www.wikidata.de-de.nina.az
Bernhard von Chartres nach 1124 war ein Gelehrter und stark vom Platonismus gepragter Philosoph der fruhscholastischen Zeit Von ihm stammt das Gleichnis Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen sitzend um mehr und weiter als sie sehen zu konnen Inhaltsverzeichnis 1 Biographische Daten 2 Lehrtatigkeit 3 Philosophie 4 Werke 5 Ausgabe 6 Literatur 7 AnmerkungenBiographische Daten BearbeitenAus Bernhards Leben ist nur wenig bekannt Lange nahm man an dass er ein Bruder des Thierry von Chartres war und ebenso wie dieser aus der Bretagne stammte Neuerdings ist die Forschung aber von dieser Meinung abgeruckt 1 Jedenfalls taucht er erstmals 1108 in der Zeugenliste einer Urkunde aus Chartres als Subdiakon auf als Kleriker blieb er bis zu seinem Lebensende bei diesem bescheidenen Weihegrad Ab ca 1110 1115 nannte er sich magister Lehrer unterrichtete also an der Domschule von Chartres Spatestens 1124 stieg er zum Kanzler auf in diesem Jahr ist er letztmals als lebend bezeugt Seine Bibliothek vermachte er der Kathedrale 2 Lehrtatigkeit BearbeitenSeine kulturhistorische Bedeutung liegt vor allem in seiner Lehrtatigkeit die ihm hohes Ansehen verschaffte Einige der fuhrenden Personlichkeiten im Kulturleben der Epoche darunter Wilhelm von Conches und Gilbert von Poitiers waren seine Schuler und empfingen von ihm pragende Eindrucke Johannes von Salisbury der bereits der Enkelgeneration angehorte hat Bernhard nicht mehr personlich erlebt sondern bei dessen Schulern studiert Er war aber von Bernhards uberragender Bildung und Unterrichtsmethode begeistert und bezeichnete ihn als grossten Platoniker seiner Zeit 3 Daran lasst sich die Nachhaltigkeit von Bernhards Wirken ermessen So hat Bernhard bei der Herausbildung der Eigenart der beruhmten sogenannten Schule von Chartres eine Schlusselrolle gespielt Mit diesem Begriff bezeichnet man eine insbesondere von Gelehrten der Domschule von Chartres vertretene philosophische und theologische Richtung die das platonische Gedankengut pflegte und bestrebt war besonders in der Kosmologie platonische mit biblischen Vorstellungen in Ubereinstimmung zu bringen Bernhard hat die Blutezeit dieser Stromung vorbereitet Beruhmt ist sein Ausspruch dass er und seine Zeitgenossen Zwerge seien die auf den Schultern von Riesen den antiken Gelehrten sitzen und diese dadurch an Weitblick uberragen obwohl ihre Eigenleistung vergleichsweise gering ist siehe Zwerge auf den Schultern von Riesen Das war seine Stellungnahme zur Frage des Verhaltnisses zwischen antiqui und moderni zwischen antiker und mittelalterlicher Wissenschaft und Bildung Darin zeigt sich die typische Haltung der Gelehrten von Chartres die die nichtchristlichen Schriften der Antike eifrig studierten und sie trotz des religiosen Gegensatzes unbefangen zu wurdigen wussten Unter anderem wegen dieses Verhaltnisses zur Antike taucht in der Forschung ofters der allerdings sehr umstrittene Begriff einer Renaissance des 12 Jahrhunderts auf 4 Neben der platonischen Naturphilosophie bildete der Grammatikunterricht einen weiteren Schwerpunkt von Bernhards Tatigkeit Er betrachtete eine grundliche Grammatikausbildung anhand der antiken Werke als Voraussetzung fur jedes Studium Den Lernenden empfahl er sechs Grundsatze demutigen Geist Eifer im Fragen ruhiges Leben schweigsame Untersuchung aussere Bedurfnislosigkeit und Aufenthalt fern von der Heimat Als idealen Lehrer betrachtete er einen der es liebt so zu lehren dass er vollkommen verstanden wird Darin zeigt sich das Gewicht das er auf die Didaktik legte 5 Philosophie BearbeitenIn der Naturphilosophie verzichtete Bernhard darauf sich wie damals ublich auf theologische Autoritaten zu verlassen und die heilsgeschichtliche Perspektive des Christentums ins Spiel zu bringen Hinsichtlich des Wahrheitsgehalts philosophischer Aussagen uber den Kosmos vertrat er einen skeptischen Standpunkt indem er nur Wahrscheinlichkeitsaussagen akzeptierte Eine wesentliche Neuerung im Platonismus brachte sein Konzept der formae nativae Entstehungsformen So bezeichnete er Formen die er als aktiv vermittelndes Prinzip zwischen der