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Der Biotopverbund oder die Biotopvernetzung ist die Schaffung eines Netzes von Einzel Biotopen welches das Uberleben von Arten sichert Der Biotopverbund ist gegeben wenn ein funktionaler Kontakt zwischen Biotopen Lebensraumen besteht der eine Vernetzung zwischen Populationen von Organismen ermoglicht Er funktioniert dann wenn die zwischen gleichartigen Lebensraumen liegende Flache fur Organismen uberwindbar ist oder durch Prozesse wie den Transport durch Weidetiere uberbruckt wird so dass ein beidseitiger Individuenaustausch moglich ist In Deutschland sind Biotopverbund und Biotopvernetzung u a durch das Bundesnaturschutzgesetz 21 angestrebtes Ziel 1 In Bayern wird seit dem Volksbegehren Artenvielfalt amp Naturschonheit in Bayern im Bayerischen Naturschutzgesetz in Artikel 19 ein konkret zu erreichender Flachenanteil Biotopverbund festgeschrieben 2 Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutung des Verbunds im Lebenszyklus 2 Okologische Grundlagen 2 1 Inseltheorie 2 2 Metapopulationen 2 3 Randeffekte 3 Formen des Biotopverbunds 4 Anwendung in Naturschutz und Landschaftsplanung 4 1 Forderung von Linienbiotopen in der Agrarlandschaft 4 2 Forderung des grossraumigen Biotopverbunds 5 Politische Umsetzung 6 Nachteile und Kritik des Biotopverbunds 7 Biotopvernetzung und Klimawandel 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseBedeutung des Verbunds im Lebenszyklus Bearbeiten nbsp Strassen als Hindernis fur die Biotopvernetzung Strassendichte pro 100 km2Vor allem im zoologischen Bereich wird fur die Bedeutung des Biotopverbunds fur definierte Einzelarten dessen Bedeutung im Lebenszyklus der Art zugrunde gelegt Unterschieden werden 3 4 Arten die einen Biotopverbund fur ihr normales Aufenthalts Jagd oder Nahrungsrevier benotigen Ohne Verbund werden ansonsten besiedelbare Bereiche als Lebensraum entwertet und oder das Minimumareal fur eine lebensfahige Population unterschritten Dies betrifft vor allem Arten mit sehr grossem Raumanspruch meist als Rauber lebende Wirbeltiere z B der Wolf oder die Wildkatze Arten die einen Biotopverbund fur regelmassige Wanderungen Migrationen benotigen Ohne Verbund sind raumlich getrennte Teillebensraume voneinander isoliert Betroffen sind z B Wanderungen zwischen Sommer und Winterhabitat oder zwischen Fortpflanzungs und Nahrungshabitat Die Wanderungen konnen grossraumig z B Zwischenquartiere fur Zugvogel oder Fledermause auf mittlerer Raumebene z B Sommer und Winterhabitate des Rothirschs oder kleinraumig z B Amphibienwanderungen sein Arten die einen Biotopverbund zur Ausbreitung Dispersion benotigen um neue oder frei gewordene Habitat inseln kolonisieren zu konnen Bei fehlendem Verbund sterben sie aus indem uber einen langeren Zeitraum nach und nach alle Lokalpopulationen nacheinander erloschen entweder aus zufalligen Grunden stochastische Schwankungen infolge von Sukzessionsvorgangen Pionierarten oder wegen grossraumiger Arealverschiebungen globale Erwarmung Diskutiert aber bisher sehr selten nachgewiesen wird auch eine genetische Verarmung aufgrund mangelhaften Allelaustauschs Wahrend der erste und der zweite Fall relativ leicht anschaulich sind sind fur den dritten Fall weitere Begrundungen erforderlich Meist wird angenommen dass Beschrankungen der Dispersion kurzfristig keine offensichtlichen Auswirkungen zu besitzen scheinen dass sich aber langfristig die Folgen mangelnden Biotopverbunds vor allem daraus ergeben werden Bei Pflanzenarten ist uberhaupt nur der dritte Weg bedeutsam Okologische Grundlagen BearbeitenDie Forderung nach einem