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Als St Galler Stickerei bezeichnet man Stickerei Erzeugnisse aus Stadt und Region St Gallen Diese Region war einst eines der weltweit wichtigsten und grossten Herstellungs und Exportgebiete von Stickereiprodukten Um 1910 war die Stickereiproduktion mit 18 Prozent der grosste Exportzweig der Schweizer Wirtschaft 1 und uber 50 Prozent der Weltproduktion kam aus St Gallen Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges fiel die Nachfrage nach dem Luxusgut sprunghaft zuruck Dadurch wurden sehr viele Beschaftigte arbeitslos was zur grossten Wirtschaftskrise der Region fuhrte Heute hat sich die Stickereiindustrie wieder einigermassen erholt die ehemalige Grosse hat sie jedoch nie mehr erreicht Dennoch gelten die St Galler Spitzen noch immer als beliebtes Ausgangsmaterial fur teure Kreationen der Pariser Haute Couture Handel und Industrie in St Gallen von Emil Rittmeyer Ol auf Leinwand 1881 Das Bild zeigt den Stickereiwelthandel am Ende des 19 Jahrhunderts Links an der Saule stehen die Designer der Stickmuster daneben Fabrikkamine und eine Lokomotive Der Telegraphenbauer in der Mitte weist auf die alteste Schweizer Telegraphenleitung von St Gallen nach Zurich hin 1852 Auf der rechten Seite wird den Vertretern aller Erdteile vom Exporteur die Stickerei prasentiert Die Argentinierin Dolores van der Horst in ihrer Hochzeitsrobe 1898Ausschnitt aus einer fur die Weltausstellung 1876 in Philadelphia geschaffenen Store zum Motiv der 100 Jahr Feier der amerikanischen Verfassung Lowen mit Wappenkartuschen der Schweiz und der Vereinigten Staaten Kettenstich mit Baumwollapplikation auf Maschinentull Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Anfange 1 2 Erste Stickmaschinen 1 3 Rascher Aufstieg 1 4 Weitere Entwicklungen 1 4 1 Erste Krise 1 4 2 Erneute technische Entwicklung 1 5 Die grosse Krise und der Wiederaufstieg 1 5 1 Zweite Krise 1 5 2 Nachkriegszeit 2 Arbeitsverhaltnisse 2 1 Heimarbeit 3 Lohne und Arbeitszeiten 3 1 Gesundheitliche Gefahren 3 2 Aufklarung in Hygiene 4 Die Stickerei heute 4 1 Auswirkungen auf die Stadt St Gallen 5 Siehe auch 6 Quellen 7 Einzelnachweise 8 WeblinksGeschichte BearbeitenAnfange Bearbeiten Siehe auch Zur Vorgeschichte siehe den Artikel Textilindustrie in der Ostschweiz Erste Zahlen sprechen davon dass es in der St Galler Stickereiindustrie bereits Ende des 18 Jahrhunderts bis zu 100 000 Beschaftigte gab lange vor der Erfindung der Handstickmaschine Diese Zahl durfte etwas ubertrieben sein dennoch ist sie ein Anzeichen fur die Bedeutung der Stickerei in der Ostschweiz Der Bedeutungszuwachs der Stickerei ging einher mit dem Niedergang der Leinwandindustrie insbesondere in der Stadt St Gallen selbst Die Leinwandindustrie wurde nachhaltig geschwacht durch die von Peter Bion eingefuhrte Baumwollindustrie und die auslandische Konkurrenz Wer in der Baumwollindustrie kein Auskommen mehr fand wich auf die Stickerei aus Spatestens wahrend der Kontinentalsperre um 1810 geriet dann auch die Baumwollindustrie stark ins Hintertreffen Die General Societat der englischen Baumwollspinnerei in St Gallen die 1801 als erste Aktiengesellschaft der Schweiz gegrundet wurde musste bereits 1817 wegen Geldmangels wieder schliessen Erste Stickmaschinen Bearbeiten nbsp Eine Handstickmaschine