www.wikidata.de-de.nina.az
Die Vitos Klinik fur Psychiatrie und Psychotherapie Marburg ist eine Klinik in Marburg Trager ist die Vitos Giessen Marburg gGmbH eine Tochtergesellschaft der Vitos GmbH Vitos Klinik fur Psychiatrie und Psychotherapie Marburg Inhaltsverzeichnis 1 Lage 2 Organisation 3 Geschichte 3 1 Grundung als Irrenheilanstalt Marburg und Anfange 3 2 Erster Weltkrieg und Weimarer Republik 3 3 Zeit des Nationalsozialismus 3 3 1 Zwangssterilisationen 3 3 2 Euthanasie und Verlegungen in Totungsanstalten 4 Literatur 5 EinzelnachweiseLage BearbeitenDas Klinikgelande liegt sudlich der Marburger Kernstadt am Fusse des Richtsberg Im Suden wird das Gelande durch die Friedrich Ebert Strasse im Westen durch die Cappeler Strasse begrenzt Organisation BearbeitenDie Vitos Klinik fur Psychiatrie und Psychotherapie Marburg ist Teil des Vitos Klinikums Giessen Marburg Das Klinikum verfugt uber Standorte in Marburg Giessen und Alsfeld mit insgesamt uber 1000 Mitarbeitern und uber 500 stationaren Platzen Am Standort Marburg befinden sich folgende Einrichtungen 1 2 Vitos Klinik fur Psychiatrie und Psychotherapie Marburg Vitos psychiatrische Tagesklinik Marburg Vitos psychiatrische Ambulanz Marburg Vitos Kinder und Jugendklinik fur psychische Gesundheit Marburg Vitos Kinder und Jugendtagesklinik fur psychische Gesundheit Marburg Vitos Kinder und Jugendambulanz fur psychische Gesundheit Marburg Vitos jugendforensische Klinik Marburg Vitos begleitende psychiatrische Dienste MarburgGeschichte BearbeitenGrundung als Irrenheilanstalt Marburg und Anfange Bearbeiten Der Bedarf fur eine Irrenheilanstalt war im Kurfurstentum Hessen bereits in den 1820er und 1830er Jahren festgestellt worden Die in der Region bereits bestehenden Pflegeanstalten z B Haina Hofheim und Merxhausen hatten ihre Kapazitatsgrenzen uberschritten und ihr Stiftungszweck sah lediglich die Aufnahme unheilbarer Kranker vor 3 Nach der Annexion Kurhessens grundete Preussen Ende 1867 im Regierungsbezirk Kassel den kommunalstandischen Verband des Regierungsbezirks Kassel zu dessen zentralen Aufgaben die Errichtung einer Irrenheilanstalt gehorte 4 Am 4 Juli 1871 beschloss der Kommunallandtag des kommunalstandischen Verbands den Bau der Anstalt in Marburg nachdem es zuvor innerhalb des Verbands zu langeren Diskussionen uber den Standort der zu errichteten Anstalt gekommen war 5 nbsp Buste Franz Tuczeks auf dem Gelande der Vitos MarburgDer Bau der Anstaltsgebaude begann im Sommer 1872 Mit Planung und Ausfuhrung der Bauarbeiten wurde der Baumeister Wilhelm Bruning aus Haina beauftragt 6 Die Anstalt sollte im modernen Pavillonstil errichtet werden bei dem die verschiedenen Unterabteilungen in Einzelhausern untergebracht sind Gemeinsam mit der im selben Jahr eroffneten Heil und Pflegeanstalt Grafenberg war Marburg die erste Anstalt dieser Bauweise in Deutschland Auch bei der Unterbringung der Patienten entschied sich die kommunalstandische Verwaltung fur ein modernes Konzept Auf Vorschlag Ludwig Meyers der als Ratgeber an der Konzeption der Anstalt mitwirkte plante man die ubliche Trennung von storenden und ruhigen rustigen Kranken aufzuheben Dies sollte eine moglichst freie Behandlung selbst der unruhigen Geisteskranken sicherstellen Allgemein beabsichtigte man dem no restraint Konzept das eine Psychiatrie moglichst ohne Zwangsmittel vorsah zu folgen 7 Der Verzicht auf raumliche Trennung wurde