Biotopverbund beruht einerseits auf Modellaussagen die aus der okologischen Theorie abgeleitet sind andererseits auf empirischen Beobachtungen d h Fallstudien bei denen das Uberleben von Populationen in mehr oder minder isolierten Habitaten untersucht wurde Inseltheorie Bearbeiten vgl Inselbiogeographie Eine wichtige Grundlage fur den Biotopverbund stellt die Inseltheorie eigentlich Gleichgewichts Theorie der Biogeographie von Inseln dar Es handelt sich um eine einflussreiche okologische Theorie die die amerikanischen theoretischen Okologen Robert H McArthur und Edward O Wilson zuerst im Jahr 1963 5 aufgestellt und 1967 verallgemeinert haben 6 Die Forscher betrachteten die Artenzahlen auf mehr oder weniger isoliert liegenden ozeanischen Inseln Sie kamen auf ein in einer mathematischen Formel darstellbares Abhangigkeitsmuster das sie biologisch als ein Gleichgewicht zwischen Einwanderung und lokalem Aussterben interpretieren konnten Lokale Populationen unterliegen einem stochastischen Aussterberisiko welches abhangig von der Populationsgrosse ist welche wiederum von der Inselgrosse uber die Tragfahigkeit abhangt Kleine Populationen sterben nach einer mehr oder weniger langen Periode zufallsbedingt aus zufallige Populationsschwankungen Die Insel stellt danach einen freien Lebensraum fur die Art dar Sie kann schliesslich neu besiedelt werden wenn sie von einwandernden Individuen dieser Art entdeckt wird Diese Kolonisierung hangt von den biologischen Eigenschaften der kolonisierenden Art aber vor allem auch von der Isolation der Insel ab die sich neben ihrer Gestalt und einigen anderen Parametern vor allem durch ihre Entfernung ergibt Die tatsachliche Artenzahl einer Insel ergibt sich danach als ein Gleichgewichtszustand zwischen Aussterben und Neubegrundung von Populationen Der Artenbestand der Insel wechselt dabei Artenwechsel engl species turnover Die Artenzahl hangt von der Inselgrosse und ihrer Entfernung zu anderen Inseln oder einem Kontinent ab Die Inseltheorie wurde bereits fruh von ozeanischen Inseln auf isoliert liegende besondere Biotope ubertragen die als Habitat Inseln in einem fur das Uberleben der betrachteten Art feindlichen Ozean interpretiert werden konnen Daraus ergeben sich eine Reihe von Vorhersagen die teilweise experimentell bestatigt werden konnten Nimmt die Grosse einer Habitat Insel ab sterben zahlreiche Arten aus auch wenn sich die Habitatqualitat der verbliebenen Flache uberhaupt nicht verschlechtert Relaxation In der Ubergangszeit hat die Insel einen Arten Uberhang der nach und nach zum Aussterben verdammt ist Welche Arten tatsachlich uberleben hangt teilweise vom Zufall ab Im Naturschutz spricht man auch von Aussterbeschuld engl extinction debt Zur Anwendung vgl z B 7 und 8 Sind die verbliebenen Habitat Inseln so entfernt voneinander dass eine Neukolonisation leerer Inseln unmoglich oder hochst unwahrscheinlich ist Kolonisationsrate Null sterben uber kurz oder lang alle Arten auf allen Inseln aus Sie uberleben nur auf sehr grossen Inseln und Kontinenten Diese sind so gross dass sie mehrere unabhangige Populationen besitzen und ihre Populationsgrosse ist so hoch dass das stochastische Aussterberisiko auf nahe Null fallt Kann die Kolonisationsrate von Habitat Inseln erhoht werden konnen mehr Arten uberleben obwohl weder die Grosse noch die Qualitat der Habitat Inseln erhoht wurde Metapopulationen Bearbeiten Eine Metapopulation beschreibt ein Netz von Einzel Populationen Subpopulationen die teilweise aber nicht vollstandig voneinander isoliert sind Die Subpopulationen wechselwirken miteinander durch den Austausch von Individuen