etwa ums Jahr 1870Die grosse Blute der Stickereiindustrie begann im Jahr 1828 mit der Erfindung der Handstickmaschine durch Josua Heilmann von Mulhausen Bereits ein Jahr spater erwarb Franz Mange 1776 1846 zwei solcher Maschinen von Heilmann unter der Bedingung dass dieser keine weiteren Maschinen in die Schweiz oder deren naheren Umgebung verkaufen durfe ohne Einverstandnis Manges Allerdings erlaubte Mange der Maschinen Werkstatte und Eisengiesserey die Michael Weniger kurz zuvor in St Georgen eroffnet hatte die Herstellung solcher Maschinen Er selbst hatte an der Verbesserung der Konstruktion mitgearbeitet und bereits mehrere Maschinen ins Ausland exportiert allerdings ohne nachhaltigen Erfolg fur die dortige Industrie besonders auch da die Maschinen noch nicht ausgereift und dadurch nicht markttauglich waren 1839 ging Manges Geschaft an seinen Schwiegersohn Bartholome Rittmeyer 1786 1848 uber kurz danach an dessen Sohn Franz Rittmeyer 1819 1892 Zusammen mit seinem Mechaniker und dank der Unterstutzung durch Anton Saurer schaffte dieser es die Maschinen so weit zu verbessern dass die Qualitat der maschinell produzierten Stickereien nun annahernd derjenigen von Handstickereien entsprach Die verbesserten Handstickmaschinen wurden ab 1852 in Serie hergestellt unter anderem auch in der Maschinen Werkstatte und Eisengiesserey Bis 1875 wurden uber 1500 Stuck produziert Diese Maschinen von damals hatten den Nachteil dass mit ihnen nur bandahnliche Stickereien hergestellt werden konnten Die gleichzeitige Erfindung der Nahmaschine bot hier jedoch Abhilfe da nun auch kleinere Stickereien in grossem Stil auf Tucher aufgenaht werden konnten Ein Hamburger Kaufmann nannte diese neue Methode Hamburghs um die Konkurrenz bezuglich der Herkunft des Artikels zu tauschen Rittmeyer musste seine Fabrikanlagen mehrmals verlegen und erweitern da die vorhandenen Kapazitaten die dauernd steigende Nachfrage nicht mehr befriedigen konnten Allein in der 1856 fertiggestellten Stickfabrik in Bruggen spater ins Sittertal verlagert arbeiteten zeitweise 120 Maschinen Rascher Aufstieg Bearbeiten nbsp Sehr feines Blumensujet nbsp Mittelfeines rundes Sujet nbsp Runde Feinststickerei O 58 mm nbsp Extrem feine Unterlage nbsp Kreisformige Unterlage nbsp Pflanzenarrangement mit Schleife nbsp Schweizer 500 Franken Note der Serie von 1911 nach einem Entwurf von Eugene Burnand Dem grossen volkswirtschaftlichen Gewicht der St Galler Stickerei entsprach ihre Wahl als Motiv fur die Banknote mit dem zweithochsten Nennwert Der kometenhafte Aufstieg der St Galler Stickerei lasst sich nur als gluckliches Zusammentreffen wirtschaftlicher politischer und technischer Gegebenheiten in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts erklaren Im politischen Umfeld waren diese das Ende des Amerikanischen Burgerkriegs und die einsetzende Freihandelspolitik im wirtschaftlichen Umfeld unter anderem die am franzosischen Hof sehr beliebte Mode des zweiten Rokoko und im technischen Umfeld die Weiterentwicklung der Maschinen In den Jahren nach 1860 nahm der Bedarf an Stickereiprodukten so stark zu dass Stickereien wie Pilze aus dem Boden schossen Viele Bauern Handwerker und vormalige Weber liessen sich gegen Anzahlung eine Stickmaschine in ihrem Haus installieren So wurde die Stickerei bald grosstenteils zur