jedoch nicht so konsequent wie geplant angewandt wie die spatere Einteilung der Abteilungen in solche fur ruhige und fur unruhige Kranke zeigt 7 8 Eroffnet wurde die Irrenheilanstalt Marburg am 7 Juni 1876 Erster Direktor der Anstalt wurde der bereits Ende 1874 dazu berufene Heinrich Cramer 9 Nach dem Tod Heinrich Cramers wurde am 12 Dezember 1893 Franz Tuczek zum neuen Direktor der Irrenheilanstalt ernannt Unter Tuczeks Leitung erfolgte die Umbenennung in Landesheilanstalt Unter Tuczeks Leitung erlebte die Anstalt ausserdem einen starken Ausbau Es wurden zahlreiche neue Gebaude im Pavillonstil errichtet und die Anstalt erhielt eine ganze Reihe von neuen Einrichtungen sowie Modernisierungen wie beispielsweise ein Laboratorium eine Bibliothek und eine Telefonzentrale Die Anstalt bot nun Platz fur bis zu 350 Patienten 10 Erster Weltkrieg und Weimarer Republik Bearbeiten Nach der Emeritierung Franz Tuczeks ubernahm Maximilian Jahrmarker im Oktober 1914 die Leitung der Landesheilanstalt am 1 April 1915 wurde er offiziell zum Direktor ernannt 11 Die Verhaltnisse in der Anstalt standen in den folgenden Jahre stark unter dem Einfluss der Auswirkungen des Ersten Weltkriegs Im Rahmen der Mobilmachung verliessen drei Arzte 30 Pfleger und einige Verwaltungsangestellte die Anstalt Um dem Mangel an Pflegepersonal zu begegnen wurden Hilfspfleger eingestellt und Pflegerinnen auch fur die Mannerabteilungen eingesetzt Ausserdem wurden vier Abteilungen geschlossen und die Bewohner zusammengelegt was zunachst zu einer Uberbelegung der Wachabteilungen fuhrte 12 Insgesamt hatte sich das Pflegepersonal zwischen 1914 und 1918 von 83 auf 61 Angestellte verringert 13 Die Anzahl der in der Anstalt lebenden Patienten nahm im Laufe der Kriegsjahre kontinuierlich ab die Zahl der Abgange uberstieg deutlich die der Zugange Betrug der Patientenstand am 1 April 1914 noch 336 lebten am 1 April 1919 nur noch 187 Patienten in der Anstalt Nach Einschatzung Jahrmarkers lag das daran dass bei den Neuaufnahmen Manisch Depressive und Schizophrene fehlten die meist in jungem Alter erkrankten und nun im Heeresdienst standen Auch akute Alkoholpsychosen fehlten da die Verfugbarkeit von Alkohol knapp war 14 Ebenfalls sank die Bereitschaft von Familien arbeitsfahige Angehorige in psychiatrische Einrichtungen einzuweisen bzw dort zu belassen da jede helfende Hand benotigt wurde 15 Der Erste Weltkrieg hatte im Deutschen Reich zu einer deutlich verschlechterten Ernahrungssituation gefuhrt siehe Steckrubenwinter Schwer betroffen waren davon auch die psychiatrischen Einrichtungen reichsweit starben hier in den Kriegsjahren infolge von Hunger und an durch Unterernahrung ausgelosten Krankheiten mindestens 70 000 Menschen Die Landesheilanstalt Marburg verfugte uber ein eigenes Hofgut auf dem Milchkuhe und Schlachtvieh gehalten wurden sowie Getreide Obst und Kartoffeln angebaut wurden was in den ersten Kriegsjahren zu einer vergleichsweise guten Versorgung der Anstalt fuhrte 16 In den Jahren 1916 bis 1918 liess sich dann eine drastische Zunahme von Unterernahrung und korperlichem Verfalls Marasmus beobachten 17 Die Sterberaten waren in den Jahren 1917 11 2 und 1918 15 1 am hochsten haufigste Todesursachen waren Marasmus und Lungentuberkulose 18 Ab 1920 wurde im Regierungsbezirk Nassau uber eine Schliessung der Landesheilanstalt nachgedacht Hintergrund waren die standig steigenden Kosten