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Unter Taktik im Schachspiel werden alle Uberlegungen verstanden die sich um die konkrete Berechnung von Zugen und Zugfolgen drehen welche sich aus einer bestimmten Stellung ergeben Sie unterscheidet sich von der Strategie die eher langfristige Uberlegungen wie Stellungsbewertung oder Fassung eines Plans einschliesst Taktik mundet oft in Materialgewinn Schachmatt oder Patt Sie ist ausserdem zu unterscheiden von der Variantenberechnung die ein Teil der Taktik sein kann aber auch in der Strategie oder im positionellen Spiel auftritt Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Motive 3 Kombinationen 4 Literatur 5 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenSpieltheoretisch gesehen ist Schach ein Strategiespiel mit perfekter Information Das bedeutet dass ein Spieler prinzipiell alle Zugmoglichkeiten kennt die ihm und seinem Gegner zur Verfugung stehen Er kann also vorausberechnen welche Positionen sich ergeben konnen Jeder Halbzug eines Spielers verandert dabei die Position so dass sich aus jeder neuen Position wieder andere Moglichkeiten ergeben Dies kann grafisch durch einen Variantenbaum dargestellt werden Aus Grunden der Kombinatorik ergeben sich schon nach wenigen Spielzugen unuberschaubar viele mogliche Positionen Wahrend Schachcomputer oder Computerschach Programme bis zu einer gewissen Tiefe alle diese Positionen berechnen und bewerten konnen reduzieren menschliche Spieler den Berechnungsaufwand bewusst oder unbewusst durch verschiedene Techniken Viele der moglichen Zuge sind von vorneherein unsinnig Indem sich ein Spieler nur auf die Zugkandidaten konzentriert die potentiell sinnvoll sind wird der Variantenbaum erheblich schlanker Ausserdem konnen erfahrene Spieler bestimmte Muster in Stellungen wiedererkennen aus denen sie taktische Moglichkeiten ablesen ohne alle Figuren und alle moglichen Zuge beurteilen zu mussen Diese beiden Fahigkeiten die Auswahl der richtigen Zugkandidaten und die als Chunking bezeichnete Mustererkennung erklaren warum Meisterspieler auch bei extrem kurzen Bedenkzeiten auf erstaunlich hohem Niveau spielen konnen obwohl sie erwiesenermassen kaum mehr Berechnungen anstellen als ein Hobbyspieler a b c d e f g h 8 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 87 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 76 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 65 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 54 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 43 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 32 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 21 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 1 a b c d e f g h Damianos Verteidigung nach 4 Dh5 Als Beispiel fur die Variantenberechnung soll die Diagrammstellung dienen die nach Damianos Verteidigung aus 1 e4 e5 2 Sf3 f6 3 Sxe5 fxe5 4 Dh5 hervorgegangen ist Die Partie konnte wie folgt weitergehen 1 4 5 6 7 8 9 1 e4 e5 2 Sf3 f6 3 Sxe5 fxe5 4 Dh5 4 g6 5 Dxe5 5 Kf7 6 Dxh8 Schwarz hat Material verloren 5 Le7 6 Dxh8 Schwarz hat Material verloren 5 Se7 6 Dxh8 Schwarz hat Material verloren 5 De7 6 Dxh8 6 Dxe4 7 Kd1 Schwarz hat Material verloren 7 Le2 7 Dxg2 8 Tf1 8 Dxh26 Sf6 Schwarz hat Material verloren aber die weisse Dame ist in Gefahr 4 Ke7 5 Dxe5 5 Kf7 6 Lc4 6 d5 7 Lxd5 7 Kg6 8 Df5 8 Kh6 9 d4 9 g58 h4 8 h5 9 Lxb78 h6 9 Lxb76 Kg6 7 Df5 7 Kh6 8 d4 8 g5 9 h4 9 Kh59 Le7Zuge die zwar regelkonform aber offensichtlich unsinnig sind wurden hier aus Grunden der Ubersichtlichkeit weggelassen Als Weiss im dritten Zug der Partie seinen Springer opferte musste er sich vergewissern dass alle hier aufgelisteten Varianten vorteilhaft fur ihn sind Zudem hatte Schwarz mit 3 De7 das Springeropfer auch ablehnen konnen wodurch sich noch mehr Varianten ergeben hatten In komplizierteren Stellungen und ohne erzwungene Zuge verzweigt sich der Variantenbaum noch deutlich mehr Eine exakte Zug fur Zug Berechnung ist dem menschlichen Geist nur fur wenige direkt aufeinander folgende Zuge moglich Bei langerfristigen Uberlegungen muss sich ein Schachspieler folglich auf seine Erfahrung sein Gefuhl und seine strategischen Fahigkeiten verlassen Motive BearbeitenIn jeder Partie werden einige elementare Werkzeuge sogenannte Motive eingesetzt um taktische Ziele zu erreichen Sechs bekannte taktische Motive sind hier kurz zusammengestellt Es ist jeweils Weiss der ein taktisches Motiv zu seinen Gunsten einsetzt Fesselung a b c d e f g h 8 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 87 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 76 