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Antigonae ist Carl Orffs Vertonung in funf Akten des Trauerspiels Antigone griechisch Ἀntigonh des antiken griechischen Dichters Sophokles in der deutschen Ubersetzung durch Friedrich Holderlin von 1804 Als direkte Musikalisierung des vollstandigen Dramentextes in Holderlins Ubersetzung bildet Orffs Partitur ein Musterbeispiel fur eine Literaturoper Seine Urauffuhrung erlebte das Werk am 9 August 1949 im Rahmen der Salzburger Festspiele in der Felsenreitschule unter dem Dirigat von Ferenc Fricsay und in der Regie von Oscar Fritz Schuh mit Buhnenbild und Kostumen von Caspar Neher WerkdatenTitel AntigonaeForm Trauerspiel in funf AktenOriginalsprache DeutschMusik Carl OrffLibretto Sophokles in der Ubersetzung von Friedrich HolderlinLiterarische Vorlage Antigone von SophoklesUrauffuhrung 9 August 1949Ort der Urauffuhrung Felsenreitschule SalzburgSpieldauer ca 2 StundenOrt und Zeit der Handlung Theben Griechenland mythische ZeitPersonenAntigonae Sopran Ismene ihre Schwester Mezzosopran Kreon Konig von Theben Antigonaes Onkel Bariton Hamon dessen Sohn Tenor Ein Wachter Tenor Tiresias der Seher Tenor Ein Bote Bass Euridice Sopran Die thebanischen Alten Chor Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Musik 2 1 Orchester 3 Aufnahmen 3 1 Audio 3 2 Video 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseHandlung BearbeitenBei dem Krieg um Theben sind Antigonaes Bruder Eteokles und Polynikes gefallen Der Erstere hatte fur Thebens Konig Kreon gekampft und der Letztere auf den Seiten der feindlichen Belagerer Deshalb verbietet Kreon der Onkel der Toten den Verrater zu bestatten Antigonae kann es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren dass Polynikes eine derartige Schmach widerfahren soll Sie widersetzt sich dem Verbot und bestreut den vor den Toren der Stadt liegenden Bruder mit Sand um so dem Gebot der Gotter Genuge zu tun Ein Wachter beobachtet sie bei ihrem Tun und verrat sie an den Regenten Kreon verurteilt daraufhin seine Nichte lebendig eingemauert zu werden Als Hamon der Sohn des Konigs und Antigonaes Verlobter vom Urteilsspruch seines Vaters hort ist er entsetzt Er fleht ihn an Gnade walten zu lassen Damit aber stosst er bei Kreon auf taube Ohren Verzweifelt eilt Hamon zu seiner Braut Ohne sie hat fur ihn das Leben jeglichen Sinn verloren Nun will er mit ihr gemeinsam dem Tod entgegensehen Der blinde Seher Tiresias warnt den Herrscher es werde bald aus seinem Blut einen Toten zur Suhne fur jene Tote geben Dieser Spruch gibt dem Konig zu denken Es kommen ihm Zweifel ob sein Handeln richtig war Schliesslich gelangt er zu der Einsicht die Gefangene freizugeben Die Nachricht will er ihr selbst uberbringen aber dazu ist es zu spat Antigonae hat ihrem Leben bereits selbst ein Ende gesetzt Auch Hamon konnte dies nicht verhindern und ist seiner Braut in den Tod gefolgt Schliesslich scheidet auch Kreons Gattin Euridice ob des furchtbaren Geschehens freiwillig aus dem Leben Musik BearbeitenOrffs textgetreue Vertonung von Friedrich Holderlins Sophokles Ubersetzung von 1804 bedeutete die Schaffung einer neuartigen Form von Musiktheater in welchem der Text selbst durch die Deklamation der Singstimmen seine Musikalisierung erfahrt Eine ausserordentliche Reduktion der Tonhohenstruktur in