www.wikidata.de-de.nina.az
Aristoteles und Phyllis ist eine mittelhochdeutsche Mare die von einem unbekannten hofischen Dichter verfasst wurde Dargestellt wird das Motiv des Weisen der durch eine schone Frau verfuhrt uberlistet und blossgestellt wird Es sind zwei deutsche Fassungen bekannt die so genannte Strassburger Fassung und die altere Benediktbeurer Fassung Diese war wahrscheinlich die Vorlage fur die spatere Strassburger Fassung Aristoteles und Phyllis wurde in den Jahren zwischen 1260 und 1287 in dem Gebiet der oberrheinischen Stadte Basel und Strassburg verfasst Im Vergleich zu anderen Maren hat ihr Erzahlstil romanhafte Zuge Die Verserzahlung ist in drei Handschriften belegt die nur noch teilweise erhalten sind Der ursprungliche Text umfasste zwischen 314 und 565 Verse Die Mare ist stark von den Werken zeitgenossischer Dichter beeinflusst so dass es an mehreren Stellen wortliche Anklange zu diesen gibt In der Forschung gibt es bis heute Uneinigkeit uber die Aussageabsicht der Verserzahlung Lucas Cranach der Altere 1530 Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Motivik 3 Autor und Entstehung 4 Erzahlstil 5 Uberlieferung 6 Literarische Vorlage 7 Fassungsunterschiede 7 1 Benediktbeurer Fassung 7 2 Strassburger Fassung 8 Textubernahmen aus anderen Werken 9 Deutungsgeschichte 10 Literatur 10 1 Primartext 10 2 Forschungsliteratur 11 Weblinks 12 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDer machtige makedonische Konig Philipp und seine schone edle Frau haben einen tugendhaften Sohn namens Alexander VV 1 37 1 Der Konig bestellt den weisen Aristoteles als Lehrmeister fur den heranwachsenden Prinzen Dieser soll Alexander auf seine zukunftigen Pflichten als Herrscher vorbereiten Zunachst fallt es dem Jungen schwer zu lernen jedoch wird er unter der Anleitung seines Lehrers zu einem fleissigen Schuler VV 38 81 Dies andert sich als Alexander sich in die hubsche Phyllis verliebt Sie ist ein Madchen aus der Gefolgschaft der Konigin und selbst von hoher Abstammung Alexander ist so sehr in Liebe zu Phyllis entbrannt dass er sich nicht mehr auf seinen Unterricht konzentrieren kann Er besucht sie heimlich und schliesslich verliebt sich auch Phyllis in Alexander In der nachsten Zeit treffen die Liebenden sich so oft wie moglich heimlich in einem Garten VV 82 145 Aristoteles erkennt jedoch bald Alexanders Liebe zu Phyllis Der Lehrer warnt den Prinzen vor der Liebe und bewacht ihn Tag und Nacht so gut er kann Dies halt Alexander und Phyllis jedoch nicht von ihren Verabredungen ab Aristoteles setzt daraufhin bei dem Konig durch dass die Liebenden getrennt werden Phyllis leugnet vor dem Konig ihre Beziehung mit Alexander Die Konigin schenkt Phyllis Glauben und bestreitet ihre Schuld Alexander und Phyllis sind sehr traurig und leiden stark unter ihrer Trennung VV 146 208 Durch ihren Liebeskummer wird Phyllis wutend auf Aristoteles Sie fuhlt sich ihrer Liebe durch den Alten bestohlen und will dafur Rache an ihm nehmen Daraufhin schmuckt sie sich mit einem leichten Kleid und einem Stirnreif aus Gold und Edelsteinen und beginnt Blumen vor Aristoteles Fenster zu pflucken VV 209 339 Dieser ist hingerissen von ihrer Lieblichkeit und bittet sie die Nacht mit ihm fur Geld zu verbringen VV 340 390 Sie geht zum Schein auf seine Bitte ein Dann sieht Phyllis einen Sattel an der Wand und verlangt fur ihre Liebe dass sie Aristoteles satteln darf und wie auf einem Pferd von ihm durch den Garten getragen wird Blind vor Liebe willigt Aristoteles ein Phyllis schnallt ihm einen Sattel auf und reitet ein Liebeslied singend auf seinem Rucken durch den Garten VV 390 489 Dieses Schauspiel beobachten zufallig einige Hofdamen und die Konigin Phyllis beschimpft