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Das Substantiv Original auf ein Kunstwerk oder kulturgeschichtlich relevantes Artefakt bezogen kennzeichnet seine Ursprunglichkeit im Gegensatz zu seiner Wiederholung oder Nachahmung Diese Eigenschaft ist eine notwendige und daher von ausserordentlicher Bedeutung gleichviel ob das Objekt in wissenschaftlichem asthetischem kulturgeschichtlichem rechtlichem oder kommerziellem Kontext betrachtet wird oder ob seine Aura eine Rolle fur die Wahrnehmung des Betrachters spielt Adjektivisch wird der Begriff original gern gebraucht um unangetastete Teile eines Kunstobjekts oder Bauwerks von den erganzten oder uberarbeiteten Partien zu unterscheiden Der Begriff originell schliesslich hat eine deutlich abweichende Bedeutung im Sinne von neuartig eigenartig eigenstandig kreativ Gesondert bewertet werden muss der Begriff bei Kunstwerken die von vorneherein in multiplizierter Form gefertigt wurden zum Beispiel Druckgraphik Porzellan und Bronzeplastik In diesem Zusammenhang ist zu beachten dass in der Geschichte die Originalitat von Kunstwerken einer sich wiederholt andernden Wertschatzung unterlag So haben moderne Reproduktionstechniken und die jungere Kunstentwicklung die Bedeutung des Originalbegriffs in Frage gestellt Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Original und serielles Kunstwerk 3 Bedeutung 4 Abgrenzung 5 Literatur 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenSeit der Antike bis ins 19 Jahrhundert hatte man in Europa ein ganz anderes Verhaltnis zum Original als heute Romische Bildhauer beschrankten sich weitgehend darauf Kopien griechischer Skulpturen herzustellen Sie erreichten dabei eine ausserordentliche Exaktheit doch fur die Abnehmer spielte es nur eine untergeordnete Rolle ob es sich um ein griechisches Original oder eine zeitgenossische Kopie handelte 1 Auch dem Mittelalter war der Originalbegriff noch vollig fremd 2 und ebenso die Originalitat als kunstlerische Leistung Entscheidend war vielmehr und konsequenter noch in der Ikonenkunst der Ostkirche die Orientierung an ikonographischen Schemata was nicht ausschliesst dass stilistische Originalitat und modische Neuerungen von Kunstlern gesucht und von Auftraggebern geschatzt waren Mit der Renaissance setzte ein Wandel ein der individuelle Kunstler tritt mit seinem Werk aus der Masse mehr oder weniger konform arbeitender Handwerker heraus Dem entspricht dass auf Seiten der Abnehmer die Werke bestimmter Kunstler ins Zentrum des Interesses rucken und zu begehrten Reprasentationsobjekten werden deren asthetischer Rang geschatzt wird und zum Ansehen des Kaufers beitragt So ist die Herausbildung der Vorstellung vom Original auch wenn der Begriff noch wenig verwendet wird eng verknupft mit der Kultur des Kunstsammelns Anspruch auf absolute Eigenhandigkeit war damit noch nicht unbedingt verbunden Die Mitarbeit von Werkstattgehilfen die darin geschult waren dem Stil des Meisters zu folgen war ublich und wurde von Ausnahmen abgesehen als unerheblich angesehen Im 19 Jahrhundert steigerte sich erneut die Wertschatzung des Originals Der in der Romantik entwickelte Geniekult legte Wert darauf im Werk die Hand des Kunstlers zu erkennen die unmittelbaren Spuren seiner Arbeit zu lesen und die Aura des Authentischen zu geniessen So erklart sich dass damals die Kunstlerzeichnung zu neuem Rang aufstieg 3 Die herkommliche Vorstellung vom Original suchte Marcel Duchamp zwischen 1913 und 1921 radikal zu verabschieden indem er einzelne alltagliche Gegenstande zu Kunstwerken erklarte Repliken dieser Ready mades deren ursprunglich von Duchamp vorgestellte Exemplare verloren sind erfullen daher in heutigen Ausstellungen problemlos den vom Kunstler intendierten Sinn Die Frage nach dem Original ist hier obsolet geworden 4 1935 in einer Zeit rasant zunehmender Verfugbarkeit von Reproduktionen in qualitatvoller Drucktechnik problematisierte Walter Benjamin das Verhaltnis von Original und Nachbildung in seinem beruhmten wirkungsmachtigen Essay Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit Die Reproduktion hebe die Einmaligkeit des Kunstwerks auf und fuhre zum Zerfall der Aura 5 Die ins Wanken gekommene Rolle des Originals in der Kunstproduktion fuhrte zu gewissen Spielarten der vervielfaltigten Kunst die in der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts eine Rolle spielten Multiples Auflagenobjekte und andere seriell hergestellte Werke bei denen nur noch die Idee mit dem Kunstler in Verbindung zu bringen war demonstrierten eine Kunst ohne Unikat 6 Konsequenterweise wurde dann oft auch die handwerkliche Ausfuhrung anderen Handen uberlassen wie in der factory von Andy Warhol Original und serielles Kunstwerk BearbeitenDas zugrundeliegende Problem des Originals ist in der Kunstgeschichte allerdings nicht erst mit der Moderne akut geworden Uberall dort wo der serielle Herstellungsprozess eine kaum eingeschrankte Anzahl von Wiederholungen ermoglichte in der Druckgraphik und der Fotografie 