Heimarbeit als wichtiger Nebenverdienst der Bauern und Handwerker Dies vorwiegend im Winter wie dies teilweise schon zuvor in der Leinwand bzw Spinnereizeit ublich war Sowohl fur die Heimarbeit Sticker selbst als auch fur die Unternehmer bot das Heimarbeitsmodell bestimmte Vorteile Fur erstere war es besonders der schlechte Ruf der Fabrik und die Abhangigkeit von einem einzigen Arbeitgeber die sie zu dieser Geschaftsform bewegte fur letztere die Moglichkeit Kapazitaten sehr kurzfristig in Anspruch nehmen zu konnen und bei Auftragsruckgangen das ganze Risiko auf den Stickern ruhen zu lassen Die Sticker schatzten auch die Freiheit in der Einteilung ihrer Arbeitszeit sowie die unbeschrankte Ausnutzung der Kinderarbeitskraft besonders seit der Einfuhrung des eidgenossischen Fabrikenarbeitsgesetzes von 1877 das Jugendlichen unter 14 Jahren die Arbeit in Fabriken verbot Von der rasanten Entwicklung der Heimstickerei profitierten besonders auch die Kaufleute die die Rohstoffe importierten diese an die Sticker verteilten und die Fertigprodukte wieder in alle Welt verkauften In der Zeit von 1872 bis 1890 nahm die Zahl der in den Kantonen St Gallen Appenzell Ausserrhoden und Thurgau installierten Stickereimaschinen von 6 384 auf 19 389 zu gleichzeitig aber nahm der Anteil der in Fabriken installierten Maschinen von 93 auf 53 ab Der Wert der nach Nordamerika exportierten Waren nahm von 1867 bis 1880 von 3 1 auf uber 21 Millionen CHF zu Vertreter von Handelshausern aus Ubersee besuchten regelmassig St Gallen um die Stickerei Muster auszuwahlen und neue Bestellungen aufzugeben In St Gallen entstanden ebenfalls Handelshauser die Stickereimuster Entwerfer in die wichtigsten Markte sandten und die produzierte Ware in alle Welt verkauften Die Speditionsfirma Danzas etwa inserierte grossflachig in Zeitungen und pries sich als Spezialagentur fur den Stickerei Veredlungs Verkehr in St Gallen mit Post und Schnelldampfern nach Nordamerika Ostindien China Japan Australien und verschiedene andere Orte an Die Kaufmannischen Corporation war massgeblich bemuht um die Verbesserung der Rahmenbedingungen fur den Exporthandel Sie baute ein Zollfreilager in St Gallen eroffnete eine Schule fur Mustergestalter und das heutige Textilmuseum Ebenfalls war sie engagiert um die sogenannte Stickereiborse eine Art Markt fur Fabrikanten Kaufleute Fergger Zwischenhandler Sticker und Veredler Weitere Entwicklungen Bearbeiten Einen weiteren Schub erhielt die Stickereiindustrie nach der Erfindung der Schifflistickmaschine durch den Oberuzwiler Isaak Grobli im Jahre 1863 In der Firma Benninger in Uzwil wurde zunachst eine Versuchs Schifflistickmaschine gebaut die Weiterentwicklung und die Serienproduktion erfolgte dann bei Rieter in Winterthur 1879 nahmen die Gebruder Ikle die ersten Schifflistickmaschinen in St Gallen in Betrieb Erste Krise Bearbeiten Einen vorubergehenden schweren Ruckschlag erlitt die St Galler Stickerei um 1885 infolge Uberproduktion in einer Zeit wirtschaftlicher Krisen Die Auftrage brachen plotzlich stark ein womit auch die Lohne stark fielen Erst um 1898 erholte sich die Stickerei wieder durch verschiedene interne Reformen Beschrankungen der maximalen Arbeitszeit Einfuhrung von Mindestlohnen und den Aufschwung der Weltwirtschaft Die Fabrikanten verfolgten wesentlich zwei