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Der Aufstand der Linken Sozialrevolutionare war einer von mehreren Aufstanden nichtkommunistischer linker Gruppen in Sowjetrussland zur Zeit des Russischen Burgerkriegs Er fand vom 6 bis zum 7 Juli 1918 in Moskau statt und hatte das Ziel das Land zuruck in den Krieg gegen die Mittelmachte zu fuhren Lettische Schutzen bewachen wahrend des V Sowjetkongresses das Bolschoi Theater Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Konfrontation auf dem V Allrussischen Sowjetkongress 3 Ermordung des deutschen Botschafters 4 Weiterer Verlauf des Aufstands 5 Folgen 6 Literatur 7 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenNach der Oktoberrevolution von 1917 hatten die Linken Sozialrevolutionare zunachst mit den Bolschewiki im Rat der Volkskommissare sowie in den Sowjets und in der Tscheka kooperiert Dies anderte sich nach dem erzwungenen Friedensvertrag von Brest Litowsk vom Marz 1918 den die Linken Sozialrevolutionare wie die Mehrheit der Bevolkerung ablehnten Danach kundigten die Linken Sozialrevolutionare die Zusammenarbeit mit den Bolschewiki auf blieben aber weiterhin in der Tscheka vertreten Ihr Hass richtete sich besonders gegen die deutsche Gesandtschaft um Wilhelm Graf von Mirbach Harff und deren Zusammenarbeit mit den Bolschewiki Weitere Grunde fur den Aufstand waren die rucksichtslosen Methoden die die Bolschewiki zur Festigung ihrer Herrschaft anwandten wie der Ausschluss der Sozialrevolutionare und der Menschewiki aus den Sowjets die Aburteilung politischer Gegner die Getreiderequirierungen durch bewaffnete Arbeiter in den Dorfern und die Einfuhrung der Komitees der Dorfarmut Die Linken Sozialrevolutionare legten Wert darauf keinen Aufstand gegen die Bolschewiki selbst zu fuhren und lehnten die Ubernahme der Macht in Russland ab Stattdessen sollte ihr Aufstand als Fanal dienen der die Bolschewiki auf den richtigen Pfad der Revolution zuruckfuhren sollte 1 Dazu gehorte nach ihrer Auffassung wieder in den Krieg gegen das Deutsche Reich einzutreten Eine deutsche Kriegserklarung sollte durch Anschlage auf Vertreter des deutschen Imperialismus provoziert werden Am 24 Juni 1918 beschloss das Zentralkomitee der Linken Sozialrevolutionare auf dem bevorstehenden V Allrussischen Ratekongress einen entsprechenden Antrag einzubringen Im Falle von dessen Ablehnung sollte der bewaffnete Aufstand beginnen zu dessen Koordinierung ein dreikopfiges Komitee aus Marija Spiridonowa I A Majorow und L D Golubowski gebildet wurde Konfrontation auf dem V Allrussischen Sowjetkongress BearbeitenAuf dem V Allrussischen Sowjetkongress der am 4 Juli 1918 im Bolschoi Theater begann verfugten die Linken Sozialrevolutionare uber eine starke Minderheit von rund 40 der Delegierten Sofort nach Eroffnung des Kongresses lieferten sich beide Seiten Rededuelle in denen sie die Verfehlungen der jeweils anderen Seite anprangerten Wahrend die Linken Sozialrevolutionare die Bolschewiki des Verrats der Revolution und der Schurung eines Konfliktes zwischen Stadt und Land bezichtigten warfen die Bolschewiki ihren Gegnern vor zur Wiederaufnahme des Krieges aufzurufen Der Antrag der Linken Sozialrevolutionare zur Annullierung des Vertrags von Brest Litowsk und zur Kriegserklarung an Deutschland wurde von der bolschewistischen Mehrheit der Kongressteilnehmer abgelehnt worauf die Linken Sozialrevolutionare aus Protest den Saal verliessen Am Abend des 4 Juli bestellte Spiridonowa das Mitglied der Tscheka Jakow Bljumkin laut dessen spaterer Aussage zu sich und beauftragte ihn die Ermordung des deutschen