7 in Bronzeguss und Porzellanplastik uberhaupt im Kunstgewerbe spielt die Eigenhandigkeit des Kunstobjekts d h die einmalige Ausfuhrung ausschliesslich durch den Kunstler selbst meist keine Rolle mehr Eine graduelle Einschrankung des Originalbegriffs 8 ist hier anzuraten Bedeutung BearbeitenDas authentische Kunstwerk hat einen kulturgeschichtlichen Quellenwert das erklart die Intensitat mit der die Kunstwissenschaft die Echtheit eines Werks durch Stilkritik ikonographische Plausibilitat biographische Forschung und naturwissenschaftliche Methoden zu verifizieren sucht und warum Restauratoren mit erheblichem Aufwand historische Originale auf ihren Ursprungszustand zuruckfuhren pflegen erhalten und so als geschichtliche Quellen erfahrbar machen Daraus begrundet sich nicht zuletzt die Aufgabe der Museen die in kritisch wissenschaftlicher Erforschung der Originale ihrer Bewahrung und Prasentation in Zeiten der Auflosung der materiellen Kultur einer Manipulierbarkeit durch digitale Vermittlungen entgegenwirken konnen 9 Abgrenzung BearbeitenEin Blick auf die Spielarten des Nicht Originalen kann helfen Begriffsumfang und Bedeutung des Originals zu verdeutlichen In der Reihenfolge zunehmender Entfernung vom Original seien hier genannt Replik wortliche Wiederholung durch den Kunstler selbst Diese Begriffsdefinition wird lexikalisch ublicherweise eng gefasst 10 uberwiegend so auch in der kunstgeschichtlichen Literatur Doch werden in jungerer Zeit zunehmend Kopien und sogar Reproduktionen als Repliken vermarktet Seltener als Replik und heute eher ungebrauchlich ist der gleichbedeutende Begriff Reprise Dem Original nahestehende Grenzfalle sind Abgusse nach Originalformen die ohne Wissen Kontrolle oder Einwilligung des Bildhauers oder Modelleurs vorgenommen wurden entsprechendes gilt fur Abzuge von Druckgraphik und Fotografien vgl Vintage Print Faksimile eine hochwertige in Format Herstellungstechnik Material Oberflache und Farbe das Vorbild bestmoglich nachahmende Reproduktion meist in gewisser Auflage hergestellt Pasticchio Nachahmung Rekonstruktion oder Falschung unter Verwendung von stilistisch historisch oder funktional ursprunglich nicht zusammengehorigen Teilen Zweitbedeutung meist in der Form Pastiche Gemalde im Stil eines beruhmten Meisters Kopie Nachbildung Replikat Wiederholung eines Werks durch fremde Hand Reproduktion meist durch Druck vervielfaltigte Wiedergabe eines bestimmten Kunstwerks in unterschiedlichen Genauigkeitsstufen moglich vom qualitatvollen Faksimile bis zur schwarz weissen Buchillustration Nachahmung ein Werk das die charakteristische Manier eines Kunstlers oder auch nur einen Zeitstil imitiert kann mit unterschiedlichen Zielen verschiedene Grade der Tauschung anstreben zum Beispiel einen historisierenden Kunstgeschmack bedienen oder in bewusster betrugerischer Absicht eine prominente Autorschaft und historische Entstehungszeit vorspiegeln Falschung Falsifikat Literatur BearbeitenJorn Christiansen Hrsg Wa h re Originale Das Original in der Angewandten Kunst Ausstellungskatalog Focke Museum Bremen 1999 ISBN 3 9801388 6 0 Paul Zanker Nachahmungen als kulturelles Schicksal in Christian Lenz Hrsg Probleme der Kopie von der Antike bis zum 19 Jahrhundert Munchen 1992 Walter Benjamin Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit Nachdruck Frankfurt 1977 Max J Friedlander Von Kunst und Kennerschaft 1946 Heribert Hutter Hrsg Original Kopie Replik Paraphrase Ausstellungskatalog Akademie der Bildenden Kunste Wien 1980 U Weisner Original und Reproduktion in Westfalen 55 1977 S 205 19 Einzelnachweise Bearbeiten Paul Zanker Nachahmen als kulturelles Schicksal in Christian Lenz Hrsg Probleme der Kopie von der Antike bis zum 19 Jahrhundert Munchen 1992 S 9 24 Das Wort erscheint zwar schon im 14 Jahrhundert aber ist beschrankt auf Textfassungen Duden Herkunftsworterbuch 1963 Stichwort original Das Grimmsche Worterbuch belegt wie textlastig der Begriff noch im 19 Jahrhundert verwendet wurde Max J Friedlander Von Kunst und Kennerschaft 1946 Nachdruck Leipzig 1992 S 145 Anm 16 Thomas Zaunschirm Was sind originale Ready mades in Gottfried Fliedl und Martin Sturm Wa h re Kunst Der Museumsshop als Wunderkammer Frankfurt M 1996 Kap 2 in Walter Benjamin Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit 1936 Nachdruck Frankfurt 1963 S 16 Peter Weibel Hrsg kunst ohne unikat art without the unique edition atelier 1985 1998 Koln 1998 Kat Neue Galerie Landesmuseum Johanneum Graz Bei Sammlern und Handlern alterer Fotografie hat denn auch Vintage Print den Originalbegriff verdrangt Klaus Irle Falschungen Gewahrleistung Prufungstechniken Typologie Koln 1909 S 7 Jorn Christiansen Wa h re Originale S 10 Artikel Replik in Brockhaus Meyer Worterbuch der Kunst Leipzig 1978 J Jahn Worterbuch der Kunst Stuttgart Kroner 1966 mit der Einschrankung oder zum mindesten in der selben Werkstatt Normdaten Sachbegriff GND 4172832 4 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Original Kunst amp oldid 214352386