht als grosse ruppige Warze als blutloses lebensunfahiges Gebild wo so stark so bunt und kurios das Schnitzelkrauseln waltet Ahnlich druckt dies der Unbekannte aus Ich find in Eures Dramas zweitem Teile fast keinen Satz fast keine Zeile die nicht kurios nicht manieriert so dass es mir im Kopfe radelt surrt summt kitzelt krabbelt schwirrt und schnurrt Hier sei nebenbei noch erwahnt dass sich Vischer zumindest in zwei Punkten Faust II gegenuber anerkennend aussert zum einen ist ihm Das Schonste und Tiefste der Gedanke seinen Helden als Herrscher eines tatig ringenden Volkes endigen in dem Augenblick sterben zu lassen wo er in eine Zukunft schaut da er mit freiem Volke auf freiem Grunde steht Vischer Goethes Faust S 51 zum anderen sieht er hinter den komischen Partien noch die Goethesche Genialitat obwohl jene die Ausfuhrung durch eine zitternde Greisenhand verraten Das besondere an Vischers Kritik ist dass zu ihrer Rechtfertigung die Person Goethes in einer fiktionalen Zusammenkunft mit Vischer als Retter des jungen bzw mannlichen vor dem alten Goethe funktionalisiert wird genug ich wollte dieser Retter sein ich wollte Goethe vor Goethe retten und ich lebe des Glaubens dass er im Elysium mir dankt denn Goethe im Elysium ist ja der verjungte der wahre Goethe nicht der Allegorientrodler und Geheimnisduftler von 70 82 Jahren Vischer Pro Domo in Kritische Gange 2 Bd S 354f Es stellt sich nun die Frage wie hier der Bezug zu Faust III hergestellt werden kann da bis jetzt nur Allgemeineres betrachtet wurde Im letztgenannten Zitat steckt schliesslich der wesentliche Grund der Vischer veranlasste seine Parodie zu schreiben Er der als ein Hegels System mehr verandernder als fortsetzender Vertreter der Wissenschaft vom Schonen Mahal 1981 S 55 bekannt ist leidet personlich an der dialektischen Spannung zwischen Faust erster und zweiter Teil welche sich durch die asthetische Diskrepanz bzw den Stilbruch aufbaut Das Bestreben diese Spannung zu losen er muss um leben zu konnen alle Kraft aufwenden zur geistigen Synthese Schlawe 1953 S 17 druckt sich gerade in seinem Faust III aus welcher ihm als therapeutisches Mittel dient sich selbst vom Alb zu befreien aber auch um die Vorzuge des Faust I zu honorieren beispielsweise durch die Verwendung der Figur Valentins innerhalb der Parodie worauf noch einzugehen sein wird Superlativisierte Sprachaffektationen Bearbeiten Vischers Sprachkritik ein Kampf im Namen des Naturgefuhls der Sprache gegen jene Bisam und Moschussprache die mit Manschetten und Glacehandschuhen selbst ins Brautbett steigt ist eng verknupft mit der stilistischen Kritik an Versformen und der Verwendung von Opernmotiven Auch sie lebt vom oben geschilderten Spannungsverhaltnis Vischer kann nicht begreifen wie man die Sprache im ersten Teile bewundern und die Sprache im zweiten noch geniessen noch verdauen kann Ahnlich bewertet er die musikalischen Motive wovon viele im Faust I am rechten Ort mit der besten Wirkung so bspw Gesang der Erzengel Lied der Studenten in Auerbachs Keller Flohlied des Mephistopheles Gretchens Lieder Der Konig von Thule und Meine Ruh ist hin schliesslich das Volkslied welches Gretchen im Wahnsinne singt platziert sind andere aber ihren poetischen Wert durch eine theatralische Auffuhrung fast verlieren wurden wie beispielsweise der Ostergesang oder der den Faust in Schlummer einwiegende Geistergesang Die Neigung Goethes welche so viele Kraft in Singspielen und derlei Flitter verpuffen lasst prasentiert sich im zweiten Teil im 1 Auftritt durch den heilenden Elfengesang der gleich zu Beginn das Zuviel des Opernhaften um einen leidigen Beitrag vermehre Auch der Gesang der Rosen streuenden Engel vgl Faust II V 11699 11709 oder Chor und Echo zu Beginn der Szene Bergschluchten Wald Fels vgl Faust II V 11844 11853 missfallen Vischer wegen der unbegreifliche n Erscheinung teilweise Kindischwerdens Deren Versstil mit seinen mehrfach gleitenden Reimen fuhrt zu Stockungen Verhartungen storende n Bequemlichkeiten Manieriertheiten und diese sind von der Seltsamlichkeit der Sprache als solcher gar nicht zu trennen Vor allem Goethes unublichem Gebrauch des Superlativs Vgl dazu Goethes Verse 5130 5321 6021 6036 6037 6195 6220 6284 6365 10980 11099 11270 11508 u a den Vischer in der Nachahmung des Lateinischen und Griechischen begrundet sieht und Formen wie einzigst oder letzteste hervorbringt den Goethe wider die Logik in der grammatischen Bildung formt begegnet