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Die Zungenwurmer Pentastomida sind eine Gruppe von parasitischen Gliederfussern mit etwa 130 Arten Ihre Grosse variiert zwischen wenigen Millimetern und 14 cm Lange Als obligate Parasiten der Atmungsorgane befallen sie fleischfressende Reptilien Vogel und Saugetiere Fur einige Arten kann auch der Mensch als Wirt der Larven oder der ausgewachsenen Tiere dienen Wegen ihres Aufenthaltsortes nannte man die Tiere fruher auch Lungenwurmer wegen ihrer Form auch Linguatulida lat lingua Zunge ZungenwurmerMannchen links und Weibchen rechts von Armillifer sp Systematikohne Rang Urmunder Protostomia Uberstamm Hautungstiere Ecdysozoa Stamm Gliederfusser Arthropoda Unterstamm Krebstiere Crustacea Klasse MaxillopodaUnterklasse ZungenwurmerWissenschaftlicher NamePentastomidaDiesing 1836 Inhaltsverzeichnis 1 Morphologie 2 Lebenszyklus 3 Vorkommen 4 Systematik 4 1 Aussere Systematik 4 2 Innere Systematik 5 Fossile Uberlieferung 6 Pentastomiasis beim Menschen 7 Einzelne Arten 8 Quellen 8 1 Einzelnachweise 8 2 Literatur 8 3 WeblinksMorphologie BearbeitenZungenwurmer sind weichhautige wurmartige Tiere mit rundem oder abgeplatteten Korper Der Korper ist ausserlich meist in auffallende Ringe gegliedert diese entsprechen nicht Segmenten sondern sind Hautfalten Bei der abgebildeten Gattung Armillifer sind die Ringel spiralformig angeordnet und geben dem Tier ein korkenzieherartiges Aussehen Am vorderen Ende sitzen neben der Mundoffnung manchmal auf einem russelformigen Vorsprung zwei Paare hakenformiger Fortsatze umgebildete Extremitaten mit denen sich das Tier im Wirt verankert Die funf Fortsatze waren Grundlage fur den wissenschaftlichen Namen griech pente penta funf und Stoma Mund Die Haken sitzen je nach Familie hinter oder nebeneinander nbsp Armillifer armillatus Wyman 1848 ein 4 cm grosses Individuum das aus dem Atmungssystem einer Nordlichen Felsenpython Python sebae entnommen wurde Exemplar hinterlegt im Museum fur Naturkunde Berlin nbsp Erwachsenes Weibchen von Linguatula serrataAls obligate Parasiten besitzen Zungenwurmer einen vereinfachten Korperbau ohne Herz und Blutgefasse innere Ausscheidungsorgane oder Atmungsorgane Den Korper quert langs ein einfacher schlauchformiger Darm Ansonsten ist der Korper vor allem mit den grossen Keimdrusen angefullt die bei den Weibchen eine halbe Million Eier enthalten konnen Zungenwurmer sind getrenntgeschlechtlich wobei das Mannchen erheblich kleiner ist als das Weibchen Die Befruchtung findet im Wirt statt anschliessend stirbt das Mannchen Lebenszyklus BearbeitenZungenwurmer sind Parasiten mit indirekter Entwicklung Das geschlechtsreife Weibchen scheidet im Endwirt Eier aus die von einem Zwischenwirt mit der Nahrung aufgenommen werden Alle Entwicklungsstadien bis zum 1 Larvenstadium finden im Uterus statt Schon die primare Larve stellt das infektiose Stadium fur den Zwischenwirt dar Im Darm des Zwischenwirts schlupfen die Larven durchstossen die Darmwand und leben in der Leibeshohle oder verschiedenen Organen Die frisch geschlupften Larven besitzen bereits alle Segmente Nach mehreren Hautungen verkapseln sie sich und entwickeln sich in das fur den Endwirt infektiose letzte Larvenstadium weiter Die Anzahl der Nymphenstadien kann zwischen den Arten variieren Grundsatzlich benotigen Zungenwurmer 4 Hautungen bei Vertebraten als Zwischenwirten einige wenige aus der Ordnung Porocephalida benotigen 6 8 Hautungen Wird der Zwischenwirt von einem Rauber Endwirt gefressen wandern die Larven in die Lunge ein wo sie sich mit den Kopfstacheln im Gewebe verankern und Blut saugen Hier reifen sie bis zu ihrer Fortpflanzung was mehrere Hautungen benotigen kann