verschiedene Interessen Diejenigen die sich auf den Export nach den Vereinigten Staaten konzentrierten liessen vorzugsweise Massenware fertigen Die alteingesessenen Exporthauser bevorzugten jedoch moglichst komplizierte und kostspielige Kreationen die sich an den Bedurfnissen der Pariser Haute Couture orientierten Erneute technische Entwicklung Bearbeiten Den letzten entscheidenden Schritt in der technischen Entwicklung der Stickerei machte 1898 die Erfindung des Schifflistickautomaten durch Arnold Grobli einem Sohn von Isaak Grobli Mit dieser Vorrichtung wird das Muster nicht mehr uber den Pantographen sondern uber Lochkarten vorgegeben Die ersten Automaten importierte man von der Vogtlandischen Maschinenfabrik aus der sachsischen Stadt Plauen bis Saurer in Arbon nach 1912 mit seiner Automaten Konstruktion den technischen Anschluss fand und so die schweizerischen und vorarlbergischen Markte beliefern konnte Die Schiffli und Handstickapparate starben trotz der nun deutlich erhohten Produktion der Automaten nicht ganz aus da sich die Vorbereitung der Stanzkarten mit den Mustern fur kleine Serien oft nicht lohnte Da die verschiedenen Stickereiprodukte teilweise ganz unterschiedlichen Anforderungen genugen mussten wurden selbst 1945 fur einige Bestellungen noch Handstickmaschinen verwendet oder der Auftrag ganzlich von Hand gestickt Die grosste Blute erlebte die St Galler Stickerei in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg etwa seit 1894 Die Stickereiexporte es wurden etwa 95 aller produzierten Stickereien exportiert erreichten sowohl mengen als auch wertmassig ihren Hohepunkt Vergleicht man den Wert der exportierten Stickereien 1912 219 Mio Fr mit dem anderer Exportguter wie Uhren 1911 187 Mio und Seide 1911 155 Mio zeigt sich auch die Bedeutung dieses Produktes fur die ganze Schweizer Wirtschaft 2 Durch diesen Markt wurde St Gallen zu einer der reichsten Stadte der Schweiz und entsprechend prunkvoll wurde in dieser Zeit gebaut Dies ist heute noch an den Erkern der Altstadt und an den reprasentativen Bauten der ehemaligen Stickereihandelshauser zu sehen die vorwiegend aus dieser Zeit stammen Die grosse Krise und der Wiederaufstieg Bearbeiten Entwicklung der Stickerei Exporte 1910 1940 3 Jahr Menge Tonnen Wert in 1000 Fr 1910 8917 1 204 0641911 9259 3 215 3901912 8940 7 218 8891913 8918 2 209 7431914 6719 5 157 6001915 7224 3 181 6641916 7371 3 230 2051917 5427 4 227 2701918 4352 0 276 0981919 5694 7 410 0361920 5335 7 391 8581921 2574 1 126 0941922 3494 3 143 2001923 3861 2 153 0111924 3587 7 156 6081925 3088 2 129 1301926 3232 1 119 2881927 3279 8 116 2831928 3173 4 109 7331929 2444 3 88 2341930 1735 0 65 1111931 1372 1 49 1731932 835 8 22 6331933 944 2 21 1201934 716 7 14 8511935 630 8 12 2521936 1020 6 15 8481937 1255 2 26 8821938 1178 6 25 4801939 1396 6 28 3721940 686 6 17 138Zweite Krise Bearbeiten Der Niedergang der Stickereiindustrie begann 1914 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges Die Nachfrage nach Luxusprodukten zu diesen zahlte die Stickerei immer brach schlagartig ein auch die Freihandelszonen existierten faktisch nicht mehr Teilweise traten neutrale Staaten vermehrt als Abnehmer auf das konnte die Absatzprobleme jedoch nur kurzfristig kompensieren Zusatzlich zum erschwerten Export kamen auch noch deutliche