Botschafters Mirbach Harff durchzufuhren Diese sollte als Signal fur den Aufstand dienen Bljumkin erbat sich eine Vorbereitungszeit von einem Tag um Waffen und gefalschte Dokumente zu beschaffen Der 6 Juli schien ein gunstiges Datum fur den Aufstand zu sein da die fur die Verteidigung der Moskauer Regierung zustandigen Lettischen Schutzen an diesem Tag auf dem Chodynkafeld vor den Toren Moskaus einen lettischen Feiertag begehen wollten Laut Jukums Vacietis waren die meisten lettischen Einheiten zu diesem Zeitpunkt bereits an die Ostfront abkommandiert worden um im Wolgagebiet gegen die aufstandischen Tschechoslowakischen Legionen zu kampfen Ermordung des deutschen Botschafters Bearbeiten nbsp Marija SpiridonowaAm 6 Juli gegen 14 15 Uhr meldeten sich Bljumkin und ein weiterer Agent namens Nikolai Andrejew in der deutschen Botschaft fur ein Gesprach mit Botschafter Mirbach Harff in einer angeblich personlichen Angelegenheit an Dabei zeigten sie gefalschte Beglaubigungsschreiben des Chefs der Tscheka Felix Dserschinski vor Zunachst empfangen von Botschaftsrat Kurt Riezler liessen sie sich nicht abwimmeln und verlangten mit Mirbach Harff personlich zu sprechen angeblich in der Angelegenheit eines Verwandten des Botschafters der wegen Spionageverdachts verhaftet worden sei Als Mirbach Harff schliesslich erschien und die Besucher aufforderte ihm nahere Einzelheiten des Falls schriftlich zukommen zu lassen zog Bljumkin einen Revolver und schoss auf die Anwesenden Riezler Mirbach Harff und den Dolmetscher Leutnant Muller ohne zu treffen Als Mirbach Harff versuchte ins Obergeschoss zu entkommen wurde er von hinten durch Andrejew erschossen Daraufhin fluchteten die Attentater wobei sie zwei Handgranaten warfen und bestiegen ein wartendes Fluchtauto Mirbach Harff erlag seinen Verletzungen gegen 15 15 Uhr Das Botschaftspersonal versuchte zunachst vergeblich die Sowjetbehorden telefonisch von dem Anschlag zu unterrichten da die Leitungen unterbrochen waren Militarattache Karl von Bothmer wurde schliesslich zum Sitz des Aussenkommissariats geschickt wo er Lew Karachan die Vorkommnisse schilderte Funktionare der Sowjetregierung besuchten noch am gleichen Nachmittag den Anschlagsort inklusive Lenins der auf Drangen Riezlers erschien und sich fur das Attentat entschuldigte Weiterer Verlauf des Aufstands BearbeitenDserschinski der sich von der Authentizitat der deutschen Darstellung uberzeugt hatte begab sich zum Gefechtsstand der Tscheka in der Pokrowkaserne und verlangte die Auslieferung der dort versteckten Attentater Stattdessen wurde er selbst von den Mitkonspirateuren unter Dmitri Popow als Geisel genommen Er sollte fur die Sicherheit der sozialrevolutionaren Fuhrer burgen die sich zum Sowjetkongress begeben hatten um uber das Ereignis zu berichten Als Lenin hiervon erfuhr argwohnte er einen Verrat der Tscheka und verfugte ihre Auflosung Der Lette Martyn Lazis sollte eine neue Sicherheitspolizei organisieren jedoch fiel auch er den Aufstandischen in die Hande Am selben Abend nahmen mit den Aufstandischen sympathisierende Matrosen und Soldaten einige Dutzend bolschewistische Funktionare als Geiseln Etwa 2000 Bewaffnete hatten sich auf die Seite der Linken Sozialrevolutionare geschlagen die uber mehrere Geschutze und Panzerwagen und 64 Maschinengewehre verfugten Eine Abteilung begab sich zum Hauptpost und Telegrafenamt und richtete Aufrufe an die Arbeiter Bauern und Soldaten im ganzen Land Ein Versuch den Kreml zu besetzen wie von den Bolschewiki befurchtet wurde von den Aufstandischen nicht unternommen Am Abend wurde das Bolschoi