Die o g Aussagen der Inseltheorie konnen genauso gut uber einen populationsbiologischen Ansatz hergeleitet werden Es ergeben sich aber daruber hinausgehende Hypothesen Der finnische Populationsbiologe Ilkka Hanski hat eine einflussreiche Theorie aufgestellt die berucksichtigt dass die Populationsgrosse einer Art bei der Besiedlung von Inseln oder Teilbiotopen meist engl habitat patches zweimal eingeht sie erhoht die Kolonisationsrate und vermindert die Aussterberate 9 In seinem Modell ergibt sich dadurch eine zweigipflige bimodale Haufigkeitsverteilung Wenige haufige Arten von ihm Kernarten genannt sind quasi auf allen Inseln prasent Die meisten Arten Satellitenarten sind seltener als man bei rein zufalliger Verteilung erwarten wurde Durch diesen Zusammenhang steigt die Artenzahl mit zunehmender Anzahl von Inseln langsamer an Nur die Kernarten sind auf nahezu allen Inseln prasent Der niederlandische Okologe Pieter J den Boer hat in langjahrigen Forschungsarbeiten den Einfluss der Dispersion auf die Laufkaferfauna niederlandischer Heidefragmente untersucht 10 11 Bei diesen rauberischen bodenlebenden Kafern gibt es flugfahige Arten nicht flugfahige Arten und Arten bei denen ein Teil der Individuen flugfahig ist flugeldimorphe Arten Er konnte zeigen dass in isolierten Heidefragmenten die Artenzahl langfristig abnimmt Ausserdem nimmt bei den verbleibenden der Anteil der flugfahigen Individuen ab Den Boer interpretiert dies als evolutionaren Trend aufgrund der Verinselung Durch die Isolation der Heidefragmente nimmt die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Einwanderungen ab Damit sind Arten kurzfristig im Vorteil die nicht mehr in den energetisch kostspieligen Flugapparat investieren Langfristig sind damit allerdings fast alle Arten auf lange Sicht zum Aussterben verdammt Bedeutsam im Metapopulations Ansatz ist auch die Erhaltung der genetischen Variabilitat der Arten Auf kleinen Inseln und in durch wenige Kolonisatoren neu begrundeten Populationen ist die Variabilitat notwendigerweise viel geringer als in grossen Grundereffekt Sie wird durch immigrierende Individuen aus anderen Populationen erhoht Dieser Effekt ist auch dann bedeutsam wenn diese Einwanderer eine Insel erreichen die von der Art noch besiedelt ist Der Verlust an genetischer Variabilitat erhoht deutlich das Aussterberisiko einer Art weil ihre Plastizitat auf Lebensraumveranderungen zu reagieren verloren gehen kann Steigt die Populationsgrosse nach einem Beinahe Aussterben wieder an ist diese Population damit viel anfalliger als die ursprungliche genetischer Flaschenhals Fur sehr mobile Tierarten z B viele Vogelarten ist das Metapopulationsmodell in der Praxis bedeutungslos Hier konnen Individuen problemlos zwischen entfernten Teilhabitaten wechseln Sie bilden durch den haufigen Austausch eine einzige grosse Population Randeffekte Bearbeiten Randeffekte beschreiben den Einfluss der umliegenden Landschaft auf Biotopinseln Im Gegensatz zu ozeanischen Inseln sind Biotopinseln ja in eine wesentlich ahnlichere Umgebung eingebettet Randeffekte treten hier in mehreren Arten auf Zum einen wirken intensive Flachennutzungen auch in geschutzte Biotop Inseln hinein indem z B Pestizide oder Dunger eingeweht und eingeschwemmt werden konnen Deshalb ist der Wert sehr kleiner oder schmaler Biotop Inseln in der Praxis manchmal stark vermindert Eine andere Art Randeffekt geht vom Artenbestand der Agrarlandschaft aus der im Gegensatz zu den ozeanischen Arten zwischen echten Inseln durchaus auch die Biotop Inseln kolonisieren kann Randeffekten versucht der Naturschutz durch die