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Werner August Otto Fischer Defoy 12 April 1880 in Magdeburg 14 Oktober 1955 in Frankfurt am Main war ein deutscher Arzt und Medizinalbeamter der Stadt Frankfurt am Main Als Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes gehorte er in der Zeit des Nationalsozialismus zu den treibenden Kraften sozialrassistischer und antisemitischer Massnahmen auf kommunaler Ebene Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 1 1 Ausbildung und Karriere 1 2 Zeit des Nationalsozialismus 1 3 Nach dem Zweiten Weltkrieg 2 Schriften 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben und Wirken BearbeitenAusbildung und Karriere Bearbeiten Fischer Defoys Vater war der praktische Arzt Eduard Fischer der Madchenname seiner Mutter war Defoy Noch unter dem Namen Werner Fischer legte er im Marz 1898 die Reifeprufung am Padagogium zum Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg ab und studierte anschliessend Medizin in Heidelberg Jena Munchen und Rostock In Rostock bestand er im Dezember 1902 das Staatsexamen und wurde unmittelbar darauf promoviert 1903 wurde er zunachst Schiffsarzt der Hamburg Amerika Linie und spezialisierte sich dann als Assistenzarzt an verschiedenen Instituten auf Pathologie 1908 liess er sich in Quedlinburg als praktischer Arzt nieder wo er 1913 das Examen zum Kreisarzt bestand Mit seiner Arbeit Die klinische Fruhdiagnose des Krebses gewann er 1912 den mit 1 000 Mark dotierten Ersten Preis eines Preisausschreibens des Deutschen Zentralkomitees zur Erforschung und Bekampfung der Krebskrankheit Die Preisschrift wurde in einer Auflage von 35 000 Exemplaren gedruckt um sie allen deutschen Arzten als Aufklarungsschrift kostenlos zuzusenden Von 1913 bis 1919 war Fischer Defoy als Direktorialassistent am Hygienemuseum Dresden tatig und am Aufbau der dortigen Sammlung beteiligt Unterbrochen wurde seine Tatigkeit durch seine Teilnahme als Sanitats Offizier am Ersten Weltkrieg Hier war er als Bakteriologe auf dem ostlichen Kriegsschauplatz eingesetzt Im April 1919 ging Fischer Defoy als Stadtschularzt nach Frankfurt Hier wurde er 1921 zum Stadtmedizinalrat befordert und im neuen Gesundheitsamt als Leiter des Referats C fur das Wohlfahrtsarztwesen die Abteilung Geschlechtskrankheiten die Psychopathenfursorge Hygiene Aufklarung und Arztefortbildung eingesetzt Seine Forschungsinteressen verschoben sich in dieser Zeit immer mehr in Richtung Sozial und Rassenhygiene Zeit des Nationalsozialismus Bearbeiten Fischer Defoy der seit 1929 Mitglied der SA und zum 1 September desselben Jahres der NSDAP beigetreten war Mitgliedsnummer 150 681 1 profitierte von der nationalsozialistischen Machtergreifung Er wurde 1933 als besoldeter Stadtrat und Amtsleiter des Stadtgesundheitsamtes Nachfolger Karl Schlossers der als SPD Mitglied zwangsweise beurlaubt worden war Fischer Defoy engagierte sich in den folgenden Jahren als Referent fur Fursorgefragen im Gauamt fur Kommunalpolitik und im Fachausschuss fur Wohlfahrtspflege des Deutschen Gemeindetags Er war Vorsitzender der Frankfurter Ortsgruppe der Deutschen Gesellschaft fur Rassenhygiene Der Historiker Wolf Gruner charakterisiert ihn als antijudischen Aktivisten der explizit nationalsozialistische Positionen vertrat und neben Oskar Martini auf kommunaler Ebene tonangebend bei der Verfolgungspolitik gegenuber den Juden und ein Wortfuhrer sozialrassistischer Ausgrenzungsmassnahmen gewesen sei 2 Mitte der 1930er Jahre formulierte Fischer Defoy Wir mussen die erbkranken in rassischem Sinne minderwertigen Bestandteile unschadlich machen wir mussen die rassische Ueberfremdung verhuten Nur in zahem Ringen und unerschuttertem Glauben an das deutsche Blut werden wir unser in seinem Bestand bedrohtes Volk retten konnen 3 Im Stadtgesundheitsamt kummerte sich Fischer Defoy im Gefolge des Gesetzes zur Verhutung erbkranken