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Der Begriff des Politischen ist eine Abhandlung die der deutsche Rechtswissenschaftler und politische Philosoph Carl Schmitt 1932 erstmals als Einzelpublikation zusammen mit einem Vortrag uber das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen veroffentlichte 1933 erfolgte eine dem Zeitgeist angepasste Neuauflage 1963 veroffentlichte Schmitt die Ausgabe von 1932 neu mit einem Vorwort und drei Corollarien 1 Schmitt arbeitet die Differenz der Kategorie des Politischen im Vergleich mit dem verbreiteten mehrdeutigen und unscharfen Politikbegriff heraus Das Unterscheidungsmerkmal sieht er in der antagonistischen Perspektive von Akteuren in ihrem zwischenstaatlichen oder innerstaatlichen offentlichen Verhaltnis Diese Blickweise betrachtet die Intensitat des Spannungsverhaltnisses in der polaren Dichotomie von Freundschaft und Feindschaft Politisch ist demnach was das Denken und Handeln unter dem Gesichtspunkt betrachtet ob es das eigene oder ein seinsmassig fremdes Denken und Handeln ist Das Fremde wird dabei als Gefahrdung der eigenen Identitat und Existenz wahrgenommen 2 3 Die hochste Intensitat ist an der Bereitschaft sichtbar einen Kombattanten des feindlichen Landes zu toten nur weil er Gegner ist Im Vortrag uber das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen gibt er seinem Politikverstandnis eine geistesgeschichtliche Grundlage In den Corollarien von 1963 werden Begriffe wie Neutralitat Krieg Feindschaft und Aspekte des Volkerrechts erortert Im selben Jahr aktualisierte Schmitt sein Verstandnis des Politischen in der Theorie des Partisanen Die Auffassungen Schmitts sind umstritten die Abhandlung wird jedoch als erster grundlegender Versuch einer Bestimmung des Politischen im deutschsprachigen Raum betrachtet Kaum ein anderes rechtswissenschaftliches Werk des 20 Jahrhunderts hat im deutschsprachigen Raum und daruber hinaus einen vergleichbaren Einfluss erlangt 4 5 Keine andere Schrift von Schmitts Gesamtwerkes hat laut Paul Noack so sehr polarisiert wie Der Begriff des Politischen 6 Die Reaktionen zu diesem Werk reichen bis zur Gegenwart weltweit von begeisterter Zustimmung bis hin zur Ablehnung als antiliberalem und autoritarem Denken Inhaltsverzeichnis 1 Textgeschichte 2 Inhalt 2 1 Der Begriff des Politischen 1932 2 2 Nachwort von 1929 2 3 Der Barcelona Vortrag 1929 1932 2 4 Corollarien 3 Rezeption 4 Zitate 5 Textausgaben 6 Literatur 7 EinzelnachweiseTextgeschichte BearbeitenMit dem Aufsatz Der Begriff des Politischen veroffentlichte Schmitt eine uberarbeitete und erweiterte Fassung seines gleichlautenden Artikels der 1927 im Heidelberger Archiv fur Sozialwissenschaft und Sozialpolitik erschienen war 7 Vor dieser Erstveroffentlichung hatte Schmitt im Mai 1927 einen Vortrag in einer Vorlesungsreihe zum Thema Probleme der Demokratie gehalten 8 Die Ausgabe von 1932 wurde durch einen Vortrag uber Das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen erganzt den Schmitt 1929 in Barcelona gehalten und 1930 erstmals publiziert hatte Die Ausgabe von 1932 enthielt auch ein kurzes Nachwort vom Oktober 1931 Weitere Auflagen erfolgten 1933 und 1938 diese enthielten Kurzungen und Umarbeitungen die dem Zeitgeist geschuldet waren 9 1963 publizierte Schmitt das Werk gemass dem unveranderten Text der ersten Auflage von 1932 neu erganzt durch ein Inhaltsverzeichnis drei Korollarien und ein ausfuhrliches Vorwort mit der Uberschrift Marz 1963 10 Bei den drei Corollarien