Einrichtung von Pufferzonen entgegenzuwirken Im Biotopverbund mussen sie berucksichtigt werden um die Effektivitat von Biotopinseln und korridoren beurteilen zu konnen Randeffekte auf Populationsebene konnen vom Naturschutz unter Umstanden beabsichtigt sein In diesen Fallen soll das zu schutzende oder neu zu schaffende Netz von Linienbiotopen nicht in erster Linie naturnahe Biotop Inseln miteinander vernetzen sondern gezielt den Wert der dazwischen liegenden Agrarlandschaft verbessern indem hier Arten der Agrarlandschaft selbst Refugien oder Teilhabitate finden vgl z B 12 Obwohl dieses Ziel legitim und praktikabel sein kann verschwimmt die Argumentation in der Praxis manchmal dadurch so dass kaum noch auszumachen ist was das eigentliche Ziel der Biotopvernetzung sein soll Randeffekte konnen in grosserem Massstab wirksam sein als oft intuitiv angenommen Untersuchungen in Neuseeland haben gezeigt dass selbst bei kleinen bodenlebenden Kafern noch in einem Kilometer Entfernung von der Grenze eines Schutzgebiets nachweisbare Effekte auf die Fauna auftraten 13 Starkere Effekte sind naturgemass bei Arten die die Schutzgebietsgrenzen regelmassig uberschreiten zu erwarten z B Carnivoren 14 Neben den negativen sind auch die positiven Randeffekte schon tatsachlich nachgewiesen worden Es kann zu einer Anreicherung angrenzender Lebensraume mit Arten kommen 15 In Fliessgewassern versucht man in Deutschland sich diesen Effekt unter dem Namen Strahlwirkung zunutze zu machen wobei belastbare empirische Belege zur Wirksamkeit aber noch ausstehen Formen des Biotopverbunds Bearbeiten nbsp Schematische Darstellung niederlandisch Trittsteine stapstene und Grunkorridore zwischen BiotopenDer Biotopverbund definiert sich also uber seine Wirksamkeit auf ausgewahlte Zielarten Streng genommen werden nicht Biotope vernetzt sondern Populationen Der Biotopverbund muss also je nach Biologie der betrachteten Art v a ihrer Mobilitat und Ausbreitungsbiologie andere Anforderungen erfullen Fur mobile Arten insbesondere flugfahige oder solche mit flugfahigen Lebensstadien v a Vogel die meisten Insekten Pflanzen mit windverbreiteten Samen wird ein Verbund meist uber Trittsteinbiotope angestrebt Dies sind kleine nicht notwendigerweise miteinander verbundene Biotop Inseln innerhalb der umliegenden Landschaft Ihre Entfernung sollte sich nach der Mobilitat der Zielart bemessen Fur immobile bodengebundene Arten z B viele Saugetiere aber auch Pflanzen des Waldbodens ohne effiziente Fernverbreitungsmechanismen wird ein Biotopverbund uber Biotopkorridore angestrebt d h linienhafte Strukturen die die zu verbindenden Zielbiotope physisch miteinander verbinden Dies konnen z B Heckenstreifen zwischen zwei Wald Inseln oder eine oder mehrere Wald Inseln sogenannte Waldbrucken zwischen grossen Waldgebieten sein 16 Bedeutsame Aufgaben fur den Biotopverbund sind daruber hinaus unuberwindbare Landschaftsbarrieren vor allem grosse Strassen Autobahnen 17 Diese sind auch fur recht mobile aber nicht flugfahige Arten fur die die normale Agrarlandschaft keine Zasur darstellt meist unuberwindliche Hindernisse Dies ist besonders bedeutsam fur grosse Saugetierarten Entgegen der Intuition konnen solche Zasuren je nach Ausgestaltung aber auch fur flugfahige Arten z B Fledermause als Barrieren wirken Ein Biotopverbund wird hier uber besondere Verbindungselemente z B Grunbrucken auf Landschaftsebene angestrebt nbsp Grunbrucke Ecoduct in den NiederlandenDer Bau von Grunbrucken kann im Zusammenhang mit einer Strategie des Biotopverbunds gesehen werden die nicht so sehr bei den Inseln sondern mehr bei den dazwischen