Die Lebensdauer der adulten Wurmer kann mehrere Monate betragen Die Wurmer entgehen der Immunabwehr des Wirtskorpers vermutlich durch eine abgeschiedene Lipidhulle die die chitinose eigentliche Korperwand vollig verdeckt 1 eine verbreitete Abwehrstrategie die bei zahlreichen Endoparasiten vorkommt Abwandlungen dieses normalen Lebenszyklus kommen vor Zum Beispiel leben die Arten der Gattung Linguatula nicht in der Lunge sondern im Nasenraum des Wirts wo sie sich von Schleim und Korperzellen ernahren Bei einigen wenigen Arten kommt direkte Entwicklung ohne Zwischenwirt vor Dazu zahlt etwa der Nasenwurm Linguatula arctica des Rentiers 2 oder Reighardia sternae in Seevogeln 3 Bei zumindest einer Art Subtriquetra subtriquetra Porocephalidae ist das erste Larvenstadium frei lebend 4 Vorkommen BearbeitenZungenwurmer sind hauptsachlich in den Tropen verbreitet Aufgrund des Lebenszyklus sind die Endwirte uberwiegend Rauber Carnivore zu uber 90 Reptilien wie Schlangen oder Krokodile wobei eine einzelne Krokodilart von sieben oder acht Arten befallen werden kann 5 Seltener sind Saugetiere z B Grosskatzen wie Leoparden und Lowen oder Vogel als Wirte Zwischenwirte konnen eine Vielzahl von Amphibien Reptilien Sauger oder Fischarten sein in Ausnahmefallen auch Insektenarten Systematik BearbeitenAussere Systematik Bearbeiten Die Stellung der Zungenwurmer im System war lange Zeit umstritten Weit verbreitet war eine Einstufung als eigener Tierstamm mit unklaren Beziehungen zu den Arthropoden Nach aktueller Erkenntnis scheinen sie zu den Krebstieren Crustacea zu gehoren Diese systematische Einordnung wird durch molekularbiologische Untersuchungen gestutzt 6 7 wurde aber ursprunglich vor allem aufgrund des Feinbaus der Spermien aufgestellt die auffallende Ubereinstimmungen mit denjenigen der Karpfenlause Branchiura aufweisen die entsprechend als Schwestergruppe der Zungenwurmer angesehen werden Dafur werden inzwischen auch morphologische Argumente vorgebracht 8 Alternativ werden sie von einer Gruppe von Taxonomen weiterhin als eigener Stamm gemeinsam mit den Stummelfussern und den Bartierchen in die Stammlinie der Gliederfusser Arthropoda gestellt und mit diesen Gruppen als Panarthropoda zusammengefasst 9 10 Wichtige Argumente sind neben dem aufgrund des Fossilbelegs nachgewiesenen hohen Alter der Gruppe alter als alle heutigen Wirtsarten dass uberhaupt keine morphologischen Apomorphien angegeben werden konnen wahrend diese auch bei anderen parasitischen Krebstieren mit stark abgewandelter Morphologie z B Rankenfusskrebse zumindest bei den Larvenstadien immer erhalten geblieben sind Innere Systematik Bearbeiten Unterklasse Pentastomida Diesing 1836 Ordnung Cephalobaenida Heymons 1935 Familie Cephalobaenidae Fain 1961 Familie Reighardiidae Heymons 1935 Ordnung Porocephalida Heymons 1935 Familie Armilliferidae Fain 1961 Familie Diesingidae Fain 1961 Familie Linguatulidae Heymons 1935 Familie Porocephalidae Fain 1961 Familie Sambonidae Fain 1961 Familie Sebekiidae Fain 1961 Familie Subtriquetridae Fain 1961Fossile Uberlieferung BearbeitenVon weichhautigen Tieren wie Zungenwurmern uberhaupt Fossilien zu finden scheint auf den ersten Blick aussichtslos zu sein Dennoch sind aus dieser Gruppe inzwischen zahlreiche beinahe unzweifelhaft zugehorige Formen gefunden worden Diese gehoren ins mittlere und obere Kambrium sind also etwa 500 Millionen Jahre alt Erhalten geblieben sind sie durch spezielle Einbettungsbedingungen bei denen rasch nach dem Tode die gesamte Korperhulle aus Proteinen und Chitin durch Calciumphosphat verdrangt wurde Die phosphatisierten nur millimeterkleinen Fossilien wurden anschliessend in einen Kalkstein eingebettet aus dem