Vischer mit Widerwillen Des Weiteren sind es Wortneubildungen wie buschen im Vers Taler grunen Hugel schwellen buschen sich zu Schatten Ruh Faust II V 4654 4655 oder echoen jungholdeste Schar seeisch heitres Fest in denen Vischer eine Ubertretung der Grenzen sieht die Sprache und Geschmack setzen Wie in einem Ameisenhaufen liegt Vischer in dieser Sprache sie kitzelt dass man nicht weiss soll man lachen oder seufzen Die Beschaftigung mit Faust II lost nach Vischer beim Leser oder Interpreten einen zwanghaften Mechanismus aus in demselben Ton parodisch weiterdichten zu mussen Man vergleiche dazu wiederum Verse des Unbekannten Ich kann nicht anders muss sooft ich s lese als wenn ein Kobold im Genick mir sasse muss in dem Tone weiter besteln reimen muss drehen schnitzeln schnipfeln pappeln leimen Dies Eingestandnis wird ganz deutlich im Faust III verwirklicht Mit Martini kann man ubereinstimmen wenn dieser schreibt dass sich Hunderte von Stellen aufzahlen lassen in denen in witzig antinomischer Bezugs Bild und Klangwendung die Faust Sprache in sich selbst mit blitzschneller Pointe vernichtet wird Martini 1978 S 104 Vischer dem Mahal eine stupende Konnerschaft all jener Vers und Reimformen Mahal 1981 S 63 attestiert der sich wahrend seiner langjahrigen Beschaftigung mit Goethes Faust mit virtuoser sprachlicher Imitationsbegabung in die wechselnden Sprachebenen Tonlagen und Rhythmen von Goethes poetischer Diktion eingelebt Martini 1978 S 102 103 hat realisiert seinen programmatischen Untertitel Treu im Geiste des zweiten Theils des Gotheschen Faust indem er die dem Alterstil Goethes charakteristischen Stilmittel und Sprachformen isoliert und grotesk uberzeichnet wobei er sich als Parodist jenseits der Grenzen bewegt die er als Asthetiker vom Dichter Goethe einforderte Der Umschwung in die reine Narretei Frapan 1889 S 59 der phantastischen Sprachkunst a la Fischart oder Rabelais ist hierbei fliessend Die Karikatur der Goetheschen Altersprache konkretisiert sich zum ersten in den unerschopflichen Wortneubildungen in Analogie zur Bildung buschen benutzt Vischer die Verbalisierung u a in den Versen seines Dr Marianus Allwo unbeschnipfelt wo der Weltbaum wipfelt wo die Weltwurst zipfelt Als Paradebeispiele fur Substantivbildungen konnen die polymorphemischen Komposita Mutterwohnungoffnungsprozedur und Hollenkochherdfeuer genannt werden Auch das Suffix ei wird sehr haufig verwendet um gegen das asthetisch musikalische Gesetz des Reims Martini 1978 S 104 zu verstossen dies ist salopp formuliert Euphorions Spezialgebiet auf Raserei folgen die Reime Poesei Seinerei Fortanerei und Nirwanerei Des Weiteren erfolgen diese Wortneubildungen oft durch den Zugriff auf dialektale Sprache Fremdworter und deren Verballhornungen sowie Wortraritaten Martini 1978 S 104 Dabei greift Vischer nach Verweyen Witting u a auf den Trick einer leerlaufenden Wortbildungsregel zuruck und sie erlautern diese anhand des religios bzw humanistisch konnotierten Suffix orium welches zu einer Reihe komischer und weitgehend inakzeptabler Bildungen verwendet Verweyen Witting 1979 S 173 wird Im 11 Auftritt des 3 Aufzugs wahrend der Himmelfahrt Faustens folgen auf Symbolum die Reime Historium Brimborium Allegorium Sensorium Urprazeptorium Cichorium Inhalatorium Zum Dritten zeigt sich die Stilkarikatur in der sattsamen Verwendung von Gesangen mit zuhauf auftretenden gleitenden Reimen exemplarisch soll hier ein Gesang unsichtbarer guter Geister aus dem 1 Aufzug 7 Auftritt zum Vergleich neben Versen Goethes aus dem Ostergesang Faust I V 737 741 stehen Faust I Christ ist erstanden Freude dem Sterblichen den die verderblichen schleichenden erblichen Mangel umwanden Faust III Glucklich erstanden Selig der Sterbsliche welcher die herbsliche beinah verderbsliche Heil doch erwerbsliche knallende erbsliche Prufung bestanden Die Adaption des Originals folgt hier auf inhaltlicher Ebene der Ersatzregel der Hinabstufung bzw Untertreibung von Goethes Feierlichkeitspathos Martini 1978 S 103 104 wobei der Versstil Goethes beibehalten und daruber hinaus ubertrieben eingesetzt wird Ahnlich zeigt sich dies in den folgenden Versen des chorus mysticus Faust II V 12104 12111 u Faust III S 131 132 in welchen ebenfalls die metrische Struktur beibehalten wird und auf inhaltlicher Ebene Abstrakta mit hoherwertigen Konnotationen auf solche mit minderwertigen Vorstellungen Verweyen Witting 1979 S 171 reduziert werden aus dem