der Anstaltsunterbringung infolge der Inflation Die Schliessung der Anstalt wurde schliesslich abgewendet im Rahmen von Sparmassnahmen wurde jedoch Personal abgebaut Patienten in andere Anstalten verlegt sowie Stationen geschlossen 19 Von 1925 bis 1930 erlebte die Landesheilanstalt eine Phase der wirtschaftlichen Stabilisierung Die Gebaude wurden um und ausgebaut im Souterrain der Hauser wurden Werkstatten eingerichtet z B Nahstuben Schuhmacherei Druckerei die Bettenkapazitat erhohte sich auf 500 und es wurde wieder mehr Pflegepersonal eingestellt Anfang der 1930er Jahre setzte als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise jedoch wieder eine Sparpolitik ein 20 Zeit des Nationalsozialismus Bearbeiten Maximilian Jahrmarker blieb bis April 1937 Direktor der Landesheilanstalt Marburg Sein Nachfolger wurde Albrecht Langeluddeke 21 Die Zeit des Nationalsozialismus 1933 45 in der Landesheilanstalt war gepragt von der Umsetzung der sogenannten Rassenhygiene im psychiatrischen Bereich sowie den nationalsozialistischen Krankenmorden Zwangssterilisationen Bearbeiten Am 1 Januar 1934 trat das Gesetz zur Verhutung erbkranken Nachwuchses GzVeN das am 14 Juli 1933 verabschiedet worden war in Kraft Die Umsetzung des GzVeN begann in der Landesheilanstalt Marburg bereits vor dem eigentlichen Inkrafttreten des Gesetzes Mitte Dezember 1933 wurde die Erfassung der gemass dem GzVeN als erbkrank geltende und zur Sterilisation vorgesehene Patienten abgeschlossen Die Anzeige der vermeintlich Erbkranken erfolgte anschliessend beim Gesundheitsamt Der Antrag auf Sterilisation wurde beim zustandigen Erbgesundheitsgericht gestellt bei Anstaltspatienten ubernahm das in der Regel der Leiter der Anstalt Das Urteil des Erbgesundheitsgerichts konnte gegen den Willen der Betroffenen vollzogen werden 22 Die zur Sterilisation notwendigen Operationen wurden in Marburg in der Universitatsfrauenklinik und der Chirurgischen Universitatsklinik durchgefuhrt Ab 1936 gab es auch in der Landesheilanstalt einen Operationssaal in dem Manner sterilisiert wurden Bis 1945 wurden mindestens 215 Patienten der Landesheilanstalt zwangssterilisiert 23 Euthanasie und Verlegungen in Totungsanstalten Bearbeiten Ende 1939 wurden im Rahmen der Aktion T4 verschiedene Heil und Pflegeanstalten zu Totungsanstalten umgebaut Marburg lag im Einzugsgebiet der Totungsanstalt Hadamar Die zur Ermordung in der Totungsanstalt Hadamar bestimmten Menschen wurden zunachst aus Marburg in sogenannte Zwischenanstalten verlegt von wo aus sie im Abstand von drei bis sechs Wochen weiter nach Hadamar verlegt wurden Zwischen dem 28 April und dem 5 September 1941 wurden mindestens 237 Menschen aus der Landesheilanstalt Marburg in die Zwischenanstalten Scheuern Weilmunster Eichberg und Herborn verlegt 210 von ihnen wurden weiter nach Hadamar verlegt und dort in der Regel am Tag der Ankunft ermordet Neun von ihnen starben in der Kinderfachabteilung Eichberg neun weitere in Weilmunster Drei der im Rahmen der Aktion T4 verlegten Patienten uberlebten das Kriegsende 24 Die Aktion T4 wurde reichsweit im August 1941 abgebrochen Bereits im Jahr 1940 wurden acht judische Patienten aus Marburg abtransportiert und vermutlich in der Totungsanstalt Brandenburg ermordet 25 Wahrend der zweiten Phase der Krankenmorde 1941 45 ist es in Marburg selber zu keinen gezielten Totungen gekommen zumindest gibt es laut Georg Lilienthal