Preisanstiege beim zu importierenden Garn Um die Lohne einigermassen vor dem freien Fall zu bewahren wurden jetzt auch Hochstarbeitszeiten und Mindestlohne festgesetzt Faktisch waren diese Massnahmen aber eher kontraproduktiv nur wer bereit war fur weniger als den Mindestlohn zu arbeiten wurde angestellt 1917 noch mitten im Krieg brachte dieser Konflikt vorubergehend eine uberraschende Wende Die Entente verbot den Export von Baumwollprodukten nach Deutschland nicht aber den Export von Stickereien Die Exporteure von Textilstoffen reagierten indem sie jegliche Exporttextilien auf irgendeine Weise bestickten und somit als Stickerei verkauften Ein Jahr spater wurde auch der Verkauf von Stickereien nach Deutschland verboten was auch das Ende des kurzen Aufschwungs bedeutete Der letzte kleine Aufschwung erfolgte 1919 nach Ende des Krieges als der Wiederaufbau in den Kriegslandern die Nachfrage kurzfristig wieder steigen liess Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise traf dann das Ende der Blutezeit der St Galler Stickerei ein Als auffalligste Auswirkung der folgenden Krise wird oft die Bevolkerungsentwicklung der Stadt St Gallen zitiert 1910 1930 sank die Wohnbevolkerung durch Abwanderung als Folge der Arbeitslosigkeit von 75 482 auf 64 079 Zwar nahmen die Stickereiexporte nach dem Krieg kurzfristig wieder zu die Zeit der grossten Wirtschaftskrise fur die Stadt begann aber spatestens 1920 Zwischen 1920 und 1937 reduzierte sich die Zahl der Stickmaschinen von uber 13 000 auf unter 2 000 1929 subventionierte die Schweizer Regierung eine Abbauaktion von Schifflistickmaschinen Seit 1905 reduzierte sich die Zahl der Beschaftigten in der Stickereiindustrie um 65 1940 waren nur noch 850 Handstickmaschinen 350 Schifflistickmaschinen und 522 Stickautomaten funktionsfahig ausgelastet waren weit weniger Der Stickereiexport erreichte den absoluten Tiefpunkt 1935 mit 640 Tonnen Ware gegenuber 5 899 Tonnen im Jahr 1913 Bis 1937 stiegen die Stickerei Exportumsatze jedoch erstmals wieder uber 20 Millionen Schweizer Franken Der Grossteil der in der Gegend in und um St Gallen neu eroffneten 97 Industriebetriebe war in der Textilbranche tatig Nachkriegszeit Bearbeiten Die Krise der Textilindustrie traf die gesamte Ostschweiz schwer Alternative Industrien gab es kaum so blieben die Sticker und Stickerinnen arbeitslos Auf dem Arbeitsmarkt gab es erst im wirtschaftlichen Aufschwung der 50er und 60er Jahre etwas Entspannung als sich in der Ostschweiz langsam auch andere Industriezweige etablieren konnten Die Wiederbelebungsversuche der Stickereiindustrie zeigten dass durch die Entwicklung immer neuer Stickautomatenmodelle die Stickerei sehr kapitalintensiv und dadurch die Heimstickerei praktisch unmoglich wurde In den 1970er Jahren kosteten Stickautomaten um die 750 000 SFR wahrend eine Handstickmaschine um die Jahrhundertwende 1899 1900 noch fur ein paar Hundert Franken zu haben war Die Anzahl der in der Stickereiindustrie Beschaftigten nahm zunachst wieder langsam zu Waren 1941 in den Kantonen St Gallen Appenzell Innerrhoden Appenzell Ausserrhoden und Thurgau noch gesamthaft 4962 Menschen in der Stickerei beschaftigt waren es 1960 wieder 7204 Durch die zunehmende Automatisierung brach 1970 danach die Zahl der Beschaftigten wieder auf 5951 ein 4 Die besonders