Verganglichen wird das Abgeschmackte usw Faust II Alles Vergangliche Ist nur ein Gleichnis Das Unzulangliche Hier wird s Ereignis Das Unbeschreibliche Hier ist es getan Das Ewig Weibliche Zieht uns hinan Faust III Das Abgeschmackteste Hier ward es geschmeckt Das Allervertrackteste Hier war es bezweckt Das Unverzeihliche Hier sei es verziehn Das ewig Langweilige Zieht uns dahin Des Weiteren zeichnen sich Goethes Verse gerade dadurch aus dass er auf Superlativbildungen verzichtet auf die Vischer im Kontrast dazu zweimal zuruckgreift Man beachte auch die Nuance dass sich durch die Kleinschreibung von ewig dessen Bedeutung mindert und sich die Betonung auf das Langweilige verschiebt im Gegensatz zu Goethes integrativer Bindestrichbildung Im Zusammenhang mit der Stiefelknechtallegorie und der Himmelfahrt Faustens wird sich erneut mit dem chorus mysticus zu beschaftigen sein Zuletzt soll an dieser Stelle noch auf die Dissertation Fr Th Vischer und Goethes Faust von J Kopp hingewiesen werden die schon fast zur Stoffhuberei neigend im Kapitel Die Komik der Sprache und Versform J Kopp 1930 S 233 248 mit 15 seitigem Umfang die Parodierung des Altersstils Goethes ausfuhrlichst darstellt Vischers Kritik an der Allegorie Bearbeiten In seiner Asthetik 444 bezeichnet Vischer die Allegorie als frostige Verbindung der Elemente des Schonen Das ursprungliche Verhaltnis dieser Elemente von Idee und Bild ist aufgelost Wahrend dem Symbol eine Identitat von Idee und Bild welche vom Dichter geschaut werden innewohnt ist fur die Allegorie bezeichnend dass die Idee zuerst da ist und das Bild gesucht und nachtraglich herbeigebracht wird somit die Reflexion ungleich mehr Teil hat an diesem Fabrikat als die Phantasie Die Willkur in dieser Verknupfung fuhrt dazu dass eine Deutung mitgegeben werden muss Vischer raumt beispielsweise der Allegorie innerhalb eines Zyklus religioser Gemalde ein Existenzrecht ein da die einzelne Allegorie durch die Nachbarschaft der anderen Bilder leicht gedeutet wird In der Poesie soll sie wenigstens der Deutung nachhelfen damit sich der Leser nicht abqualen musse denn ohne sie bleibt die Allegorie nach Vischer immer Ratsel und man weiss nie wenn man eine Deutung derselben gefunden zu haben meint ob es die rechte sei Aufgrund dieser Tatsache und der dass das Allegorisieren in der nicht poetische n Sphare des Verstandes vgl Sorensen 1979 S 633 zur Allegoriekritik bei Goethe angesiedelt ist spricht Vischer solchen Ratseln den Kunstcharakter ab Gerade aber in Goethes Faust II sieht Vischer diese Anforderung der mitgelieferten Deutung oft nicht erfullt er ist ihm ein allegorisches Machwerk Vischer gibt sogar zu dass er niemals hinter die Bedeutung des Homunkulus Man hat sich nun schon lange verkreuzigt zu erraten wer denn der Homunkulus sei Wer der ist Das mechanisch ohne Potenz gemachte Menschlein Das ist der zweite Teil Faust von Goethe gekommen sei Ja er weigert sich geradezu diese Ideen im fadenscheinigen Rock der Allegorie diese Gliedermanner oder Totgeburten die er Goethes agyptische m Zug zuschreibt deuten zu wollen Zur Idee aus der Verbindung von Faust und Helena eine Allegorie der Durchdringung des Klassischen und Romantischen in der modernen Kunst zu machen eine unerquickliche allegorische Vermahlung woraus der Kautschukmann Euphorion mit so ruhrender Beschleunigung hervorgeht schreibt Vischer in seinem Aufsatz Zum zweiten Teile von Goethes Faust dass ihm dieser Einfall schon lange vor dem Erscheinen der klassisch romantischen Phantasmagorie Helena selbst gekommen sei allerdings musse der Dichter diesem Einfall widerstehen Geschweige denn dass es laut Vischer einen Goethe bedarf um auf einen solchen Einfall zu geraten eben weil er zu nahe liege und weil schon durch das Motiv beide Figuren jedes warmblutigen poetischen Lebens entleert und zu hohlen Pappendeckelpuppen ausgeweidet wurden Zweckmassiger als eine Figur bei der Konstruktion einer Allegorie ist ihm ein totes mechanisches Objekt weil es uns notige viel bestimmter als ein lebendiges Wesen nach dem Vergleichspunkte zu sehen und den Gedanken zu suchen der dahinter versteckt sei Dies fuhrt letztendlich zur Ausarbeitung der Stiefelknechtallegorie deren vollendete Absurditat ihm als richtige Konsequenz des Sinnbilder ausbrutenden Verfahrens erscheint Ihre Auflosung wird in Pro domo mitgeteilt der Stiefelknecht symbolisiert die geistige Entwicklung sofern diese in einem Losen von Hemmungen einem Befreien