den liebestollen Alten und freut sich dass ihre Rache gelungen ist Sie zeigt damit dass Aristoteles seinem eigenen Ideal nicht gerecht werden kann und sich ebenso wie Alexander in Phyllis verliebt Daraufhin ist Aristoteles der Lacherlichkeit und der Schande preisgegeben und flieht In einem fernen Land meditiert er uber die Verderblichkeit der Weiberlist VV 490 554 Die altere Vorlage und das Mare teilen die wesentlichen Handlungsablaufe Trotzdem zeigen die mittelalterlichen Fassungen unterschiedliche inhaltliche Akzentuierungen Naheres unter Fassungsunterschiede nbsp Abbildung des Motivs auf dem Maltererteppich nbsp Der Holzschnitt Weibermacht 1513 von Hans Baldung Grien nbsp Ausschnitt eines Basler Wirkteppich aus den 1470er Jahren nbsp Schlussstein Dorfkirche in Mesum vom Ende des 15 JahrhundertsMotivik BearbeitenDas Motiv des Vorfuhrens und Demutigens des Weisen durch eine uberlegene Frau ist schon seit dem 5 Jahrhundert in der Weltliteratur bekannt So findet es sich schon in chinesischen arabischen und persischen Erzahlungen aus dieser Zeit Beispiele sind die buddhistischen Erzahlungen Tripitaka aus dem Jahr 516 n Chr oder die persische Erzahlung Uber die guten und schlechten Seiten der Dinge aus dem 9 Jahrhundert 2 In Europa war dieses Motiv besonders vom 13 bis ins 16 Jahrhundert verbreitet Es kam vermutlich zur Zeit der Kreuzzuge aus dem Orient nach Europa Die Rolle des Weisen wurde jedoch erst in den abendlandischen Erzahlungen auf den Philosophen Aristoteles ubertragen Einige der zahlreichen Beispiele in denen das Weiberlistmotiv literarisch ausgefuhrt wird sind Hugo von Trimbergs Der Renner Lamprecht von Regensburgs Tochter Syon Heinrich von dem Turlins Crone Hartmann von Aues Erec oder Wolfram von Eschenbachs Parzival 3 Neben den Textzeugnissen war dieses Motiv auch stark in den bildlichen Darstellungen des Spatmittelalters verbreitet Abbildungen der Reiterszene sind auf Gegenstanden des hofischen Alltags wie beispielsweise auf Messergriffen Kammen oder Ofenkacheln nachgewiesen worden Ausserdem sind Skulpturen und Fassadenreliefs in verschiedenen Kirchen und Kathedralen dokumentiert In der Kunst wurden vielfaltige Gestaltungstechniken benutzt um das Motiv darzustellen Es sind neben Skulpturen und Fassadenreliefs beispielsweise auch Zeichnungen Holzschnitte Kupferstiche Stickereien und Elfenbeinschnitzereien belegt Konkrete Beispiele sind der Maltererteppich oder der Holzschnitt Weibermacht aus dem Jahr 1513 von Hans Baldung Grien Es gibt verschiedene Erklarungsansatze zu der Beliebtheit dieses Motivs Einerseits wird vermutet dass die Darstellung als Warnung vor der Frauenlist an das Publikum appellieren sollte und daher besonders im kirchlichen Kontext vertreten war Dagegen spricht dass viele der kirchlichen Abbildungen der Offentlichkeit nicht zuganglich waren und ihre Lehre damit nicht nach aussen drang Aufgrund der oft privaten Darstellungsorte wird andererseits vermutet dass dieses Motiv schlicht der Unterhaltung diente und daher oft aufgegriffen wurde 4 nbsp Aristoteles und Phyllis Meister des Amsterdamer Kabinetts Autor und Entstehung BearbeitenDer Dichter der die Verserzahlung verfasste ist namentlich nicht bekannt Es ist jedoch sicher dass er ein gebildeter Mann war da er genaue Kenntnisse von den Schriften Gottfried von Strassburgs und Konrad von Wurzburgs hatte und eine grosse sprachliche Gewandtheit besass Seine geografische Herkunft wird durch die niederalemannische Sprache in seiner Verserzahlung auf das Gebiet um die oberrheinischen Stadte Basel und Strassburg eingegrenzt Aufgrund mehrerer wortlicher Ubereinstimmungen und Ahnlichkeiten zu Konrad von Wurzburgs Werken Herzmare Engelhard und Trojanerkrieg gilt es heute