www.wikidata.de-de.nina.az
Als Zinngerat bezeichnet man Haushalts und Gebrauchsgegenstande wie Geschirr Teller und Besteck Vasen und Ziergegenstande die aus Zinnlegierungen Hartzinn oder Britanniametall hergestellt wurden Im Suddeutschen wird der Begriff Zinngeschirr verallgemeinernd fur alles Zinngerat verwendet Drei Zinnkannen sogenannte Hansekannen des 15 Jahrhunderts im Museum fur Hamburgische Geschichte Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Historisches Zinngeschirr als Sammelobjekt 1 1 1 Formtypen 1 1 2 Reliefzinn 1 1 3 Andere Dekortechniken 1 1 4 Zinnmarken 1 1 5 Kunstmarkt 2 Herstellung 3 Pflege des Zinngerats 4 Zinnlegierung und Bleigehalt 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksGeschichte BearbeitenZinngerat hat eine lange Tradition und ist bereits seit ca 2000 Jahren nachgewiesen wenn auch wenige sehr alte Stucke z B als Grabbeigaben erhalten geblieben sind da das Material immer wieder eingeschmolzen wurde wenn das Gerat nicht mehr nutzbar war Zinn wurde wegen seiner Korrosionsbestandigkeit immer dann verwendet wenn Silber zu kostbar war Reines Zinn hat einen silbernen Glanz und ahnlich positive Eigenschaften bei Bestandigkeit gegen Lebensmittel Ursprungliches Zinngerat hat wenig gemein mit den meist kunstlich gealterten historisierenden Ziergegenstanden unserer Tage Zinngerat war oft Gebrauchsgeschirr an dem uberladener Zierrat storend gewesen ware Es zeigte aber sehr wohl den Wohlstand des Burgertums und reicher Bauern es war sozusagen das Silber des kleinen Mannes Hinzu kam dass beschadigte Zinngerate anders als zerbrochene Keramik repariert werden konnten Selbst wenn keine Reparatur mehr moglich war hatte ein unbrauchbar gewordener Zinngegenstand noch einen Materialwert er konnte eingeschmolzen und neu gegossen werden Historisches Zinngeschirr als Sammelobjekt Bearbeiten In den letzten Jahrzehnten des 19 Jahrhunderts begannen Sammler und Museen historisches Zinngerat zusammenzutragen In den Kunstgewerbemuseen stand dabei das Reliefzinn des 16 bis 17 Jahrhunderts im Zentrum des Interesses die stadtgeschichtlichen Museen sammelten eher das formal eigenstandige Geschirr der Zunfte und in den Heimatmuseen und volkskundlichen Sammlungen wird vorwiegend einfaches Gebrauchsgeschirr aufbewahrt Formtypen Bearbeiten Aus der Zeit seit dem spaten Mittelalter haben sich in Museen und Sammlungen vor allem Ess und Trinkgeschirre erhalten Ihre Form folgt oft silbernen Vorbildern Teller Becher und Humpen sind die haufigsten alteren Formen Die Branntweinschale verbreitete sich im 17 Jahrhundert in Norddeutschland und den Niederlanden Kruge aus Steinzeug oder Fayence besassen in der Regel Klappdeckel aus Zinn Im 18 Jahrhundert wurde das zinnerne Tafelgerat der Teller und Schalen angereichert durch Prasentierteller das Burgertum greift die neuen Kannenformen fur Kaffee und Tee auf und fur die Droppelminna ist Zinn sogar der bevorzugte Werkstoff Erst der Siegeszug des Steinguts verdrangte das Tafelgeschirr aus Zinn und dann kam es auch auf dem Lande im Verlauf des 19 Jahrhunderts ganzlich ausser Gebrauch mit ihm verschwand weitgehend das Handwerk des Zinngiessers Wenn Liturgisches Gerat aus Zinn gefertigt wurde war dies eher eine den armen Gemeinden zugestandene Ausnahme Im Reprasentationsgeschirr das bei den Zunften bei ihren Zusammenkunften gebraucht wurde sind Sonderformen zu beobachten Kannen die teilweise wegen ihrer grotesken Ausmasse kaum zu heben waren sogenannte Schleifkannen und Willkomme in Pokalform gehorten neben Serien von Trinkbechern zu den materiellen Besitztumern der Handwerkskorporationen nbsp Temperantia