handelt es sich um Schriften die Schmitt 1931 1940 und 1950 veroffentlicht hatte Ubersicht uber die verschiedenen Bedeutungen und Funktionen des Begriffes der innerpolitischen Neutralitat des Staates BP 97 101 Uber das Verhaltnis der Begriffe Krieg und Feind 11 1963 gab Schmitt auch die Theorie des Partisanen neu heraus und stellte schon im Untertitel eine Verbindung zur Begriffsschrift her Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen 12 Inhalt BearbeitenDer Begriff des Politischen 1932 BearbeitenDas erste Kapitel beginnt mit einer pragnanten Aussage Der Begriff des Staates setzt den Begriff des Politischen voraus Staat ist nach dem heutigen Sprachgebrauch der politische Status eines in territorialer Geschlossenheit organisierten Volkes S 20 13 Den Staat sieht Carl Schmitt also durch die drei Charakteristika gekennzeichnet territoriale Geschlossenheit organisiertes Volk und politischer Status Die entscheidende Grosse aller Definitionsversuche des im entscheidenden Falle massgebenden Zustands eines Volks ist das Politische als Voraussetzung des politischen Status Politisch bedeutet demnach nicht offentlich rechtlich oder staatlich da dies schon einen bestimmten Staat voraussetzt der von der Gesellschaft und damit von neutralen nichtstaatlichen Bereichen also Religion Kultur Recht Wirtschaft und Wissenschaft oder Bildung abgegrenzt ist Schmitt sieht im Gegensatz zum Liberalismus die Tendenz dass die Demokratie sich zum totalen Staat entwickeln muss der nichts absolut Unpolitisches mehr kennt der die Entpolitisierungen des 19 Jahrhunderts beseitigen muss und namentlich dem Axiom der staatsfreien unpolitischen Wirtschaft und des wirtschaftsfreien Staates ein Ende macht Das spezifische Unterscheidungsmerkmal fur alles Politische ist die Dichotomie Freund Feind Die spezifisch politische Unterscheidung auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zuruckfuhren lassen ist die Unterscheidung von Freund und Feind S 14 14 In Kapitel zwei unterscheidet Schmitt das Politische von Kunst Moral und Wirtschaft Alle drei Bereiche werden ebenso durch eine Dichotomie bestimmt schon hasslich gut bose rentabel unrentabel Das Politische kann seine Kraft aus den verschiedenen Bereichen menschlichen Lebens ziehen aus religiosen okonomischen moralischen und anderen Gegensatzen es bezeichnet kein eigenes Sachgebiet sondern nur den Intensitatsgrad einer Assoziation oder Dissoziation von Menschen deren Motive religioser nationaler im ethnischen oder kulturellen Sinne wirtschaftlicher oder anderer Art sein konnen und zu verschiedenen Zeiten verschiedene Verbindungen und Trennungen bewirken S 38 15 Dieses Merkmal ist eigenstandig lasst sich also nicht auf andere Eigenschaften zuruckfuhren kann diese aber politisch instrumentalisieren Feindschaft oder Freundschaft sind nach Schmitt der ausserste Intensitatsgrad einer Verbindung oder Trennung einer Assoziation oder Dissoziation Der politische Feind braucht nicht moralisch bose er braucht nicht asthetisch hasslich zu sein er muss nicht als wirtschaftlicher Konkurrent auftreten und es kann vielleicht sogar vorteilhaft scheinen mit ihm Geschafte zu machen Er ist eben der Andere der Fremde und es genugt zu seinem Wesen dass er in einem besonders intensiven Sinne existenziell etwas Anderes und Fremdes ist so dass im extremen Fall Konflikte mit ihm moglich sind die weder durch eine im Voraus getroffene generelle Normierung noch durch den Spruch eines unbeteiligten und daher unparteiischen