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Die stadtische Welt ist ein Prosafragment aus Franz Kafkas Tagebuchern Jahrgang 1911 Ein saumiger Student versucht seinen skeptischen Vater und einen Freund davon zu uberzeugen dass er eine zundende Geschaftsidee habe ohne dass der Leser erfahrt worum es sich dabei handeln konnte Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung 2 Inhalt 3 Form 4 Textanalyse 5 Bezuge zu anderen Kafka Werken 6 Biografische Bezuge 7 Rezeption 8 Ausgaben 9 Sekundarliteratur 10 Einzelnachweise 11 WeblinksUrsprung BearbeitenDas Fragment erscheint in den Tagebuchaufzeichnungen zwischen den Eintragen vom 21 Februar und 26 Marz 1911 Es wurde postum 1994 im Rahmen der Tagebucher 1909 1912 1 veroffentlicht Das Stuck ist nicht in allen handelsublichen Kafka Ausgaben zu finden wird aber von aktuellen Biographen erwahnt 2 Inhalt BearbeitenDer altere Student Oskar ist auf dem winterlichen Nachhauseweg Er grubelt intensiv nach In der elterlichen Wohnung angekommen empfangt ihn der Vater wutend und uberschuttet ihn mit Vorwurfen wegen seines faulen Lebenswandels Der Sohn verteidigt sich und verweist auf eine besondere Idee die er habe die er noch naher bedenken musse und zu deren Realisation und Prasentation er auch seinen Freund benotigt In diesem Zuge erfahrt man dass Oskar seit zehn Jahren eine Dissertation vor sich herschiebt mit der er nicht zurande kommt Der Vater lasst sich resigniert auf Oskars Vorschlag ein will vor allem die Mutter schonen der man nichts erzahlen soll Oskar taucht unvermittelt bei seinem Freund Franz dem Ingenieur auf Dieser hat geschlafen weil er Nachtdienst hatte und er ist nicht bereit sofort auf Oskars intensives Drangen hin mitzukommen ohne den naheren Grund zu erfahren Schliesslich kleidet Franz sich an Das Fragment endet mit dem Ausruf Auf Dich kann man sich doch immer verlassen Form BearbeitenDie Erzahlperspektive ist unpersonlich und unbestimmt Es handelt sich uberwiegend um ungelenke Wechselreden sowohl zwischen Oskar und dem Vater im ersten Teil als auch Oskar und Franz im zweiten Teil Emotionen der Sprechenden werden nicht naher erlautert sondern durch Gesten illustriert Oskars Tanzdrehung zum Heimweg der Vater verdeckt in seiner ganzen Grosse ein Fenster Oskar drehte den Kopf als halte man ihn am Halse Ein Tisch der zwischen Vater und Sohn aufgebaut ist und hin und hergeruckt wird ist ein Nebenthema das die Distanz und gleichzeitige Fixierung ausdruckt Auch fur dieses Fragment gilt die Betonung des Optischen und die kinematographische Darstellung die zunehmend in Kafkas Werken gesehen wird 3 Eine grammatische Ausgestaltung des Original Fragmentes ist kaum erfolgt Die Interpunktion fehlt zum Teil Die Wechselreden sind nicht aus dem Text herausgehoben und oft erst auf den zweiten Blick der richtigen Person zuzuordnen Sowohl die Uberschrift als auch der letzte Satz des Stuckes sind nicht eindeutig Das Fragment enthalt nichts was mit einer stadtischen Welt zu tun hatte Beim letzten Satz ist nicht klar wer ihn sagt Wahrscheinlich Oskar vollig zwingend ist es nicht Textanalyse BearbeitenSchon im ersten Satz wird ein negatives Urteil uber Oskar gesprochen Wenn man ihn naher ansah erschrak man vor seinen Augen Kaum taucht der Vater auf bescheinigt er Oskar Faulheit Verschwendung Bosheit und Dummheit Das Gesprach zwischen Vater und Sohn wird beherrscht von gegenseitigen Vorwurfen massive Vorwurfe des Vaters subtilere des Sohnes Gleichzeitig sind Versuche der Annaherung erkennbar getragen von Resignation beim Vater und durchdrungen von Hoffnung beim Sohn Aber man bewegt sich nicht aufeinander zu kann sich verbal und inhaltlich nicht nahern Entsprechend ist auch der Gesprachsverlauf zerfahren und