als sicher dass der namenlose Dichter diese Werke kannte und mit in seine Mare einfliessen liess Dieser Umstand bietet einen Anhaltspunkt uber die Lebensdaten des Dichters da andere eingearbeitete Werke wie Gottfried von Strassburgs Tristan deutlich alter sind Konrad von Wurzburg schrieb seine Erzahlungen nach heutigem Wissen in der Zeit zwischen den Jahren 1260 und 1287 Es ist also anzunehmen dass auch Aristoteles und Phyllis am Ende des 13 Jahrhunderts entstand 5 Erzahlstil BearbeitenIm Vergleich zu anderen Maren des 13 Jahrhunderts wirkt Aristoteles und Phyllis romanhafter Dieser Eindruck entsteht einerseits durch die namentliche Vorstellung und Charakterbeschreibung der Personen Konig Philipp wird beispielsweise sehr ausfuhrlich als gross machtvoll freigiebig ehrenhaft und fehlerlos beschrieben VV1 9 Auch die Schonheit seiner Frau sowie Alexanders Eigenschaften werden umfangreich beschrieben VV 13 35 Andererseits entsteht das Romanhafte auch durch die weitreichende Ausarbeitung der Nebenszenen Ein Beispiel fur eine solche detaillierte Nebenszene ist das Gesprach Konig Philipps mit Aristoteles VV 40 67 Im Gegensatz zum Grossteil der Verserzahlungen ist das Publikum hier durch die genaue Wiedergabe der Worte sehr nah an der Handlung Zusatzlich ist dieses Mare von einer grossen Detailliertheit in seinen Beschreibungen gekennzeichnet Besonders Phyllis Kleidung und Erscheinung wird sehr ausfuhrlich in uber 60 Versen beschrieben VV 228 292 Wahrend die altere Vorlage von Aristoteles und Phyllis nur einen schlichten reihenden Erzahlstil aufweist zeigt das Mare selbst eine elegante Ausdrucksweise 6 Uberlieferung BearbeitenDas Mare Aristoteles und Phyllis ist in drei mittelalterlichen Handschriften uberliefert worden Zwei dieser Handschriften sind nicht mehr erhalten Die Strassburger Fassung Fassung S umfasste 554 Verse und entstand in den Jahren um 1330 1350 Sie war Teil einer Strassburger Sammelhandschrift aus Pergament Die Handschrift umfasste 80 Blatter und gehorte der Stadtbibliothek in Strassburg Sie verbrannte bei einem Feuer wahrend des Deutsch Franzosischen Krieges 1870 Von der Strassburger Fassung ist nur noch ein Abdruck erhalten 7 Die Regensburger Fassung Fassung r war 486 Verse lang und wird auf das 14 Jahrhundert datiert Sie war Bestandteil einer 65 seitigen Handschrift aus Papier die im Besitz der Jesuitenbibliothek in Regensburg war Die Handschrift trug keine Signatur und ist seit der Schlacht bei Regensburg von 1809 verschollen Die jungste und am wenigsten wertvolle Fassung ist die 565 Verse umfassende Karlsruher Fassung Fassung k die aus der Zeit zwischen 1430 und 1435 stammt und erhalten geblieben ist Sie ist Teil des 191 Blatter umfassenden Codex Karlsruhe aus Papier und befindet sich in der Badischen Landesbibliothek Literarische Vorlage BearbeitenAuf der Suche nach der Vorlage fur Aristoteles und Phyllis wurde zuerst vermutet dass das Mare eine Ubernahme des um 1230 verfassten Li Lais d Aristote Lai d Aristote von Henri d Andeli sei Es stellte sich jedoch heraus dass die altfranzosische Ausgabe viele Abweichungen von dem deutschen Mare aufzeigt In der franzosischen Fassung ist Aristoteles der Anfuhrer der Barone und Ritter Alexanders Alexander zogert seinen Eroberungsfeldzug fortzufuhren und verbringt seine ganze Zeit bei seiner Geliebten in Indien Diese von Aristoteles bedrohte Geliebte verfuhrt und reitet nun ebenfalls Aristoteles und macht ihn vor Konig und Hof lacherlich Aufgrund der verschiedenen Rahmenhandlung und fehlender wortlicher Ahnlichkeiten wird heute angenommen dass nicht das Werk von Henri d Andeli die Vorlage fur das spateren deutschen Mare war sondern die altere rheinfrankische Benediktbeurer Fassung Diese