Dritten entschieden werden konnen S 14 15 16 Der Massstab der Intensitat ist die Bereitschaft einen anderen Menschen nur weil er auf der Seite des Feindes steht zu toten Er spricht von der intensivsten Feindschaft als Kennzeichen des Politischen die darin bestehe dass man bereit sei fur seine Uberzeugungen und Ziele zu kampfen und gegebenenfalls auch den Gegner zu toten Krieg wird so als die ausserste Realisierung der Feindschaft verstanden Die Begriffe Freund Feind und Kampf erhalten ihren realen Sinn dadurch dass sie insbesondere auf die reale Moglichkeit der physischen Totung Bezug haben und behalten Der Krieg folgt aus der Feindschaft denn diese ist seinsmassige Negierung eines anderen Seins Krieg ist nur die ausserste Realisierung der Feindschaft S 20 Schmitt wollte diese Aussage nicht als Aufforderung oder Rechtfertigung fur Gewaltanwendung verstanden wissen sondern als Beschreibung eines grundlegenden Prinzips des politischen Denkens und Handelns Im dritten Kapitel wird der Begriff der Feindschaft differenziert betrachtet Es handelt sich beim politischen Feind nicht um den wirtschaftlichen Konkurrenten oder Diskussionsgegner auch nicht um einen privaten Feind lateinisch inimicus echtros sondern einen offentlichen hostis polemios der daher auch keine Hassgefuhle auf sich ziehen muss Schmitt sieht den politischen Gegensatz als intensivsten und aussersten Gegensatz jenseits von positiver oder negativer Wertung Damit wird jede konkrete Gegensatzlichkeit umso politischer je mehr sie sich dem aussersten Punkte der Freund Feindgruppierung nahert Auch innerhalb der Staatlichkeit bleibt das Politische immer in seinem antagonistischen Charakter bestehen dabei aber prinzipiell eingeschrankt und geschwacht und richtet sich auf einzelne Bereiche wie etwa die staatspolitische oder parteipolitische Bildungspolitik Alle politischen Begriffe haben damit einen polemischen Sinn dieser liegt auch Begriffen zugrunde die ihre negativen Gegenpol oft nicht mehr offenbaren Staat Republik Gesellschaft Klasse Souveranitat Rechtsstaat Absolutismus Diktatur neutraler oder totaler Staat Terminologische Fragen so Schmitt entwickelten sich also bei genauem Blick zu hochpolitischen Angelegenheiten ein Wort oder ein Ausdruck konne gleichzeitig Reflex Signal Erkennungszeichen und Waffe einer feindlichen Auseinandersetzung sein Umgekehrt konnten juristische Begriffe ihren wahren Charakter verschleiern etwa politische Zwangsinstrumente zu sein Der polemische Gebrauch bezieht das Wort politisch selbst mit ein wenn man seinem politischen Standpunkt beispielsweise durch Kennzeichnung als unpolitisch eine hohere Weihe geben mochte Anders als in der ublichen Parteipolitik gehort zum Begriff des Feindes die im Bereich des Realen liegende Eventualitat eines Kampfes Die Begriffe Freund Feind und Kampf beziehen sich auf die reale Moglichkeit der physischen Totung Krieg ist damit die ausserste Realisierung der Feindschaft Feindschaft wiederum die seinsmassige Negierung eines anderen Seins Auch prinzipielle Strebungen gegen den Krieg oder die Ablehnung des Kriegs aus anderen Motiven als politischen etwa moralischen konnen sich zu politischen Konflikten entwickeln wenn sie uber die Bekampfung des Gegners zur Feindschaft weitergehen Der Krieg spielt sich dann in der Form des jeweils endgultig letzten Krieges der Menschheit ab Solche Kriege sind notwendigerweise besonders intensive und unmenschliche Kriege weil sie uber das Politische hinausgehend den Feind gleichzeitig in