Verbindung mit dem Uberwiegen des Rhythmischen bilden die wesentlichen Merkmale von Orffs Spatstil 1 Besonders an den grossen Choren die eine ausgepragte Tendenz zum Aufbau grosserer geschlossener Klangflachen zeigen lasst sich die Verfahrensweise des Komponisten aufzeigen in Konstellationen grundtoniger Flachen ohne veritable Akkordsyntax zu denken Orffs Verzicht auf die Grammatik der harmonischen Tonalitat erlaubte es dem Komponisten als musikalisches Aquivalent von Holderlins archaischer Sprache die deklamierende Singstimme selbst zum Trager der Handlung zu machen 2 Wie Pietro Massa zeigen konnte bildete die Holderlin Rezeption der deutschen Altphilologie nach dem II Weltkrieg unter dem Einfluss Martin Heideggers einen wesentlichen Anstoss fur Orffs Entscheidung gerade die Nachdichtungen Holderlins zu vertonen Auch begleitete ein intensiver Gedankenaustausch mit dem Musikwissenschaftler Thrasybulos Georgiades sowie mit Wieland Wagner den Entstehungsprozess der Orff schen Antikenopern Orffs Freundschaft mit dem Tubinger Altphilologen Wolfgang Schadewaldt entstand freilich erst nach der Urauffuhrung von Antigonae 3 Die Konzentration auf ein Ensemble aus Schlaginstrumenten mit bestimmter und unbestimmter Tonhohe ursprunglich sicherlich aus der Faszination geboren die die einzige noch entwicklungsfahige Gruppe des Orchesters auf die Komponisten des 20 Jahrhunderts ausubte erscheint zugleich als veritable Patentlosung fur einen Komponisten dem die Erstellung von Tonhohenorganisationen niemals ein zentrales Anliegen gewesen war Die Vorstellung eines arbeitsteilig ausdifferenzierten Zusammenwirkens die das im Laufe der Jahrhunderte organisch gewachsene Orchester der abendlandischen Kunstmusik auszeichnete erscheint im Orchester von Orffs Holderlin Opern auf Instrumentenkonstellationen transponiert die der europaischen Kunstmusik bisher unbekannt waren Klavier und Xylophone im traditionellen Orchester eher mit marginalen Aufgaben vertraut nehmen innerhalb der Antigonae Partitur etwa die Rolle ein die dem Streicherkorper im Orchestersatz der Wiener Klassik zufiel 4 Traditionelle Instrumente der europaischen Orchestertradition wie etwa Floten Oboen Trompeten und Kontrabasse erscheinen in Antigonae und Oedipus der Tyrann dagegen mit Funktionen betraut die von den seltenen Schlaginstrumenten im Orchester des 19 Jahrhunderts wahrgenommen wurde Als Sonderklangfarben mit beinahe exotischem Klangreiz werden sie nur fur spezielle dramaturgisch motivierte Aufgaben herangezogen Im musikhistorischen Ruckblick erscheinen Orffs Antikenopern als ein ausserordentlich origineller Sonderweg des Musiktheaters nach 1950 der in den Jahren seit 2000 nicht zuletzt wegen der Verwandtschaft von Orffs Musiksprache zu den Tendenzen der Minimal Music wieder mehr Beachtung erfahrt Von den drei Antikenopern konnte sich Antigonae am besten im Repertoire behaupten da Arthur Honeggers Oper Antigone Brussel Theatre de la Monnaie 1927 sich trotz der Dichtung von Jean Cocteau nicht durchsetzen konnte 5 Orchester Bearbeiten Die Partitur von Orffs Antigonae sieht eine in der Musikgeschichte bis 1949 einzigartige Orchesterbesetzung vor 6 Floten alle auch Piccolofloten 6 Oboen die Oboen 4 6 auch Englischhorn 6 Trompeten 4 Harfen 6 Konzertflugel mit 12 Spielern 9 KontrabasseDie grosse Schlagzeugbesetzung