ist heute nur noch fragmentarisch erhalten und war ursprunglich zwischen 314 und 368 Verse lang Sie entstand um 1200 und ist damit die alteste europaische Fassung Die Benediktbeurer Fassung weist alle wesentlichen Erzahlzuge sowie wortliche Ubereinstimmungen mit der spateren Strassburger Fassung auf und erscheint damit uberzeugend als Vorlage Ein Beispiel fur die wortliche Nahe der beiden Fassungen verdeutlicht folgender Vergleich Strassburger FassungMhd daz half alles nut ein har Nhd das hat alles nicht das geringste genutzt Benediktbeurer FassungMhd im kunnen sine sinne niht behelfen umbe ein har Nhd Ihm vermochten seine Sinne nicht im geringsten zu helfen Im folgenden Satz stimmen beide Fassungen komplett uberein Mhd der meister krouch uf allen vieren Nhd der Meister kroch auf allen Vieren 8 Das Pergament der Benediktbeurer Fassung wurde erst in den Jahren 1964 65 bei der Restauration der Orgel der Klosterkirche von Benediktbeuern gefunden Es wurde 1695 zum Abdichten der Orgelpfeifen verwendet Unbekannt bleibt woher die Benediktbeurer Fassung den Erzahlstoff hat Es wird angenommen dass es eine nicht erhaltene Vorstufe dieser Fassung gab oder dass der Stoff mundlich uberliefert wurde Fassungsunterschiede BearbeitenTrotz der Ubereinstimmung der wesentlichen Handlungsablaufe zeigen die beiden mittelalterlichen Fassungen unterschiedliche Akzentuierungen und Enden auf Benediktbeurer Fassung Bearbeiten Die Benediktbeurer Fassung die als Grundlage fur das Mare diente zeigt eine einseitige Erzahlsicht die die verderbliche Listigkeit der Frauen in den Mittelpunkt stellt Dies wird an zwei Stellen besonders hervorgehoben Mittelhochdeutsch VV 300 304 Waz wibe liste kunnen daz kunde nieman gesagen Ein wip kan uf der verte jagen daz sich von ir listen nieman kan gevristen Neuhochdeutsche Ubersetzung Was die Klugheit der Frauen erreichen kann das vermag niemand mit Worten auszudrucken Eine Frau kann ihre Fahrte so verfolgen dass vor ihrer Gerissenheit sich keiner sicher fuhlen kann Hier wird die Frau als Jagerin dargestellt was die traditionelle Rollenverteilung umkehrt in der die Frau als Beute von dem Mann gejagt wird Es wird ausserdem die Machtlosigkeit der Manner umschrieben Mittelhochdeutsch VV 323 325 swie wise er si swie los ein man von wibes listen nieman kan sin gemuete enbinden Neuhochdeutsche Ubersetzung Wie klug und durchtrieben ein Mann auch immer sein mag von der Klugheit einer Frau kann sich keiner befreien Nach seiner Blossstellung vor dem gesamten Hofstaat wird Aristoteles verbannt und mahnt das Publikum ausdrucklich sich von den listigen Frauen fernzuhalten Begrundet wird diese Warnung mit Beispielen aus antiken oder biblischen Traditionen in der Frauen Manner durch Verfuhrung Ungluck bringen Genannt werden Adam Samson David und Salomo Die Mittel der sich die listigen Frauen bedienen werden in dieser alteren Fassung jedoch anders umgesetzt als im spateren Mare Dies kommt besonders bei der Motivation des Ritts zum Vorschein Phyllis versucht hier nicht Aristoteles zu verfuhren um ihre Racheplane durchzufuhren sondern tauscht vor nicht gehen zu konnen Phyllis muss sich hier also nicht mal ihrer Verfuhrungskunst bedienen sondern uberlistet Aristoteles allein durch ihre Klugheit Obwohl ihre Rache an Aristoteles zunachst vom Hof kritisiert wird bleibt sie schliesslich ihr Leben lang mit Alexander zusammen Aristoteles selbst wird zum Mahnmal der weiblichen Durchtriebenheit Strassburger Fassung Bearbeiten In der Mare aus dem 13 Jahrhundert steht nicht mehr die Warnung vor der Gerissenheit der Frauen sondern das Recht der Liebe als zentrales Thema im Vordergrund Dies wird besonders an einem Kommentar des Erzahlers deutlich in dem er Frauen