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Der sogenannte Warenhaussturm am Sonnabend dem 11 Marz 1933 in Braunschweig war eine von der nationalsozialistischen Fuhrung des Freistaates Braunschweig initiierte Gewaltaktion gegen judische Kaufhauser die von SA und SS Mitglied Friedrich Alpers 1 und NSDAP Innenminister Dietrich Klagges organisiert 2 und von SA und SS unterstutzt bzw durchgefuhrt wurde Kaufhaus Adolf Frank um 1899Der Warenhaussturm stellte kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30 Januar 1933 eine erste wenn auch verdeckt inszenierte Aktion gegen Juden in Braunschweig dar Von ihr betroffen waren im Wesentlichen die Kaufhauser Adolf Frank Schuhstrasse 28 Ecke Stephanstrasse 1 das genau gegenuber gelegene Karstadt sowie das Bekleidungsgeschaft Hamburger amp Littauer am Kohlmarkt Zwei Tage zuvor am 9 Marz war diesem Ereignis bereits eine Aktion gegen die ortliche SPD vorausgegangen bei der das Volksfreund Haus das Redaktionsgebaude der SPD Zeitung durch die SS besetzt wurde Dabei wurde nicht nur die Inneneinrichtung zerstort sondern es kam zu erheblichen Gewaltexzessen gegen Personen wobei ein Mitarbeiter erschossen wurde 3 Inhaltsverzeichnis 1 Vorbereitung und Inszenierung 2 Ablauf 3 Politischer Hintergrund 4 Folgen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVorbereitung und Inszenierung BearbeitenAm Vormittag kundigte Alpers in der Gaststatte Stadt Helmstedt den dort versammelten SS Angehorigen eine Aktion gegen judische Geschafte an Die SS sollte dazu in Zivil erscheinen um nicht als SS erkannt zu werden Ziel sei es das Ganze als spontanen Ausbruch des Volkszorns zu inszenieren in der Hoffnung bisher Unentschlossene mitreissen zu konnen Anschliessend solle alles den Kommunisten in die Schuhe geschoben werden 2 Ablauf BearbeitenAm spaten Nachmittag des 11 Marz 1933 fand gegen 17 00 Uhr ein Platzkonzert der SA auf dem Kohlmarkt statt dem eine grossere Menschenmenge lauschte Auf ein vereinbartes Zeichen jedoch stromte eine Anzahl uberwiegend mannlicher Zivilisten plotzlich vom Kohlmarkt in die nahe gelegene Schuhstrasse zu den Kaufhausern Adolf Frank und Karstadt Bei beiden Hausern insbesondere bei Frank wurden zahlreiche grosse Schaufensterscheiben mit mitgebrachten Steinen eingeworfen wahrend andere Zivilisten die Geschaftsraume sturmten die Inneneinrichtung zerstorten und dabei auch Kunden misshandelten Da Klagges vor der Aktion den Kommandeur der Braunschweiger Schutzpolizei Selle telefonisch angewiesen hatte 2 seine Leute aus dem Bereich um den Kohlmarkt fernzuhalten und die Aktion nicht zu behindern erschienen von Passanten Anwohnern und Kunden alarmierte Einheiten auch erst als die uberfallartige Aktion schon langst vorbei war Die Menschenmenge hatte sich teilweise wieder auf dem Kohlmarkt eingefunden und lauschte erneut dem Platzkonzert der SA Nach kurzer Zeit erschien Alpers in Begleitung des NSDAP Bezirksleiters des Freistaates Kurt Schmalz Alpers stellte sich vor die Menge und rief zu Ruhe und Ordnung auf und verurteilte das Vorgefallene fur das er kommunistische Ruhestorer verantwortlich machte 1 Anschliessend verstreute sich die Menge nicht ohne vorher noch beim direkt am Kohlmarkt gelegenen Bekleidungshaus Hamburger amp Littauer ebenfalls etliche Schaufensterscheiben einzuwerfen 4 Ein Sohn Gustav Elias Forstenzers eines der beiden