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Tetranitromethan TNM C NO2 4 ist ein Nitroderivat des Methans und damit ein Nitroalkan Die Verbindung ist der vierfachsubstituierte Vertreter der Reihe der Nitromethane mit Nitromethan Dinitromethan Trinitromethan und Tetranitromethan StrukturformelAllgemeinesName TetranitromethanAndere Namen Tetranitrokohlenstoff TNMSummenformel CN4O8Kurzbeschreibung farblose scharf riechende Flussigkeit 1 Externe Identifikatoren DatenbankenCAS Nummer 509 14 8EG Nummer 208 094 7ECHA InfoCard 100 007 359PubChem 10509Wikidata Q412241EigenschaftenMolare Masse 196 03 g mol 1Aggregatzustand flussig 1 Dichte 1 6229 g cm 3 2 Schmelzpunkt 14 C 2 3 Siedepunkt 126 C 2 Dampfdruck 11 2 hPa 20 C 2 20 hPa 30 C 2 57 hPa 50 C 2 Loslichkeit praktisch unloslich in Wasser 4 2 loslich in Ethanol und Diethylether 4 heftige Reaktion mit Basen mogliche Bildung explosiver Mischungen Explosionsgefahr mit Benzol Kohlenwasserstoffen Nitrotoluolen Toluol Anilin Pyridin Dinitrobenzol und Nitrobenzol 1 Brechungsindex 1 4384 1 SicherheitshinweiseGHS Gefahrstoffkennzeichnung 2 GefahrH und P Satze H 271 301 315 319 330 335 351P 201 210 301 310 330 302 352 304 340 310 305 351 338 2 MAK keine Einstufung da im Tierversuch krebserzeugend 2 Schweiz 1 ml m 3 bzw 8 mg m 3 5 Thermodynamische EigenschaftenDHf0 38 4 kJ mol 6 Soweit moglich und gebrauchlich werden SI Einheiten verwendet Wenn nicht anders vermerkt gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen Brechungsindex Na D Linie 20 C Inhaltsverzeichnis 1 Gewinnung und Darstellung 2 Eigenschaften 2 1 Physikalische Eigenschaften 2 2 Explosionskenngrossen 2 3 Toxizitat 3 Struktur 4 Verwendung und Handhabung 5 EinzelnachweiseGewinnung und Darstellung BearbeitenTetranitromethan kann in guter Ausbeute durch Nitrierung von Essigsaureanhydrid oder Isopropanol hergestellt werden 7 Bei einer neueren Methode erhalt man die Verbindung durch Einleiten von Keten in 100 ige Salpetersaure 4 Die Synthesen erfordern eine exakte Einhaltung der Reaktionsbedingungen und sind nicht ungefahrlich Eine Destillation der Verbindung sollte vermieden werden 8 Eigenschaften BearbeitenPhysikalische Eigenschaften Bearbeiten Tetranitromethan ist eine farblose bis gelbliche stechend riechende extrem stark brandfordernde Flussigkeit Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend log10 P A B T C P in bar T in K mit A 4 54919 B 1582 071 und C 49 74 im Temperaturbereich von 313 K bis 373 K 9 bzw A 1 75688 B 498 772 und C 158 538 im Temperaturbereich von 273 K bis 313 K 10 Die molare Verdampfungsenthalpie betragt 43 1 kJ mol 1 9 Explosionskenngrossen Bearbeiten Wichtige Explosionskennzahlen sind Explosionswarme 2193 kJ kg 1 H2O g 4 Detonationsgeschwindigkeit 6360 m s 1 bei der Dichte von 1 65 g cm 3 4 Normalgasvolumen 686 l kg 1 4 Spezifische Energie 675 kJ kg 1 4 Verpuffungspunkt 140 C 4 Schlagempfindlichkeit 19 N m 4 Die Verbindung allein ist nur wenig explosiv Mit Kohlenwasserstoffen werden aber Gemische mit sehr hoher Brisanz gebildet 4 Gemische mit Treibmitteln sind ausserst schlag und reibempfindlich 4 Mittels DSC wurde ab 130 C eine stark exotherme Zersetzungsreaktion mit einer Zersetzungswarme von 443 kJ mol 1 bzw 2260 kJ kg 1 