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Allgemeines altgr to katholou lateinisch generalis universalis und Einzelnes altgr to kath hekaston auch hekaston lat particulare singulare species sind Grundbegriffe in der philosophischen Disziplin der Ontologie aber auch der Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie Allgemeines und Einzelnes bilden zusammen ein Begriffspaar Als Allgemeines werden Eigenschaften bezeichnet die allen Elementen einer Menge von Einzelfallen in nicht zufalliger Weise d h aufgrund von Gesetz oder Regelmassigkeiten zu eigen sind Philosophisch bedeutsam ist besonders die Frage nach dem ontologischen Status des Allgemeinen Universalienproblem und in welcher Beziehung das Allgemeine zum Einzelnen oder synonym zum Besonderen steht hieraus leitet sich die grundlegende Unterscheidung in idealistisch das Allgemeine bestimmt das Individuelle und empiristisch aus Einzelfallen wird das Allgemeine abstrahiert orientierte Erkenntnistheorie ab Inhaltsverzeichnis 1 Historische Allgemeinheitsvorstellungen 2 Erkenntnistheoretische Bedeutung des Allgemeinen 3 Quellen 4 LiteraturHistorische Allgemeinheitsvorstellungen BearbeitenIm mythischen Denken ist eine reflektierende Unterscheidung zwischen Einzelnem und Allgemeinem noch nicht zu finden Auch die modernen Menschen sind nicht frei von mythischem Denken wenn sie im Winter an die guten belebenden Gefuhle im erwachenden Fruhling denken oder von den Angsten vor einem heftigen Gewitter geplagt werden In dieser Hinsicht unterscheidet sich auch in der eigenen Vorstellung Einzelnes und Allgemeines nicht Erst wenn diese Unterscheidung vorgenommen wird fangt der Mythos an zu zerbrechen 1 In der Zeit des im antiken Griechenland allmahlich zerfallenden Mythos scheint die Betonung der Wichtigkeit des Allgemeinen die Bedeutsamkeit des Besonderen herunterzuspielen So sagte etwa Heraklit Daher hat man sich dem Allgemeinen anzuschliessen d h dem Gemeinschaftlichen denn der gemeinschaftliche Logos ist allgemein ungeachtet der Tatsache aber dass die Auslegung eine allgemeine ist leben die Leute als ob sie uber eine private Einsicht verfugten 2 Das Entsprechende gilt auch fur Parmenides Obwohl bereits Sokrates die Bedeutung des einzelnen Menschen hervorhob fiel sein Schuler Platon mit seiner Ideenlehre sogar wieder zuruck in eine Uberbetonung des Allgemeinen indem den Ideen die Rolle des Allgemeinen zufallt welche als Urbilder allen Seins uberhaupt das Wesen der Welt ausmachen Dem Einzelnen fallt dabei nur die Rolle des verganglichen Abbildes der unverganglichen Ideen zu Platons Schuler Aristoteles lehnte die Ideenlehre ab und mass in seiner ersten Philosophie Metaphysik dem Einzelnen dem Diesda eine wirklichkeitskonstituierende Funktion zu Dennoch kam fur Aristoteles dem Allgemeinen als reiner Form die in der ewigen Vernunft enthalten ist an der auch der Mensch Anteil hat eine uberzeitliche Bedeutung zu die sich in unserem heutigen Begriff des Naturgesetzes manifestiert Aristoteles gab in seiner Metaphysik eine bis heute akzeptable Definition fur das Allgemeine an indem er sagte dass etwas allgemein sei wenn es mehreren zugleich zukomme 3 Die Philosophie des Mittelalters beschaftigt sich im Universalienstreit dann fast ausschliesslich mit der Frage welche existentielle Bedeutung dem Allgemeinen und dem Einzelnen zukommt Porphyrios 232 233 bis 304 untersucht in der Isagoge seinem Aristoteles Kommentar die drei Fragen ob das Allgemeine substantiell Realismus losgelost von den Dingen oder in den Dingen existiert oder ob es sich nur um eine Begriffsbildung im Intellekt handelt Nominalismus Eine haufige Losung lautete dass das Allgemeine in den Dingen liege aber nur durch Begriffe existiere Konzeptualismus Die mittelalterliche Diskussion fand ihre Fortsetzung in der Neuzeit Im Zuge des Rationalismus gewann das Allgemeine wieder an existentieller