Nachwuchses ab Ende 1933 1934 um die Einrichtung einer Erbgesundheitsbegutachtungsstelle und baute zugleich eine Abteilung fur Erb und Rassenpflege zu einer zentralen Auskunftsabteilung auf Hier wurde Material uber Personen zusammengetragen die moglicherweise sterilisiert werden sollten Fischer Defoy trug Sorge dass neben Krankenakten von Nervenheilanstalten auch die 20 000 Akten des Fursorgeamtes und die 30 000 Gesundheitspasse ehemaliger Schuler und Schulerinnen erbbiologisch ausgewertet wurden Gemeinsam mit dem Universitats Institut fur Erbbiologie und Rassenhygiene Frankfurt am Main der Universitat Frankfurt unter Otmar von Verschuer erstellte das Gesundheitsamt ein Erbarchiv und eine Erbkartei in der im Marz 1938 bereits 250 000 Akten und 280 000 Karten gesammelt worden waren 4 Fischer Defoy bezeichnete sich selbst als Gegner der NS Euthanasie Diese Angaben lassen sich allerdings nicht anderweitig belegen 5 Nach dem Novemberpogrom 1938 nutzte Fischer Defoy die Moglichkeiten welche die antijudische Verordnung uber die offentliche Fursorge fur Juden vom November 1938 bot um mithilfe einer scheinlegalen Argumentation einen stadtischen Beauftragten fur die Uberwachung und Neubildung der gesamten judischen Wohlfahrtseinrichtungen in Frankfurt a M einzusetzen und die Judische Wohlfahrtspflege e V unter der Aufsicht der Stadtverwaltung Frankfurt a M zu bilden Damit ubernahm die Stadt samtliche Konten der Frankfurter Wohlfahrtseinrichtungen und des Provinzialverbandes Hessen Nassau Die Frankfurter Regelung mit einem Beauftragten fur Judenfragen der Stadtverwaltung diente der Entlastung des stadtischen Fursorgehaushalts und erlangte bis 1939 auf kommunaler Ebene Modellcharakter fur andere Stadte fuhrte durch die Intensivierung der Ausplunderung aber bis Ende 1939 auch zu Kompetenzstreitigkeiten mit der Frankfurter Gestapo 6 Nach dem Zweiten Weltkrieg Bearbeiten Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stellte sich Fischer Defoy im Mai 1945 dem stadtischen Hauptuntersuchungsausschuss Dieser hielt eine Weiterbeschaftigung fur unproblematisch empfahl aber wegen Fischer Defoys fruher Parteimitgliedschaft eine Versetzung bzw es wurde vorgeschlagen Fischer Defoy zu pensionieren Fischer Defoy wollte im August 1945 indes wieder eingestellt werden Der Oberburgermeister Kurt Blaum lehnte dies im September 1945 ab und bestand auf Entlassung statt Pensionierung da Fischer Defoy nur aufgrund seiner Parteimitgliedschaft in sein Amt gekommen sei Fischer Defoy verlor dadurch auch seine Versorgungsanspruche Zwar wurde er im Spruchkammerverfahren Anfang 1948 als unpolitische Natur charakterisiert die durch zufallige Bekanntschaft zum Nationalsozialismus gekommen sei Aufgrund von Zeugenaussagen wurde er sogar als Grenzfall zwischen Mitlaufer und Entlastetem eingestuft dessen Verhalten sich dem Widerstand angenahert habe Trotzdem gelang es ihm nicht sein Ruhegehalt wieder zu erlangen da die Stadt bei ihrer Haltung blieb Schriften Bearbeitenals Werner Fischer Uber Encyme wirbelloser Tiere C Hinstorff Rostock 1903 Die klinische Fruhdiagnose des Krebses Gekronte Preisarbeit den deutschen Aerzten gewidmet vom Deutschen Zentralkomitee zur Erforschung und Bekampfung der Krebskrankheit Hirschwald Berlin 1911 Schlafen und Traumen Kosmos Stuttgart 1918 Schule und Bevolkerungshygiene Beyer Langensalza 1918 Die geschlechtliche Belehrung der Jugend in Schule und Haus Quelle amp Meyer Leipzig 1919 Die hygienische Aufklarung und ihre Mittel Schoetz Berlin 1919 Lebensgefahr in Haus und Hof Franckh Stuttgart 1920 Unsre Einbusse an Volkskraft und die Mittel zu ihrer Behebung Beyer Langensalza 1920 Wie schutze ich mich vor Erkrankungen Verlag Das Wissen dem Volke Siegmar Chemnitz 1921 Der Arzt und die Berucksichtigung der korperlichen Eignung bei der Berufswahl Schoetz Berlin 1923 Darfst du heiraten Hachmeister amp Thal Leipzig 1924 