moralischen und anderen Kategorien herabsetzen und zum unmenschlichen Scheusal machen mussen das nicht nur abgewehrt sondern definitiv vernichtet werden muss also nicht mehr nur ein in seine Grenzen zuruckzuweisender Feind ist S 24 In Kapitel vier geht Schmitt genauer auf die Verbindungsmoglichkeiten und Verschmelzungen des Politischen mit anderen Kategorien ein Sind die wirtschaftlichen kulturellen oder religiosen Gegenkrafte so stark dass sie die Entscheidung uber den Ernstfall von sich aus bestimmen so sind sie eben die neue Substanz der politischen Einheit geworden Sind sie nicht stark genug um einen gegen ihre Interessen und Prinzipien beschlossenen Krieg zu verhindern so zeigt sich dass sie den entscheidenden Punkt des Politischen nicht erreicht haben Dies zeigt Schmidt an der Gewerkschaftsbewegung an religiosen Bewegungen und am Klassenkampf auf Den Primat des Politischen auch in Fragen wo die Souveranitat des Staates eingeschrankt scheinen mag macht er am Beispiel des Kulturkampfes deutlich Aus dem Verstandnis des Politischen als Basis des Staates folgt fur Schmitt die Unvereinbarkeit mit der Vorstellung einer politischen Assoziation oder einer pluralen Ordnung Der Staat ist notwendig die Einheit einer Gemeinschaft Kapitel funf stellt das jus belli in den Mittelpunkt der Betrachtung des Staates ius in bello Kriegsvolkerrecht Zum Staat als einer wesentlich politischen Einheit gehort das jus belli d h die reale Moglichkeit im gegebenen Fall kraft eigener Entscheidung den Feind zu bestimmen und ihn zu bekampfen S 33 Der Staat fuhrt in seinem Innern eine vollstandige Befriedung herbei stellt Ruhe Sicherheit und Ordnung her Dies ist die Voraussetzung dafur dass Rechtsnormen uberhaupt gelten konnen Daher mussen innere Feinde ausgeschaltet werden Kein okonomisches Interesse und keine moralische oder kulturelle Norm kann das Toten anderer Menschen und den Einsatz des eigenen Lebens rechtfertigen Die physische Vernichtung menschlichen Lebens lasst sich nur aus der seinsmassigen Behauptung der eigenen Existenzform gegenuber einer ebenso seinsmassigen Verneinung dieser Form rechtfertigen Ein Volk und Staat der der nicht mehr die Fahigkeit oder den Willen zu der Unterscheidung hat wer sein Freund oder Feind ist hort auf politisch zu existieren Ein Volk kann darauf auch nicht verzichten und mit der Welt verbrudern Es ware ferner ein Irrtum zu glauben ein einzelnes Volk konnte durch eine Freundschaftserklarung an alle Welt oder dadurch dass es sich freiwillig entwaffnet die Unterscheidung von Freund und Feind beseitigen Auf diese Weise wird die Welt nicht entpolitisiert und nicht in einen Zustand reiner Moralitat reiner Rechtlichkeit oder reiner Wirtschaftlichkeit versetzt Wenn ein Volk die Muhen und das Risiko der politischen Existenz furchtet so wird sich eben ein anderes Volk finden das ihm diese Muhen abnimmt indem es seinen Schutz gegen aussere Feinde und damit die politische Herrschaft ubernimmt der Schutzherr bestimmt dann den Feind kraft des ewigen Zusammenhangs von Schutz und Gehorsam S 40 In Kapitel sechs leitet Schmitt aus der Grundbegrifflichkeit die Unmoglichkeit eines Weltstaates und die Notwendigkeit einer Pluralitat von Staaten ab Er weist daraufhin dass ein Staat oder Staatenbund sich nicht der Menschheit verpflichten konne da Menschheit ein abstraktes Ideal sei das die politische Realitat nicht erreichen konne Die Menschheit konne keinen Feind haben da alle Menschen zu ihr gehorten niemand konnen ausgeschlossen