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Umrhubhe auch umrubhe umrube Plural imirhubhe umqunge ist ein mit einem Stab gestrichener Mundbogen der Xhosa und Mpondo in der sudafrikanischen Provinz Ostkap Bis heute wird er vor allem von Frauen und Madchen in seiner einfachsten Form gespielt die aus einem gebogenen mit einer Saite aus Draht oder Pflanzenfasern bespannten Holzstab besteht Eine zweite Form mit einem zweiteiligen Saitentrager ist praktisch verschwunden Zur besonderen Spielweise gehort ein Flusterton der zusammen mit dem durch gezielte Mundverstarkung hervorgehobenen Obertonen eine zweistimmige Melodielinie ergibt Inhaltsverzeichnis 1 Bauform und Spielweise 2 Verbreitung 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseBauform und Spielweise Bearbeiten nbsp Die Xhosa Musikerin Madosini spielt umrhubhe Ein Mundbogen ist nach der Form ein Musikbogen bei dem der Schall nicht durch einen mit dem Saitentrager in Kontakt gebrachten Resonanzkorper sondern mit dem Mundraum verstarkt wird wobei der Spieler entweder den Stab oder die Saite an einem Ende an den teilweise geoffneten Mund halt Der Saitentrager ist bei einem Musikbogen biegsam und mehr oder weniger stark gekrummt im Unterschied zum geraden und starren Saitentrager einer Stabzither Die Unterscheidung zweier Varianten dieses Mundbogentyps geht auf den schottischen Musikethnologen Percival Kirby 1887 1970 zuruck dessen Hauptwerk von 1934 und dessen Musikinstrumentensammlung bis heute fur die Beschreibung sudafrikanischer Musikinstrumente von wesentlicher Bedeutung sind 1 Die laut Kirby altere Variante kam in den 1930er Jahren nur bei den Mpondo Pondo vor und wurde von diesen umqunge genannt 2 Dieser Typ wird bis heute verwendet Er besteht aus einem rund 65 Zentimeter langen festen Stab dessen Durchmesser gut 15 Millimeter betragt und der im mittleren Bereich stark gebogen ist David Rycroft 1966 nennt fur ein zur damaligen Zeit angefertigtes Exemplar der Mpondo folgende Masse Lange des Saitentragers 66 Zentimeter Durchmesser 13 bis 16 Millimeter Lange der Saite 47 Zentimeter Lange des Reibestabs 53 Zentimeter und dessen Durchmesser 4 bis 6 Millimeter Bei den Xhosa fand er grossere Mundbogen vor deren Saitentrager durchschnittlich 65 bis 70 Zentimeter lang war 3 Als Material fur den Stab dient ein Zweig mit den Eigenschaften eines Haselstrauches der regional ulizi genannt wird 4 Der fertige Bogenstab heisst intonga 5 Die Saite icingo aus Draht oder Pflanzenfasern heute meist aus Messingdraht ist an beiden Enden des Stabs festgebunden Die stehende Musikerin halt den Mundbogen mit der linken Hand am fernen Ende senkrecht nach unten mit dem Bogenstab auf der linken Seite vor ihrem Oberkorper und umschliesst mit dem Mund das obere Ende des Stabs Mit dem aus einem dunnen geraden Zweig bestehenden Reibestab zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand streicht sie am unteren Ende uber die Saite 6 Als umrhubhe ist laut Dave Dargie der einfache Mundbogen in der Umgebung von Lady Frere in der Provinz Ostkap bekannt Dargie unternahm in den 1980er Jahren an einem Institut der alten Mission Lumko zwolf Kilometer sudlich dieser Kleinstadt musikethnologische Forschungen bei den Xhosa Die in der ruckstandigen landlichen Gegend lebenden Xhosa haben etliche sprachliche und musikalische Einflusse der Khoisan ubernommen Der andere Mundbogentyp den die Xhosa und Zulu laut Kirby umrhubhe nannten besitzt einen zweiteiligen Saitentrager Hierfur wird in ein ungefahr gerades festes Stuck eines hohlen Astes der Baumart Cussonia spicata Kohlbaum Swazi und Xhosa umsenge ein kurzerer Abschnitt eines dunneren elastischen Zweiges gesteckt der sich beim Aufspannen der Saite mit einer starken Krummung biegt Die Saite des heute sehr seltenen Typs besteht aus Draht Pflanzenfasern oder gedrehten Binsen 7 Die Swazi nannten Kirby zufolge diesen Typ utiyane oder ipiano Der Musiker hielt den utiyane mit der linken Hand am unteren dickeren Stabende