nicht mehr grundsatzlich als bosartig und listig pauschalisiert sondern auch zugesteht dass es tadellose Frauen gibt Mittelhochdeutsch VV 453 464 diu wip sint alle niht also wip machent manic herze vro daz in sorgen waere begraben wil ir ein teil niht ere haben noch kiuschen sin noch staeten muot daz schat den niht die sind behout und vri vor aller messetat tusent wibe tugende hat ein wip ob keiniu waere boes und wandelbaere wa solte man erkennen bi welhiu waere missewende vri Neuhochdeutsche Ubersetzung Die Frauen sind nicht alle so listig Frauen erfreuen viele Herzen die in Kummer vergraben waren Wenn ein Teil von ihnen kein ehrenhaftes Benehmen hat keine reine Gesinnung und kein standhaftes Gemut dann sind die nicht betroffen die ohne jede Schandtat sind Die Tugenden von tausend Frauen besitzt auch die Einzelne schon Wenn es keine Frau geben wurde die schlecht und tadelnswert ware wie sollte man dann bemerken welche ohne Verfehlung sei In diesem Textausschnitt kann man eine Weiterentwicklung des Mares in Abgrenzung zu seiner Vorlage erkennen Wahrend in der alteren Fassung Frauen als hinterlistig verallgemeinert wurden wird hier genauer unterschieden Der schwankhaften Mare entsprechend findet sich auch hier eine parteiische Erzahlweise Phyllis wird im Vergleich mit Aristoteles als uberlegen dargestellt Sie wird mit den positiven Charaktereigenschaften einer hofischen Dame schoene und lobebaere und von hoher kunne 9 als schon lobenswert und von hoher Abstammung beschrieben Die Aristoteles zugeschriebene Weisheit V 41 dagegen wird durch das Verdeutlichen der Undurchfuhrbarkeit seiner Warnung ins Ironische gezogen Nach Aristoteles Flucht kommen Alexander und Phyllis in dieser Fassung nicht mehr zusammen Aristoteles schreibt auf der fernen Insel ein Buch uber die Listigkeit der Frauen Textubernahmen aus anderen Werken BearbeitenBemerkenswert an der Mare ist dass die spatere Strassburger Fassung stark von Werken anderer mittelalterlicher Dichter gepragt ist So zeigen sich an mehreren Stellen Anleihen aus Gottfrieds von Strassburgs Tristan Roman und Konrads von Wurzburgs Herzmare Es wurden beispielsweise vier langere Abschnitte wortlich aus dem Tristan Roman ubernommen und geschickt in die Handlung der Mare eingefugt Eine Stelle ist die Ubernahme der Verse aus dem Tristan Roman in denen sich Blanscheflur in Riwalin verliebt Mittelhochdeutsch Aristoteles und Phyllis VV 207 216 si was mit dem selben schaden durch in als er durch si beladen diu gewaltige minne diu was ouch in ir sinne ein teil ze sturmische komen und het ir mit gewalt benomen ein teil ir besten maze si was an ir gelaze ir selben noch der werlte mite nach ir gewonlichem site Neuhochdeutsch Aristoteles und Phyllis VV 207 216 Durch ihn wurde ihr derselbe Schaden auferlegt wie ihm durch sie Die tiefgreifende Liebe beherrschte auch ihr Gemut auf sturmische Weise und hatte sie mit Gewalt ihres sittlichen Benehmens beraubt Ihre Auffassung ihr selbst und der Welt gegenuber entsprach nicht der gewohnten Art Mittelhochdeutsch Tristan VV 957 970 10 diu was ouch mit dem selben schaden durch in als er durch sie beladen Diu gewaltaerinne minne diu was ouch in ir sinne Ein teil ze sturmeliche komen und haete ir mit gewalte genomen den besten teil ir maze Sine was an ir gelazen ir selber noch der werlt niht mitenach ir gewonlichem site Neuhochdeutsch Tristan VV 957 970 Die war auch mit dem gleichen Schaden durch ihn beladen als er durch sie Die tiefgreifende Liebe war auch in ihrem Gemut Diese ist teilweise so sturmisch aufgetreten dass sie sie mit Gewalt ihres sittlichen Benehmens beraubt hat Ihre Auffassung ihr selbst und der Welt gegenuber entsprach nicht mehr der gewonhten Art An diesem Beispiel