werden Kriege im Namen der Menschheit hatten die versteckte Absicht dem Feind die Menschlichkeit abzusprechen Dies fuhre zu den unmenschlichsten Kriegen uberhaupt Schmitt geht von einem Menschenbild aus das er bei Hobbes und Machiavelli als realistisch betatigt findet Nur in einer Welt in der Menschen zum Bosen fahig sind ist Feindschaft und damit das Politische moglich und ein Staat notig Nachwort von 1929 Bearbeiten In seinem Nachwort beschreibt Schmitt den Charakter seiner Abhandlung zum Begriff des Politischen Sie solle ein unermessliches Problem eine res dura theoretisch encadrieren Er sieht in den einzelnen Satze Ausgangspunkt einer sachlichen Erorterung die wissenschaftlichen Besprechungen und Ubungen dienen sollen Er erwartet dass Richtungen und Gesichtspunkte entscheidend hervortreten Er sieht seit dem Vorjahr eine neue und lebhafte Erorterung des politischen Problems Der Barcelona Vortrag 1929 1932 Bearbeiten Schmitt hielt seinen Vortrag Die europaische Kultur in Zwischenstadien der Neutralisierung auf der Sechsten Jahreskonferenz der Internationalen Gesellschaft fur Kulturelle Zusammenarbeit vom 16 bis 20 Oktober 1929 in Barcelona 17 Thema der Konferenz war Kultur als gesellschaftliches Problem Sponsor war die spanische und katalonische Kulturunion in Barcelona 18 Fur den Vortrag als zweitem Teil der Begriffsschrift wahlte Schmitt den neuen Titel Das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen Im Mittelpunkt des Vortrags steht der Gedanke der Bewahrung des Wesens eines Volkes Dazu mussen die jeweils religiosen moralischen oder wirtschaftlichen Antagonismen in einen allgemeineren politischen Gegensatz verwandelt werden Als Gegenpol Mitteleuropas sieht Schmitt den Sozialismus und das Slawentum in Russland den sein Gewahrsmann Donoso Cortes schon im Jahre 1848 als das entscheidende Ereignis des 20 Jahrhunderts prophezeit habe Die Gegenwart von 1929 sieht er wie die Zeit nach 1815 von dem lahmenden und krampfhaften Gedanken einer aussen und innenpolitischen Legitimitat des Status quo bestimmt da grosse Kriege wie vor 1815 und 1918 die Volker fur lange Zeit in eine restaurative Phase versetzen hinter deren Fassade sich neue Entwicklungen vorbereiten die schliesslich durchbrachen Ist dann der Augenblick gekommen so verschwindet der legitimistische Vordergrund wie ein leeres Phantom S 67 Das zeitgenossische kommunistisch regierte Russland wird als der Kulminationspunkt der bisherigen europaischen Geschichte gesehen Es sei hier ein anti religioser technizistischer Staat entstanden der die Staatlichkeit zum Hohepunkt getrieben habe Im ersten Abschnitt skizziert Schmitt die geistesgeschichtliche Entwicklung der letzten vier Jahrhunderte die Eliten und Clercs wie auch die Bevolkerung des 16 Jahrhunderts war in ihren Zentralgedanken von der Theologie gepragt die des 17 von der Metaphysik des 18 vom Humanitar Moralischen die Eliten des 19 vom Okonomischen das 20 von der Technik und Technikglaubigkeit Dabei habe das Faktum gegolten dass in diesen vier Jahrhunderten europaischer Geschichte die fuhrenden Eliten wechselten dass die Evidenz ihrer Uberzeugungen und Argumente sich fortwahrend anderte ebenso wie der Inhalt ihrer geistigen Interessen das Prinzip ihres Handelns das Geheimnis ihrer politischen Erfolge und die Bereitwilligkeit grosser Massen sich von bestimmten Suggestionen beeindrucken zu lassen S 67 68 Das rationalistische 18 Jahrhundert vulgarisierte die Ideen des 17 Das 19 verband Romantik und Okonomie insofern