so nach oben gerichtet dass dessen oberes Ende am Mund und an der rechten Wange vorbeistreicht und der dunne gebogene Stab nach oben ragt Den Reibestab fasste er am Ende zwischen dem gestreckten Daumen und den zum Affengriff gebogenen Fingern der rechten Hand und strich ebenfalls im unteren Bereich uber die Saite 8 Streichen der Saite erzeugt eine Reihe von Obertonen uber dem Grundton die durch Veranderung des Mundraums hervorgehoben werden konnen Mit dem Daumen oder dem Mittelfinger der linken Hand kann zusatzlich ein zweiter Grundton gegriffen werden der einen Ganzton uber dem ersten liegt Vom Grundton d der offenen Saite ausgehend ergeben sich nach Percival Kirby der 3 a1 der 4 d2 der 5 fis2 und der 6 Partialton a2 Uber dem Grundton der verkurzten Saite liegen der 3 b1 4 es2 5 g2 und 6 Partialton h2 Vom Grundton d werden nur der 3 bis 5 Partialton und vom hoheren Grundton nur der 3 und 4 Partialton verwendet 9 Dave Dargie gab fur den Tonumfang des umrhubhe an Grundton F der leeren Saite mit den Partialtonen f c1 f1 a1 e1 und Grundton G der verkurzten Saite mit den Partialtonen g d1 g1 h1 d1 Im abwechselnden Spiel mit verkurzter und unverkurzter Saite entsteht die Tonskala des umrhubhe 10 Angestrebt wird eine pentatonische Skala obwohl auch eine hexatonische Tonfolge produzierbar ware falls der funfte Partialton uber dem hoheren Grundton mitverwendet wurde Der umrhubhe unterscheidet sich akustisch von anderen Musikbogen weil der erste Oberton der eine Oktave uber dem Grundton liegt deutlich starker horbar ist als der Grundton Voraussetzung um die gewunschten Obertone zu erzeugen ist das richtige Verhaltnis zwischen der Lange und der Spannung der Saite 11 Bei entsprechender Ubung kann beim umrhubhe ein Tonumfang zwischen a1 oder b1 und d3 erreicht werden Hugh Tracey horte in den 1950er Jahren beim Mundbogen ikinki den etwas tieferen Anfangston g1 12 Der umrhubhe der Zulu in der Version mit zweiteiligem Bogenstab wurde Kirbys Beobachtungen zufolge in den 1930er Jahren nur von Mannern gespielt wahrend die heute uberwiegend verwendete einteilige und damit mutmasslich altere Version von Frauen und Madchen gespielt wird wie David Rycroft bereits 1966 erwahnt Einem gestrichenen Mundbogen namens ikinki der nur von Frauen gespielt wurde begegnete bereits Hugh Tracey bei seinen Tonaufzeichnungen in den 1950er Jahren im Xhosa Gebiet wobei unklar ist ob es sich dabei um das gleiche oder ein anderes Instrument handelte 13 Der Mundbogen wird solistisch oder zur Begleitung von Chorgesangen nach dem zyklischen Muster Call and Response eingesetzt Die mit den Obertonen erzeugte Melodielinie des umrhubhe entspricht dem Part des Vorsangers 14 Fur die Darstellung der Obertone drei bis sechs uber dem Grundton der leeren oder verkurzten Saite offnet die Musikerin einseitig etwas die Lippen und verandert mit der Zunge das Volumen des Mundraums wahrend sie durch die Nase atmet sodass normalerweise keine Luft durch den Mund entweicht Mit den Mundstellungen fur die Aussprache der Vokale U uber A zu I sind aufsteigend die einzelnen Obertone zu erreichen Ahnlich durch den Mundraum gesteuert funktioniert die Schallerzeugung bei Maultrommeln Europaische Bugelmaultrommeln aus Metall waren bereits in den 1930er Jahren weit verbreitet Beim Mundbogenspiel werden kurze melodische Phrasen mit geringen Variationen standig wiederholt Anders als die stummen Grundtone sind einzelne Obertone ab der ersten Oktave uber den Grundtonen klar herauszuhoren 15 Eine Besonderheit ist eine Flusterstimme umrhubhe nomlozi die manche Musikerinnen aus dem Mundwinkel wahrend des Spiels hinzufugen Ein geflusterter Ton kann durch Ein oder Ausatmen mit dem Mund erzeugt werden und ist unabhangig von dem mit der Saite hervorgebrachten Ton Flustern ist auch ohne gleichzeitiges Streichen der Saite moglich Gewisse Melodien entstehen erst aus der Uberlagerung von Flustertonen und den von der Saite produzierten Obertonen 16 Nicht alle Musikerinnen