holzern Der Leser zweifelt daran dass selbst bei Offenlegung von Oskars toller Idee so er denn wirklich eine hat ein Einvernehmen mit dem Vater hergestellt werden kann Hier wird eine Familienfarce vorgefuhrt 4 Und hat der Vater nicht Recht mit seiner Einschatzung Ein Sohn der seit zehn Jahren zu promovieren versucht der zundende Geschaftsideen andeutet ohne sie naher zu erlautern der einen Freund dazu voraussetzt dessen Mitwissen oder gar Einverstandnis noch gar nicht vorliegt Auch beim Kontakt mit seinem Freund Franz verhalt sich Oskar unangebracht In der Wohnung des jungen Ingenieurs zeigt er eine infantile Rucksichtslosigkeit Oskar packt den eben Geweckten am Rock setzt ihn auf gibt dem Bett mit dem Fussabsatz einen Stoss und geht mit keinem Wort auf den Freund ein Von Franz wird dieses Verhalten mit lakonisch ironischen Ausserungen aber schliesslich mit Nachgeben erwidert Bezuge zu anderen Kafka Werken BearbeitenDieses Fragment von 1911 erscheint wie eine Vorubung zu dem ein Jahr spater entstandenen Stuck Das Urteil in beiden geht es um den Mythos patriarchaler Gewalt Auffallig dabei ist die enorme sprachliche Weiterentwicklung innerhalb dieses Jahres 5 Bezeichnend mag sein dass Oskar von seinem Freund dem Ingenieur Unterstutzung einfordert Der Ingenieur tritt bei Kafka mehrfach als Vertreter eines Berufes auf der schwer zu erlangen ist und sich durch intensives hochwertiges Arbeiten auszeichnet Siehe Der Verschollene Ein Besuch im Bergwerk Es fallt auf dass Kafka dem Ingenieur seinen eigenen Vornamen gibt Eine gewisse Beziehung besteht auch zu dem wahrscheinlich 1914 entstandenen postum veroffentlichten Stuck Ein junger ehrgeiziger Student Auch dort will ein Student der kargen Muhsal seines Studentenlebens entkommen indem er eine besondere Pferdedressuridee entwickelt Aber dieses Stuck beschreibt einen aktiv planenden jungen Mann mit einsamer Entschlossenheit Biografische Bezuge BearbeitenDas Jahr 1911 war fur Kafka u a davon gepragt dass er neben seiner Berufstatigkeit bei der Arbeiter Unfall Versicherungs Anstalt zusammen mit seinem Schwager auf Drangen seiner Eltern Teilhaber an einer kleinen Asbestfabrik wurde Weitergehenden Pflichten zur Fuhrung des Unternehmens entzog er sich zum Leidwesen seines Vaters was bei Kafka ein entsprechendes schlechtes Gewissen erzeugte 6 Im Spatsommer 1911 unternahm Kafka mit seinem Freund Max Brod eine Reise nach Luzern Unter dem Eindruck des Schweizer Tourismus entstand bei den Freunden die Vorstellung einen besonderen Reisefuhrer fur kostengunstigste Angebote mit dem Titel Billig zu kreieren Er wurde zwar nie realisiert Aufzeichnungen dazu in einem Schweizer Hotel angefertigt zeigen aber die Grundzuge des Vorhabens Ein Millionenunternehmen Billig durch Italien Billig durch die Schweiz Billig in Paris In alle Sprachen ubersetzbar Motto Nur Mut 7 Der Reisefuhrer sollte sie zu Millionaren machen und sie der scheusslichen Amtsarbeit entreissen 8 Kafka selbst war zu Beginn seines Studiums unentschlossen und hat verschiedene Studienrichtungen ausprobiert Chemie Germanistik Nachdem er sich allerdings zum Jurastudium durchgerungen hatte hat er dieses zwar mit Muhe aber relativ zugig absolviert und 1906 mit Promotion abgeschlossen 9 Rezeption BearbeitenReiner Stach Die Jahre der Entscheidungen S 30 Die stadtische Welt begonnen im Fruhjahr 1911 und abgebrochen nach wenigen Seiten eine Erzahlung in der ein polternder Vater auftritt dessen Gestalt ein ganzes Fenster verdeckt und ein windiger Sohn ein Schwadroneur der ein Lotterleben fuhrt nein es ware nur schwer zu ertragen gewesen ausgerechnet jetzt inmitten des Gezanks um die Asbestfabrik sich in derartigen Phantasien des Untergangs zu ergehen Reiner Stach Die fruhen