sie durch Auflosen mit Salzsaure freigelegt werden konnen Diese Fossilien nach einem schwedischen Ausdruck Orsten Typ genannt sind korperlich erhalten d h nicht nur als Abdruck 11 Die fossilen als bodenlebende benthische Larven zu interpretierenden Pentastomiden ahneln den heutigen Formen stark 10 als auffallendste Abweichung sind am Korper zwei rudimentare Beinanlagen vorhanden heute nur noch embryonal nachweisbar Im Jahr 2015 wurde nach den bisherigen Funden von Larven erstmals ein Fossil gefunden das als imaginaler Zungenwurm interpretiert wird Die Invavita piratica genannte Art stammt aus dem Silur von Herefordshire und ist etwa 425 Millionen Jahre alt Die millimeterkleinen Fossilien sitzen als Ektoparasiten auf einer Ostrakoden Art Sie waren also anders als heutige Zungenwurmer offensichtlich Ekto nicht Endoparasiten und parasitierten nicht auf Wirbeltieren Den neuen Befunden nach wird es fur moglich gehalten dass der Ubergang der Parasiten auf Wirbeltiere durch die Aufnahme gemeinsam mit dem Wirt durch eine rauberische Art mit anschliessendem Ubergang des Parasiten auf den Rauber als neuen Wirt erfolgt sein konnte Ein solcher Ubergang ist von anderen parasitischen Arten bekannt 12 13 Pentastomiasis beim Menschen Bearbeiten Hauptartikel Pentastomiasis Zungenwurmer befallen neben ihren eigentlichen Wirtsarten gelegentlich auch den Menschen als Fehlwirt 14 Der Mensch kann hier sowohl als Zwischenwirt fur die Larven in der Leibeshohle wie auch als Endwirt fur den geschlechtsreifen Wurm im Nasentrakt dienen Infektionen sind am haufigsten mit Linguatula serrata seltener mit Armillifer und Porocephalus Arten beobachtet worden Infektionsquellen sind mit Hunde oder Schlangenkot infiziertes Wasser bzw Gemuse Mensch als Zwischenwirt bzw der Verzehr von rohem oder ungenugend gekochtem Schaf bzw Ziegenfleisch Mensch als Endwirt Befall mit den Larven in der Leibeshohle sekundar auch in der Leber oder anderen Organen kann vollig symptomlos sein aber gelegentlich Lungen oder Leberkrebs ahneln 15 Befall der Nasenhohlen mit Linguatula serrata fuhrt zu heftiger Reizung mit Schmerzen Entzundungen und heftigem Niesen gelegentlich mit Auswurf des Parasiten Einzelne Arten BearbeitenLinguatula serrata befallt Hunde und lebt im erwachsenen Zustand in der Regel in den Nasenhohlen oder im Respirationstrakt Uber den Nasenschleim gelangen die Eier ins Freie und werden dort von Pflanzenfressern aufgenommen Hunde nehmen dann die Eier durch Aufschnuffeln freier Larven oder durch Fressen infizierter Eingeweide von Pflanzenfressern auf Linguatula serrata befallt ebenso wie Armillifer spp auch den Menschen Quellen BearbeitenEinzelnachweise Bearbeiten J Riley R J Henderson Pentastomids and the tetrapod lung In Parasitology 1999 119 S S89 S105 Sven Nikander Seppo Saari A SEM study of the reindeer sinus worm Linguatula arctica In Rangifer 26 1 S 15 24 doi 10 7557 2 26 1 197 G Thomas S Stender Seidel W Bockeler Considerations about the ontogenesis of Reighardia sternae in comparison with Raillietiella sp Pentastomida Cephalobaenida In Parasitological Research 1999 85 S 280 283 Judith M Winch J Riley Studies on the behaviour and development in fish of Subtriquetra subtriquetra a uniquely freeliving pentastomid larva from a crocodilian In Parasitology 1986 93 S 81 98 doi 10 1017 S0031182000049842 K Junker J Boomker A check list of the pentastomid parasites of crocodilians and freshwater chelonians In Onderstepoort Journal of Veterinary Research 2006 73 S 27 36 Dennis V Lavrov Wesley M Brown Jeffrey L Boore Phylogenetic position of the Pentastomida and pan crustacean relationships In Proceedings of the 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