ist die Ubernahme der Verse aus dem Tristan Roman sehr gut zu erkennen Der unbekannte Autor hat nur die Satzstellung leicht verandert und den Inhalt ubernommen Ahnliche Beispiele finden sich auch fur Konrads Herzmare Aristoteles und Phyllis Vers 203Mhd diu sende jamerunge vergienc ouch niht die junge Nhd er Sehnsuchtsschmerz war auch sehr andauernd Herzmare Vers 521Mhd daz herze ir in dem libe spielt von sender jamerunge Nhd Das Herz brach ihr in ihrem Korper von sehnsuchtsvollem Schmerz Angesichts dieser Anleihen scheint es sicher dass sich der Dichter des Mares sehr gut mit den Werken seiner Zeitgenossen auskannte Daruber welche Grunde der Dichter fur seine Ubernahmen hatte kann nur spekuliert werden In der Forschung wird allerdings uberwiegend davon ausgegangen dass der Dichter wollte dass sein Publikum die ubernommenen Textstellen als solche erkennt Es wird vermutet dass damit eine bestimmte erzahlerische Wirkung wie beispielsweise ein parodistischer Reiz hervorgerufen werden sollte 11 Deutungsgeschichte BearbeitenBesonders seit den 1970er Jahren hat es viele Interpretationsversuche des Mares Aristoteles und Phyllis gegeben Es fand im Gegensatz zu anderen Maren viel Beachtung in der Forschung Dies ist vor allem auf die Unentschiedenheit der Verserzahlung zuruckzufuhren Die umstrittene Kernfrage der Forschung ist ob das Mare ein Beispiel fur eine Geschichte von unuberwindbarer Liebe oder eine Warnung vor der Verschlagenheit der Frauen darstellt Ausschlaggebend fur diese Frage ist die doppeldeutige Charakterisierung von Phyllis Sie wird einerseits als unschuldig und die Liebliche mit den Worten diu sueze reine und diu minnecliche VV 375 beschrieben Andererseits wird auch ihr Wille Aristoteles zu schaden hervorgehoben als der Erzahler beschreibt Aristoteles und Phyllis VV 378 380 Mhd si kerte daruf iren sin wie si in geschante daran sie gar genante Nhd Sie hatte sich vorgenommen ihm Aristoteles Schande zu bringen darauf war sie ganz begierig Es ist nicht moglich eine der beiden strittigen Positionen eindeutig als wahr oder falsch zu klassifizieren da beide Ansatze aus dem Text gelesen werden konnen Einige der gangigsten Forschungsansatze sollen kurz skizziert werden Hellmut Rosenfeld beschaftigt sich in seinem in den 1970er Jahren erschienenen Aufsatz mit der damals neu entdeckten Benediktbeurer Fassung Er macht Angaben zu dem Fundort der Handschrift der Datierung der Lokalisierung dem Vergleich zur Strassburger Fassung und zu anderen europaischen Fassungen sowie zur literarischen Stellung Er vertritt die Position dass die altere Fassung als Vorlage fur die jungere Strassburger Fassung diente und unterstreicht dieses durch das Aufzeigen wortlicher Ubereinstimmungen beider Fassungen Nach Rosenfeld findet sich in beiden Fassungen hauptsachlich das Motiv der Weiberlist Im Folgenden beschaftigt er sich mit der Frage warum die Strassburger Fassung gegenuber ihrer Vorlage so stark verandert wurde Als Antwort nennt er einerseits die Beeinflussung der Werke zeitgenossischer Autoren Andererseits werde seiner Meinung nach die Blamage fur Aristoteles in der Strassburger Fassung extra gemildert da Aristoteles im 13 Jahrhundert zur Schullekture geworden war Aristoteles werde dadurch wieder rehabilitiert dass die Liebenden in der Strassburger Fassung nicht mehr erneut zusammenkommen 12 Burghart Wachinger sieht in seiner Untersuchung der Strassburger Fassung unter dem Aspekt der Rezeption Gottfried von Strassburgs im 13 Jahrhundert sogar noch eine deutliche Verscharfung der Warnung vor der Weiberlist Er zeigt die intertextuellen Bezuge zu dem Tristan Roman und wie zielsicher der unbekannte Autor des Mares diese in sein Werk eingebaut hat Weiterhin stellt