beherrschen die Flustertechnik Ublicherweise wird zuerst das Spiel mit dem Bogen erlernt daraufhin folgt der erganzende Einsatz der Flusterstimme Noch komplexer ist die Methode zusatzlich Tone zu singen Es ist nicht moglich zu flustern und zugleich die hohen Obertone der Saite vernehmbar hervorzubringen weil beim Flustern der Mund fast geschlossen werden muss wodurch die hohen Obertone gedampft werden Geubte Musikerinnen konnen dennoch durchgangig wenn auch undeutlich einen mehrstimmigen Klang aus zwei Melodien erzeugen Tiefe Tone klingen mit Flusterstimme weniger klar und sind schwieriger zu erzeugen als hohe die scharfer und lauter klingen 17 Typisch fur den Chorgesang der Xhosa ist die Aufteilung der Gesangsstimmen auf verschiedene Tonhohen sodass eine Mehrstimmigkeit in parallelen Intervallen entsteht Parallele Melodien bedeuten in der Xhosa Musik eine einzige Melodie Als harmonische Intervalle gelten fur die Xhosa wie fur die Tsonga die den Schrapbogen xizambi zur Begleitung des Chorgesangs verwenden Oktave Quarte Quinte und daruber hinaus die Terz die bei den Tsonga nicht verwendet wird 18 Alternativ werden mehrere Stimmen die verschiedene Melodien und Texte in zyklischer Abfolge singen zu einem polyphonen Gesamtklang geschichtet Vielfach kommen durch Improvisation neue Textlinien izicabo hinzu Das wohl eindrucksvollste Element des Xhosa Frauengesangs ist der Obertongesang umngqokolo Xhosa Sprache raue Stimme bei dem die Sangerinnen die Melodietone der Textlinien singen und zugleich die Stimme in einen darunter gelegten Basston zwingen der sehr rau klingt Die harmonischen Intervalle von Bass und Melodieton entsprechen dem Verhaltnis von Grundton und Partialtonen beim Mundbogen auch das klangliche Resultat ist vergleichbar 19 Die umngqokolo Stimme leitet ublicherweise den Chor oder falls vorhanden der Mundbogen 20 Die Obertone des umrhubhe entsprechen der Melodie des Vorsangers und die Flusterstimme gilt nach dem Verstandnis der Musikerinnen ublicherweise als die Antwort des Chors es sei denn in einer Spielweise werden die auf beide Arten erzeugten Tone zu einem einzigen melodischen Muster vereint In seltenen Fallen treten zwei imirhubge zusammen auf In einer Tonaufzeichnung aus dem Dorf Ngqoko bei Lumko spielen zwei Musikerinnen umrhubhe nomlozi zunachst fur sich dann setzt der Frauenchor ein 21 Zur Vortragsweise die lebhaft sein muss gehort es Kreuzrhythmen versteckte rhythmische Muster und Verzogerungstechniken zu verwenden Stets werden in einem Lied zwei oder manchmal mehrere Beats verwendet die haufig von verschiedenen Ausgangspunkten starten Die meisten Lieder haben ein eigenes rhythmisches Muster 22 Verbreitung BearbeitenDer Name umrhubhe ist wie umqangi ein Reibe Mundbogen der Xhosa und umngqungqo ein Frauenrundtanz aus den Khoisansprachen entlehnt Der in umrhubhe enthaltene stimmlose velare Frikativ rh u scheint lautmalerisch zu sein und das Reibegerausch des Streichbogens nachzuahmen Da fur Musikinstrumente haufig mehrere Namen gebrauchlich waren und sind konnten neben umqunge auch die Worter mit derselben lautmalerischen Qualitat umqangi umqunge sowie die Verkleinerungsformen umqangala und umqengele den Mundbogen umrhubhe bezeichnet haben Diese ebenso aus Khoisansprachen stammenden Bezeichnungen haben den palatalen Klick q der darauf verweist dass sie moglicherweise zu einer Zeit eingefuhrt wurden als die Saite der Mundbogen mit einem Stab angeschlagen wurde In Hogsback kommt ein dem umrhubhe entsprechender Mundbogen vor der inkinge genannt und dessen Saite abwechselnd gestrichen oder geschlagen wird Er konnte dem ikinki von Hugh Tracey in den 1950er Jahren entsprechen Der heute noch existierende Mundbogentyp umrhubhe geht auf musikalische Einflusse der Khoisan zuruck 23 Im kleinen Gebiet um Lumka haben sich mit der Flustertechnik umrhubhe nomlozi mit im Duet spielenden imirhubhe und mit dem Frauen Obertongesang umngqokolo seltene musikalische Formen bewahrt Musikbogen im sudlichen