gemessen 11 Toxizitat Bearbeiten Die Dampfe greifen die Atemwege stark an was bei der hohen Fluchtigkeit der Verbindung beachtet werden muss Der Stoff hat im Tierversuch krebserregende Wirkung gezeigt da die DNA von diesem Stoff nitriert wird Tetranitromethan ist nach Anhang II Nr 6 der deutschen Gefahrstoffverordnung GefStoffV als besonders gefahrlicher krebserzeugender Stoff eingestuft und darf nur in geschlossenen Anlagen hergestellt oder verwendet werden 12 Struktur Bearbeiten nbsp Abbildung 1 Fehlgeordnetes Erscheinungsbild von TNM Molekulen im kristallinen ZustandTetranitromethan ist ein Paradebeispiel fur molekulare Flexibilitat 13 Es brachte strukturelle Methoden an die Grenzen ihrer Anwendbarkeit wie die Tatsache zeigt dass uber einen Zeitraum von mehr als 70 Jahren in verschiedenen Phasen versucht wurde die Struktur von TNM zu bestimmen nbsp Abbildung 2 Aufgeloste Fehlord nung der Hochtemperaturphase von TetranitromethanFruhe Untersuchungen mittels Gaselektronenbeugung konnten das beobachtete Beugungsmuster nicht vollstandig beschreiben und erst die Anwendung eines vierdimensionalen Modells uber die korrelierte Bewegung der vier NO2 Gruppen um die C N Bindungen konnte die experimentellen Beobachtungen vollstandig beschreiben Das Problem tritt auf weil die zweifache lokale Symmetrie der C NO2 Einheiten gegenuber der dreifachen Symmetrie der C NO2 3 Einheit sowie die enge Nachbarschaft der NO2 Gruppen die ihre freie Rotation behindert die Ursache fur eine sehr komplizierte gegenseitig behinderte Bewegung der NO2 Gruppen ist Auch an der Kristallstruktur wurde bereits mehrfach gearbeitet Eine erste anstandige Losung des Problems erforderte ein Modell das eine stark fehlgeordnete kristalline Hochtemperaturphase gt 174 4 K beschreibt wie sie in Abbildung 1 dargestellt ist Die Reduktion der Symmetrie und die Analyse der Verzwillingung der Kristalle fuhrte schliesslich zu einer aufgelosten Fehlordnung der in Abbildung 2 dargestellten Struktur Die Struktur der geordneten Tieftemperaturphase enthalt drei unabhangige Molekule in der asymmetrischen Einheit Die Strukturparameter der gasformigen und festen Phase sind in der folgenden Tabelle zum Vergleich aufgefuhrt Verwendung und Handhabung BearbeitenEine in der Chemie wichtige Verwendung beruht auf der Fahigkeit des Tetranitromethans olefinische Doppelbindungen anzuzeigen Wie bei der Strukturformel zu erkennen ist befindet sich das Kohlenstoffatom in einem Elektronenmangelzentrum das mit Doppelbindungen Charge Transfer Komplexe bildet die an einer starken Gelbfarbung zu erkennen sind Diese Tatsache wird in der Analyse als Indikator fur Doppelbindungen verwendet Tetranitromethan kann als Bestandteil von flussigen Sprengstoffen mit grosser Brisanz als Oxidationsmittel benutzt werden Es bildet mit allen brennbaren Stoffen hochexplosive Gemische Bei Experimenten mit diesem Stoff darf zum Filtrieren kein Papier verwendet werden Schon geringe Verunreinigungen machen aus Tetranitromethan einen Explosivstoff der bei Schlag oder Reibung explodiert Bekannt ist ein tragischer Vorlesungsversuch an der Universitat Munster im Jahre 1920 wo eine kleine Stahlrohre in der sich Tetranitromethan Toluol und Watte befanden kurz vor dem Ausbrennen