er die Frage ob das damalige Publikum in der Lage war diese Textubernahmen zu erkennen Er unterstreicht dass die Wirkung des Mare schon damals in Abhangigkeit von dem Wissen des Zuhorers verschieden gewirkt haben muss 13 Hedda Ragotzky hat in den 1990er Jahren einen neuen Interpretationsansatz hinzugefugt Dieser geht im Gegensatz zu seinen Vorgangern nicht mehr davon aus dass die Warnung vor den Frauen im Vordergrund steht sondern die Macht der Liebe Sie argumentiert dass Phyllis nicht mehr ein abschreckendes Symbol der weiblichen Verfuhrungskunst sei sondern eine Kampferin fur die zu Unrecht verbotene Liebe Dies fuhrt sie vor allem auf die Verwendung der Tristan Auszuge zuruck Durch Phyllis Rache wurde der Liebe die Aristoteles sich angemasst hat zu unterdrucken nur ihr Recht zukommen Damit gibt Ragotzky dem Mare eine neue Sinnvariante Sie selbst druckt es folgendermassen aus Durch die intertextuellen Verweise auf den Tristan Roman ergibt sich eine Umdeutung des ursprunglichen Weiberlist Exempels zu einer Demonstration der unbesiegbaren Macht der hofischen Minne 14 Karin Cieslik hat 2006 den bisherigen Forschungsstand dargestellt Ihrer Ansicht nach habe Hedda Ragotzky die uberzeugendste Position die auch am meisten einleuchte 15 Cieslik selbst stellt in ihrer Untersuchung in der sie auf Ragotzky aufbaut die widerspruchliche Darstellung von Phyllis die sie als Hauptfigur sieht in den Mittelpunkt ihrer Ausfuhrungen Die zentrale Frage der Forschung sei es ob Aristoteles und Phyllis von unbesiegbarer Liebe handele oder eine Erzahlung uber Weiberlist sei Dies sei durch die Unentschiedenheit von Phyllis Charakter nicht eindeutig zu klaren 16 Literatur BearbeitenPrimartext Bearbeiten Jurgen Schulz Grobert Kleinere mittelhochdeutsche Verserzahlungen Reclam Stuttgart 2006 ISBN 3 15 018431 2 Gottfried von Strassburg Tristan Band 1 Text mittelhochdeutsch neuhochdeutsch Verse 1 9982 herausgegeben von Rudiger Krohn Reclam Stuttgart 1986 ISBN 3 15 004471 5 Heinz Rolleke Hrsg Heinrich von Kempten Konrad von Wurzburg Mittelhochdeutsche Texte nach der Ausgabe von Edward Schroder Reclam Stuttgart 1968 ISBN 3 15 002855 8 Forschungsliteratur Bearbeiten Marija Javor Brieski Eine Warnung vor dominanten Frauen oder Bejahung der Sinnenlust Zur Ambivalenz des Aristoteles und Phyllis Motivs als Tragezeichen im Spiegel deutscher Dichtungen des spaten Mittelalters In Amsterdamer Beitrage zur alteren Germanistik Band 59 2004 S 37 66 Karin Cieslik Sinnkonstitution und Wissenstradierung im spatmittelalterlichen Mare Aristoteles und Phyllis In Gudrun Marci Boehncke Jorg Riecke Hrsg Von Mythen und Maren Mittelalterliche Kulturgeschichte im Spiegel einer Wissenschaftler Biographie Olms Hildesheim 2006 ISBN 3 487 13179 X S 173 189 Klaus Grubmuller Novellistik des Mittelalters Marendichtung Bibliothek des Mittelalters Band 23 Deutscher Klassiker Verlag Frankfurt a M 1996 S 1185 ff ISBN 3 618 66230 0 Cornelia Herrmann Der gerittene Aristoteles Das Bildmotiv des gerittenen Aristoteles und seine Bedeutung fur die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung vom Beginn des 13 Jhs bis um 1500 Centaurus Verlagsgesellschaft Pfaffenweiler 1991 S 47 ff ISBN 3 89085 583 0 Norbert Ott Minne oder amor carnalis Zur Funktion der Minnesklaven Darstellung mittelalterlicher Kunst In Jeffrey Ashcroft Dietrich Huschenbett William Henry Jackson Hrsg Die Liebe in der deutschen Literatur des Mittelalters Niemeyer Tubingen 1987 ISBN 3 484 10551 8 S 107 125 Hedda Ragotzky Der weise Aristoteles als Opfer weiblicher Verfuhrungskunst Zur literarischen Rezeption eines verbreiteten Exempels verkehrter Welt In Helga Sciurie Hans Jurgen Bachorski Hrsg Eros Macht Askese Geschlechterspannungen als