Inhaber des Kaufhauses Adolf Frank machte verbotenerweise kurz nach dem Uberfall Fotos von den Zerstorungen Zur Beseitigung der Schaden mussten die Kaufhauser einige Zeit geschlossen bleiben Politischer Hintergrund BearbeitenIn ihrem Parteiprogramm forderte die NSDAP die sofortige Kommunalisierung der Gross Warenhauser und ihre Vermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende 5 und bediente damit das Schutzbedurfnis des Mittelstandes vor finanzstarker Konkurrenz Die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation wie auch der Kampfbund fur den gewerblichen Mittelstand unter Theodor Adrian von Renteln forderten die Schliessung aller Warenhauser der Einheitspreisladen Konsumgenossenschaften und Filialkettenladen Die Agitation fuhrte in den 1920er Jahren wie auch 1932 wiederholt zu entsprechend motivierten Schmierereien und Anschlagen auf Warenhauser 6 Eine reichsweite Welle von Boykottmassnahmen gegen Warenhauser die uberwiegend von judischen Eigentumern betrieben wurden wurde am 5 Marz 1933 im Volkischen Beobachter dem Parteiorgan der NSDAP angekundigt Die Aktionen richteten sich zunachst gleichermassen gegen judische Unternehmen sowie unerwunschte Betriebsformen 7 In den folgenden Tagen kam es zu Menschenketten vor Warenhausern Tumulten Zerstorungen und tatlicher Beleidigung von Personal sowie Kunden und zwar nicht nur in Grossstadten wie Berlin Breslau oder Leipzig sondern u a auch in Magdeburg Kassel Pirmasens und Dessau 8 Diese Aktionen blieben nicht ohne Wirkung Am 18 Marz 1933 wurde die Gewerbesteuer fur Kaufhauser verdoppelt und eine kommunale Steuer fur Filialbetriebe eingefuhrt 9 Am 21 Marz 1933 erzwang der wirtschaftspolitische Berater Hitlers Otto Wagener den Rucktritt des Prasidiums des Verbandes deutscher Waren und Kaufhauser Am 7 Juli 1933 kurz nach der Entmachtung Wageners verbot Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess jede weitere Aktion gegen Warenhauser um nicht Arbeitsplatze dort und bei Zulieferern zu gefahrden 10 Spatestens jetzt war die allgemeine Anti Warenhaus Propaganda beendet und auf eine rein antisemitische Linie umgeschwenkt worden Weitere Aktionen die im Sommer und Herbst 1935 einen neuen Hohepunkt erreichten richteten sich ausschliesslich gegen die Warenhauser judischer Eigentumer 11 Allerdings fuhrte die im Parteiprogramm der NSDAP verankerte Forderung die Kaufhauser abzuschaffen immer wieder zu entsprechenden Vorstossen und Diskussionen innerhalb der Partei 1940 scheiterte ein letzter Vorstoss eine Entscheidung Hitlers einzuholen da eine Auflosung der Warenhauser und Verbrauchergesellschaften zum gegenwartigen Zeitpunkt nicht tragbar sei 12 Folgen BearbeitenAus Sicht der Braunschweiger Nationalsozialisten war der Warenhaussturm in der Stadt ein Erfolg Zum einen gelang es die Bevolkerung zumindest vorubergehend uber die Urheber bzw Taterschaft zu tauschen denn in den Braunschweiger und Wolfenbutteler Zeitungen wurde berichtet dass sich Alpers gegenuber der Menschenansammlung beschwichtigend geaussert hatte und dass Kommunisten der Tat verdachtigt wurden Zum anderen wurde der politische und wirtschaftliche Druck auf die Juden erhoht Der unmittelbar folgende landesweite Judenboykott weitere judenfeindliche Gesetze Verordnungen und Arisierungen erzwangen in der Folgezeit Auswanderungen Beispiele fur Arisierungen Das Bekleidungshaus