liegenden Raumen ansetzt Es soll durch gezielte Massnahmen die Durchlassigkeit der Landschaft zwischen den Biotopinseln erhoht werden meist engl connectivity Obwohl diese Strategie nach den Theorien der Okologie gut fundiert ware stellen sich in der Praxis ganz erhebliche Probleme wenn z B die grossflachige Extensivierung einer landwirtschaftlichen Bodennutzung gefordert wird In der Praxis spielt dieser Ansatz ausser bei der Uberwindbarkeit linearer Hindernisse v a Verkehrstrassen noch keine Rolle Ein Sonderfall des Biotopverbunds der meist abseits der sonstigen Diskussion betrachtet wird ist die Aufhebung der Isolation von Fliessgewasser Abschnitten z B durch Wehre Wasserkraftanlagen Stauseen oder verrohrte Gewasserstrecken Man spricht hier von der okologischen Durchgangigkeit der Gewasser Fehlt die Durchgangigkeit konnen z B Wanderfischarten Gewasseroberlaufe nicht erreichen die eigentlich als Lebensraum geeignet waren Auch fur wirbellose Arten konnen sich Probleme ergeben weil nach Aussterbeereignissen Teilstrecken des Gewassers unter Umstanden nicht neu besiedelt werden konnen Durch die Verabschiedung der europaischen Wasserrahmenrichtlinie haben sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet die okologische Durchgangigkeit aller Fliessgewasser wiederherzustellen wo dies moglich ist Typische Massnahmen zur Herstellung der Durchgangigkeit umfassen z B den Bau von Fischaufstiegsanlagen Fischtreppen an Wasserkraftanlagen und Wehren der Bau von Umgehungsgerinnen Bypassen oder der Ruckbau von Verrohrungen und Absturzen Sohlsprungen Anwendung in Naturschutz und Landschaftsplanung BearbeitenDie Forderung nach einer Biotopvernetzung wurde in der Naturschutzdiskussion erst seit den 1980er Jahren starker Vorher hatte der Naturschutz sich auf die Erhaltung besonders wertvoller Einzelbiotope konzentriert Aufgrund seines geringen gesellschaftlichen Einflusses hatte er wohl in der Praxis auch keine andere Wahl Die Bedeutung des Biotopverbunds wurde den Naturschutzern vor allem durch die abnehmende Lebensraumeignung der normalen Agrarlandschaft aufgrund der intensiveren Produktionsweisen bewusst Dadurch wurde immer deutlicher dass die meisten Arten in kleinen Naturschutzgebieten allein auf Dauer nicht zu erhalten sein werden In der internationalen Diskussion wurde das Thema bei den Bemuhungen zur Erhaltung bedrohter naturlicher Lebensraume z B des tropischen Regenwalds akut Hier wurde in der Fachwelt eine Debatte um die Grosse und den Zuschnitt der Schutzgebiete gefuhrt die unter dem Schlagwort SLOSS single large or several small zusammengefasst wird Heute ist die Bedeutung des Biotopverbunds im amtlichen und ehrenamtlichen Naturschutz weithin anerkannt Die Erfolge bei den praktischen Bemuhungen um die Umsetzung der Biotopvernetzung werden nach wie vor kontrovers diskutiert Die Biotopvernetzung wurde vor allem Anfang der 1990er Jahre zu einem Mode und Schlagwort durch die das eigentliche Anliegen eher verunklart worden ist Insbesondere ist eine Tendenz zu erkennen in der planerischen Umsetzung die Tatsache aus den Augen zu verlieren dass eine Vernetzung von Biotopen eigentlich nur eine abgekurzte Schreibweise fur die Vernetzung von Populationen von Tier und Pflanzenarten darstellen soll Durch die Definition abstrakter Biotoptypen ist der Zusammenhang in der Praxis gelegentlich verloren gegangen Forderung von Linienbiotopen in der Agrarlandschaft Bearbeiten Eine besondere Bedeutung bei der Biotopvernetzung haben Linienbiotope in der Ackerlandschaft Zu den Linienbiotopen zahlen Ackerrandstreifen Raine Lesesteinwalle Boschungen Wege und Strassenrander