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 65 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 54 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 43 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 32 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 21 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 1 a b c d e f g h Der weisse Laufer fesselt den schwarzen Turm Das bedeutet dass der Turm nicht ziehen kann weil er sonst den eigenen Konig ins Schach stellen wurde sobald er die markierte Diagonale offnet Weiss kann den Turm im nachsten Zug schlagen Gabel a b c d e f g h 8 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 87 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 76 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 65 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 54 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 43 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 32 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 21 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 1 a b c d e f g h Der weisse Springer greift gleichzeitig zwei schwarze Figuren an Konig und Turm Da nur eine der beiden Figuren wegziehen kann und zwar der Konig verliert Schwarz die andere Figur im nachsten Zug Spiess a b c d e f g h 8 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 87 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 76 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 65 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 54 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 43 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 32 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 21 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 1 a b c d e f g h Der schwarze Konig steht zwischen der eigenen Dame und dem gegnerischen Turm Wegen des Schachgebots durch den Turm muss er wegziehen und die Dame wird im nachsten Zug geschlagen Abzugsschach a b c d e f g h 8 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 87 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 76 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 65 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 54 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 43 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 32 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 21 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 1 a b c d e f g h Wenn der Springer auf eines der beiden markierten Felder zieht greift er die Dame an und offnet gleichzeitig die Turmlinie mit Schach Schwarz muss das Schach abwehren und verliert deshalb die Dame Uberlastung a b c d e f g h 8 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 87 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 76 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 65 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 54 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 43 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 32 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 21 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 1 a b c d e f g h Der schwarze Laufer ist uberlastet denn er kann nicht gleichzeitig den Turm und den Bauern decken Wenn Weiss den Turm schlagt wird der Laufer sinnvollerweise zuruckschlagen und den Bauern schutzlos lassen Dieser wird anschliessend vom Springer geschlagen Hinlenkung a b c d e f g h 8 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 87 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 76 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 65 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 54 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 43 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 32 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 21 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 1 a b c d e f g h Stunde der schwarze Turm nicht auf f8 sondern auf g8 konnte der weisse Springer auf f7 ein ersticktes Matt geben Weiss opfert daher seine Dame um den Turm auf das Feld g8 hinzulenken 1 Dg8 Txg8 2 Sf7 Weitere MotiveAbtausch Das gegenseitige Schlagen gleichwertiger Figuren Ablenkung Ahnlich wie die Hinlenkung jedoch mit dem Ziel eine storende Figur zu verscheuchen Batterie Verdopplung von zwei Figuren entlang ihrer gemeinsamen Wirklinie Domination Figurenfang Grundreihenmatt Der Turm setzt den gegnerischen Konig matt der auf der Grundreihe hinter seinen eigenen Bauern gefangen ist Doppelangriff Gleichzeitiger Angriff auf zwei Ziele Offnung von Linien Reihen oder Diagonalen und Freilegung von Raum