keine Dokumente die diese These belegen wurden Auch gab es nun keine Transporte von Patienten der Landesheilanstalt in die Totungsanstalt Hadamar mehr Eine Ausnahme bildeten psychisch kranke Zwangsarbeiter aus Polen und der Sowjetunion die nicht mehr arbeitsfahig waren und ab 1943 in die Landesheilanstalt Marburg eingewiesen wurden Mindestens 17 von ihnen wurden ab Juni 1944 aus Marburg zur Ermordung nach Hadamar und andere Orte transportiert 26 Literatur BearbeitenGerhard Aumuller Peter Sandner Christina Vanja Hrsg Heilbar und nutzlich Ziele und Wege der Psychiatrie in Marburg an der Lahn Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen Quellen und Studien Band 8 Jonas Verlag Marburg 2001 ISBN 3 89445 291 9 Dagmar Juliette Hilder Zwangssterilisation im Nationalsozialismus Die Umsetzung des Gesetzes zur Verhutung erbkranken Nachwuchses in der Landesheilanstalt Marburg Gorich amp Weiershauser Marburg 1996 ISBN 3 932149 07 6 Robert Muller Wege zum Ruhm Militarpsychiatrie im Zweiten Weltkrieg das Beispiel Marburg PapyRossa Koln 2001 ISBN 3 89438 224 4 Karen Nolte Gelebte Hysterie Erfahrung Eigensinn und psychiatrische Diskurse im Anstaltsalltag um 1900 Campus Verlag Frankfurt New York 2003 ISBN 3 593 37379 3 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Philipp Rauh Sascha Topp Konzeptgeschichten Zur Marburger Psychiatrie im 19 und 20 Jahrhundert V amp R unipress Gottingen 2019 ISBN 3 8471 0995 2 Einzelnachweise Bearbeiten Vitos Gesellschaft stellt sich vor Abgerufen am 29 Juli 2022 https www vitos de fileadmin user upload 211122 Digital Vitos Konzernorganigramm pdf Rauh Topp Konzeptgeschichten S 27 Peter Sandner Eine preussische Grundung Die Entstehung der Irrenanstalt Marburg im Spannungsfeld von Staatsinteressen und Selbstverwaltungsbestrebungen 1866 1876 In Heilbar und nutzlich S 40 45 Sandner Eine preussische Grundung In Heilbar und nutzlich S 50 52 Sandner Eine preussische Grundung In Heilbar und nutzlich S 55 a b Sandner Eine preussische Grundung In Heilbar und nutzlich S 53 54 Rauh Topp Konzeptgeschichten S 34 35 Sandner Eine preussische Grundung In Heilbar und nutzlich S 56 Gerhard Aumuller Franz Tuczeck und der Bau der Universitats Nervenklinik in Marburg Der Ubergang von der Anstalts zur Universitatspsychiatrie In Heilbar und nutzlich S 97 99 Rauh Topp Konzeptgeschichten S 66 Kornelia Grundmann Vom Kaiserreich uber die Weimarer Zeit bis zum Nationalsozialismus Die Landesheilanstalt zur Zeit von Prof Dr Jahrmarker 1914 1937 In Heilbar und nutzlich S 250 251 Grundmann Vom Kaiserreich In Heilbar und nutzlich S 255 Grundmann Vom Kaiserreich In Heilbar und nutzlich S 251 252 Rauh Topp Konzeptgeschichten S 83 Rauh Topp Konzeptgeschichten S 80 82 Nolte Gelebte Hysterie S 62 Grundmann Vom Kaiserreich In Heilbar und nutzlich S 252 253 Grundmann Vom Kaiserreich In Heilbar und nutzlich S 257 258 Grundmann Vom Kaiserreich In Heilbar und nutzlich S 263 265 Grundmann Vom Kaiserreich In Heilbar und nutzlich S 270 Grundmann Vom Kaiserreich In Heilbar und nutzlich S 267 268 Hilder Zwangssterilisation S 86 91 Georg Lilienthal Die Opfer der NS Euthanasie Verbrechen In Heilbar und nutzlich S 280 282 Lilienthal Die Opfer In Heilbar und nutzlich S 278 279 Lilienthal Die Opfer In Heilbar und nutzlich S 290 295 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vitos Klinik fur Psychiatrie und Psychotherapie Marburg amp oldid 227800245