die Asthetisierung den Weg zur Okonomisierung bereitete Denn der Weg vom Metaphysischen und Moralischen zum okonomischen geht uber das Asthetische und der Weg uber den noch so sublimen asthetischen Konsum und Genuss ist der sicherste und bequemste Weg zur allgemeinen Okonomisierung des geistigen Lebens und zu einer Geistesverfassung die in Produktion und Konsum die zentralen Kategorien menschlichen Daseins findet S 70 Im Verlauf der Geistesgeschichte wandelte sich die Bedeutung aller kulturellen Begriffe Der Staat wie die Politik sind in jeder Epoche auch von den Zentralgedanken bestimmt Nur der liberale Staat des 19 Jahrhunderts stellte sich paradoxerweise als neutralen und agnostischen Staat dar Die Bereiche die aus dem Fokus geraten werden im Laufe der Entwicklung des Staates neutralisiert minimalisiert und privatisiert Der Prozess fortwahrender Neutralisierung ist mit der Technik an seinem Ende angelangt Trotz der Hoffnungen die in ihre rein sachliche Orientierung gesteckt wurden kann auch die Technisierung das Politische nicht endgultig neutralisieren Denn die Technik kann nichts tun als den Frieden oder den Krieg steigern sie ist zu beidem in gleicher Weise bereit und der Name und die Beschworung des Friedens andert nichts daran S 81 Corollarien Bearbeiten Das erste Corollarium mit den Titel Ubersicht uber die verschiedenen Bedeutungen und Funktionen des Begriffes der innerpolitischen Neutralitat des Staates entstand 1931 Das zweite Corollarium Uber das Verhaltnis der Begriffe Krieg und Feind entstand 1938 gedruckt wurde die Schrift 1940 Das dritte Corollarium Ubersicht uber nicht staatsbezogene Moglichkeiten und Elemente des Volkerrechts stammt aus der Monografie Der Nomos der Erde im Volkerrecht Das Corollarium 1 klart den Begriff der Neutralitat Schmitt unterscheidet vier negative Bedeutungen im seiner Meinung nach unpolitischen liberalen Neutralitats Verstandnis das politische Entscheidungen scheinbar vermeidet passive Toleranz technisches Mittel Chancengleichheit und Paritatund vier positive die eine Entscheidung herbeifuhren richterliche Neutralitat Neutralitat im Sinne der Objektivitat und Sachlichkeit auf der Grundlage einer anerkannten Norm gutachterliche Neutralitat Neutralitat auf der Grundlage einer nichtegoistisch interessierten Sachkunde innenpolitische Neutralitat gegenuber Partikularinteressen einer die gegensatzlichen Gruppierungen umfassenden daher alle diese Gegensatzlichkeiten in sich relativierenden Einheit und Ganzheit aussenpolitische Neutralitat des Schutzherrn des aussenstehenden Fremden der als Dritter von aussen her notigenfalls die Entscheidung und damit eine Einheit bewirkt Das Corollarium 2 klart in sechs Abschnitten die Begriffe Feind und Krieg Durch den Ersten Weltkrieg ist erstmals eine totale Feindschaft entstanden in der der Feind zum Verbrecher gemacht wurde Das Genfer Volkerrechtssystem konne jeden beliebigen Gegner in ahnlicher Form kriminalisieren Feind als Wort wird von Fehde abgeleitet die neueren Begriffe werden als privatisierend und entpolitisierend kritisiert Gegnerschaft Der vierte und langste Abschnitt analysiert die moderne Gemengelage von Frieden und Krieg in der beide Zustande nicht mehr getrennt werden konnen Ursachen liegen fur ihn in den Friedens diktaten im Volkerbund und in der Ausdehnung des Krieges und der Feindschaft auf nichtmilitarische Bereiche Wirtschaft Medien Der vorletzte Abschnitt ist diesem das Nichtmilitarische umfassenden totalen Krieg gewidmet Die