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Das Eisenacher Regulativ ist ein Vorschriftenkatalog zur Gestaltung von evangelischen Kirchenbauten in Deutschland mit dem eine grundsatzliche Normung der Kirchenbauten im 19 Jahrhundert angestrebt wurde Es wurde 1861 publiziert und loste damit das Dresdner Regulativ von 1856 ab Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Auszug aus den Empfehlungen 3 Beispiele 4 Siehe auch 5 Weblinks 6 Literatur 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDas Eisenacher Regulativ wurde 1861 auf der Eisenacher Kirchenkonferenz 30 Mai bis 5 Juni 1861 unter der Beteiligung und Mitsprache von namhaften Bauraten Geheimer Oberbaurat Friedrich August Stuler aus Berlin Oberbaurat Christian Friedrich von Leins aus Stuttgart und Baurat Conrad Wilhelm Hase aus Hannover in Eisenach beschlossen Die grundlegenden theologischen Impulse gingen vor allem von Theodor Kliefoth aus In 16 Vorschriften wurden in diesem Regulativ in Anlehnung an mittelalterliche Baustile bindende Ausfuhrungsregeln empfohlen z B eine Ostung der Kirche sowie ein kreuzformiger Grundriss mit ausgepragtem Langhaus Da von vorhandenen Kirchen keine Umgestaltung verlangt wurde konnte das historisch gewachsene Gesamtbild des Kirchenbaus erhalten bleiben Die Neugotik trat ihren Siegeszug an Das Eisenacher Regulativ hatte etwa 30 Jahre lang Gultigkeit und pragte die Kirchenneubauten vor allem der lutherischen Landeskirchen bis es durch das 1890 von Pfarrer Emil Veesenmeyer erstellte und vom Berliner Architekten Johannes Otzen 1892 zum ersten Mal an der Wiesbadener Ringkirche umgesetzte Wiesbadener Programm abgelost wurde Hierauf ging die Kirchenobrigkeit jedoch zunachst nicht ein Erst mit dem zweiten Kirchenbaukongress in Dresden 1906 kam es zu einer freieren Architektur im evangelischen Kirchenbau Die Vorschriften des Eisenacher Regulativs blieben noch bis 1908 wirksam 1 Auszug aus den Empfehlungen BearbeitenIn den Klammern sind die Nummern der Thesen des Wiesbadener Programms angegeben 2 Jede Kirche sollte nach alter Sitte orientiert d h so angelegt werden dass ihr Altarraum gegen den Sonnenaufgang liegt Die dem evangelischen Gottesdienst angemessenste Grundform ist ein langliches Viereck Die Wurde des christlichen Kirchenbaues fordert Anschluss an einen der geschichtlich entwickelten christlichen Baustile und empfiehlt in der Grundform des langlichen Vierecks neben der altchristlichen Basilika und der sogenannten romanischen vorgotischen Bauart vorzugsweise den sogenannten germanischen gotischen Styl Die Wahl des Bausystems fur den einzelnen Fall sollte aber nicht sowohl dem individuellen Kunstgeschmack der Bauenden als dem vorwiegenden Charakter der jeweiligen Bauweise der Landesgegend folgen Auch sollten vorhandene brauchbare Reste alterer Kirchengebaude sorgfaltig erhalten und maassgebend benutzt werden Ebenso mussen die einzelnen Bestandtheile des Bauwesens in seiner inneren Einrichtung von dem Altar und seinen Gefassen bis herab zum Gestuhl und Gerathe namentlich auch die Orgel dem Stil der Kirche entsprechen 1 Der Kirchenbau verlangt dauerhaftes Material und solide Herstellung ohne tauschenden Bewurf oder Anstrich Wenn fur den Innenbau die Holzconstruktion gewahlt wird welche der Akustik besonders in der Uberdachung gunstig ist so darf sie nicht den Schein eines Steinbaues annehmen Der Altarraum ist jedenfalls massiv einzuwolben Der Haupteingang der Kirche steht am angemessensten in der Mitte der westlichen Schmalseite so