Opfer Freiwilliger Verlust von Material um einen anderen Vorteil zu erlangen Raumung Freimachen von Feldern um sie mit anderen Figuren zu besetzen Rontgenangriff Zusammenspiel von zwei Figuren durch eine dazwischenstehende gegnerische Figur hindurch Unterverwandlung Umwandlung eines Bauern in einen Springer Laufer oder Turm Verfolgung Mehrmaliger Angriff auf eine Figur durch einen gegnerischen Stein dem sie nicht entrinnen kann Vernichtung der Verteidigung Schlagen einer Verteidigungsfigur um ihre Wirkung aufzuheben Zugzwang Die Pflicht einen unter Umstanden nachteiligen Zug auszufuhren weil man nicht mit Ziehen aussetzen darf Zwickmuhle Mehrfache Wiederholung des Abzugsschachs Zwischenzug Ein Zug oft ein Schachgebot der den Gegner zu einer unmittelbaren Reaktion zwingt und dadurch dessen geplante Zugfolge durchkreuzt Kombinationen BearbeitenZugfolgen die mit einem fur den Gegner uberraschenden Zug beginnen oft mit einem Opfer und nach verhaltnismassig wenigen zusammengehorenden Zugen einen verwertbaren Erfolg im Gewinn oder Remissinne erzielen werden als Kombinationen bezeichnet Sie verwenden oft mehrere der oben angefuhrten taktischen Motive und schranken den Gegner durch Drohungen Schachgebote etc so weit ein dass er wenig Spielraum hat Kombinationen sind das Herzstuck der Schachtaktik Daher werden Positionen in denen Kombinationen mehr oder weniger in der Luft liegen als taktisch bezeichnet wahrend Stellungen die eher langfristiges Planen erfordern strategisch genannt werden Diese Bezeichnungen wurden auch auf Schachspieler ubertragen Meister die fur ihre geistreichen Kombinationen bekannt sind oder waren werden als Taktiker bezeichnet Beruhmte Taktiker der Schachgeschichte waren z B Paul Morphy Alexander Aljechin Michail Tal Bobby Fischer oder Garri Kasparow Tal Lutikow Tallinn 1964 a b c d e f g h 8 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 87 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 76 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 65 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 54 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 43 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 32 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 21 nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp nbsp 1 a b c d e f g h Stellung nach 13 De7 Eine besonders schone Kombination in der gleich mehrere taktische Motive zum Einsatz kommen zeigt das Partiebeispiel Tal Lutikow siehe Diagramm 1 Schwarz hat soeben einen Damentausch angeboten Statt darauf einzugehen zieht Weiss 14 Sxd5 Dxa3 Weiss nimmt auch jetzt nicht zuruck sondern macht einen Zwischenzug 15 Sc7 Mit dieser Gabel greift Weiss gleichzeitig den Konig und den schwarzen Turm auf a8 an 15 Ke7 16 The1 Erneut verzichtet Weiss darauf die Dame auf a3 zu schlagen und das materielle Gleichgewicht wiederherzustellen Es handelt sich also um ein Opfer Ausserdem wird der schwarze Laufer durch den Turm gefesselt 16 Dc5 17 Txe6 Kf8 18 Txf6 ein Raumungsopfer mit dem Weiss ein Feld fur seinen Springer frei gibt das nach 18 gxf6 die Gabel 19 Se6 ermoglicht Auch nach 18 Ke7 wurde wegen des Abzugsschachs Te5 die Dame einstehen Nach Ende der Kombination hat Weiss das materielle Gleichgewicht wiederhergestellt obwohl er zwischenzeitlich eine Dame und eine Qualitat geopfert hatte Im Folgenden gelang es Tal den positionellen Vorteil z B durch die unsichere Konigsstellung von Schwarz zu nutzen Am Ende wurde die Partie jedoch durch einen unschonen Fehler von Schwarz zugunsten von Tal entschieden Literatur BearbeitenZu dem Bereich Schachtaktik gibt es umfangreiche Literatur daher kann hier nur eine kleine Auswahl grundlegender Titel genannt werden Juri Awerbach Schachtaktik fur Fortgeschrittene Sportverlag Berlin 1979 Karl Colditz Lehr Ubungs und Testbuch der Schachkombinationen 14 Auflage Edition Olms 2016 ISBN 978 3 283 01027 0 Volkhard Igney Erfolgreich kombinieren Schachtaktik und Schachkombinationen 4 Auflage Edition Olms 2009 ISBN 978 3 283 00384 5 Alexander Kotow Lehrbuch der Schachtaktik 2 Bande Sportverlag Berlin 1972 John Nunn Einfuhrung in die Schachtaktik Gambit Publications London 2004 ISBN 1 904600 11 5 Kurt Richter Kombinationen Ein Lehrbuch der Mittelspiel Taktik 10 Auflage Joachim Beyer Verlag Eltmann 2012 ISBN 978 3 940417 33 6 Erstauflage 1936 Martin Weteschnik Lehrbuch der Schachtaktik Quality Chess Goteborg 2006 ISBN 91 976005 4 7 Einzelnachweise Bearbeiten Die ganze Partie zum Nachspielen unter chessgames com abgerufen am 21 Januar 2019 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Taktik Schach amp oldid 234494474