aus inneren Stockungen besteht im Gegensatz dazu reprasentieren die beiden pressenden Stiefel die den Fortschritt hemmende Verwicklung in Irrtum Zweifel Leidenschaft die Huhneraugen sind die Leiden des Gemuts auf solchen Knotenpunkten Vischer selbst litt haufig an Huhneraugen weil er aus Eitelkeit zu enge Schuhe trug Auch tauchen Huhneraugen immer wieder in Vischers dichterischem Werk auf beispielsweise im Auch Einer In A E inhart s Systematik zum Bilde des harmonischen Weltalls findet sich unter Punkt II Aktionen A Der inneren Teufel u a der Huhneraugenstich Im Faust III stellen sich die Huhneraugen anhand der Permutation verschiedener Synonyme vgl dazu W Pschyrembel Klinisches Worterbuch Stichwort Clavus vor Hierbei werden diese in ihre Bestandteile zersetzt um einen Reim zu erzwingen bspw wird Leichdorn zu Leichliche Dornungen Huhnerauge zu Huhnliche Augungen Im Faust III wird die Bedeutung des Stiefelknechts durch ein von diesem in tiefstem Bass gesungenes Lautgedicht versinnbildlicht in welchem der Stiefelknecht die En t w ick l ung entwickelt von der Silbe ung aus baut er das Wort auf und wieder ab mit der Folge dass die Stiefel weggeschleudert die Huhneraugen durcheinandergewirbelt werden Ferner ist fur Vischer die Idee der Entwicklung die leitende in der Tragodie Faust schon im Prolog im Himmel wird dargelegt dass das Bose ihr als Hebel dienen muss und angekundigt dass alle Trubung des Geistes im Leben des Helden unter diesem Standpunkte zu fassen ist Die Stiefelknechtallegorie ein Bestandteil der endgultigen Himmelfahrt Faustens wird dadurch zum hochsten Weltsymbol das mit echtem Goethe Vers angerufen wird Faust II Ewiger Wonnebrand Gluhendes Liebeband Siedender Schmerz der Brust Schaumende Gottes Lust Pfeile durchdringet mich Lanzen bezwinget mich Keulen zerschmettert mich Blitze durchwettert mich Dass ja das Nichtige Alles verfluchtige Glanze der Dauerstern Ewiger Liebe Kern Faust III Ewiger Wonnebrand Brennendes Liebeband Stiefel am Wolkenrand Drucke mich zwange mich Schnurend beenge mich Zwickend bedrange mich Leichdorn durchsenge mich Leder das tuchtige Presse das Nichtige Dass sich s verfluchtige Hebe des Felles Druck Wunderbar Schreinerstuck Es kann zudem festgestellt werden dass die Himmelfahrt im Faust III weitere analoge Strukturen zu Goethes Himmelfahrtskonzeption aufweist Goethe verbindet in jener neuplatonische Philosophie mit christlicher Mythologie die Szene ist beherrscht von einer entelechische n Steigerungsdynamik selbst die Figurenkonstellationen sind von dieser Aufwartsbewegung erfullt Schmidt 1992 S 387 beispielsweise die drei Patres und Dr Marianus in ihren hierarchisch nach oben hin reiner werdenden Zellen Vischer stosst sich daran heftig und bringt diesen Unmut in seinem Buch Goethes Faust deutlich zum Ausdruck Und gleich darauf erscheint Doktor Marianus in der hochsten reinlichsten Zelle woruber ich schon gesagt habe dies notige die niedriger liegenden Zellen sich stufenweise schmutziger zu denken Wie unappetitlich Neben den Figuren die grosstenteils aus Goethes Drama Vischer benutzt die drei Patres Dr Marianus die seligen Knaben die Pater Seraphicus diesmal nicht in sich nimmt sondern in seine Kapuze steckt naturlich Faust u a rekrutiert sind wird auch diese Steigerungsdynamik Beispielsweise durch die oben erlauterte Verwendung des Suffix orium und durch eine Alterssteigerung der Geisterchore Junglingsgeister vollendetere Frauengeister und Greisengeister die Opernhaftigkeit und der Gedanke der Erlosung Faustens von Vischer ubernommen Hervorzuheben ist dass die Ideen der Entwicklung der Steigerung ins Hochste und der letztendlichen Erlosung in Goethes Drama und Vischers Parodie die gleichen bleiben allerdings verlagert Vischer sie in eine absurd uberzeichnete Bilderwelt worin beispielsweise der kolossale Stiefelknecht zum Erloser wird Diese Attacke gegen die legendarisch hochkatholische Behandlung des Schlusses gipfelt im Erscheinen der in allertiefstem Bass singenden Null die sich als das Absolute bezeichnet und Stiefelknecht mitsamt seinem Gefolge verschlingt Innerhalb des Bezugsrahmens der Parodie zum Original lasst sich feststellen dass hier Goethes Erlosungsgedanke ad absurdum gefuhrt wird seine Steigerungsmetaphorik wird von Vischer abermals gesteigert bis hin zu ihrer grotesken Eskalation In diesem Zusammenhang ist die Betrachtung des chorus mysticus wiederaufzunehmen indem noch ein Vergleich auf der Ebene der