Jahre S 472 Der vielversprechende Einfall eine windige Figur die im Leben noch keinen Halt gefunden hat an einem vitalen ubermachtigen Vater scheitern zu lassen ist bereits bildhaft gegenwartig Doch da die Idee noch Vorrang vor dem Bild hat bleiben beim ersten Versuch der literarischen Gestaltung die Figuren blass und die ungeschickt eingefadelte Handlung verliert sich in Andeutungen Die Stadtische Welt heisst das Fragment das zu den sehr wenigen schwachen Texten Kafkas gehort Ausgaben BearbeitenFranz Kafka Die Erzahlungen Originalfassung herausgegeben von Roger Herms Fischer Verlag Frankfurt am Main 1996 ISBN 3 596 13270 3 Franz Kafka Tagebucher Herausgegeben von Hans Gerd Koch Michael Muller und Malcolm Pasley Fischer Frankfurt am Main 1990 S 151 158 Sekundarliteratur BearbeitenPeter Andre Alt Franz Kafka Der ewige Sohn Eine Biographie C H Beck Munchen 2005 ISBN 3 406 53441 4 Peter Andre Alt Kafka und der Film C H Beck Munchen 2009 ISBN 978 3 406 58748 1 Monika Ritzer Das Urteil In Manfred Engel Bernd Auerochs Hrsg Kafka Handbuch Leben Werk Wirkung Metzler Stuttgart Weimar 2010 ISBN 978 3 476 02167 0 S 152 163 besonders S 152 f Reiner Stach Kafka Die Jahre der Entscheidungen S Fischer Verlag Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 596 16187 8 Reiner Stach Ist das Kafka 99 Fundstucke S Fischer Verlag Frankfurt am Main 2012 ISBN 978 3 596 19106 2 Reiner Stach Kafka Die fruhen Jahre S Fischer Verlag Frankfurt am Main 2014 ISBN 978 3 10 075130 0 Einzelnachweise Bearbeiten herausgegeben von Hans Gerd Koch Fischer Taschenbuch Hinweis siehe auch Franz Kafka Die Erzahlungen Originalfassung Fischer Verlag 1997 Roger Herms ISBN 3 596 13270 3 S 548 554 Reiner Stach Kafka Die Jahre der Entscheidungen S Fischer Verlag 2004 ISBN 3 596 16187 8 S 30 197 206 Peter Andre Alt Kafka und der Film Beck Verlag 2009 ISBN 978 3 406 58748 1 Reiner Stach Kafka Die Jahre der Entscheidungen S 206 Reiner Stach Kafka Die Jahre der Entscheidungen S 197 Reiner Stach Kafka Die Jahre der Entscheidungen S 24 ff Reiner Stach Ist das Kafka S 184 Peter Andre Alt Franz Kafka Der ewige Sohn S 200 Peter Andre Alt Franz Kafka Der ewige Sohn S 97 ff Weblinks BearbeitenDie stadtische Welt im Projekt Gutenberg DE Tagebuchaufzeichnungen vom 21 Februar 1911 aus Der Sundenfallmythos bei Franz Kafka Konigshausen amp NeumannWerke von Franz Kafka Zu Lebzeiten veroffentlicht Ein Damenbrevier Gesprach mit dem Beter Gesprach mit dem Betrunkenen Die Aeroplane in Brescia Richard und Samuel Grosser Larm Betrachtung Das Urteil Der Heizer Die Verwandlung Vor dem Gesetz Der Mord Ein Brudermord In der Strafkolonie Ein Landarzt Der Kubelreiter Josefine die Sangerin oder Das Volk der Mause Ein HungerkunstlerPostum veroffentlicht Auswahl Bilder von der Verteidigung eines Hofes Beschreibung eines Kampfes Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande Kleine Seele Der kleine Ruinenbewohner Unter meinen Mitschulern Skizze zur Einleitung fur Richard und Samuel Die stadtische Welt Ein junger ehrgeiziger Student Einleitungsvortrag uber Jargon Erinnerungen an die Kaldabahn Der Dorfschullehrer Blumfeld ein alterer Junggeselle Der Gruftwachter Die Brucke Eine Kreuzung Der Schlag ans Hoftor Der Jager Gracchus Beim Bau der Chinesischen Mauer Eine alltagliche Verwirrung Der Nachbar Vom judischen Theater Die Prufung Der Geier Prometheus Die Zurauer Aphorismen Brief an den Vater Der grosse Schwimmer Unser Stadtchen liegt Heimkehr Zur Frage der Gesetze Die Wahrheit uber Sancho Pansa Das Stadtwappen Der Steuermann Kleine Fabel In unserer Synagoge Das Schweigen der Sirenen Poseidon Die Truppenaushebung Forschungen eines Hundes Das Ehepaar Fursprecher 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