stark von der Stickerei abhangigen Gebiete Appenzell Ausserrhodens hatten sich auch gegen Ende des 20 Jahrhunderts noch nicht vollstandig erholt Arbeitsverhaltnisse BearbeitenHeimarbeit Bearbeiten War die Stickerei zur Zeit der Heim Handarbeit vorwiegend oder sogar praktisch ausschliesslich Frauenarbeit anderte sich das schlagartig mit der Einfuhrung der Stickmaschinen Die Arbeit an Maschinen war ausgesprochen Mannersache die Frau war jedoch nach wie vor als Gehilfin beschaftigt sie kummerte sich um den Austausch gebrochener Nadeln und das Einfadeln wenn der Faden auslief Wurden in der traditionellen Geschichtsschreibung die oben erwahnten Vorteile der Heimarbeit herausgehoben 1877 schrieb etwa Dr Wagner von der Schweizerischen Gemeinnutzigen Gesellschaft bezogen auf die Fabrikarbeit Das grosste Elend unserer Zeit ist die Auflosung der Familie so wird heute daruber kritischer geurteilt Erstens war die Entlohnung der Heimarbeiter teilweise sehr schlecht und zweitens mussten oft auch Kinder und Grosseltern an der Stickmaschine mitarbeiten um den Unterhalt fur die Familie aufzubringen Zwar bewohnte die Mehrheit der Heimarbeiter ein eigenes Haus mit guter Wohnqualitat aber dies galt oft nicht fur die Arbeitslokale da diese zuweilen in feuchten schlecht belufteten und ungenugend geheizten Raumen eingerichtet waren Besonders hervorgehoben wurde auch immer das Zusammenspiel zwischen der Textilindustrie und der Landwirtschaft Die Bauern so die Idealvorstellung wurden ihre freie Zeit produktiv einsetzen Abwechslung haben und konnten so ihr karges Einkommen aufbessern Unbestritten galt das tatsachlich fur einige Landwirtschaftsbetriebe Allerdings war der Konkurrenzkampf unter Stickern sehr hart und die Maschinen oft mit hohen Krediten belastet so dass dann fur die Landwirtschaft meistens kaum mehr Zeit blieb Die raue Arbeitsweise eines Landwirtes war fur die in der Stickerei notwendige Feinarbeit auch nicht forderlich so dass viele dieser Landwirtschafts Stickbetriebe nur grobere Arbeiten verrichten konnten Ausgenommen davon war die von den Frauen ausgefuhrte reine Handstickerei wie sie vorwiegend in Appenzell Innerrhoden bis weit ins 20 Jahrhundert hinein betrieben wurde Lohne und Arbeitszeiten BearbeitenIn der Hochblute waren die Lohne der Sticker akzeptabel besonders fur die selbststandigen Heimarbeiter Dies obschon die Fergger und die Exporteure versuchten die eigenen Profite zu maximieren indem sie fur angebliche Warenfehler Lohnabzuge reklamierten Schlechter ging es da den Hilfskraften die oft nur von der Hand in den Mund lebten Die Arbeitszeiten waren vor allem bei grosser Nachfrage sehr lang Die praktisch ausschliesslich vom Export abhangige Stickerei war sehr anfallig auf Krisen Sobald der Absatz stockte ging der Lohn der Sticker teilweise rapide zuruck Da die Sticker entsprechend ihrem Berufsbild als selbststandige sehr stolze Arbeiter beschrieben werden beschwerten sie sich ublicherweise nicht uber geringere Einkommen Auch an ihrem Ausseren liessen sie sich nichts ansehen denn sie sparten bevorzugt bei ihrem Essen statt bei ihren Kleidern Gesundheitliche Gefahren Bearbeiten Die Tagesarbeitszeit der Sticker betrug zwischen 10 und 14 Stunden was auch oft zu gesundheitlichen Schaden wegen Uberlastung der Muskulatur die meisten Stickmaschinen waren noch