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Andre Glucksmann 19 Juni 1937 in Boulogne Billancourt 10 November 2015 in Paris 1 war ein franzosischer Philosoph und Essayist Andre Glucksmann 2009 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Familie und Kindheit 1 2 Vor 1976 Studien und Maoismus 1 3 Nach 1976 Totalitarismuskritik 2 Werke 3 Literatur 4 Filme 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenFamilie und Kindheit Bearbeiten Andre Glucksmanns Eltern entstammten dem osteuropaischen Judentum der Vater kam aus der Bukowina die Mutter aus Prag Beide gingen in den 1920er Jahren nach Palastina und lernten einander dort kennen Zwei Schwestern Andres sind dort geboren 1930 ging die Familie nach Deutschland wo sich die Eltern ab 1933 dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus anschlossen 1937 fluchteten sie nach Frankreich Sein Vater ging weiter ins Exil nach London wo er als sowjetischer Spion tatig war Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde er als feindlicher Auslander inhaftiert Er kam 1940 bei der Versenkung der Arandora Star durch deutsche Torpedos ums Leben 2 1941 wurde die restliche Familie ins Lager Bourg Lastic bei Vichy gebracht Es drohte ihnen die Deportation nach Deutschland Mutter und Kinder durften jedoch das Lager wieder verlassen weil Andre in Frankreich geboren und somit Franzose war Seine Mutter schloss sich der Resistance an Um zu uberleben musste Andre danach mehrere Jahre im Verborgenen unter dem Decknamen Joseph Riviere mit einer verdeckten Identitat leben 3 4 Vor 1976 Studien und Maoismus Bearbeiten Nach seinem Philosophie Studium in Lyon und an der Ecole normale Superieure Saint Cloud arbeitete Glucksmann beim Centre national de la recherche scientifique CNRS unter der Leitung von Raymond Aron als Spezialist fur Krieg Abschreckung und nukleare Strategie Im Jahre 1968 veroffentlichte er sein erstes Buch Le Discours de la Guerre Diskurs uber den Krieg Er nahm an den Mai Demonstrationen im Jahr 1968 teil und bezeichnete sich als Maoist Danach wurde er Mitglied der Gauche Proletarienne GP die die antiautoritare Revolte des Pariser Mai in eine proletarische Revolution weiterentwickeln wollte und den Kampf noch bis 1970 fortfuhrte solidarisch unterstutzt von Jean Paul Sartre Im Verstandnis der GP verstarkte sich damals in Frankreich die staatliche Unterdruckung und nahm die Formen eines Faschismus von oben an Nach 1976 Totalitarismuskritik Bearbeiten In der deutschen Linken wurde Glucksmann durch sein 1976 in deutscher Sprache erschienenes Buch Kochin und Menschenfresser Uber die Beziehung zwischen Staat Marxismus und Konzentrationslager bekannt Beeinflusst von Solschenizyns Buch Der Archipel Gulag stellt es eine Abrechnung mit Marxismus und Stalinismus und der Geschichte der Sowjetunion dar Wegen seiner GP Vergangenheit wurde Glucksmanns Buch in einigen Teilen der Linken die sich revolutionar und kommunistisch verstanden besonders stark diskutiert Als Glucksmanns Hauptwerk gilt seine 1977 erschienene philosophische Abhandlung Die Meisterdenker Les maitres penseurs zu welcher er nach eigenem Bekunden ebenfalls durch die Lekture von Solschenizyns Buch angeregt wurde Mit den Meisterdenkern sind die deutschen Philosophen Fichte Hegel Nietzsche und Marx gemeint denen Glucksmann den Vorwurf macht einen Kult um die romantisch mythische Uberhohung der abschliessenden totalen und endgultigen Revolution und des daraus resultierenden totalitaren Staates begrundet zu haben und so fur den nicht oder nicht ausreichend vorhandenen Widerstand gegenuber Totalitarismen verantwortlich zu sein Das Deutschland Geburtsstatte der faschistischen Bewegungen ist kein Territorium keine Bevolkerung sondern ein Text und ein Verhaltnis zu Texten die lange vor Hitler aufgestellt und weit uber die alten Grenzen des Heiligen Romischen Reiches Deutscher Nation verbreitet wurden Dieses Deutschland ist ganz zeitgemass es hat seinen Sitz in den modernen Kopfen des modernen Planeten im Pentagon zu Washington ebenso wie in