Totalisierung besteht hier darin dass auch aussermilitarische Sachgebiete Wirtschaft Propaganda psychische und moralische Energien der Nichtkombattanten in die feindliche Auseinandersetzung einbezogen werden Der Schritt uber das rein Militarische hinaus bringt nicht nur eine quantitative Ausweitung sondern auch eine qualitative Steigerung Daher bedeutet er keine Milderung sondern eine Intensivierung der Feindschaft Mit der blossen Moglichkeit einer solchen Steigerung der Intensitat werden dann auch die Begriffe Freund und Feind von selbst wieder politisch und befreien sich auch dort wo ihr politischer Charakter vollig verblasst war aus der Sphare privater und psychologischer Redensarten S 92 19 Der letzte Abschnitt behandelt Neutralitat im volkerrechtlichen Sinne Sie kann als Gleichgewicht der Macht von Neutralen und Kriegfuhrenden auftreten als Neutralitat der machtunterlegenen Seite der machtuberlegenen Seite oder als volle Beziehungslosigkeit Das Corollarium 3 betrifft die Formen des Volkerrechts Schmitt unterscheidet das ius inter gentes darunter zwischen volkisches zwischen stadtisches zwischen staatliches Recht und das Recht zwischen jeglichen Autoritaten und weltlichen Machten sowie ein Recht zwischen Grossmachten mit einer uber das Staatsgebiet hinausreichenden Raumhoheit Rezeption BearbeitenReinhard Mehring sieht in Schmitts Begriffsschrift in ihren verschiedenen Fassungen ein grundlegendes Zentrum und eine Summe seines Werks 20 Zitate BearbeitenDie spezifische Unterscheidung auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zuruckfuhren lassen ist die Unterscheidung von Freund und Feind S 14 21 Politisches Denken und politischer Instinkt bewahren sich theoretisch und praktisch an der Fahigkeit Freund und Feind zu unterscheiden Die Hohepunkte der grossen Politik sind zugleich die Augenblicke in denen der Feind in konkreter Deutlichkeit als Feind erkannt wird S 54 21 Eine Welt in der die Moglichkeit eines solchen Kampfes restlos beseitigt und verschwunden ist ein endgultig pazifizierter Erdball ware eine Welt ohne die Unterscheidung von Freund und Feind und infolgedessen eine Welt ohne Politik S 32 21 Textausgaben BearbeitenCarl Schmitt Der Begriff des Politischen 1 Auflage Berlin Duncker amp Humblot 1932 Carl Schmitt Der Begriff des Politischen Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien 3 Auflage der Ausgabe von 1963 Berlin Duncker amp Humblot 1991 6 Auflage Berlin 1996 Literatur BearbeitenVilmos Holczhauser Konsens und Konflikt Die Begriffe des Politischen bei Carl Schmitt Berlin 1990 ISBN 978 3 428 06844 9 Andreas Kalyvas Democracy and the Politics of the Extraordinary Max Weber Carl Schmitt and Hannah Arendt Cambridge University Press 2008 ISBN 978 0 521 70304 8 Rudiger Voigt Hrsg Freund Feind Denken Carl Schmitts Kategorie des Politischen Steiner Stuttgart 2011 Heinrich Meier Carl Schmitt Leo Strauss und Der Begriff des Politischen zu einem Dialog unter Abwesenden 3 durchgesehene und erweiterte Auflage Stuttgart Weimar 2013 ISBN 978 3 476 02467 1 Andreas Arndt Der Begriff des Politischen bei den politikwissenschaftlichen Klassikern des 20 Jahrhunderts In Dreier Horst und Willoweit Dietmar Hg Wissenschaft und Politik Steiner Stuttgart 2010 S 17 32 Einzelnachweise Bearbeiten Carl Schmitt Der Begriff des Politischen In Der Begriff des Politischen Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie Politik und Geistesgeschichte Heft 10 Duncker und Humblot Munchen Leipzig 1932 archive org abgerufen