Bedeutung insbesondere in der Naturwissenschaft in der der Glaube an die Existenz einer allumfassenden Naturgesetzlichkeit zunehmend Verbreitung fand Durch die ausserordentlichen Erfolge der physikalischen Wissenschaften hatte sich die Vorstellung entwickelt dass das Allgemeine zur Beschreibung samtlicher Lebensvorgange mit den physikalischen Gesetzmassigkeiten gegeben sei so dass etwa auch alle Forschungen in der Medizin nur dann Anspruch auf Wissenschaftlichkeit stellen konnen wenn durch sie gezeigt wird wie sich einzelne Erscheinungen menschlicher oder tierischer Organismen ausschliesslich durch die Zuruckfuhrung auf physikalische Gesetzmassigkeiten erklaren lassen Diese Forschungsauffassung heisst physikalistischer Reduktionismus 4 Aufgrund der Einsicht dass sich jeder Organismus nach eigenstandigen Gesetzmassigkeiten verhalt die etwa in der sogenannten Chronobiologie in Erscheinung treten verliert der physikalistische Reduktionismus schon seit langerer Zeit an Boden so dass sich allmahlich die Auffassung verbreitet dass durch jeden Organismus ein Allgemeines gegeben ist durch das sich die einzelnen Vorgange uber die physikalistisch reduktionisten Beschreibungsweisen hinaus erst voll erfassen lassen Andererseits findet sich in der Neuzeit bei George Berkeley und dann auch bei David Hume die rein nominalistische These dass das Allgemeine nur dadurch entsteht wie der Mensch Begriffe bildet und gebraucht Existenz hat fur den Nominalisten nur das Besondere In der Moderne formulierte Ludwig Wittgenstein die nominalistische Position in ahnlicher Weise Das Allgemeine entsteht durch die Bildung von Begriffen Deren Bedeutung ergibt sich aus ihrem Gebrauch Und der Gebrauch bestimmt auch die Unterscheidung zwischen Einzelnem und Zusammengesetztem Auf die philosophische Frage Ist das Gesichtsbild eines Baumes zusammengesetzt und welches sind seine Bestandteile ist die richtige Antwort Das kommt darauf an was du unter zusammengesetzt verstehst Und das ist naturlich keine Beantwortung sondern eine Zuruckweisung der Frage PU 47 Aus der Sicht Wittgensteins ist es unsinnig das Wesen von Zahlen klaren zu wollen Komplexe Zahlen reelle Zahlen Ordinal oder Kardinalzahlen sind Begriffe zwischen denen Familienahnlichkeiten bestehen ohne dass es Eigenschaften gibt die allen Zahlen zukommen Vgl PU 58 Die Bedeutung von Begriffen wie Zahl Beweis Denken Freiheit kann man nicht definieren sondern nur erschliessen wenn man ihre korrekte Verwendung in der Praxis kennt Ob ein Einzelding unter einen Begriff fallt ist danach eine Frage der Konventionen Erkenntnistheoretische Bedeutung des Allgemeinen BearbeitenDie erste brauchbare Erkenntnistheorie ist von Platon mit seiner Wiedererinnerungslehre formuliert worden Sie basiert auf seiner Ideenlehre nach der alle sinnlich wahrnehmbaren Gegenstande Abbilder der ewigen Ideen seien Wenn nun nach Auffassung Platons die menschliche Seele diese Ideen am uberhimmlischen Ort vor ihrer Einbettung in einen Leib geschaut hat dann kann sie sich wenn sie einen Gegenstand sinnlich wahrnimmt an das Urbild dieses Gegenstandes erinnern so dass sie eine Zuordnung des einzelnen Gegenstandes zu dessen Urbildidee vornimmt Und diese Zuordnung ist dann eine Erkenntnis etwa wenn wir sagen Dieser einzelne Baum dort ist eine Buche oder dieser laufende Gegenstand dort ist ein Hase Das Allgemeine ist dabei die Idee der Buche oder die Idee des Hasen Einerlei wie man sich die existentielle Gegebenheit des Allgemeinen oder auch des Einzelnen denkt diese Form Ein Einzelnes wird einem Allgemeinen zugeordnet ist auch heute noch die allgemeinste Form jedweder Erkenntnis 5 Die verschiedenen wissenschaftlichen Erkenntnisse unterscheiden sich lediglich dadurch wie in ihnen das Allgemeine wie das Einzelne und wodurch die Zuordnungsmoglichkeit zwischen beiden bestimmt ist Und sobald sich Allgemeinheitsvorstellungen