Hamburger amp Littauer wechselte den Eigentumer und hiess ab 1 Mai 1933 Rosbach amp Risse arischer Geschaftsfuhrer war der 1932 in die Firma eingetretene Friedrich Wilhelm Risse 13 1967 Gleiches geschah 1936 mit dem Herrenbekleidungsgeschaft Schroder amp Co 13 Damm 40 zu Hamburger amp Littauer gehorig das ab 7 Marz 1936 Cloppenburg hiess Das Kaufhaus Adolf Frank wurde 1938 kurz nach der sogenannten Reichskristallnacht am 9 10 November arisiert und hiess fortan Stober Der neue Eigentumer Karl Stober 14 1905 1960 betrieb das Unternehmen bis zu seinem Tode 1960 Zwischen 1933 und 1938 wechselten auf diese Weise uberall im Deutschen Reich zahlreiche ehemals judische Unternehmen in die Hande neuer arischer Eigentumer und dies meist zu einem Preis der weit unter dem Marktwert lag Die Kaufer waren in diesen Fallen oft Inhaber ortsansassiger Konkurrenzunternehmen Literatur BearbeitenReinhard Bein Hrsg Juden in Braunschweig 1900 1945 Materialien zur Landesgeschichte 2 Auflage Deutsch Israelitische Gesellschaft Braunschweig 1988 Bert Bilzer Richard Moderhack Hrsg BRUNSVICENSIA JUDAICA Gedenkbuch fur die judischen Mitburger der Stadt Braunschweig 1933 1945 Waisenhaus Verlag Braunschweig 1966 Braunschweiger Werkstucke 35 ISSN 0175 338X Manfred R W Garzmann Wolf Dieter Schuegraf Norman Mathias Pingel Braunschweiger Stadtlexikon Erganzungsband Meyer Braunschweig 1996 ISBN 3 926701 30 7 Bernhild Vogel und in Braunschweig Materialien und Tips zur Stadterkundung 1930 1945 2 aktualisierte Auflage JURB Braunschweig 1996 ISBN 3 9801592 2 1 JURB Materialien 2 Weblinks BearbeitenKaufhaus Adolf Frank bei vernetztes gedaechtnis de mit Fotos Bericht der Wolfenbuttler Zeitung uber den Warenhaussturm erschienen am 13 Marz 1933 mit Foto der vernagelten Fensterfront des Kaufhauses Adolf Frank Schulprojekt Die Arisierung der Firma Hamburger amp Littauer zur Zeit des Nationalsozialismus 2011 publiziert bei denktag de Einzelnachweise Bearbeiten a b Bernhild Vogel und in Braunschweig Materialien und Tips zur Stadterkundung 1930 1945 2 aktualisierte Auflage Braunschweig 1996 S 54 a b c Reinhard Bein Juden in Braunschweig 1900 1945 2 Auflage Braunschweig 1988 S 53 Horst Rudiger Jarck Gerhard Schildt Hrsg Braunschweigische Landesgeschichte Jahrtausendruckblick einer Region Appelhans Braunschweig 2000 ISBN 3 930292 28 9 S 982 Reinhard Bein Juden in Braunschweig 1900 1945 2 Auflage Braunschweig 1988 S 53 Walther Hofer Der Nationalsozialismus Dokumente 1933 1945 fiTB Frankfurt am Main 1977 ISBN 3 596 26084 1 S 29 16 Detlef Briesen Warenhaus Massenkonsum und Sozialmoral Zur Geschichte der Konsumkritik im 20 Jahrhundert Campus Verlag Frankfurt am Main u a 2001 ISBN 3 593 36730 0 S 70 Detlef Briesen Warenhaus S 70 Heinz Hohne Die Zeit der Illusionen Hitler und die Anfange des Dritten Reiches 1933 1936 Econ Verlag Dusseldorf u a 1991 ISBN 3 430 14760 3 S 79 Heinz Hohne Die Zeit der Illusionen S 100 Heinz Hohne Die Zeit der Illusionen S 117 Detlef Briesen Warenhaus S 71 abwartende Haltung der NSDAP zu Warenhausern 1940 a b Bernhild Vogel und in Braunschweig Materialien und Tips zur Stadterkundung 1930 1945 2 aktualisierte Auflage Braunschweig 1996 S 52 Garzmann Schuegraf Pingel Braunschweiger Stadtlexikon Erganzungsband Braunschweig 1996 S 47 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Warenhaussturm amp oldid 228558031