Theater von lettischen Einheiten unter Jakow Peters umstellt und die bolschewistischen Abgeordneten verliessen das Gebaude Gegen Mitternacht bestellte Lenin den Kommandeur der Lettischen Schutzen Jukums Vacietis zu sich und beauftragte ihn mit der Niederschlagung des Aufstands Vacietis Truppen in Starke von etwa 3300 Mann ruckten auf Popows Hauptquartier vor und nahmen es nach fruchtlosen Verhandlungen unter Artilleriebeschuss Daraufhin ergab sich das sich im Gebaude aufhaltende Zentralkomitee der Linken Sozialrevolutionare Die Geiseln wurden unverletzt befreit und die Anfuhrer der Aufstandischen in den folgenden Tagen verhaftet Folgen BearbeitenEtwa 650 Linke Sozialrevolutionare wurden als Folge des Aufstandes verhaftet Bolschewistische Meldungen 200 von ihnen seien erschossen worden stellten sich spater als unwahr heraus Lediglich einige aufstandische Matrosen wurden hingerichtet Die Anfuhrer des Aufstands wurden stattdessen nach Richard Pipes mit hochst ungewohnlicher Nachsicht behandelt 2 Weder die Partei der Linken Sozialrevolutionare noch ihre Zeitung wurden verboten Jedoch wurde die Partei Repressalien unterzogen und ihre Mitglieder aus den Sowjets und aus der Tscheka ausgeschlossen Die Mitglieder des Zentralkomitees gingen zumeist in den Untergrund Spiridonowa wurde im Kreml inhaftiert und im November 1918 mit einer weiteren Angeklagten zu einer einjahrigen Haftstrafe verurteilt die sie nur zum Teil verbusste Der Rest des ZK wurde in Abwesenheit zu dreijahriger Haft verurteilt Es bildeten sich Splittergruppen wie die Narodniki Kommunisten und die Partei der Revolutionaren Kommunisten die sich spater der Kommunistischen Partei anschlossen Der Aufstand beforderte somit die schon zuvor begonnene Entwicklung hin zu einem Einparteiensystem Die Tscheka wurde von Jakow Peters als rein kommunistische Organisation reformiert Erst im August 1918 ubernahm der suspendierte Dserschinski wieder ihre Leitung Nach Attentaten auf Lenin und den Chef der Petrograder Tscheka Moissei Urizki am 30 August 1918 wurde die Politik des Roten Terrors zur offiziellen Richtlinie erhoben Weitere Aufstande im Juli 1918 werden in der Forschung zuweilen im Zusammenhang mit dem Moskauer Putsch der Linken Sozialrevolutionare betrachtet So erklarte der Linke Sozialrevolutionar und Leiter der Operationen der Roten an der Ostfront Michail Murawjow seine Unterstutzung fur den Moskauer Aufstand Er setzte kommunistische Kommissare gefangen und erlaubte den Tschechoslowakischen Legionen die Einnahme von Simbirsk Er wurde am 11 Juli beim Versuch seiner Festnahme erschossen Ferner brach am 6 Juli ein von Boris Sawinkow organisierter antibolschewistischer Aufstand in Jaroslawl spater auch in Murom und Rybinsk aus Letzteres wird jedoch zumeist als zufalliges Zusammentreffen gewertet Literatur BearbeitenJuri Georgijewitsch Felschtinski The Bolsheviks and the Left SRS October 1917 July 1918 Toward a Single Party Dictatorship Dissertation Rutgers University 1988 Lutz Hafner Die Partei der Linken Sozialrevolutionare in der russischen Revolution von 1917 18 Bohlau 1994 ISBN 3 412 11194 5 Richard Pipes Die Russische Revolution Band 2 Die Macht der Bolschewiki Rowohlt Berlin 1992 ISBN 3 87134 025 1 Einzelnachweise Bearbeiten Richard Pipes Die Russische Revolution Band 2 Die Macht der Bolschewiki Rowohlt Berlin 1992 ISBN 3 87134 025 1 S 499 ff Richard Pipes Die Russische Revolution Band 2 Die Macht der Bolschewiki Rowohlt Berlin 1992 ISBN 3 87134 025 1 S 514 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aufstand der Linken Sozialrevolutionare amp oldid 225712893