Leitfaden durch die soziale Gesundheitsfursorge und ihre Einrichtungen Gesundheitswacht Munchen 1925 mit Edmund Hofmann und Julius Raecke Die soziale Bekampfung der Geschlechtskrankheiten Bericht uber den vom Stadtgesundheitsamt Wohlfahrtsamt und Jugendamt veranstalteten Lehrgang vom 3 und 4 April 1925 in Frankfurt am Main Union Frankfurt am Main 1925 Hygiene der Kleidung Verlagsanstalt E Deleiter Dresden 1926 Infektionskrankheiten Verlagsanstalt E Deleiter Dresden 1926 Rassenhygiene Verlagsanstalt E Deleiter Dresden 1926 Die Hygiene in den geschlossenen Anstalten fur Jugendliche Schoetz Berlin 1927 Die korperliche und geistige Hygiene der berufstatigen Frau Dt Verlag f Volkswohlfahrt Dresden 1927 Der Schularzt Braun Karlsruhe 1928 Gesundheit und Erziehung Braun Karlsruhe 1928 Die Gefahren des Geschlechtslebens Ernste Worte f junge Leute die ins Leben hinaustreten 3 Auflage Hachmeister amp Thal Leipzig 1931 mit Arno Steinert Ahnenerbe Ein Sammelwerk f d Ergebnisse u Auswertgn d Ahnen Sippen u Erbgesundheitsforschg Diesterweg Frankfurt am Main 1934 1934 Ausg 1936 als Hrsg Die Haus und Luftschutzapotheke Hachmeister amp Thal Leipzig 1940 mit Berthold Kemkes Grundzuge der sozialen Gesundheitsfursorge Enke Stuttgart 1952 Literatur BearbeitenThomas Bauer Heike Drummer Leoni Kramer Vom stede arzt zum Stadtgesundheitsamt Die Geschichte des offentlichen Gesundheitswesens in Frankfurt am Main hg vom Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main Kramer Frankfurt am Main 1992 Monika Daum Hans Ulrich Deppe Zwangssterilisation in Frankfurt am Main 1933 1945 Campus Frankfurt am Main 1991 Wolf Gruner Offentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung Wechselwirkungen lokaler und zentraler Politik im NS Staat 1933 1942 Studien zur Zeitgeschichte 62 Oldenbourg Munchen 2002 ISBN 3 486 56613 X Bettina Tuffer Der Braune Magistrat Personalstruktur und Machtverhaltnisse in der Frankfurter Stadtregierung 1933 1945 Studien zur Frankfurter Geschichte 54 Frankfurt am Main 2004 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Werner Fischer Defoy im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Bettina Tuffers Der braune Magistrat Werner Fischer Defoy In Frankfurt am Main 1933 1945 Internetprasentation der Stadt Frankfurt Einzelnachweise Bearbeiten Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 8990988 Wolf Gruner Offentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung Wechselwirkungen lokaler und zentraler Politik im NS Staat 1933 1942 Studien zur Zeitgeschichte 62 Oldenbourg Munchen 2009 ISBN 978 3 486 59482 9 abgerufen uber De Gruyter online S 40 61 312 Peter Sandner Verwaltung des Krankenmordes Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen Hochschulschriften Band 2 Psychosozial Verlag Giessen 2003 ISBN 3 89806 320 8 S 241 Monika Daum und Hans Ulrich Deppe Zwangssterilisation in Frankfurt am Main 1933 1945 Campus Frankfurt am Main 1991 S 46 f Peter Sandner Verwaltung des Krankenmordes Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen Hochschulschriften Band 2 Psychosozial Verlag Giessen 2003 ISBN 3 89806 320 8 S 320 Monica Kingreen Systematische Politik der Ausplunderung Die Aneignung judischen Eigentums durch die Stadt Frankfurt am Main In Katharina Stengl Hrsg Vor der Vernichtung Die staatliche Enteignung der Juden im Nationalsozialismus Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts Band 15 Campus Frankfurt am Main 2007 S 232 234 Normdaten Person GND 1055283714 lobid OGND AKS VIAF 12683305 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Fischer Defoy WernerALTERNATIVNAMEN Fischer Werner Fischer Defoy Werner August OttoKURZBESCHREIBUNG deutscher Arzt und MedizinalbeamterGEBURTSDATUM 12 April 1880GEBURTSORT MagdeburgSTERBEDATUM 14 Oktober 1955STERBEORT Frankfurt am Main Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Werner Fischer Defoy amp oldid 232520337