Hecken Alleen und Fliessgewasser Linienbiotope tragen besonders in einer stark ausgeraumten Landschaft mit geringem oder fehlendem Wald und Grunlandanteil zur Mannigfaltigkeit und Vernetzung der inselartigen Biotope bei Forderung des grossraumigen Biotopverbunds Bearbeiten Eine nationale Strategie zum Biotopverbund wurde in Deutschland zuerst durch einen Beschluss der Ministerkonferenz fur Raumordnung am 27 November 1992 angestrebt Eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung des Bundesamts fur Naturschutz erarbeitete eine fachliche Strategie 18 In der Europaischen Union wird das Thema unter dem Schlagwort green infrastructure seit 2008 vertiefend debattiert eine Zusammenfassung der bisherigen Ansatze unter 19 Grunes Band Deutschland stellt ein aktuelles Projekt zur grossraumigen linienhaften Verbindung verschiedener Biotope dar Es ist Bestandteil der europaischen Initiative Grunes Band Europa 20 Die Niederlande streben seit ca 20 Jahren ein nationales Biotopverbundnetz unter dem Namen Ecologische Hoofdstructuur EHS an 21 In Frankreich werden seit 2008 zwei zusammenhangende Schutzgebietsnetze unter dem Titel Trame verte et bleue TVB angestrebt Der Naturschutzbund Deutschland NABU stellte 2007 die nationale Strategie eines Bundeswildwegeplans auf um vor allem der Zerschneidungswirkung der Autobahnen entgegenzuwirken 22 Der Bund fur Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND stellte gezielt fur die Zielart Wildkatze einen Wildkatzenwegeplan auf 23 dessen Realisierung er in mehreren Projekten z B in Thuringen anstrebt Politische Umsetzung BearbeitenIm deutschen Bundesland Baden Wurttemberg legte der amtierende Landesminister fur Landlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden Wurttemberg Alexander Bonde Bundnis 90 Die Grunen Baden Wurttemberg im April 2012 ein Konzept zur Biotopvernetzung im Land vor 24 Im Zuge des Volksbegehren Artenvielfalt amp Naturschonheit in Bayern ist der Biotopverbund in das Bayerische Naturschutzgesetz aufgenommen worden Mit einem Umsetzungskonzept wird der Biotopverbund in Bayern auf mehreren Handlungsebenen begonnen mit verschiedenen Partnern umzusetzen Ziel ist den Verbund raumlich auszuweiten und Flachen qualitativ zu optimieren Es wird ein Schwerpunkt darauf gelegt den funktionalen Zusammenhang herzustellen und damit Pflanzen und Tieren den genetischen Austausch zwischen Flachen zu ermoglichen Ein jahrlicher Statusbericht gibt den Stand der Umsetzung wieder 25 Seit 1995 werden in Bayern Aktivitaten zur Ausweitung des Biotopverbundes uber Bayern Netz Natur umgesetzt Nachteile und Kritik des Biotopverbunds BearbeitenDer Biotopverbund als Strategie des Naturschutzes gilt allgemein als fachlich gut fundiert und anerkannt Dennoch gibt es in zahlreichen Einzelfallen Kritik an der Anwendung Eine eher generelle Kritik kommt zu dem Schluss dass der Erfolg zahlreicher bisher durchgefuhrter Massnahmen der Biotopvernetzung zweifelhaft oder nicht nachweisbar gewesen ist Aufgrund der Knappheit von Naturschutzmitteln seien diese verschwendet worden und besser in den direkten Erhalt hochwertiger Biotope investiert worden Die meisten Naturschutzer sehen diese Kritik als nicht berechtigt an Dennoch ist darauf hinzuweisen dass der konkrete Erfolg von biotopvernetzenden Massnahmen wie aller Naturschutzmassnahmen uberpruft und die Massnahmen ggf verbessert werden mussen Obwohl es in sorgfaltigen Studien moglich war den Effekt von Korridoren nachzuweisen 26 ist das tatsachliche Scheitern zahlreicher Massnahmen die den Biotopverbund stutzen sollten leider gut dokumentiert Probleme der Biotopvernetzung