dem letzten Loch eines Konzentrationslagers in den Dorfern Kambodschas Die Meisterdenker 1977 unterschrieb er wie etwa sechzig andere Intellektuelle auch einen Appell zur Entkriminalisierung der Padophilie der in den Zeitungen Liberation und Le Monde erschien Initiator des Appells war der padophile Schriftsteller Gabriel Matzneff 5 In seinem im Oktober 2004 erschienenen Buch Le Discours de la haine Hass vertritt er nach einem im Spiegel erschienenen Interview mit Romain Leick 6 folgende Kernthesen Ideologien sind das Alibi des Hasses Um seine Zerstorungskraft zu entfalten muss Hass kollektiv werden Ideologien konnen der Kollektivierung des Hasses dienen sind aber nicht dessen Ursache Das gelte ebenso fur Religionen Wenn die Ideologien widerlegt oder besiegt sind verschwande also keineswegs der Hass Erst durch die Beherrschung des Todestriebs der Mordinstinkte und der Begierden wurden Terror und Hass eingedammt Eine Zivilisation grundet sich nicht unbedingt auf das gemeinsam angestrebte Beste sondern auf die Ausgrenzung die Tabuisierung des Bosen Als erfolgversprechenden Kampf gegen das Bose sieht er z B den Irak Krieg der USA Viele Demokratien verhielten sich zu zuruckhaltend im Vertrauen darauf dass sich das Gute mit dem Fortschritt von selbst durchsetze Glucksmann wandte sein antitotalitares Erklarungsmodell auch auf den Terrorismus an Die Bombenanschlage und die Geiselnahmen der Tschetschenen bezeichnete er als antitotalitaren Widerstand Spater war Glucksmann einer der Herausgeber der Zeitschrift Le Meilleur des Mondes in der die franzosischen Befurworter des Irak Krieges zu Wort kamen und deren Schwerpunkt die Kritik des Antiamerikanismus war 1999 befurwortete Glucksmann bereits den Krieg der NATO gegen Slobodan Milosevic 7 In der Zeitung Le Monde vom 30 Januar 2007 begrundete er warum er bei den franzosischen Prasidentschaftswahlen fur Nicolas Sarkozy UMP stimmen wolle 8 kritisierte Sarkozys Politik spater jedoch auch wiederholt Werke BearbeitenVoltaire contre attaque Robert Laffont Paris 2014 Les deux chemins de la philosophie 2009 deutsch Philosophie des Widerstands Sokrates oder Heidegger Ubersetzt von Helmut Kohlenberger und Dorothea Resch in Zusammenarbeit mit Wilhelm Donner Passagen Verlag Wien 2012 Benedikt XVI Andre Glucksmann Wael Faroug Sari Nusseibeh Robert Spaemann Gott rette die Vernunft Die Regensburger Vorlesung des Papstes in der philosophischen Diskussion Sankt Ulrich Verlag Augsburg 2008 ISBN 978 3 86744 055 4 Une rage d enfant 2006 deutsch Wut eines Kindes Zorn eines Lebens Erinnerungen Ubersetzt von Bernd Wilczek Nagel amp Kimche Munchen 2007 ISBN 978 3 312 00385 3 Rezension im Standard 7 April 2007 Le Discours de la haine 2004 deutsch Hass Die Ruckkehr einer elementaren Gewalt Ubersetzt von Bernd Wilczek amp Ulla Varchmin Nagel amp Kimche Munchen 2005 ISBN 3 312 00360 1 Ouest contre Ouest 2003 Dostoievski a Manhattan 2002 La Troisieme Mort de Dieu 2000 Cynisme et passion 1999 Le Bien et le mal 1997 De Gaulle ou es tu 1995 deutsch Krieg um den Frieden Ubersetzt von Ursel Schafer DVA Stuttgart 1996 ISBN 3 421 05030 9 La Felure du monde 1993 Le XIe commandement 1992 Descartes c est la France 1987 deutsch Die cartesianische Revolution Von der Herkunft Frankreichs aus dem Geist der Philosophie Hamburg 1989 ISBN 3 498 02453 1 Silence on tue 1986 mit Thierry Wolton deutsch Politik des Schweigens DVA Stuttgart 1987 ISBN 3 421 06360 5 L Esprit post totalitaire precede de Devant le bien et le mal 1986 mit Petr Fidelus La Betise 1985 deutsch Die Macht der Dummheit DVA Stuttgart 1985 La Force du vertige 1983 deutsch Philosophie der Abschreckung DVA Stuttgart Mai 1984 ISBN 3 421 06201 3 Cynisme et passion 1981 Les Maitres penseurs 1977 deutsch Die Meisterdenker DVA Stuttgart 1987 ISBN 3 421 06350 8 ausgezeichnet 1977 mit dem Prix de l Essai La Cuisiniere et le Mangeur d Hommes reflexions sur L etat le marxisme et les camps de concentration 1975 deutsch Kochin und Menschenfresser Uber die Beziehung zwischen Staat Marxismus und Konzentrationslager 