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Die Falschmunzer frz Les Faux Monnayeurs ist ein Roman von Andre Gide und erschien 1925 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Haupthandlungsstrang 1 2 Nebenschauplatze des Romans und deren Handlungsstrange 2 Interpretation 2 1 Erzahltechnik 2 2 Falschmunzerei 2 3 Theodizee 2 4 Autobiographisches 3 Entstehungsgeschichte 4 Wirkungsgeschichte 5 Erstubersetzung von Ferdinand Hardekopf 6 Besonderheiten 7 Literatur 8 Einzelnachweise 9 Siehe auchInhalt BearbeitenHaupthandlungsstrang Bearbeiten Protagonisten des einige Sommer und Herbstmonate umfassenden Haupthandlungsstrangs sind zwei halbwuchsige Jungen und ein Mann von 38 Jahren Bernard Profitendieu ein 17 oder 18 Jahre alter Pariser Gymnasiast entdeckt kurz vor dem Abitur dass er das Produkt einer Beziehung zwischen seiner Mutter und einem fluchtigen Liebhaber ist Hierdurch fuhlt er sich bestatigt in seiner ihm bisher unerklarlichen Distanz gegenuber seinem vermeintlichen Vater und den beiden vermeintlichen Brudern Er beschliesst von zu Hause auszureissen da er aber nicht weiss wo er die erste Nacht verbringen soll schlupft er bei seinem Klassenkameraden und Freund Olivier Molinier unter einem angstlichen Jungen dem es an Zuwendung fehlt Diese sucht er bei seinen engsten Freunden sowie bei seinem Onkel Edouard mit dem ihn eine gegenseitige Liebe verbindet der aber keiner von beiden so recht Ausdruck zu verleihen vermag Bernard jedoch wird infolge eines zufalligen Zusammentreffens von dem als Schriftsteller tatigen Edouard als Sekretar angestellt und reist mit ihm in die Berge von Saas Fee Aus Enttauschung und Eifersucht lasst sich Olivier daraufhin mit dem Grafen Passavant ein einem reichen snobistischen und homosexuellen Modeschriftsteller der zu Zynismus und Manipulation neigt und die Gefuhlslage des Jungen fur sich auszunutzen weiss Infolge des schadlichen Einflusses des Grafen wird Olivier zunehmend bosartig brutal und abscheulich selbst gegenuber seinen besten Freunden Schliesslich wird er sich dessen bewusst und verfallt in tiefe Depression freilich ohne zu wissen wie er die Entwicklung wieder umkehren konnte Auf einem mondanen Abend betrinkt er sich und macht sich vor aller Welt lacherlich ehe er in deliriose Betaubung fallt Aufgegriffen wird er schliesslich von Onkel Edouard in dessen Armen er auch die Nacht verbringt Am anderen Morgen versucht Olivier sich umzubringen nicht etwa aus Verzweiflung sondern weil er glaubt ein solches Gluck wie in der vergangenen Nacht in seinem Leben niemals wieder geniessen zu konnen Schliesslich wird er von seinem Onkel gerettet dank der Wachsamkeit seiner Mutter die zwar die Beziehungen zwischen ihrem Bruder und ihrem Sohn ahnt sie aber auch nicht zerstoren will Nebenschauplatze des Romans und deren Handlungsstrange Bearbeiten Um diesen Haupthandlungsstrang herum gruppieren sich mehrere kleinere Geschichten Zu nennen ist Oliviers grosser Bruder Vincent der zunachst eine Liebschaft mit seiner entfernten Cousine Laura beginnt diese schwangert sich dann aber aus der Verantwortung stiehlt und sich Lady Lilian Griffith zuwendet der zynischen Freundin des Grafen Passavant Sein jungerer Bruder Georges wird indes infolge Manipulation durch den Grafen Passavant straffallig Oliviers von Enttauschung und Depression gezeichneter Freund Armand wendet sich in seinen Anschauungen und Ideen einem extremen Nihilismus zu und kommt am Ende mental in der Nahe des zynischen Grafen Passavant an Vielfach in Affaren verstrickt sind auch die Vater der beiden Gymnasiasten der Ermittlungsrichter Profitendieu sowie M Molinier Der alte Organist La Perouse sehnt sich danach seinen verschollenen Enkel Boris wiederzutreffen zeigt sich aber enttauscht als es endlich soweit ist Edouard und Bernard hatten das zerbrechliche Kind in einem Sanatorium in den Bergen aufgefunden und es nach Paris zuruckgebracht nicht