Schussel Nurnberg Reliefdekor von einem 1611 durch Caspar Enderlein geschnittenen Gussmodell Guss von Sebald Stoy Reliefzinn Bearbeiten Reliefzinn fruher auch als Edelzinn bezeichnet spielt in der Geschichte des kunsthandwerklichen Zinns eine Sonderrolle Und zwar nicht weil hier eine besonders reine Zinnlegierung benutzt worden ware 1 sondern weil seine Gestaltung sich technisch und ikonographisch durch ausserordentlich hohes Niveau auszeichnet Es handelt sich um eine nur an wenigen Orten im 16 und 17 vereinzelt bis ins 18 Jahrhundert geubte Dekorationsweise Die Stucke wurden in Metall oder Steinformen gegossen in denen durch Gravur oder Atzung die Dekorationsmotive vorgeformt waren Die Themen der Darstellungen wurden sowohl der antiken Literatur als auch der christlichen Ikonographie entnommen und beruhen uberwiegend auf Vorlagen die durch zeitgenossische Kupferstiche verbreitet waren 2 Auf Grund der teilweise mitgegossenen Marken kann man eine Reihe von Werkstatten lokalisieren und mit Namen verbinden Francois Briot 3 tatig in Montbeliard um 1580 1616 Rolyn Greffet um 1528 1568 in Lyon dann in Nurnberg Nicolaus Horchheimer 1563 1583 Albrecht Preissensin 1564 1589 und Caspar Enderlein 4 1568 1633 der fur seine Kopien nach Briot bekannt ist Andere Dekortechniken Bearbeiten Weil Gefasse fur den taglichen Gebrauch leicht zu reinigen sein sollten blieben sie meist undekoriert allenfalls mit einem gravierten Besitzervermerk versehen In dem weichen Metall ist das Gravieren allerdings erschwert daher wahlten die Zinngiesser fur reichere Darstellungen gern die Flecheltechnik bei dem wie bei einem Tremulierstich der vorne abgeschragte Gravierstichel wackelnd bewegt wurde und eine zickzackformige Spur auf der Metalloberflache hinterliess Bis zum 18 Jahrhundert kommt diese Technik haufiger vor im 19 Jahrhundert dann nur noch in landlichen Werkstatten 5 Zinnmarken Bearbeiten Bis zur Einfuhrung der Gewerbefreiheit um die Mitte des 19 Jahrhunderts war es ublich dass Zinngiesser ihre Produkte mit einem eingeschlagenen Stempel versahen der die Materialqualitat garantierte Siehe den Hauptartikel Zinnmarke Kunstmarkt Bearbeiten Gefasse aus Zinn mit ihrer matten und dunklen Patina waren seit dem spaten Historismus noch adaquate Ausstattungsstucke fur die in gedampftem Licht inszenierten Dekorationen der in altdeutschem Stil eingerichteten Wohnraume In den Jahrzehnten um 1900 gehorten Objekte aus Reliefzinn zu den hochstbezahlten auf dem Antiquitatenmarkt Die private wie museale Sammeltatigkeit und auch die Erforschung des historischen Zinngerats nahm im 20 Jahrhundert zu bis sie in den letzten Jahrzehnten des 20 Jahrhunderts deutlich zuruckging und sich so parallel zum Nachlassen eines nostalgischen Folklorismus entwickelte Entsprechend bewegten sich die Preise fur Zinnsachen auf dem Kunstmarkt Die bei der Zinngerateherstellung angewandte Giesstechnik erleichtert die Herstellung von Falschungen Betroffen sind nicht nur Kopien des immer noch hoch gehandelten Reliefzinns 6 auch alltagliche Geschirrformen werden nachgeahmt und sind nicht immer von Originalen leicht zu unterscheiden Herstellung BearbeitenDas meiste Zinngerat wird gegossen Zinn kann in allen gebrauchlichen Giessverfahren verarbeitet werden z B Sand Kokillen Schleuder Druckguss Gebrauchlich ist aber auch das Pressen insbesondere Fliesspressen fur Becher u a rotationssymmetrische Teile Hammern und Treiben ist weniger gebrauchlich Einzelteile werden ublicherweise durch Loten zusammengefugt Grate oder unsaubere Oberflachen werden durch spanende Verfahren wie Drehen oder Schleifen nachbearbeitet Pflege des Zinngerats