immer von Hand zu bedienen sowie Blutarmut oder Lungentuberkulose fuhrte Die Stellung des Stickers vor dem Pantographen war aus ergonomischer Sicht ausserst ungesund des Stickers Brustkorb wurde teilweise schwer geschadigt und seine Wirbelsaule verkrummt 25 aller Sticker wurden bereits bei der Musterung als dienstuntauglich eingestuft Sauglingssterblichkeit im Kanton St Gallen 5 Anzahl Todesfalle im ersten Lebensjahrauf 1000 LebendgeborenePeriode St Gallen Schweiz1867 1870 272 2101871 1875 252 1981876 1880 232 1881881 1885 209 1711886 1890 182 1591891 1895 164 1581896 1900 145 1431901 1905 149 1341906 1910 128 1151911 1914 111 1011936 1940 45 451951 1955 27 291988 1991 7 7Die Sauglingssterblichkeit war in den nordlichen industrialisierten Bezirken des Kantons St Gallen noch in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts ausserordentlich hoch siehe Tabelle Einer der Grunde dafur war dass die Frauen nach der Geburt der Kinder so schnell wie moglich wieder in den Arbeitsprozess integriert werden sollten da ihre Arbeit benotigt war So wurden die Kinder oft zu fruh abgestillt was zu Magen Darm Entzundungen fuhrte woran Sauglinge oft starben Aufklarung in Hygiene Bearbeiten Verschiedene Mediziner begannen mit Aufklarung in den Bereichen Hygiene Ernahrungsberatung und Kinderpflege den herrschenden Missstanden entgegenzuwirken mit messbarem Erfolg Durch die Hygiene Schulung besonders auch der Lehrer und die Einstellung spezieller Schularzte zur Uberwachung derselben wurde das Hygienebewusstsein der Bevolkerung nachhaltig verbessert Mit Zeitungsartikeln Ratgebern Vortragen und Kursen wurden die Mutter zum burgerlichen Idealbild erzogen wonach es ein heiliger Beruf sei Hausfrau und Mutter zu sein und sich in den Dienst ihres ertraumten Kindes zu stellen Noch zu Beginn des 20 Jahrhunderts standen diesem Idealbild die harten Arbeitsbedingungen der Textilindustrie entgegen weshalb sich Arzte wie z B Frida Imboden Kaiser fur den Aufbau von Beratungsstellen fur werdende Mutter und fur die Sauglingspflege engagierten Neben der ausseren Reinlichkeit galt die Aufmerksamkeit der Arzte auch der Hygiene des Magens also der Ernahrung Milchprodukte und Fleisch wurden als gesunde Produkte angepriesen Genussmittel und Kohlenhydrate kamen in Verruf Dies kam der Landwirtschaft entgegen die sich so vermehrt auf die Viehwirtschaft konzentrierte Auch der bis anhin vollig normale Konsum teilweise grosser Mengen Alkohol wurde bekampft Die Stickerei heute Bearbeiten nbsp Michelle Obama in St Galler Stickerei der Firma Forster Rohner AG wahrend der Amtseinfuhrung ihres Mannes 6 nbsp Schaufenster einer Boutique von Christian Lacroix in ParisObwohl die Stickerei fur die Region langst nicht mehr die Bedeutung hat wie zu Beginn des letzten Jahrhunderts ist sie heute immer noch ein Wirtschaftsfaktor Besonders auch Stickereimaschinenfabriken wie die Benninger AG gehoren zu den grosseren Arbeitgebern der Region Grosse Namen wie Pierre Cardin Chanel Christian Dior Giorgio Armani Emanuel Ungaro Hubert de Givenchy Christian Lacroix Nina Ricci Lecoanet Hemant und Yves Saint Laurent verarbeiten Spitzen aus St Gallen Kaum eine bedeutende Modenschau der Welt verzichtet auf die Prasentation entsprechender Kreationen Auswirkungen auf die Stadt St Gallen Bearbeiten Die grosse Blute der Stickerei