zuletzt um Boris dem unheilvollen Einfluss seiner kranklichen Freundin Bronja zu entziehen aber auch um ihn von seiner Gewohnheit der gemeinsamen Masturbation mit Freunden abzubringen Allein verzweifelt und von allen verlassen auch von Edouard der sich eigentlich geschworen hatte sich um Boris zu kummern von Georges und seinen Kameraden misshandelt wird Boris im letzten Kapitel Opfer eines Komplotts Im Rahmen einer Mutprobe erschiesst er sich mit der vermeintlich nicht geladenen Pistole seines Grossvaters Im Ubrigen nimmt der Roman letztlich auf sich selbst Bezug schreibt doch Onkel Edouard als Schriftsteller an einem Werk das ebenfalls den Titel Die Falschmunzer tragt Interpretation BearbeitenErzahltechnik Bearbeiten Der sorgfaltig konstruierte Roman bricht insofern mit der klassischen Erzahltradition als er nicht einem chronologischen Handlungsstrang folgt sondern eine Vielzahl von Geschichten kunstvoll ineinander verschrankt mehrfach die Erzahlperspektive wechselt und immer neue Bezuge zwischen den zahllosen handelnden Personen aufzeigt Neben den epischen Erzahler traditioneller Pragung treten Auszuge aus Edouards Tagebuch Briefe zwischen den Beteiligten und sogar ein Kapitel in dem der Autor seine Personen kritisiert 2 Teil Kapitel VII Abgerundet wird das Ganze durch eingestreute Zitate etwa von La Rochefoucauld Flaubert Pascal oder Fenelon Anhand der Figur des Schriftstellers Edouard zeigt Gide die Grenzen der Erzahlbarkeit eines Romans auf die Schwierigkeiten beim Abbilden der realen Welt in den Formen eines fiktionalen Werks Die Falschmunzer wird daher auch als einer der wegweisenden Romane des 20 Jahrhunderts betrachtet als Vorlaufer zukunftiger literarischer Bewegungen wie etwa des Nouveau Roman Falschmunzerei Bearbeiten Zentrales Motiv des Romans ist die Problematik der Unterscheidung von Echtem und Falschem von Aufrichtigkeit und ethischer oder intellektueller Falschmunzerei Romantitel und Motivfuhrung spielen dabei auf den beruhmten Falschmunzer Vergleich an den der Kirchenlehrer Thomas von Aquin anfuhrte um die Angemessenheit der Todesstrafe fur die Schuld der Haretiker zu begrunden Nahezu alle Personen des Romans sind in unterschiedlichem Masse davon betroffen Am offensichtlichsten tritt die Falschmunzerei etwa beim zynischen und egozentrischen Grafen Passavant zutage bei Profitendieu der sich falschlich als Bernards Vater ausgegeben hatte beim flatterhaften Vincent oder beim alten Herbergsvater Azais dessen christliche Pension ihr Attribut eher der Beachtung bestimmter ausserer Formen und Konventionen verdankt als einem Leben im Einklang mit dem Evangelium Aber auch Bernard und Olivier der kleine Georges Grossvater La Perouse Laura und selbst Edouard werden hin und wieder zu Falschmunzern der Moral der Gerechtigkeit oder der Gefuhle Teils geschieht dies bewusst teils unbewusst die Motive sind vielfaltig reichen von Eigenliebe Angst und Verwirrung bis zur Luge aus Hoflichkeit Und so gesteht Bernard schliesslich auch Laura fast alle Menschen die er kennengelernt habe klingen falsch Auf einer realen Ebene wird das Motiv in den Pensionatszoglingen um Oliviers Bruder Georges reflektiert die tatsachlich Falschgeld in Umlauf bringen Theodizee Bearbeiten Im dusteren letzten Kapitel mit dem sinnlosen Tod des Knaben Boris stellt sich schliesslich in voller Scharfe eine weitere moralische Frage Die nach der Theodizee dem Ursprung und Sinn des Bosen In einem langeren Monolog reflektiert der alte Perouse angesichts seines toten Enkels ob auf dieser Erde Gott immer schweigt ob der Mensch fur Gottes Stimme kein Organ habe ob des Teufels Dissonanzen Gottes Wort ubertonen oder ob am Ende gar Gott und Teufel im Einverstandnis handeln wenn nicht ein und dasselbe sind Autobiographisches Bearbeiten Ausweislich eines Tagebucheintrags von Gides Freund Claude Mauriac aus dem Jahr 1939 enthalt der Roman zahlreiche autobiographische Bezuge