verandern verandern sich auch die Wissenschaften Als Einstein die Allgemeinheitsvorstellung von der selbstverstandlichen Gleichzeitigkeit von Ereignissen an verschiedenen Orten aufgab war der Weg fur die spezielle Relativitatstheorie geebnet Und als er die Allgemeinheitsvorstellungen moglicher Bezugssysteme uber die Inertialsysteme hinaus erweiterte hinsichtlich aller Bezugssysteme die sich in beliebigen Bewegungsformen zueinander befinden war der Weg frei zur Entwicklung der Allgemeinen Relativitatstheorie Der Wissenschaftstheoretiker Kurt Hubner schrankt den wissenschaftlichen Erkenntnisbegriff darauf ein dass das Allgemeine in allen wissenschaftlichen Erkenntnissen einerlei ob es sich um natur oder geisteswissenschaftliche Erkenntnisse handelt immer durch Regeln gegeben ist denen das Einzelne der jeweiligen Wissenschaft folgt oder zu folgen hat Dabei ist der Regelbegriff das Allgemeine unter das Naturgesetze ebenso fallen wie Gesetze die von Menschen beschlossen wurden aber auch alle moglichen Regeln des mitmenschlichen Umgangs die nicht einmal formalen Gesetzescharakter besitzen 6 Quellen Bearbeiten Vgl die einschlagigen Arbeiten der neuesten Mythosforschung etwa von Kurt Hubner Die Wahrheit des Mythos Beck Munchen 1985 ISBN 3 406 30773 6 S 111 114 127 130 133 138 140 usw Vgl Jaap Mansfeld Die Vorsokratiker I Milesier Pythagoreer Xenophanes Heraklit Parmenides Auswahl der Fragmente Ubersetzungen und Erlauterungen von Jaap Mansfeld Reclam Stuttgart 1995 Heraklit Fragment Nr 2 S 244 5 3 Vgl Aristoteles Metaphysik Buch VII Z 1038b11f Eine kurze Ubersicht uber verschiedene existentielle Vorstellungen vom Allgemeinen liefert Werner Strombach Natur und Ordnung Eine naturphilosophische Deutung des wissenschaftlichen Weltbildes unserer Zeit Beck Munchen 1968 S 35 39 Vgl Wolfgang Deppert Relativitat und Sicherheit In Michael Rahnfeld Hrsg Gibt es sicheres Wissen Band V der Reihe Grundlagenprobleme unserer Zeit Leipziger Universitatsverlag Leipzig 2006 ISBN 3 86583 128 1 ISSN 1619 3490 S 90 188 Vgl Kurt Hubner Kritik der wissenschaftlichen Vernunft Alber Freiburg 1978 1986 2002 ISBN 3 495 47592 3 S 194f 305 324 Literatur BearbeitenAristoteles Metaphysik Buch VII Z Rudolf Eisler Worterbuch der Philosophischen Begriffe Mittler und Sohn Konigliche Hofbuchhandlung Berlin 1904 Stichwort Allgemein Rainer Hegenbart Worterbuch der Philosophie Gondrom Bindlach 1994 ISBN 3 8112 1125 0 Stichwort Allgemeines Lutz Holl Einzelnes Besonderes Allgemeines in Historisch kritisches Worterbuch des Marxismus Bd 3 Argument Verlag Hamburg 1997 Sp 212 225 Johannes Hoffmeister Worterbuch der philosophischen Begriffe Meiner Hamburg 1955 Stichworter allgemein und Allgemeinbegriffe Kurt Hubner Kritik der wissenschaftlichen Vernunft Alber Freiburg 1978 1986 2002 ISBN 3 495 47592 3 Kurt Hubner Die Wahrheit des Mythos Beck Munchen 1985 ISBN 3 406 30773 6 Alfred Kosing Worterbuch der Philosophie Das Europaische Buch Westberlin 1985 Stichworte Allgemeines und Einzelnes Besonderes Allgemeines Jaap Mansfeld Die Vorsokratiker I Milesier Pythagoreer Xenophanes Heraklit Parmenides Auswahl der Fragmente Ubersetzungen und Erlauterungen von Jaap Mansfeld Reclam Stuttgart 1995 Jurgen Mittelstrass Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Metzler Stuttgart 1995 ISBN 3 476 01350 2 Stichwort Allgemeine das Michael Rahnfeld Hrsg Gibt es sicheres Wissen Band V der Reihe Grundlagenprobleme unserer Zeit Leipziger Universitatsverlag Leipzig 2006 ISBN 3 86583 128 1 ISSN 1619 3490 Joachim Ritter Historisches Worterbuch der Philosophie Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1971 Stichwort Allgemeines Besonderes Werner Strombach Natur und Ordnung Eine naturphilosophische Deutung des wissenschaftlichen Weltbildes unserer Zeit Beck Munchen 1968 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Allgemeines und Einzelnes amp oldid 234284092