und der damit verbundene Reichtum pragten auch das Stadtbild St Gallens nachhaltig Aus heutiger Sicht kann man sagen dass die Stadt um 1920 abgesehen von den spater erweiterten Aussenquartieren gebaut war Die Jugendstil und Neurenaissancebauten aus der Zeit zwischen 1880 und 1930 definieren das Bild der in dieser Zeit gebauten Industriequartiere um die Altstadt Die Namen dieser ehemaligen Geschaftspalaste lassen die einstige Bedeutung des Welthandels fur die Stadt noch erahnen Pacific Oceanic Atlantic Chicago Britannia Washington Florida Heute gibt es nur noch wenige Firmen die St Galler Stickerei produzieren Praktisch nur noch computergesteuerte Stickautomaten kommen zum Einsatz In der Ostschweiz ist die Zeit der Handstickerei endgultig vorbei 2010 gab es noch einen einzigen Handsticker der seine Maschine Baujahr um 1870 professionell einsetzte 7 In der Gallusstadt selbst werden Stickereierzeugnisse neben den traditionellen Modenschauen am CSIO und an der St Galler Fruhlings und Trendmesse OFFA am St Galler Kinderfest prasentiert Dieses Fest verdankt einen grossen Teil seiner Bedeutung und seines Charakters der Stickerei Siehe auch BearbeitenGeschichte der Stadt St Gallen Geschichte des Kantons St GallenQuellen BearbeitenEric Hausler Caspar Meili Swiss Embroidery Erfolg und Krise der Schweizer Stickerei Industrie 1865 1929 Hrsg vom Historischen Verein des Kantons St Gallen St Gallen 2015 ISSN 0257 6198 Link zum PDF unter http www hvsg ch pdf neujahrsblaetter hvsg neujahrsblatt 2015 pdf Ernest Ikle La Broderie mecanique Edition A Calavas Paris 1931 Text im Internet unter Ernest Ikle abrufbar Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik Band 15 Isaak Grobli Erfinder der Schifflistickmaschine Verein fur wirtschaftshistorische Studien 8006 Zurich 1964 Friedrich Schoner Spitzen Enzyklopadie der Spitzentechniken VEB Fachbuchverlag Leipzig 1980 Albert Tanner Das Schiffchen fliegt die Maschine rauscht Weber Sticker und Fabrikanten in der Ostschweiz Unionsverlag Zurich 1985 ISBN 3 293 00084 3 Ernst Ehrenzeller Geschichte der Stadt St Gallen Hrsg von der Walter und Verena Spuhl Stiftung VGS Verlagsgemeinschaft St Gallen 1988 ISBN 3 7291 1047 0 Peter Rollin Konzept Stickerei Zeit Kultur und Kunst in St Gallen 1870 1930 VGS Verlagsgemeinschaft St Gallen 1989 ISBN 3 7291 1052 7 Max Lemmenmeier Stickereiblute In Sankt Galler Geschichte 2003 Band 6 Die Zeit des Kantons 1861 1914 Amt fur Kultur des Kantons St Gallen St Gallen 2003 ISBN 3 908048 43 5 Der Kanton St Gallen Landschaft Gemeinschaft Heimat Amt fur Kulturpflege des Kantons St Gallen ISBN 3 85819 112 0 Einzelnachweise Bearbeiten Caspar Battegay Naomi Lubrich Judische Schweiz 50 Objekte erzahlen Geschichte Hrsg Judisches Museum der Schweiz Christoph Merian Basel 2018 ISBN 978 3 85616 847 6 S 118 121 Ehrenzeller Seite 406 Tanner Seite 186 Quelle Eidgenossische Volkszahlungen in Tanner S 204 Lemmenmeier Seite 12 St Galler Tagblatt vom 22 Januar 2009 In St Galler Spitze Memento vom 14 April 2009 im Internet Archive Markus Wehrli Die letzten Handsticker PDF 506 kB St Galler Tagblatt 24 April 2010 archiviert vom Original am 26 August 2014 abgerufen am 28 Juli 2010 Weblinks BearbeitenSt Galler Textilmuseum Abgerufen von https de wikipedia org w index php title St Galler Stickerei amp oldid 239279084