Alles was Gide mir anvertraute finde ich kaum abgewandelt hier wieder Es sind sehr oft sogar dieselben Ausdrucke wie ich sie aus seinem Munde horte In der Tat hat sich dem Autor Gide einem Wegbereiter der literarischen Moderne die Frage der Erzahlbarkeit eines Romans das Verhaltnis der Wirklichkeit zu ihrer Abbildung in ahnlicher Weise gestellt wie seinem Protagonisten Edouard Hinter den anderen Figuren werden Personen aus Gides Umfeld vermutet hinter Olivier etwa Marc Allegret hinter dem Grafen Passavant Jean Cocteau und fur Laura soll schliesslich Gides Cousine Madeleine Pate gestanden haben mit letzterer hat den Autor eine ahnliche verbotene Liebe verbunden wie die zwischen Laura und Vincent vgl Die enge Pforte Gleichwohl tragen diese Figuren wie auch viele andere im Roman einzelne Personlichkeitszuge Gides Mit zahlreichen Personen teilt ihr Autor schliesslich die homosexuelle Veranlagung ein zentrales Motiv nicht nur in den Falschmunzern sondern etwa auch im Immoralisten und anderen Werken des Autors sowie seinen theoretischen Schriften Entstehungsgeschichte BearbeitenDie Entstehungsgeschichte des Romans hat Gide im 1926 veroffentlichen Journal des Faux Monnayeurs dokumentiert das auch als Erganzung oder Weiterfuhrung des Romans auf einer hoheren Ebene verstanden werden kann Wirkungsgeschichte BearbeitenDie Falschmunzer wurde erstmals 1925 in der Nouvelle Revue Francaise veroffentlicht Die Resonanz war zunachst eher kuhl was unter anderem auch mit der freizugigen Darstellung von Homosexualitat zusammenhangen durfte Hans Blumenberg stellt seinem Buch Die Legitimitat der Neuzeit 1966 ein Zitat aus Die Falschmunzer voran Ins Deutsche wurde der Roman erstmals 1928 ubersetzt Erstubersetzung von Ferdinand Hardekopf BearbeitenDie erste Ubertragung des Romans ins Deutsche von Ferdinand Hardekopf erschien 1928 in der Deutschen Verlags Anstalt in Stuttgart Die Ubersetzung des in Frankreich lebenden deutschen Schriftstellers und Journalisten wurde in den Feuilletons als vorbildlich gefeiert So schrieb z B der Literaturkritiker Friedrich Sieburg am 21 Dezember 1927 in der Frankfurter Zeitung Hardekopf hat die klare und nuchterne Sprache des Buches auf die deutsche Sprachebene transponiert ohne auch nur eine ihrer geraden Linien zu verrucken Zwischen dem Zwang vollendetes Deutsch zu schreiben und dem Zwang das Franzosische des Buches zu bewahren hat der Ubersetzer einen Annaherungswert erreicht wie er selten jemandem gelungen ist 1 Zwischen Autor und Ubersetzer entwickelte sich in der Folgezeit eine uber das reine Arbeitsverhaltnis hinausgehende personliche Beziehung die auch wahrend der deutschen Besetzung Frankreichs anhielt als Gide sich erfolgreich fur den zeitweise internierten Nazi Gegner Hardekopf einsetzte Besonderheiten BearbeitenIn einer Party Szene lasst Gide den Schriftsteller Alfred Jarry auftreten Es wird Jarrys realer Name angefuhrt und es wird auch sein 1897 uraufgefuhrtes Stuck Konig Ubu erwahnt Andererseits bezieht sich eine Textstelle auf Marcel Duchamps Mona Lisa mit Schnurrbart von 1920 Die Handlung des Romans kann daher nicht eindeutig auf ein bestimmtes Jahr des fruhen 20 Jahrhunderts festgelegt werden Literatur BearbeitenAndre Gide Die Falschmunzer Roman Dtv Munchen 1991 ISBN 3 423 01749 X Claude Martin Andre Gide in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten Rowohlt Reinbek 2001 ISBN 3 499 50089 2 S 116 ff Hanspeter Plocher Andre Gide Les Faux Monnayeurs 1925 deutsch in Wolfgang Asholt Hrsg Interpretationen Franzosische Literatur 20 Jahrhundert Roman Stauffenburg Tubingen 2007 ISBN 978 3 86057 909 1Einzelnachweise Bearbeiten Zit nach Friedrich Sieburg Werkausgabe Zur Literatur 1924 1956 Hrsg von Fritz J Raddatz Deutsche Verlags Anstalt 1981 S 75 Siehe auch BearbeitenDie 100 Bucher des Jahrhunderts von Le Monde Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Die Falschmunzer amp oldid 228736143