1976 Discours de la guerre theorie et strategie 1967 Literatur BearbeitenJurg Altwegg Andre Glucksmann ein existentieller und intellektueller Dialog mit Deutschland In Andre Glucksmann Philosophie der Abschreckung Ullstein Frankfurt am Main Berlin 1986 S 9 24 ISBN 3 548 34356 2 Jurg Altwegg Aurel Schmidt Andre Glucksmann oder Der Intellektuelle als anti ideologischer Brandstifter In Dies Franzosische Denker der Gegenwart Zwanzig Portrats 2 Auflage Beck Munchen 1988 S 98 104 ISBN 3 406 31992 0 Ingeborg Breuer Peter Leusch Dieter Mersch Vom Antitotalitarismus zur Ethik der Ersten Hilfe Politische Moralistik bei Andre Glucksmann In Dies Welten im Kopf Profile der Gegenwartsphilosophie Band 2 Frankreich Italien Rotbuch Hamburg 1996 S 127 136 ISBN 3 88022 368 8 Yves Bizeul Andre Glucksmanns Weg zum Leitintellektuellen Aufstieg und Fall In Harald Bluhm Walter Reese Schafer Hrsg Die Intellektuellen und der Weltlauf Schopfer und Missionare politischer Ideen in den USA Asien und Europa nach 1945 Nomos Baden Baden 2006 S 171 193 ISBN 978 3 8329 2254 2 Gunther Schiwy Andre Glucksmann Le Discours de la Guerre und La Force du Vertige Philosophie der Abschreckung In Ders Hrsg Poststrukturalismus und Neue Philosophen Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1985 S 121 131 ISBN 3 499 55413 5 Sebastian Voigt Der judische Mai 68 Pierre Goldman Daniel Cohn Bandit und Andre Glucksmann im Nachkriegsfrankreich 2 durchgesehene Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2016 ISBN 978 3 525 37049 0 Filme BearbeitenSauve qui pense Rette sich wer denkt ARTE Filmportrat uber den franzosischen Philosophen Andre Glucksmann Frankreich Deutschland 1997 98 Buch und Regie Christoph WeinertSiehe auch BearbeitenNouvelle PhilosophieWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Andre Glucksmann Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Literatur von und uber Andre Glucksmann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Andre Glucksmann in der Internet Movie Database englisch Andre Glucksmann Warum ich fur Sarkozy bin Welt Online 2 Februar 2007 Andre Glucksmann Die Augen der Erinnerung oder La Trostlosigkeit der Philosophie Stephan Sattler Manfred Weber Lamberdiere Es lebe der antitotalitare Geist Interview im Focus 16 Juni 2008 Romain Leick Gemeinsam das Bose erkennen Andre Glucksmann uber Terrorismus und den Kampf gegen den modernen Nihilismus In Der Spiegel Nr 39 2005 S 216 220 online 26 September 2005 Einzelnachweise Bearbeiten Facebook Posting seines Sohnes Raphael vom 10 November 2015 Sebastian Voigt Der judische Mai 68 Pierre Goldman Daniel Cohn Bendit und Andre Glucksmann im Nachkriegsfrankreich 2 durchgesehene Auflage Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2016 ISBN 978 3 525 37049 0 S 239 261 Romain Leick Zum Tod des Philosophen Andre Glucksmann Seher in der Nacht Spiegel Online 10 November 2015 Hans Hutt Der Prophet des Desasters Andre Glucksmann hat die Gewalt die von der Mehrheit ausgehen kann gewittert wie kaum ein anderer Frankreich hat einen seiner wichtigsten Interventionisten verloren Die Zeit 11 November 2015 Pascale Hugues Es war verboten zu verbieten In Die Zeit vom 25 Januar 2020 S 53 Romain Leick Gemeinsam das Bose erkennen In Der Spiegel 39 2005 vom 26 September 2005 S 216 219 Vgl Andre Glucksmann Es muss Krieg sein Milosevic der Balkan und Europa In Suddeutsche Zeitung 1 2 April 1999 Andre Glucksmann Nicht zaudern Der Westen muss Milosevic besiegen und das Kosovo befreien In Die Zeit 15 April 1999 Andre Glucksmann Pourquoi je choisis Nicolas Sarkozy Le Monde 30 Januar 2007 Abgerufen am 21 November 2015 franzosisch Normdaten Person GND 11853985X lobid OGND AKS LCCN n80097588 NDL 00441076 VIAF 97851023 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Glucksmann AndreKURZBESCHREIBUNG franzosischer Philosoph und EssayistGEBURTSDATUM 19 Juni 1937GEBURTSORT Boulogne BillancourtSTERBEDATUM 10 November 2015STERBEORT Paris Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Andre Glucksmann amp oldid 233609437