sind daruber hinaus in Einzelfallen plausibel Durch die Vernetzung konnen sich Seuchen und Krankheitserreger schneller ausbreiten In Fliessgewassern wird z B die Beibehaltung von Wehren gefordert die Reliktvorkommen des heimischen Edelkrebses Astacus astacus bisher vor der Krebspest geschutzt haben Die Biotopkorridore konnen die Ausbreitung unerwunschter Arten z B Neophyten und Neozoen genauso fordern wie diejenige der Zielarten Sie konnen sich dadurch homogenisierend auswirken Biotopvernetzung kann die Abwanderung von Individuen in suboptimale Lebensraume fordern die als Populationssenken wirken und damit eine zu erhaltende Population schwachen Die tatsachliche Ausbreitungsbiologie und Ausbreitungsgeschwindigkeit zahlreicher Arten ist unzureichend bekannt Damit ist das Design von Biotopkorridoren oft nur auf Grundlage von Vermutungen durchfuhrbar Unter Umstanden werden in Einzelfallen Lebensraume vernetzt die tatsachlich keiner Vernetzung bedurfen Biotopvernetzung und Klimawandel BearbeitenAls zusatzliches Argument fur die Biotopvernetzung wird in der Debatte seit etwa 2005 die Milderung meist engl mitigation von Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels angefuhrt 27 28 Durch den Klimawandel verandern sich zahlreiche Biotope so dass sie vermutlich einen Teil ihres heutigen Artenbestands verlieren werden Da das Verbreitungsgebiet fast aller Arten gut nachweisbar mit klimatischen Faktoren korreliert ist anzunehmen dass sich das Gesamtareal vieler Arten verschieben wird Sie verlieren mehr oder weniger grosse Teile ihres bisherigen Verbreitungsgebiets sie konnten dies aber durch Erweiterung an anderer Stelle unter Umstanden wettmachen z B indem sich ihr Areal nordwarts oder bergauf verschiebt Dies setzt freilich voraus dass sie dieses neue zunachst nur potentielle Areal auch tatsachlich erreichen konnen In diesem Zusammenhang wird uber eine Starkung des Biotopverbunds debattiert um bedrohten Arten solche Ausweich und Wanderkorridore bereitzustellen Tatsachliche Massnahmen sind in diesem Zusammenhang bisher nicht erfolgt Ob diese uberhaupt erfolgversprechend waren wird in der Forschung kontrovers debattiert Eines der ersten Projekte das Biotopverbund und Klimafolgen zusammenfuhren soll wird derzeit in den Niederlanden vorbereitet der West European climate corridor am Rhein Province Gelderland Literatur BearbeitenUwe Wegener Hrsg Naturschutz in der Kulturlandschaft Schutz und Pflege von Lebensraumen Ulm 1998 ISBN 3 437 35250 4 E Jedicke Hrsg Biotopverbund Grundlagen und Massnahmen einer neuen Naturschutzstrategie 2 Auflage Ulmer Verlag Stuttgart 1994 ISBN 3 8001 3324 5 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Biotopverbund Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Feldrandhecke selbst anlegen Bundesministerium fur Umwelt Naturschutz und nukleare Sicherheit Das Bundesprogramm Wiedervernetzung Stand 16 Oktober 2014 Bundesamt fur Naturschutz Koharenz und Biotopverbund Sielmanns Biotopverbund Bodensee Heinz Sielmann Stiftung Sielmanns Biotopverbund Harz Eichsfeld Werratal Heinz Sielmann Stiftung Andreas Seiler Lebensraumkorridore in Europa Was machen unsere Nachbarn IENE Infra Eco Network Europe April 2010 Biotopverbund in BayernEinzelnachweise Bearbeiten 21 BNatSchG BayNatSchG Art 19 Biotopverbund Biotopvernetzung Arten und Biotopschutzprogramm Burgerservice Abgerufen am 17 Februar 2020 DJV Projekt Uberwindung von Barrieren In jagdnetz de Deutscher Jagdschutz Verband e V DJV Vereinigung der deutschen Landesjagdverbande abgerufen am 6 Februar 2011 H Reck K Hanel M Hermann J Sachteleben Verbande Vorhaben