Funktionalitat dessen angestellt wird Goethes Schlusschor der als Meta Kommentar zur Himmelfahrt Faustens konzipiert ist druckt in vier Doppelversen in jedem ein Verhaltnis des Zeitlichen zum Ewigen der realen Menschensphare zur ideellen Gotteswelt aus im Ewig Weiblichen steckt eine Letztidee welche die dem Strebenden entgegenkommende Liebe als weibliches Prinzip begreift Vischer ubernimmt diese Konzeption auf der formalen Ebene Er bildet kommentierende Gegensatzpaare zur Himmelfahrt seines Faust III in denen ebenfalls Verhaltnismassigkeiten allerdings zwischen minderwertigen Abstrakta und deren Verwirklichung im vorangegangenen Stuck ausgedruckt werden Durch die kontrafizierte Bearbeitung des chorus mysticus der sich in der Parodie inhaltlich als Konsequenz der grotesken Bilderwelt der endgultigen Himmelfahrtszene zeigt wird eine Komisierung des Schlusschors Goethes erreicht da sein erhabener Tenor der selbst das Unzulangliche zum Ereignis erhebt in die absurde Phantastik eines unverfrorenen Narrenhimmels transponiert und dieser Schritt zudem als bezweckt hervorgehoben wird Ferner ist Vischer der komischen Allegorie durchaus zugeneigt da sie wieder poetisch wird indem gerade durch den Widerspruch der Einsicht dass das Bild nur Zeichen eines Begriffes sei mit der Notigung dieses Bild doch als etwas Wirkliches und Lebendiges zu betrachten der heiterste humoristische Effekt erreicht wird Dies druckt sich auch im Doppelvers Das Unverzeihliche Hier sei es verziehn aus Die Verwendung der Allegorie ist in der echten Dichtung unverzeihlich als komische aber wird sie verzeihbar da sie als solche poetisch ist Im ewig Langweilige n versteckt sich schliesslich Vischers Idee dass der Himmel langweilig sein muss da es dort kein Streben mehr geben konne Valentin bittet deshalb auch den Stiefelknecht das hochste Weltsymbol um Erlaubnis zur Ruckkehr mit Barbelchen zusammen in seine Wirtsstube am Vorhimmel Allerdings befurchtet er das Wort langweilig nicht sagen zu durfen und druckt sich deshalb viel gewitzter aus Und indem es mir hier ganz oben sozusagen zu wenig gehopft auch zu wenig gemalzt aussieht so geht mein untertanigstes Gesuch dahin dass mich Eure Durchlaucht in Gnaden entlassen Soviel zur endgultigen Himmelfahrt Faustens Die Allegoriekritik findet sich auch an anderen Stellen der Parodie mehrere allegorische Figuren des Faust II werden ubernommen so z B Helena Euphorion Die Mutter und der Homunkulus und werden im Laufe ihres Erscheinens dekonstruiert Dazu aber mehr im folgenden Kapitel zur Figuren und Motivkritik Neben der Stiefelknechtallegorie bildet Vischer noch weitere von Goethes Faust unabhangige allegorische Figuren die wahrend Faustens erneutem Ausflug ins Mutterreich auftauchen und Zuge historischer Personen tragen weswegen hier auf das Kapitel Zeitkritik verwiesen sei Der Hasenfuss Faust BearbeitenDie Kernthese der Vischerschen Kritik an der Faust Figur Goethes entspringt dem Verhaltnis des in Faust I angelegten Charakters zu dessen Fortfuhrung im Faust II die leidenschaftliche Darstellung des Faust im ersten Teil der in seiner Subjektivitat in den Hauptpartien ungleich objektiver als der objektive Faust des zweiten Teils ist dessen Lebens und Erkenntnisdrang die zentrale Triebfeder fur sein Handeln ist und dessen Seelenleben das dargestellt werden soll auch dargestellt ist findet im zweiten Teile laut Vischer gerade keine Fortfuhrung Vielmehr ist die Darstellung der Prozesse und Krisen in Fausts Innerem ausgespart im 1 Akt ist keine fruchtbringende Reue Fausts uber die an Gretchen begangene Schuld ausmachbar sei Auch handle Faust im zweiten Teil zu wenig verharre in der Passivitat beispielsweise wird das Papiergeld von Mephistopheles gemacht im 3 rein humanitarischen Akt ist fur Vischer Faust nur noch ein Begriff eine Allegorie fur das romantische Prinzip auch wahrend der Schlacht im 4 Akt handelt Faust nicht wirklich die Schlacht im vierten ist zu nichts gut als die kaiserliche Landschenkung zu motivieren Im funften Akt ladt Faust durch den Mord an Philemon und Baucis wieder Schuld auf sich zeigt erneut keine Reue und Fausts Tod schliesslich mutet komisch an da Faust bei Goethe so auf einmal abstrakt umfallt und tot ist Fausts Gang in die grosse Welt wird gleichsam nur angedeutet aber nicht ausgefuhrt Vischer resumiert kein Charakter wird lebendig fortgefuhrt weil keiner eigentlich handelt In seinem Aufsatz Zum zweiten Teile von Goethes Faust findet sich diese