Dialogstruktur in Kunst und Literatur Wissenschaftlicher Verlag Trier WVT Trier 1996 ISBN 3 88476 132 3 S 279 301 Hellmut Rosenfeld Aristoteles und Phyllis Eine neu aufgefundene Benediktbeurer Fassung um 1200 In Zeitschrift fur deutsche Philologie Jg 89 1970 S 321 336 Otto Springer Ein unveroffentlichtes Spiel von Aristoteles und der Konigin In Zeitschrift fur Deutsches Altertum und Deutsche Literatur Jg 111 1982 S 22 52 Burghart Wachinger Zur Rezeption Gottfrieds von Strassburg im 13 Jahrhundert In Wolfgang Harms Peter Johnson Hrsg Deutsche Literatur des spaten Mittelalters Hamburger Kolloquium 1973 Erich Schmidt Verlag Berlin 1973 ISBN 3 503 01213 3 S 56 82 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Aristoteles und Phyllis Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Aristoteles und Phyllis In RDK Labor Aristoteles und Phyllis In Handschriftencensus deEinzelnachweise Bearbeiten Im Folgenden immer zitiert nach Schulz Grobert Jurgen Kleinere mittelhochdeutsche Verserzahlungen Stuttgart Reclam 2006 Grubmuller Klaus Novellistik des Mittelalters Marendichtung Bibliothek des Mittelalters Band 23 Deutscher Klassiker Verlag Frankfurt a M 1996 S 1185 ff ISBN 3 618 66230 0 S 1188 Ott Norbert Minne oder amor carnalis Zur Funktion der Minnesklaven Darstellung mittelalterlicher Kunst In Jeffrey Ashcroft Dietrich Huschenbett William Henry Jackson Hrsg Die Liebe in der deutschen Literatur des Mittelalters Niemeyer Tubingen 1987 ISBN 3 484 10551 8 S 107 125 S 111 Ott Norbert Minne oder amor carnalis Zur Funktion der Minnesklaven Darstellung mittelalterlicher Kunst S 107 125 Klaus Grubmuller Novellistik des Mittelalters Marendichtung S 1185 Burghart Wachinger Zur Rezeption Gottfrieds von Strassburg im 13 Jahrhundert In Wolfgang Harms Peter Johnson Hrsg Deutsche Literatur des spaten Mittelalters Hamburger Kolloquium Erich Schmidt Verlag Berlin 1973 ISBN 3 503 01213 3 S 77 78 Heinrich Myller in seiner Sammlung deutscher Gedichte III Wortliche Vergleiche zitiert nach Hellmut Rosenfeld Aristoteles und Phyllis Eine neu aufgefundene Benediktbeurer Fassung um 1200 In Zeitschrift fur deutsche Philologie Band 89 1970 S 331 Zitiert nach Karin Cieslik Sinnkonstitution und Wissenstradierung im spatmittelalterlichen Mare Aristoteles und Phyllis In Gudrun Marci Boehncke Jorg Riecke Hrsg Von Mythen und Maren Olms Hildesheim 2006 ISBN 3 487 13179 X S 178 Zitiert nach Rudiger Krohn Gottfried von Strassburg Tristan Band 1 Reclam Stuttgart 1986 S 66 Burghart Wachinger Zur Rezeption Gottfrieds von Strassburg im 13 Jahrhundert S 79 Hellmut Rosenfeld Aristoteles und Phyllis Eine neu aufgefundene Benediktbeurer Fassung um 1200 In Zeitschrift fur deutsche Philologie Bd 89 1970 S 321 336 Burghart Wachinger Zur Rezeption Gottfrieds von Strassburg im 13 Jahrhundert In Wolfgang Harms Peter Johnson Hrsg Deutsche Literatur des spaten Mittelalters Hamburger Kolloquium Erich Schmidt Verlag Berlin 1973 ISBN 3 503 01213 3 S 56 82 Ragotzky Hedda Der weise Aristoteles als Opfer weiblicher Verfuhrungskunst Zur literarischen Rezeption eines verbreiteten Exempels verkehrter Welt In Helga Sciurie Hans Jurgen Bachorski Hrsg Eros Macht Askese Geschlechterspannungen als Dialogstruktur in Kunst und Literatur WVT Wiss Verlag Trier 1996 ISBN 3 88476 132 3 S 187 Karin Cieslik Sinnkonstitution und Wissenstradierung im spatmittelalterlichen Mare Aristoteles und Phyllis S 177 Karin Cieslik Sinnkonstitution und Wissenstradierung im spatmittelalterlichen Mare Aristoteles und Phyllis In Gudrun Marci Boehncke Jorg Riecke Hrsg Von Mythen und Maren Olms Hildesheim 2006 ISBN 3 487 13179 X S 173 189 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aristoteles und Phyllis amp oldid 238926933