BearbeitenBleifreies Zinn ist in hohem Masse anlaufbestandig patiniertes gealtertes Zinngerat verandert sich nur sehr langsam Zinngerat das nicht in standigem Gebrauch ist sollte regelmassig abgestaubt werden da sich durch Feuchtigkeit im Staub durchaus Korrosion ergeben kann Zum Spulen eignen sich handelsubliche Spulmittel ohne bleichende Zusatze Bei der Reinigung in der Spulmaschine kann es zu Farbveranderungen kommen Da Zinn ein weiches Metall ist sollte man nur weiche Lappen verwenden Zinnlegierung und Bleigehalt Bearbeiten nbsp Ruckseite eines Zinntellers aus dem 18 JahrhundertReines Zinn ist fur Lebensmittel absolut unbedenklich Zinn wird aber wegen der besseren Verarbeitbarkeit der hoheren Festigkeit und um Zinnpest zu vermeiden fast immer als Legierung verarbeitet Verbreitete Legierungen sind Legierungen mit Antimon und Blei insbesondere bei Loten Spatestens seit dem Mittelalter ist die Giftigkeit von Bleiverbindungen bekannt Giftig sind insbesondere Bleisalze die bei Kontakt mit Lebensmitteln Fruchtsaften Wein Essig entstehen konnen Bleiacetat zum Beispiel ist ein wasserlosliches susslich schmeckendes extrem giftiges Bleisalz welches beim Kontakt von Blei mit Essigsaure entsteht Die Legierung hatte daher von Alters her in der Regel hochstens 10 Bleigehalt z B das englische Pewter was von den Zunften uberwacht wurde Zinngeschirr mit diesem relativ hohen Bleigehalt durfte nur noch selten zu finden sein da es ublich war altes abgestossenes Zinngerat fur neues wieder einschmelzen zu lassen Im 18 Jahrhundert kam in England das weitgehend bleifreie Britanniametall auf Zu historischen Zinnlegierungen siehe den Artikel uber Zinnmarken Seit dem Zink Blei Gesetz von 1887 darf in Deutschland das Zinngerat das fur Lebensmittel verwendet wird nur noch geringe Mengen Blei enthalten Der Grenzwert wurde spater auf maximal 0 5 Blei max 2 Kupfer max 7 Antimon festgesetzt Bei Simulationen mit Zitronensaure Bier und Cola wurden bei 24 stundigem Kontakt bei 20 C 0 3 0 9 ppm Blei in der Losung nachgewiesen Da sich Blei aber auch in Spuren im Korper anreichert sollte dieses Geschirr nach DIN 17810 nicht mehr benutzt werden Auch der Engel mit Waage altes RAL Gutesiegel ist heute kein Gutesiegel fur Unbedenklichkeit Neues Zinngeschirr fur den Gebrauch mit Lebensmitteln darf kein Blei enthalten bzw abgeben Zinn ist inzwischen eines der teuersten NE Metalle im Haushalt und wird daher von spezialisierten Unternehmen angekauft Literatur BearbeitenLiteratur zu alteren Zinnmarken findet man im Artikel Zinnmarke Hanns Ulrich Haedeke Zinn 1963 S 37 48 Hanns Ulrich Haedeke Kunstgewerbemuseum der Stadt Koln Zinn Koln 1968 S 9 49 Einfuhrung zu dem reich illustrierten Sammlungskatalog Aichele Frieder Zinn Battenberg Antiquitaten Kataloge Battenberg Verlag Munchen 1977 ISBN 3 87045 131 9 Muller Berthold F Hg Zinn Taschenbuch Metall Verlag Berlin 1975 S 163ff Einzelnachweise Bearbeiten Grob irrefuhrend ist beispielsweise Edelzinn Schmucklexikon von Leopold Rossler Abgerufen am 15 Marz 2021 Haedecke Zinn 1968 Abb 3 21 Temperantia Schale von F Briot C Enderlein in der Deutschen Biographie RDK Flacheln flecheln Haedecke Zinn 1968 S 172 174 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Zinngerat Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien nbsp Wikisource Gesetz betreffend den Verkehr mit blei und zinkhaltigen Gegenstanden Deutschland 1887 Quellen und Volltexte nbsp Wikisource Der Verkehr mit blei und zinkhaltigen Gegenstanden Amtsblatt Bezirksamt Gunzburg 1905 Quellen und Volltexte Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zinngerat amp oldid 235848560