Kritik an der Faust Figur Goethes als positiver Niederschlag wieder Vischer skizziert auf der Basis des in Faust I ausgefuhrten Charakters einen anderen Faust des zweiten Teils welcher Vischers Forderungen an das dramatische Geschehen gerecht werden soll gleich zu Beginn ist Faust vom Grabe Gretchens kommend in einem Monolog zu finden worin er wie im wilden Fiebertraum Gretchens Hinrichtung malt Faust ist erfullt von qualvoller Reue und die Ermannung aus diesem Elende liesse sich zweckmassiger nicht motivieren als durch den Eintritt des Mephistopheles Die Tragodie fordere geradezu Mephistopheles einmal als Hinwegprediger der Reue zu vernehmen Allerdings erwache in Faust das Bewusstsein dass er leben muss um durch Taten seine tiefe Schuld zu suhnen Vischers Argwohn uber Goethes Versaumnis den zeitgeschichtlichen Kontext der historischen Person Faust einzubeziehen druckt sich in seiner Neukonzeption gerade durch diese zeitgeschichtliche Kontextualisierung aus Faust forsche in Schriften der Reformation und der Humanisten sein Forschen gehe in einen Willen uber auf die Welt zu wirken Zuerst findet er sich an einem deutschen Hofe wieder wird dort vom als Hofmann getarnten Mephistopheles uberredet direkt am papstlichen Hof in Rom zu wirken In Rom angelangt verfalle er dem weibliche n Buhlteufel Helena und werde aus Eifersucht zu Mord getrieben Sein Scheitern am papstlichen Hof fur sein Volk zu wirken fuhre dazu dass Faust Bauer werde er will mit dem Volke entbehren leiden arbeiten Wahrend der Bauernaufstande gegen die Leibeigenschaft wird Faust schliesslich zum Fuhrer einer Bauernschar unter die sich der mystisch sozialistischen Wahn predigende zum Sengen und Morden anstachelnde Mephistopheles mischt mit der Folge dass in Fausts Abwesenheit die Bauern Adlige hinrichten Der ruckkehrende Faust erkennt dass sein reines Wollen mit Blut besudelt ist kundigt seine Fuhrerschaft wird Anfuhrer einer anderen Bauernschar einer kleinen disziplinierten zur letzten verzweifelten Gegenwehr entschlossene n Truppe die nur zwischen Ergebung und Tod wahlen konne und sich fur den Tod entscheide Im Kampf fur die Freiheit sterbend suhne Faust seine Schuld niedergestochen durch den die Adligen vertretenden Mephistopheles Dieser wahnt sich als Sieger doch Wer sterbend glucklich ist der am allerwenigsten kann verloren sein Schliesslich lost Vischer die Frage der Erlosbarkeit Fausts damit dass sein Tod im Kampf fur seine Freiheit und die kommender Generationen der schonste Augenblick sei was dazu fuhre dass er nicht Knecht und Beute des Damons der Endlichkeit sein konne Auch Vischers Konzeption endet mit einer Himmelfahrt Fausts Mephistopheles fordere sein Recht uber Fausts Seele vor einem Plenum idealer Gestalten Beispielsweise fuhrt Vischer den verlorenen Sohn als ideale Gestalt an allerdings beende Christus dieses hollische Pladoyer und scheuche den Feind der Menschheit hinweg erwecke Faust und dieser vernimmt nun aus dem Munde Christi die Botschaft der unendlichen Liebe Vischer betont den rationellen Styl seiner Skizze des Schlusses und stellt sie kontrastiv zur Endszene Goethes die ihm eine Ausbeutung der Rumpelkammer der Legende ein von Heiligen Kirchenvatern Engeln wimmelnder Goldgrund ist Der teilweise pathetisch verfasste Entwurf Vischers zeichnet sich insgesamt durch die Deutlichkeit eines aktiv schaffenden Charakters Faust aus auch hier als Kontrast zur Tatenlosigkeit der Faust Figur in Goethes zweitem Teil Fur Vischer steht Fausts Handeln in Goethes Drama in keiner Relation zu seiner Erlosungswurdigkeit die Bedingung Wer immer strebend sich bemuht Faust II V 11936 ist nicht erfullt Im Faust III dient Vischer dieser Handlungsmangel um neue Prufungen Fausts zu motivieren Lieschens Verse denen die Funktion einer Exposition der Parodie zukommen klaren daruber auf dass die Kritiker Voran der Geist der stets verneint entgegnet haben dass Nicht ganz so strebend hab es das edle Glied Faust sich bemuht weswegen Faust Noch eine Zeit sich uben muss Daruber hinaus antizipiert diese nachtragliche Degradierung Fausts die sich wahrend der ersten Prufung im Faust III als Regression seines Strebens auf eine niederere Ebene des Genusses verstehen lasst die oben geschilderte Demontage des Faust II Schlusses Faust der von seiner anstrengenden Arbeit als Prazeptor der seligen Knaben wobei ihm in dieser Funktion die schwierige Aufgabe zukommt jenen Goethes Faust II zu erklaren hungrigst zu seiner