dass von ihm bis nach dem Altar sich die Langenaxe der Kirche erstreckt Ein Thurm sollte nirgends fehlen wo die Mittel irgend ausreichen und wo es daran dermalen fehlt sollte Fursorge getroffen werden dass er spater zur Ausfuhrung komme Zu wunschen ist dass derselbe in einer organischen Verbindung mit der Kirche stehe und zwar der Regel nach uber dem westlichen Haupteingange zu ihr Der Altarraum Chor ist um mehrere Stufen uber den Boden des Kirchenschiffes zu erhohen Er ist gross genug wenn er allseitig um den Altar den fur die gottesdienstlichen Handlungen erforderlichen Raum gewahrt Anderes Gestuhl als etwa fur die Geistlichen und den Gemeindevorstand und wo der Gebrauch es mit sich bringt der Beichtstuhl gehort nicht dorthin Auch durfen keine Schranken den Altarraum von dem Kirchenschiffe trennen 2 Der Altar mag je nach liturgischem und akustischem Bedurfnis mehr nach vorne oder ruckwarts zwischen Chorbogen und Hinterwand darf aber nie unmittelbar ohne Zwischendurchgang vor der Hinterwand des Chors aufgestellt werden Eine Stufe hoher als der Chorboden muss er Schranken auch eine Vorrichtung zum Knien fur die Confirmanden Communikanten Kopulanden usw haben Den Altar hat als solchen soweit nicht confessionelle Grunde entgegenstehen ein Crucifix zu bezeichnen und wenn uber dem Altartische sich ein architektonischer Aufsatz erhebt so hat das etwa damit verbundene Bildwerk Relief oder Gemalde stets nur eine der Hauptthatsachen des Heils darzustellen 3 Der Taufstein kann in der innerhalb der Umfassungswande der Kirche befindlichen Vorhalle des Hauptportals oder in einer daranstossenden Kapelle sodann auch in einer eigens dazu hergerichteten Kapelle neben dem Chor stehen Da wo die Taufen vor versammelter Gemeinde vollzogen werden ist seine geeignetste Stellung vor dem Auftritt in den Altarraum Er darf nicht ersetzt werden durch einen tragbaren Tisch Die Kanzel darf weder vor noch hinter oder uber dem Altar noch uberhaupt im Chore stehen Ihre richtige Stellung ist da wo Chor und Schiff zusammenstossen an einem Pfeiler des Chorbogens nach aussen dem Schiffe zu in mehrschiffigen grossen Kirchen an einem der ostlicheren Pfeiler des Mittelschiffs 4 Die Orgel bei welcher auch der Vorsanger mit dem Sangerchor seinen Platz haben muss findet ihren naturlichen Ort dem Altar gegenuber am Westende der Kirche auf einer Empore uber dem Haupteingang dessen perspektivischer Blick auf Schiff und Chor jedoch nicht durch das Emporengebalke beeintrachtigt werden darf 4 Wo Beicht oder Lehrstuhl Lesepult sich findet da gehort jener in den Chor 7 dieser entweder vor den Altar auf eine der Stufen die aus dem Schiffe zum Chor emporfuhren doch so dass der Blick der Gemeinde nach dem Altar nicht verhindert werde oder an einen Pfeiler des Chorbogens um fur den Zweck der Katechese Bibelstunde u dgl vor den Altar hingeruckt zu werden Emporen ausser der westlichen 11 mussen wo sie unvermeidlich sind an den beiden Langseiten der Kirche so angebracht werden dass sie den freien Uberblick der Kirche nicht storen Auf keinen Fall durfen sie sich in den Chor hineinziehen Die Sitze der Gemeinde Kirchenstuhle sind moglichst so zu beschaffen dass von ihnen aus Altar und Kanzel zugleich wahrend des ganzen Gottesdienstes gesehen werden konnen Vor den Stufen des Chors ist angemessener Raum frei zu lassen Auch ist je nach dem gottesdienstlichen Bedurfnis ein breiter Gang mitten durch das Gestuhl des Schiffes nach dem Haupteingange zu oder wo kein solches Bedurfnis vorliegt sind 2 