so detonierte dass uber 30 Studenten teils schwer verletzt wurden 14 Aufgrund der Rektoratsakten sind jedoch sogar zehn Tote und mehr als ein Dutzend Verletzte belegt 15 Daraufhin ermittelte die chemisch technische Reichsanstalt eine Detonationsgeschwindigkeit von 9300 Metern pro Sekunde Alfred Stettbacher wies dann vergleichend nach dass diese Mischung weitaus brisanter als Hexogen Pentrit Sprenggelatine oder Panclastit war und so den zerstorungsgewaltigsten Sprengstoff uberhaupt darstellt In der organischen Synthesechemie kann es als Nitrierungsmittel verwendet werden insbesondere unter basischen Reaktionsbedingungen Dabei wird allerdings nur eine Nitrogruppe zur Nitrierung genutzt das mesomeriestabilisierte Trinitromethidion Trinitromethan Trivialname Nitroform wirkt nicht mehr nitrierend Einzelnachweise Bearbeiten a b c d Eintrag zu Tetranitromethan In Rompp Online Georg Thieme Verlag abgerufen am 22 November 2016 a b c d e f g h i j Eintrag zu Tetranitromethan in der GESTIS Stoffdatenbank des IFA abgerufen am 3 Januar 2023 JavaScript erforderlich J Timmermans M Hennaut Roland Work of the International Bureau of Physical Chemical Standards IX The Physical Constants of Twenty Organic Compounds In J Chim Phys Phys Chim Biol 52 1955 S 223 a b c d e f g h i j k J Kohler R Meyer A Homburg Explosivstoffe zehnte vollstandig uberarbeitete Auflage Wiley VCH Weinheim 2008 ISBN 978 3 527 32009 7 Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Suva Grenzwerte Aktuelle MAK und BAT Werte Suche nach 509 14 8 bzw Tetranitromethan abgerufen am 2 November 2015 David R Lide Hrsg CRC Handbook of Chemistry and Physics 90 Auflage Internet Version 2010 CRC Press Taylor and Francis Boca Raton FL Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances S 5 20 Poe Liang Tetranitromethane In Organic Syntheses 21 1941 S 105 doi 10 15227 orgsyn 021 0105 Coll Vol 3 1955 S 803 PDF P G Urben M J Pitt Bretherick s Handbook of Reactive Chemical Hazards 8 Edition Vol 1 Butterworth Heinemann 2017 ISBN 978 0 08 100971 0 S 139 a b G Edwards The Vapour Pressure of Tetranitromethane In Trans Faraday Soc 48 1952 S 513 515 doi 10 1039 TF9524800513 A J C Nicholson Some Physical Properties of Tetranitromethane In J Chem Soc 1949 S 1553 1555 doi 10 1039 JR9490001553 T Grewer Thermal Hazards of Chemical Reactions Industrial Safety Series Vol 4 Elsevier Amsterdam 1994 ISBN 0 444 89722 4 S 388 Gefahrstoffverordnung GefStoffV Memento vom 25 Dezember 2010 im Internet Archive vom 26 November 2010 Yury V Vishnevskiy Denis S Tikhonov Jan Schwabedissen Hans Georg Stammler Richard Moll Tetranitromethane A Nightmare of Molecular Flexibility in the Gaseous and Solid States In Angewandte Chemie International Edition Band 56 Nr 32 1 August 2017 S 9619 9623 doi 10 1002 anie 201704396 Royal Society of Chemistry Explosion Accident at the Chemical Institute University of Munster i W and Its Cause In J Chem Soc Abstr 1920 118 ii457 ii483 doi 10 1039 CA9201805457 Universitatsarchiv Munster NU E I 9 spec Explosionsungluck im Chemischen Institut am 27 Mai 1920 Rust A Ebert K Egli Unfalle beim chemischen Arbeiten Rascher 1948 S 23 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tetranitromethan amp oldid 238476353