Gefahrtin Lieschen seiner Vollkommenheitsanbahnerin zuruckkehrt muss trotz seines Aufenthaltes im Vorhimmel am eigenen Leib erfahren dass sein Appetit auf deftige Delikatessen wie beispielsweise Bayrische Knodel oder Schwabenspatzen auf Grund einer himmlischen Diat Fausts Ernahrungsplan ist aus wildem Honig Heuschrecken und fader Pflanzenkost aufgebaut zur Zweckvolle n Mehrung der Geistabklarung nicht gestillt wird Seine Aufregung daruber ist gross Warum dies Leben wie Johann der Taufer Ich war ja doch kein Fresser und kein Saufer Diese anklagende Feststellung Fausts entspringt einer rezeptionskritischen Ansicht Vischers mit der er sich gegen christlich theologisierende Interpreten wendet welche in Fausts Wissensdrang schon von Beginn der Tragodie an ein sinnliches Streben nach Genuss sehen und seine Erlosung daran binden dass Faust zum schonen Kinderglauben zuruckkehre Diese Fehlinterpretation fungiert gleichsam als Basis fur den Aufbau der ersten Prufung Vischer greift sie auf und entlarvt sie indem er zuerst die dem Goetheschen Faust zugrundeliegende Idee des Wissensdursts zum rudimentar menschlichen Durst auf ein Tropfchen edles firnes Nass vom Keller aus dem Lagerbiergelass herabstuft Durch einen Gesang hollischer Geister kollabieren schliesslich die sinnlichen Bedurfnisse Fausts in einer seine Hollenfahrt als Konsequenz tragenden Anbetung der Kneipe in einem hedonistischen von himmlischer Resignation begleiteten Aufbegehren Fausts in einem Befreiungsschlag gegen die enge Kuchenwelt seiner Gefahrtin Lieschen Hierbei ist hervorzuheben dass Vischers Faust III eng verzahnt ist mit Goethes Originaltext und Vischer zum Mittel der Zitatmontage Vgl Martini 1979 S 104 105 greift zur Darstellung des Genussstrebens Fausts werden die Verse 1092 1099 aus Faust I die Fausts Wunsch zu fliegen folgen und in welchen er im Anblick von Adler und Kranich im Fluge sein Gefuhl hinauf und vorwarts zu dringen als ein eingeborenes von der Natur verliehen es Scholz 1982 S 17 begreift adaptiert wobei beispielsweise das schmetternd e Lied der Lerche ersetzt wird durch ein hold dampfendes Sauerkrautchen der Adler durch ein in der wackern Schussel dampfendes Wurstpaar vgl Bergmann o J 1932 S 176 Goethes gewaltige Tone aus dem Ostergesang der blaue Raum und die Lerche werden uberdeckt durch das lusterne Schmatzen Vischers Des Weiteren verandert sich in Vischers Parodie die Richtung dieses eingeborenen Strebens aus hinauf wird hinan diese Reduktion auf den Lebenserhaltungstrieb der im Grunde nur zur Reproduktion der eigenen Korperlichkeit dient erzeugt zudem eine paradoxe Situation zwischen dem Vorhimmel und dessen ausserst irdischen Gestaltung Die Unfreiwilligkeit der Diat Fausts ist der Grund fur seine kulinarische Willensschwache Mephistopheles nutzt diese Chance indem er mit Hilfe eines hollischen Schlemmergesangs Fausts Seele zu erhaschen versucht Dieser Gesang ist in Analogie zu Goethes Schlummergesang Faust I V 1447ff gebildet welcher Faust in Schlaf versetzt damit Mephistopheles aus Fausts Zimmer entwischen kann Auch im Faust III fuhrt er zu einem hypnagogischen Zustand schliesslich zum Schlaf Fausts einer infernalischen Bewusstseinsverengung die wie oben angedeutet nach seinem Erwachen daraus in einer Anbetung der Kneipe kulminiert Lieschens Mahnung Vertreib ihn Meph mit Gebet Sonst wird s zu spat fruchtet nicht Ach lass mich fort du bete nur und bleibe Ich breche auf und sturze in die Kneipe Im Folgenden greift Vischer wiederum auf Verse Goethes Wald und Hohle V 3345 3365 zuruck die er in seinem Buch Goethes Faust als Niederlage Fausts deutet die durch Mephistopheles Verhohnen seiner hohen Kontemplationen und der Mystik darin als Metastase des Geschlechtstriebs ausgelost wird indem er durch grausam spottende Schilderung von Gretchens Liebeskummer Fausts Sinnlichkeit aufs hochste zu steigern Friedrich Scheithauer 1973 S 36 vermag Faust wird sich hierbei der reziproken Verschrankung seines Schicksals mit dem Gretchens bewusst Mag ihr Geschick auf mich zusammensturzen und sie mit mir zu Grunde gehn Faust I V 3364 3365 Sein Gewissen sagt ihm dass die Einleitung der Zerstorung von Gretchens Identitat bereits in der Vergangenheit liegt Sie ihren Frieden musst ich untergraben Du Holle musstest dieses Opfer haben FaustI V 3360 3361 An Stelle jener Verflechtung der Verse mit Gretchen wird in der Parodie Vischers die Niederlage Fausts auf die Diskrepanz der gaumenerhitzlichen Reize