am 3 April 2023 Wiederaufgelegt Der Begriff des Politischen Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg 1933 Eine weitere Neuauflage erschien 1938 Herfried Munkler Marcus Llanque Politische Theorie und Ideengeschichte Lehr und Textbuch Walter de Gruyter GmbH amp Co KG 2014 ISBN 978 3 05 007253 1 google com abgerufen am 3 April 2023 Rudiger Voigt Freund Feind Denken Carl Schmitts Kategorie des Politischen Steiner 2011 ISBN 978 3 515 09877 9 google com abgerufen am 3 April 2023 Rudiger Voigt Denken in Widerspruchen Carl Schmitt wider den Zeitgeist Nomos Verlag 2021 ISBN 978 3 7489 2303 9 google com abgerufen am 3 April 2023 Reinhard Mehring Carl Schmitt Der Begriff des Politischen Ein kooperativer Kommentar Walter de Gruyter GmbH amp Co KG 2014 ISBN 978 3 05 008035 2 google com abgerufen am 3 April 2023 Noack Paul Carl Schmitt Eine Biographie Berlin 1996 S 114 Carl Schmitt Der Begriff des Politischen in Archiv fur Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 58 1927 S 1 33 researchgate net Wieder abgedruckt in Probleme der Demokratie Politische Wissenschaft Schriftenreihe der Deutschen Hochschule fur Politik in Berlin und des Instituts fur Auswartige Politik in Hamburg Heft 5 Berlin Grunewald 1928 S 1 34 Hartmuth Becker Carl Schmitts Begriff des Politischen Abgerufen am 6 April 2023 Hartmuth Becker Carl Schmitts Begriff des Politischen Abgerufen am 6 April 2023 Carl Schmitt Der Begriff des Politischen Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien Duncker amp Humblot 1963 ISBN 3 428 01331 X google com abgerufen am 3 April 2023 Piet Tommissen Contributions de Carl Schmitt a la polemologie In Revue euro peenne des sciences sociales 16 1978 Nr 44 Miroir de Carl Schmitt S 141 170 hier S 145 Anm 13 Zitiert nach Hans Christof Kraus Freund und Feind im Zeitalter des Kalten Krieges Zu den Corollarien der Ausgabe von 1963 Erstveroffentlichung 2003 In Reinhard Mehring ed Carl Schmitt Der Begriff des Politischen Ein Kooperativer Kommentar Akademie Verlag pp 170 187 Schmitt Carl Theorie des Partisanen Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen Duncker und Humblot Berlin 1963 S 91 ff Hier und nachfolgend in Carl Schmitt Der Begriff des Politischen Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien 3 Auflage der Ausgabe von 1963 Berlin Duncker amp Humblot 1991 6 Auflage Berlin 1996 Hier in Carl Schmitt Der Begriff des Politischen 1 Auflage Berlin Duncker amp Humblot 1932 Hier in Carl Schmitt Der Begriff des Politischen Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien 3 Auflage der Ausgabe von 1963 Berlin Duncker amp Humblot 1991 6 Auflage Berlin 1996 Hier und nachstehend in Carl Schmitt Der Begriff des Politischen 1 Auflage Berlin Duncker amp Humblot 1932 Europaische Revue 5 Band 1929 S 517 530 Karl Anton Prinz Rohan Kultur als gesellschaftliches Problem In Europaische Revue 6 Band 1930 S 51 62 Hier in Carl Schmitt Der Begriff des Politischen Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien 3 Auflage der Ausgabe von 1963 Berlin Duncker amp Humblot 1991 6 Auflage Berlin 1996 Reinhard Mehring Carl Schmitt Der Begriff des Politischen Ein kooperativer Kommentar Walter de Gruyter GmbH amp Co KG 2014 ISBN 978 3 05 008035 2 google com abgerufen am 6 April 2023 a b c Carl Schmitt Der Begriff des Politischen Duncker amp Humblot Munchen 1932 archive org PDF abgerufen am 11 September 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Der Begriff des Politischen Carl Schmitt amp oldid 239523567