Uberwindung von Barrieren Zielarten des uberortlichen Biotopverbundes Zeigerarten fur Zerschneidung und Verinselung Vorentwurf PDF 303 kB Nicht mehr online verfugbar September 2007 archiviert vom Original am 8 Marz 2012 abgerufen am 6 Februar 2011 Robert H MacArthur Edward O Wilson An Equilibrium Theory of Insular Zoogeography Evolution Band 17 Nr 4 Dezember 1963 S 373 387 englisch unm edu PDF 1 6 MB Robert H MacArthur Edward O Wilson The Theory of Island Biogeography Princeton University Press Princeton 1967 Ilkka Hanski Extinction debt in boreal forests PDF Aveliina Helm u a Extinction debt in Estonian calcareous grasslands alvars PDF Ilkka Hanski Dynamics of regional distribution the core and satellite species hypothesis In Oikos 38 Copenhagen 1982 S 210 221 P J Den Boer Dispersal power and survival carabids in a cultivated countryside Miscellaneous papers 14 Landbouwhogeschool Wageningen 1977 OCLC 923343497 P J Den Boer Density limits and survival of local populations in 64 carabid species with different powers of dispersal In Journal of Evolutionary Biology 3 1 2 Basel 1990 S 19 48 Biotopvernetzungskonzept Baden Wurttemberg landwirtschaft mlr baden wuerttemberg de Robert M Ewers Raphael K Didham Pervasive impact of large scale edge effects on a beetle community In Proceedings of the National Academy of Science PNAS 105 14 2008 S 5426 5429 Rosie Woodroffe Joshua R Ginsberg Edge effects and the extinction of populations inside protected areas In Science 280 1998 S 2126 2128 PDF Lars A Brudviga Ellen I Damschena Joshua J Tewksbury Nick M Haddad Douglas J Levey Landscape connectivity promotes plant biodiversity spillover into non target habitats In Proceedings of the National Academy of Science PNAS 106 23 S 9328 9332 pnas org Verhindern Radler den Gen Austausch In Frankenpost 13 Mai 2019 Lenore Fahrig Trina Rytwinski Effects of Roads on Animal Abundance ecologyandsociety org R Burkhardt u a Empfehlungen zur Umsetzung des 3 BNatSchG Biotopverbund Ergebnisse des Arbeitskreises Landerubergreifender Biotopverbund der Landerfachbehorden mit dem BfN Naturschutz und biologische Vielfalt Heft 2 2004 ISBN 3 7843 3902 6 Towards Green Infrastructure for Europe In Proceedings of the European Commission workshop 2009 green infrastructure europe org Memento vom 13 Juli 2011 im Internet Archive The Green Belt Initiative Memento vom 20 Dezember 2010 im Internet Archive V Ecologische Hoofdstructuur uni muenster de Memento vom 9 Juli 2016 im Internet Archive Bundeswildwegeplan des NABU PDF Wildkatzenwegeplan des BUND wildkatzenwegeplan de phi Damit die Gottesanbeterin weiss wo s lang geht In badische zeitung de Nachrichten Sudwest 28 April 2012 2 Mai 2012 Bayerisches Staatsministerium fur Umwelt und Verbraucherschutz Biotopverbund in Bayern Zweiter Statusbericht Berichtsjahr 2021 StMUV 2022 1 Ellen I Damschen Nick M Haddad John L Orrock Joshua J Tewksbury Douglas J Levey Corridors increase plant species richness at large scales In Science 313 2006 S 1284 1286 sciencemag org Axel Ssymank Sandra Balzer Karin Ullrich Biotopverbund und Koharenz nach Artikel 10 der Fauna Flora Habitat Richtlinie Bundesamt fur Naturschutz 2005 PDF M Kettunen A Terry G Tucker A Jones Guidance on the maintenance of landscape features of major importance for wild flora and fauna Guidance on the implementation of Article 3 of the Birds Directive 79 409 EEC and Article 10 of the Habitats Directive 92 43 EEC Institute for European Environmental Policy IEEP Brussels 2007 PDF Normdaten Sachbegriff GND 4226349 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Biotopverbund amp oldid 225862441