des Meisterkochs Mephistopheles zu Lieschens frommer Lebensweise zuruckgefuhrt Faust ist hierbei im Gegensatz zu Goethes Konzeption der Verschrankung seines mit Gretchens Geschick auf eine noch bevorstehende Trennung von Lieschen aus Er bringt dieses Anliegen quasi als faustische Pflicht vor Dich deinen Frieden muss ich untergraben Du Kneipe willst und sollst dies Opfer haben Durch das Opfern der Verbindung zu Lieschen wird Faust selbst zum Opfer wobei Fausts Gewissen in eine Gewissenlosigkeit sich selbst gegenuber umschlagt Geniessen will ich noch des Lebens Wurzen Und meinethalb zugrunde gehen Die Rettung Fausts aus dieser brenzligen Lage Mephistopheles macht sich bereits uber Faust her dieser windet sich in kulinarischen Krampfen erfolgt durch die Fursorge Lieschens und Valentins Vermogen Mephistopheles mittels einer Malzschaufel seinen Fausten und einem Schuttelruck in die Flucht zu schlagen wobei Lieschen und Valentin quasi als Agenten eines deus ex machina handeln Die Tatenlosigkeit Fausts im zweiten Teil und die daraus resultierende Passivitat bei seiner Errettung die schliesslich durch Hilfe von Engeln und himmlischen Heerscharen vollzogen wird werden wahrend Fausts neuen Prufungen perpetuiert indem Vischers Faustfigur kein einziges Mal nur aus eigener Kraft ohne Hilfe anderer Figuren eine Prufung besteht Treu im Geiste des zweiten Theils des Gotheschen Faust ist sein Faust ein Tatenloser ein Hasenfuss der ohne jegliche Eigenleistung gleichwohl seiner endgultigen Aufnahme in den Himmel naherruckt Mahal 1981 S 64 der zweifellos unter einer Praventivgarantie des Herrn Mahal 1972 S 436 steht Auffuhrungen Bearbeiten1965 Torturmtheater Sommerhausen gekurzt als Buhnenfarce 1984 Pfleghof Tubingen Open Air 1989 Ludwigsburg aufgefuhrt in der Bearbeitung nach Jutta Pilz Gruenhoff 1992 Landestheater Tubingen als Oper fur Schauspieler von Susanne Hinkelbein 1998 Potsdam Auffuhrung in Kombination mit Goethes Faust I und II 2012 Schauspielhaus Zurich Auffuhrung mit Faust I II sowie Elfriede Jelineks Sekundardrama FaustIn and OutAusgaben BearbeitenFaust Der Tragodie dritter Theil Treu im Geiste des zweiten Theils des Goethe schen Faust gedichtet Erstausgabe Verlag der Laupp schen Buchhandlung Tubingen 1862 Nachdruck Laugwitz Buchholz in der Nordheide 2002 Faust Der Tragodie dritter Theil 2 umgearbeitete und vermehrte Auflage Verlag der Laupp schen Buchhandlung Tubingen 1886 18863 18894 19015 19076 Nachdruck Olms Hildesheim 1963 Faust Der Tragodie dritter Theil Hrsg mit Nachwort von Ernst Bergmann Reclam Leipzig o J 1932 Reclams Universal Bibl 6208 6209 Neue Ausg Meersburg 1936 Neudr Berlin 1969 Die Bank der Spotter Berlin 1949 Mit einem Vorwort von Werner Finck Faust Der Tragodie dritter Theil 2 umgearbeitete und vermehrte Auflage Hrsg von Fritz Martini Reclam Stuttgart 1978 ISBN 3 15 006208 XLiteratur BearbeitenFrapan Ilse Vischer Erinnerungen Ausserungen und Worte Ein Beitrag zur Biographie Fr Th Vischer Stuttgart Goschen 1889 S 53 91 Klaiber Theodor Friedrich Theodor Vischer Eine Darstellung seiner Personlichkeit und eine Auswahl aus seinen Werken Stuttgart Strecker amp Schroder 1920 S 90 96 Postma Heiko Gute Nacht Goethe Friedrich Theodor Vischer und sein Faust III Hannover jmb 2001 ISBN 978 3 940970 34 3 Reck Alexander Friedrich Theodor Vischer Parodien auf Goethes Faust Universitatsverlag Winter Heidelberg 2007 ISBN 3 8253 5236 6 Verweyen Theodor Witting Gunther Die Parodie in der neueren deutschen Literatur Eine systematische Einfuhrung Wissenschaftl Buchgesellschaft Darmstadt 1979 ISBN 3 534 07075 5 Vischer Friedrich Theodor Kritische Bemerkungen uber den ersten Theil von Gothe s Faust Darmstadt Wissenschaftl Buchges 1974 S 192 214 Vischer Friedrich Theodor Kritische Gange 1 u 2 Bd Hrsg von Robert Vischer 2 verm Aufl Leipzig Vlg d Weissen Bucher 1914 Vischer Friedrich Theodor Goethes Faust 3 Aufl mit einem Anhang von Hugo Falkenheim Stuttgart u a Cotta 1921 Volkelt Johannes Vischers Faust in Beilage zur Allg Zeitung Nr 142 S 2089 2090 und Nr 146 S 2145 2146 Munchen Cotta 23 u 27 Mai 1886 Wende Waltraud Goethe Parodien Zur Wirkungsgeschichte eines Klassikers Stuttgart M amp P Verlag fur Wissenschaft und Forschung 1995 ISBN 3 476 45138 0Weblinks BearbeitenFaust Der Tragodie dritter Teil im Projekt Gutenberg DE Faust Der Tragodie dritter Teil bei Zeno org Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Faust Der Tragodie dritter Teil amp oldid 228675995