verlangt zehn bis funfzehn Spieler 7 bis 8 Pauken darunter eine hohe Pauke in a Lithophone 2 bis 3 Xylophone 10 Trogxylophone 2 Sopran Xylophone 6 Tenor Xylophone 2 Bass Xylophone eine kleine Holztrommel eine grosse Afrikanische Schlitztrommel 2 hohe Glocken in d5 und e5 3 Glockenspiele 4 Paare antike Zimbeln 3 hangende Becken turkisch 3 Paar Becken turkisch ein kleiner Amboss 3 Triangeln 2 Grosse Trommeln 6 Tamburine 6 Paar Kastagnetten 10 grosse javanesische Gongs in G c d e g a c1 d1 e1 und f1Die Trogxylophone sind Instrumente des Orff Schulwerks Da sie im Orchestergebrauch wegen der chromatischen Anordnung der Stabe ungebrauchlich sind aber nur sie die Ausfuhrung chromatischer Glissandi ermoglichen wird in der gegenwartigen Auffuhrungspraxis die Mehrzahl der tiefen Trogxylophone durch Marimbaphone ersetzt 6 Wahrend die Ausfuhrung der Schlagzeugpartien zur Zeit der Urauffuhrung betrachtliche Anforderungen an die Schlagzeuger stellte 7 bietet Orffs Partitur dank der ausserordentlichen Entwicklung der Schlagzeugtechnik in den vergangenen Jahrzehnten keine unuberwindlichen Hindernisse mehr Aufnahmen BearbeitenAudio Bearbeiten Res Fischer Hilde Zadek Benno Kusche Hermann Uhde Helmut Krebs Lorenz Fehenberger Ernst Haefliger Josef Greindl Wiener Philharmoniker Musikalische Leitung Ferenc Fricsay Urauffuhrung 1949 Stradivarius Christel Goltz Irmgard Barth Benno Kusche Hermann Uhde Paul Kuen Karl Ostertag Bayerisches Staatsorchester Musikalische Leitung Sir Georg Solti Orfeo 1951 Martha Modl Carlos Alexander Paul Kuen Fritz Uhl Josef Traxel Kurt Bohme Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Musikalische Leitung Wolfgang Sawallisch 1958 Inge Borkh Carlos Alexander Gerhard Stolze Fritz Uhl Ernst Haefliger Kim Borg Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Musikalische Leitung Ferdinand Leitner Deutsche Grammophon 1961 Video Bearbeiten Katrin Gerstenberger Anja Vincken Oleksandr Prytolyuk Andreas Daum Markus Durst Jeffrey Treganza Sven Ehrke Mark Adler Thomas Mehnert Susanne Serfling Staatstheater Darmstadt Regie John Dew Musikalische Leitung Stefan Blunier Vidoeregie Peider A Defilla Wergo 2010 ISBN 978 3 7957 7834 7Literatur BearbeitenNicholas Attfield Re staging theWelttheater A Critical View of Carl Orff s Antigonae and Oedipus der Tyrann in Peter Brown Suzana Ograjensek Hrsg Ancient Drama in Music for the Modern Stage Oxford Oxford University Press 2010 S 340 368 Alberto Fassone Il Grabgesang di Antigone Orff ed il ritorno alle origini In Studi Musicali 19 1990 S 183 202 Alberto Fassone Carl Orff Libreria Musicale Italiana Lucca 2009 ISBN 978 88 7096 580 3 Hellmut Flashar Inszenierung der Antike Das griechische Drama auf der Buhne der Neuzeit 1585 1990 Munchen C H Beck 1991 Thrasybulos Georgiades Zur Antigonae Interpretation von Carl Orff in Thrasybulos Georgiades Kleine Schriften hrsg Theodor Gollner Hans Schneider Tutzing 1977 S 227 231 Theo Hirsbrunner Carl Orffs Antigonae und Oedipus der Tyrann im Vergleich mit Arthur Honeggers Antigone und Igor Strawinskys Oedipus Rex In Thomas Rosch Hrsg Text Musik Szene Das Musiktheater von Carl Orff Schott Mainz 2015 ISBN 978 3 7957 0672 2 S 231 245 Wilhelm Keller Carl Orffs Antigonae Versuch einer Einfuhrung Schott Mainz 1954 Stefan Kunze Die Antike in der Musik des 20 Jahrhunderts