Ideenwelt und der Materie einfuhrte Sie sind Abbilder der unwandelbaren Ideen welche nur indirekt uber die formae nativae auf die Materie einwirken Im Unterschied zu den Ideen sind die formae nativae veranderlich Durch ihr Hineinwirken in die materielle Welt ermoglichen sie die Entstehung aller konkreten Einzeldinge und verleihen diesen die artspezifischen Eigenschaften beginnend mit den noch nicht sinnlich wahrnehmbaren vier Elementen Dadurch wird das zuvor formlose Weltall ausgeschmuckt 6 Dies geschieht naturgesetzlich Alles was ist ist entweder geworden oder ungeworden alles aber was entsteht besitzt eine gesetzmassige und das heisst vernunftige Ursache 7 Die Seele die Bernhard mit Berufung auf Aristoteles als Entelechie bezeichnet besteht aus formae nativae 8 Werke BearbeitenBernhard verfasste einen verschollenen Kommentar zur Isagoge dem Logik Handbuch des antiken Neuplatonikers Porphyrios Ein paar Verse Ausspruche und Briefe von ihm sind uberliefert bis ins spate 20 Jahrhundert war das alles was von seinem Werk bekannt war Erst 1984 konnte Paul Edward Dutton zeigen dass ein anonym uberlieferter Kommentar zu Platons Timaios von Bernhard stammt 1991 hat Dutton diesen Kommentar unter dem nicht handschriftlich uberlieferten Titel Glosae super Platonem herausgegeben Das fur den Unterricht konzipierte Werk zeigt das Bemuhen des Autors um ein genaues Textverstandnis und seine intensive eigenstandige Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Timaios 9 Hin und wieder wird fur einen ursprunglich Bernardus Silvestris zugeschriebenen Vergilkommentar Bernhard von Chartres als Autor in Betracht gezogen 10 Ausgabe BearbeitenPaul Edward Dutton Hrsg The Glosae super Platonem of Bernard of Chartres Pontifical Institute of Mediaeval Studies Toronto 1991 ISBN 0 88844 107 X lateinischer Text mit ausfuhrlicher Einleitung des Herausgebers Literatur BearbeitenTheo Kobusch Die Philosophie des Hoch und Spatmittelalters Beck Munchen 2011 ISBN 978 3 406 31269 4 S 99 102 Gangolf Schrimpf Bernhard von Chartres die Rezeption des Timaios und die neue Sicht der Natur In Georg Wieland Hrsg Aufbruch Wandel Erneuerung Beitrage zur Renaissance des 12 Jahrhunderts Frommann Holzboog Stuttgart 1995 ISBN 3 7728 1683 5 S 181 210 Andreas Speer Die entdeckte Natur Untersuchungen zu Begrundungsversuchen einer scientia naturalis im 12 Jahrhundert Brill Leiden 1995 ISBN 90 04 10345 7 S 76 129Anmerkungen Bearbeiten Paul Edward Dutton Hrsg The Glosae super Platonem of Bernard of Chartres Toronto 1991 S 40 42 Zu den Daten siehe Paul Edward Dutton Hrsg The Glosae super Platonem of Bernard of Chartres Toronto 1991 S 25 44 239 f Die Quellenzeugnisse sind zusammengestellt bei Paul Edward Dutton Hrsg The Glosae super Platonem of Bernard of Chartres Toronto 1991 S 241 248 Andreas Speer Die entdeckte Natur Leiden 1995 S 6 8 76 79 Paul Edward Dutton Hrsg The Glosae super Platonem of Bernard of Chartres Toronto 1991 S 57 Andreas Speer Die entdeckte Natur Leiden 1995 S 83 85 Andreas Speer Die entdeckte Natur Leiden 1995 S 89 129 Paul Edward Dutton Hrsg The Glosae super Platonem of Bernard of Chartres Toronto 1991 S 159 Z 62 64 Ubersetzung nach Andreas Speer Die entdeckte Natur Leiden 1995 S 102 Paul Edward Dutton Hrsg The Glosae super Platonem of Bernard of Chartres Toronto 1991 S 175 Z 69 74 Paul Edward Dutton Hrsg The Glosae super Platonem of Bernard of Chartres Toronto 1991 S 56 Andreas Speer Die entdeckte Natur Leiden 1995 S 87 f Der Kommentar ist herausgegeben von Julian W Jones und Elizabeth F Jones The commentary on the first six books of the Aeneid of Vergil commonly attributed to Bernardus Silvestris Lincoln 1977 Zur Verfasserfrage siehe Julian W Jones The So Called Silvestris Commentary on the Aeneid and Two Other Interpretations In Speculum 64 1989 S 835 848 Normdaten Person GND 119067161 lobid OGND AKS LCCN n79071075 VIAF 105276222 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Bernhard von ChartresKURZBESCHREIBUNG mittelalterlicher PhilosophGEBURTSDATUM 11 JahrhundertSTERBEDATUM nach 1124 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bernhard von Chartres amp oldid 227517241