Afrika werden fast alle zur Melodiebildung eingesetzt Eine ausserst seltene Ausnahme ist der als Rhythmusinstrument geschlagene Jagdbogen lipuruboro in der Region Kavango von Namibia der musikalisch mit der dortigen ebenfalls rhythmisch gespielten Maultrommel ruwenge in Verbindung steht 24 Das einfache Konstruktionsprinzip der Musikbogen erlaubt die Saite durch unterschiedliche Techniken in Schwingungen zu versetzen schlagen beispielsweise der Kalebassen Musikbogen umakhweyane der Zulu 25 zupfen mtyangala in Malawi streichen anblasen gora der Khoisan oder indirekt die Bogenstange mit einem Schrapstab anregen isizembe der Zulu und nxoronxoro der ǃKung Zu den einsaitigen Streichinstrumenten gehort die ebenfalls von den Mpondo in der Provinz Ostkap gespielte Stabzither isankuni deren durch einen Blechkanister verstarkte Saite mit einem kurzen Bogen gestrichen wird Hiermit verwandt ist die mit einem Bogen gestrichene etwas aufwendiger konstruierte Trogzither segankuru der Batswana 26 In manchen Gebieten der Provinz Ostkap spielen Xhosa Frauen neben dem umrhubhe den stark gekrummten Kalebassen Musikbogen uhadi dessen Saite mit einem langen Stab geschlagen wird Der uhadi dient den Frauen zur Begleitung ihrer Gesange am Abend und in der Nacht 27 Beide Saiteninstrumente sind fur die Musik der Xhosa charakteristisch Literatur BearbeitenDave Dargie The Xhosa Umrhubhe Mouthbow An Extraordinary Musical Instrument In African Music Journal of the International Library of African Music Bd 9 Nr 1 2011 S 33 55 Percival R Kirby The Musical Instruments of the Native Races of South Africa 1934 2 Auflage Witwatersrand University Press Johannesburg 1965 David K Rycroft Friction Chordophones in South Eastern Africa In The Galpin Society Journal Bd 19 April 1966 S 84 100 David K Rycroft Umrhubhe In Laurence Libin Hrsg The Grove Dictionary of Musical Instruments Bd 5 Oxford University Press Oxford New York 2014 S 141Weblinks BearbeitenMadosini Motokali Youtube Video Madosini spielt umrhubhe Einzelnachweise Bearbeiten Biography of a Colonial Music Archive The Percival Kirby Collection The Archival Platform 27 Oktober 2010 Percival R Kirby 1965 S 239 David K Rycroft 1966 S 87 Dave Dargie 2011 S 39 Dawn Joseph Alvin Petersen Recognizing and Celebrating Xhosa Traditional Music in South Africa In ANZARME Proceedings of the XXXth Annual Conference innovation and tradition music education research 3 5 October 2008 Australian and New Zealand Association for Research in Music Education Melbourne 2008 S 160 170 hier S 168 Percival R Kirby 1965 Tafel 68 B Percival R Kirby 1965 S 239 Percival R Kirby 1965 Tafel 69 Percival R Kirby 1965 S 240 Dave Dargie 2011 S 40 Ulrich Wegner Afrikanische Saiteninstrumente Band 2 Neue Folge 41 Abteilung Musikethnologie V Museum fur Volkerkunde Berlin 1984 S 26 David K Rycroft 1966 S 93 David K Rycroft 1966 S 86f Dave Dargie 2011 S 40 David K Rycroft 1966 S 88 Dave Dargie 2011 S 36 Dave Dargie 2011 S 45f Dave Dargie 2011 S 42 Vgl Dave Dargie Some recent developments in Xhosa music activities of the Ngqoko Traditional Xhoa Music Ensemble and at the University of Fort Hare Paper for ICTM Wien 2007 David Dargie Umngqokolo Xhosa Overtone Singing and the Song Nondel ekhaya In Journal of International Library of African Music Bd 7 Nr 1 1991 S 33 47 hier S 40 Dave Dargie 2011 S 46f 51 Dave Dargie 2011 S 39 Dave Dargie 2011 S 36f David K Rycroft 1966 S 99 Fussnote 12 Dave Dargie Ruwenge Researching a Kavango Jew s Harp South Africa tranquanghaidanmoivn Vgl David Dargie Umakhweyane A Musical Bow and ist Contribution to Zulu Music In African Music Journal of the International Library of African Music Bd 8 Nr 1 2007 S 60 81 Percival R Kirby 1965 S 242 Jonathan Ncozana Learning to Play a Musical Bow in Mkhonjana Village Nothembile and her Granddaughter In The Talking Drum Nr 35 Juli 2011 S 8fNormdaten Sachbegriff GND 7853873 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Umrhubhe amp oldid 206410858