Bamberg Buchner 1987 ISBN 3 7661 5456 7 Stefan Kunze Orffs Tragodien Bearbeitungen und die Moderne In Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schonen Kunste 2 1988 S 193 213 wieder abgedruckt in Stefan Kunze DE MUSICA Ausgewahlte Aufsatze und Vortrage hrsgg von Erika Kunze und Rudolf Bockholdt Tutzing Schneider 1998 S 543 564 Jurgen Leonhardt Sprachbehandlung und antike Poesie bei Carl Orff in Jurgen Leonhardt Silke Leopold Mischa Meier Hrsg Wege Umwege und Abwege Antike Oper in der 1 Halfte des 20 Jahrhunderts Stuttgart Steiner 2011 S 67 98 Jurgen Maehder Non Western Instruments in Western 20th Century Music Musical Exoticism or Globalization of Timbres in Paolo Amalfitano Loretta Innocenti Hrsg L Oriente Storia di una figura nelle arti occidentali 1700 2000 Bulzoni Roma 2007 vol 2 S 441 462 Jurgen Maehder Die Dramaturgie der Instrumente in den Antikenopern von Carl Orff In Thomas Rosch Hrsg Text Musik Szene Das Musiktheater von Carl Orff Schott Mainz 2015 S 197 229 ISBN 978 3 7957 0672 2 Pietro Massa Carl Orffs Antikendramen und die Holderlin Rezeption im Deutschland der Nachkriegszeit Peter Lang Bern Frankfurt New York 2006 ISBN 3 631 55143 6 Thomas Rosch Die Musik in den griechischen Tragodien von Carl Orff Hans Schneider Tutzing 2003 ISBN 3 7952 0976 5 Thomas Rosch Hrsg Text Musik Szene Das Musiktheater von Carl Orff Symposium Orff Zentrum Munchen 2007 Schott Mainz 2015 ISBN 978 3 7957 0672 2 Werner Thomas Hrsg Carl Orff und sein Werk Dokumentation Band VII Abendlandisches Musiktheater Tutzing Hans Schneider 1983 ISBN 3 7952 0308 2 Werner Thomas Carl Orffs Antigonae Wieder Gabe einer antiken Tragodie in Werner Thomas Das Rad der Fortuna Ausgewahlte Aufsatze zu Werk und Wirkung Carl Orffs Schott Mainz 1990 S 209 219 ISBN 3 7957 0209 7 Weblinks BearbeitenAntigonae Werkinformationen auf der Website der Carl Orff Stiftung Antigonae Werkinformationen beim Verlag Schott MusicEinzelnachweise Bearbeiten Stefan Kunze Orffs Tragodien Bearbeitungen und die Moderne In Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Schonen Kunste 2 1988 S 193 213 wiederabgedruckt in Stefan Kunze DE MUSICA Ausgewahlte Aufsatze und Vortrage herausgegeben von Erika Kunze und Rudolf Bockholdt Tutzing Schneider 1998 S 543 564 Thomas Rosch Die Musik in den griechischen Tragodien von Carl Orff Hans Schneider Tutzing 2003 Pietro Massa Carl Orffs Antikendramen und die Holderlin Rezeption im Deutschland der Nachkriegszeit Peter Lang Bern Frankfurt New York 2006 Jurgen Maehder Die Dramaturgie der Instrumente in den Antikenopern von Carl Orff In Thomas Rosch Hrsg Text Musik Szene Das Musiktheater von Carl Orff Schott Mainz 2015 S 197 229 Theo Hirsbrunner Carl Orffs Antigonae und Oedipus der Tyrann im Vergleich mit Arthur Honeggers Antigone und Igor Strawinskys Oedipus Rex In Thomas Rosch Hrsg Text Musik Szene Das Musiktheater von Carl Orff Schott Mainz 2015 S 231 245 Gunther Moller Das Schlagwerk bei Carl Orff Auffuhrungspraxis der Buhnen Orchester und Chorwerke Schott Verlag Mainz 1995 Karl Peinkofer Ja ihr lernts es schon noch in Horst Leuchtmann Hrsg Carl Orff Ein Gedenkbuch Hans Schneider Tutzing 1985 S 115 119 Normdaten Werk GND 300354126 lobid OGND AKS LCCN no2001004210 VIAF 174415123 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Antigonae amp oldid 235238204