Gange von angemessener Breite an den Pfeilern des Mittelschiffes oder an den Tragern der Emporen hin anzulegen Die Basen der Pfeiler sollen nicht durch Gestuhl eingefasst werden Die Kirche bedarf einer Sakristei nicht als Einbau sondern als Anbau neben dem Chor geraumig hell trocken heizbar von kirchenwurdiger Anlage und Ausstattung Vorstehende Grundsatze fur den evangelischen Kirchenbau sind von den kirchlichen Behorden auf jeder Stufe geltend zu machen den Bauherren rechtzeitig zur Kenntnis zu bringen und der kirchenregimentlichen Prufung beziehungsweise Berichtigung welcher samtliche Baurisse unterstellt werden mussen zugrunde zu legen Beispiele Bearbeiten1859 1864 Christuskirche in Hannover 1863 1869 Paulskirche in Schwerin 1861 1864 Heilig Geist Kirche in Menden Sauerland 1865 1866 Maria Magdalenen Kirche in Elmschenhagen 1867 1869 Grosse Kirche in Dortmund Aplerbeck 1871 1872 Friedenskirche in Steele 1878 1880 Presbyterkirche in Kalk 1880 1882 St Johannis in Hamburg 1884 1888 Evangelische Stadtkirche in Wanfried 189400000 Kreuzkirche in Senne II 1896 1897 Dankeskirche in Holtenau 1902 1903 Nathanael Kirche in Berlin SteglitzSiehe auch BearbeitenWiesbadener ProgrammWeblinks BearbeitenFriedrich August Stuler Christian Friedrich von Leins Conrad Wilhelm Hase Das Eisenacher Regulativ Regeln fur den evangelischen Kirchenbau beschlossen 1861 auf der Kirchenkonferenz in Eisenach In glass portal homepage t online de Evangelisch lutherische St Johannis Pauli Kirche Niedersachswerfen abgerufen am 29 Juli 2019 vollstandige Textfassung Julia Ricker Konzepte des protestantischen Kirchenbaus Profan oder sakral In Monumente Online Februar 2017 abgerufen am 30 September 2019 Literatur BearbeitenPaul Kaiser Das sogenannte Eisenacher Regulativ von 1861 Ein kirchenrechtliches Phantom In Klaus Raschzok Reiner Sorries Hrsg Geschichte des protestantischen Kirchenbaues Festschrift fur Peter Poscharsky zum 60 Geburtstag Junge Erlangen 1994 ISBN 3 87388 025 3 S 115 118 Stephan Dedring Olaf Noller Hrsg Evangelische Hauptkirche zu Rheydt 1902 2002 Beitrage zur Geschichte und Bedeutung eines Hauptwerks des spaten Historismus im Rheinland Festschrift zum 100 Jahrestag der Einweihung am 2 Dezember 1902 Gemeindeamt der Evangelischen Kirchengemeinde Rheydt Monchengladbach 2002 ISBN 3 00 010531 X darin die Artikel Johannes Otzens opus ultimum und Die Modernitat ruckwartsgewandten Bauens Helmut Umbach Heilige Raume Pforten des Himmels V amp R Unipress Gottingen 2005 ISBN 3 89971 240 4 S 270 ff Karen David Sirocko Georg Gottlob Ungewitter und die malerische Neugotik in Hessen Hamburg Hannover und Leipzig Michael Imhof Verlag Petersberg 1997 ISBN 3 932526 03 1 Einzelnachweise Bearbeiten Hans Holger Malcomess Die Entwicklung des protestantischen Kirchenbaus der Dresdner Architekturfirma Schilling und Graebner zwischen 1889 und 1917 pdf 925 kB Hauptseminar Kunstgeschichte Deutscher Kirchenbau im 20 Jahrhundert Sommersemester 2001 Seminarleiter Prof Dr Henrik Karge 30 September 2001 S 10 archiviert vom Original am 27 September 2009 abgerufen am 14 Oktober 2020 Friedrich August Stuler Christian Friedrich von Leins Conrad Wilhelm Hase Das Eisenacher Regulativ Regeln fur den evangelischen Kirchenbau beschlossen 1861 auf der Kirchenkonferenz in Eisenach In glass portal homepage t online de Evangelisch lutherische St Johannis Pauli Kirche Niedersachswerfen abgerufen am 29 Juli 2019 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eisenacher Regulativ amp oldid 238095903